Die Neuanwendung des Lust- und Wonnegases in der Chirugie

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Titel: Die Neuanwendung des Lust- und Wonnegases in der Chirugie
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aus: Die Gartenlaube, Heft 18, S. 312
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1879
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[312] Die Neu-Anwendung des Lust- und Wonnegases in der Chirurgie. Vor etwa zehn Jahren überraschten Dr. Colton und andere amerikanische Aerzte die Leidenden, welche an ihrem Körper herumschneiden lassen müssen, mit der tröstlichen Botschaft, daß sie ein Mittel entdeckt hätten, welches das Schmerzgefühl aufhebe, ohne irgend welche Nachwehen zurückzulassen, oder gar unter Umständen tödtlich zu wirken, wie der Aether und das Chloroform. Es handelte sich um die Einathmung eines Gases, dem allerdings ein sehr guter Ruf vorausging, denn der berühmte englische Chemiker Davy hatte es im Jahre 1814 nach seinen Verdiensten „Lust- oder Wonnegas“ getauft. Der ordinäre chemische Name dieses 1776 von dem englischen Chemiker Priestley zuerst dargestellten Gases lautet Stickstoffoxydul, und es besteht, wie die atmosphärische Luft, aus Stickstoff und Sauerstoff, nur daß diese beiden Gase nicht wie in unserer Atmosphäre blos gemengt, sondern chemisch mit einander verbunden sind. In einem zweibändigen Werke hat Humphry Davy die Experimente, die er mit diesem Gase angestellt hat, und die höchst angenehmen Empfindungen geschildert, die ihm das Einathmen bereitete. „Schon nach wenigen Zügen, die man von dem belebenden Gase gethan,“ erzählt er, „stellt sich eine gesteigerte Empfindlichkeit ein; Helligkeit und Glanz verbreiten sich über die wahrgenommenen Gegenstände, hellere Lichtpartieen blenden wie die Sonne selbst, und der leiseste Ton wird deutlich vernommen. Eine Flut angenehmer Erinnerungen geht mit großer Schnelligkeit und in auffallender Lebhaftigkeit, gleichsam wie im Traume, dem Auge vorüber.“

Die angenehmen Empfindungen mit Worten zu schildern, verzweifelten die meisten Experimentatoren; der Eine verglich sie dem Eindrucke eines schönen Dramas, während ein Musikalischer dieselben nur dem Zustand der Begeisterung zu vergleichen wußte, in welchen ihn eine Ausführung des Händel’schen Alexander-Festes mit 700 Musikern versetzt hatte. Einzelne Personen müssen unter dem Einflusse dieses Gases beständig lachen, weshalb man es auch Lachgas genannt hat. Wird die Einathmung desselben fortgesetzt, so erfolgt sehr bald Verlust des Bewußtseins und der Empfindung, sodaß kleinere Operationen wie Zahnausziehen sehr wohl in diesem Zustande ausgeführt werden können. Aber unglücklicher Weise ist die Narkose weder sehr tief noch sehr lang, und wenn die Operation nicht mit großer Schnelligkeit vollführt werden kann, so ist die Einathmung meist vergebens. Daher haben die meisten Zahnärzte auch das Gas vor dem Einatmen durch einen Behälter strömen lassen, in welchen sie mit Chloroform getränkte Schwämmchen gelegt hatten, sodaß es sich im Grunde doch wieder um die Chloroformnarkose handelte, die man eben vermeiden wollte. Nun hat kürzlich der französische Physiologe Paul Bert der Pariser Akademie der Wissenschaften eine Arbeit eingereicht, in der er die Mittel beschreibt, durch welche man auch mittelst dieses unschädlichen und angenehmen Gases eine tiefe und lange Narkose hervorbringen könne. Er mischt das Gas statt mit atmosphärischer Luft mit reinem Sauerstoff und zwar im Verhältnisse voll 85 : 15 und läßt es unter einem Drucke von 15 bis 16 Centimeter einathmen, wobei der Patient neben dem einschläfernden Mittel die gewöhnliche Sauerstoffmenge erhält, deren er bedarf. Auf diese Weise wird sofort fester Schlaf und vollkommene Gefühllosigkeit erhalten, und im Augenblicke, wo nach vollbrachter Operation der Schlauch entfernt wird, kann der Patient ohne Schwindel wieder auf seinen Füßen stehen. Wenn die ferneren Berichte so günstig bleiben, wie die ersten, so haben wir wieder einmal eine höchst wohltätige Erfindung zu begrüßen.