Die Leichen

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Textdaten
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Autor: Friedrich Christoph Weisser
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Titel: Die Leichen
Untertitel:
aus: Taschenbuch von der Donau. Auf das Jahr 1824, S. 219–221
Herausgeber: Ludwig Neuffer
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1823
Verlag: Stettinische Buchhandlung
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Erscheinungsort: Ulm
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Quelle: Exemplar der HAAB Weimar auf Commons
Kurzbeschreibung:
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Die Leichen.

Erhebe dich, o Lied, zum Ruhm der Leichen!
Nur sie allein sind deiner Kränze werth.
Kaum darf ein Schuft dem Biedermanne weichen,
Sobald aus ihm die schwarze Seele fährt.

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Dem Titus ist ein Nero zu vergleichen,

Wenn er dem Reich der Schatten angehört,
O frommes Grab! dem Redlichen zum Glücke,
Bist du ein Damm für alle Bubenstücke.

Ein Held, ist er vom Daseyn nur geschieden,

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Nie dürstet mehr des Tapfern Stahl nach Mord.

Nicht frevelnd bricht er den gelobten Frieden;
Neckt ihn der Feind, er schweigt, und schlummert fort.
Mögt Ihr ein Schwert, mögt einen Pflug Ihr schmieden,
Ihm gilt es gleich, und glaubt der Muse Wort!

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Die Donner, die an seiner Gruft noch brüllen,

Sie sind zu schwach, mit Lust ihn zu erfüllen.

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Die Unschuld mordet nimmer, Der dort rastet,
Dein Nachbar, o des Wunders! lügt nicht mehr.
Von Jenem wird kein Waisengut betastet,

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Und dieser winkt nicht volle Flaschen her.

Daß dort der Schlemmer ohne Murren fastet,
Zu glauben fällts wohl keinem Zweifler schwer.
Der Reiche hier, zum Ruhm ihm laßt michs sagen,
Drückt nur die Armen, die zur Gruft ihn tragen.

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Den Großen dort, ihn mahnten viele Schulden,

Und ach! zu viele blieben unvergnügt.
Doch mögen auch sich Tausende gedulden,
Wenn nur nicht Jeden eitle Hoffnung trügt!
Ihn zu bestatten, kostet manchen Gulden,

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Und – glaubt nicht, daß die ernste Muse lügt! –

Kein Krämer wird, kein Tischler wird betrogen,
Der Redner nicht, der ihm zum Preis gelogen.

Hier läßt ein Nimrod seine Hunde wedeln;
Ihn ruft zur Jagd nicht mehr das laute Horn.

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Mit Wappen prangen unbewußt die Edeln,

Den Eifrer reizt kein Widerspruch zum Zorn.
Vergessen hat der Sohn Merkurs das Trödeln;
Der Wuchrer fragt nicht mehr: Was gilt das Korn?
Die Lais, ach! geschmeichelt sonst von Allen,

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Gefällt nicht mehr, und will nicht mehr gefallen.


[221]

Mit Unsinn hört Euch Klingklang auf zu quälen;
Der Krittler dort, er hat sich satt gebellt.
Ein Harpagon vergißt sein Gold zu zählen;
Versöhnt hat sich ein Timon mit der Welt.

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Vom Heuchler wird, wie oft die Brüder fehlen,

Nicht mehr die Chronik hier ans Licht gestellt.
Dem Lästern, denkt! und Javas edler Bohne
Entsagt zugleich die würdige Matrone.

Die Mutter starb, und jetzt erst haben eine

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Die Kinder, einst von ihr der Welt geschenkt.

Im offnen Sarge seht dort jene Kleine!
Mit falschen Perlen hat man sie behenkt;
Nicht ächt in ihrer Krone sind die Steine,
Und doch bleibt sie, die Thörinn, ungekränkt.

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Die Haare selbst, nicht nach der Kunst geflochten,

Ihr Tadel, denkt! hat sie nicht angefochten.

Drum soll die Todten nur die Muse preisen,
Wenn Lebende der Schmeichler nur erhebt!
Erst, wenn die Maden gierig von uns speisen,

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Ists nöthig, daß uns Weihrauchduft umschwebt.

Auf, schenkt der Gruft, Ihr Dichter, Eure Weisen,
Und achtet nicht des Volks, das leibt und lebt!
Und will ein Lied der Menge nicht gefallen,
So denkt: Es ist das würdigste von allen!

 Weisser.