Die Oberharzer Kirchen
Große Münster und altehrwürdige Dome
hat der Oberharz nicht aufzuweisen,
seine Bevölkerung ist erst seit 400 Jahren
hier ansässig und erbaute sich in der
Reformationszeit ihre ersten Gotteshäuser.
Nur Grund und Elbingerode
haben eine ältere Geschichte und reichen mit
ihren kirchlichen Einrichtungen noch bis in das
Mittelalter zurück. Die Einwanderer, die vor 400
Jahren vorwiegend aus dem westlichen Erzgebirge
in den Oberharz kamen, waren schon evangelisch
und richteten deshalb ihre Kirchen mit evangelischem
Gottesdienst ein. Der Herzog Heinrich der
Jüngere von Braunschweig-Wolfenbüttel, ein eifriger
Katholik, suchte sie zwar darin zu hindern,
aber die Bergleute widersetzten sich dagegen und
drohten mit der Auswanderung. Da ließ der
Herzog, dem der Bergbau über alles ging, seine
lieben Bergknappen bei ihrem Glauben.
Die ersten Kirchen im Oberharz wurden alle, wie die Wohnhäuser, aus Holz gebaut, denn das war das gegebene Baumaterial, das auf der waldreichen Hochebene in unermeßlicher Fülle zur Verfügung stand. Das Holz hatte wegen des schwierigen Transportes auf ungebahnten Wegen, und auch aus anderen Gründen, relativ keinen Wert. Daß dies leßtere der Fall war, ist aus den Bergfreiheiten zu ersehen, in welchen die Herzöge den Bewohnern nicht nur zu ihren Gruben- und Häuserbauten, sondern für jeden denkbaren Gebrauch freies Holz gewährten. Die kleinen Holzkirchen waren anfangs einfache, bescheidene Bauten, die erst später bei der wachsenden Bevölkerung einen größeren Umfang erhielten.
In Clausthal wurde die erste Kirche in den Jahren 1570–1573 an der Stelle der früheren alten Bergschule, Ecke der Adolf-Römer-Straße und des Hindenburgplatzes, erbaut. Vermutlich war sie nicht sehr groß und genügte bei der wachsenden Zahl der Bevölkerung bald nicht mehr, auch war sie zu baufällig geworden. Man schritt deshalb im Jahre 1610 zur Erbauung einer neuen Kirche mitten auf dem Marktplatze, die 1611 fertig gestellt und mit Glocken versehen wurde.
Dieses schöne Gotteshaus, das noch 1632 mit prächtigen Malereien ausgeschmückt war, wurde bei dem großen Brande am 20. September 1634 ein Raub der Flammen, worauf man die Kapelle auf dem Gottesacker zur Abhaltung des Gottesdiensteş herrichtete. Es entstand hieraus die Gottesackerkirche, die in der Feuersbrunst am 15. September 1844 mit abbrannte und nicht wieder aufgebaut ist.
Die Marktkirche wurde bald wieder neu aufgebaut und zu Pfingsten 1642 eingeweiht, weshalb sie auch „Kirche zum heiligen Geist“ heißt. Sie ist die größte und schönste der Oberharzer Holzkirchen und gilt als die größte Holzkirche Deutschlands. Aus gewaltigen Fichtenstämmen vom Harz errichtet, ist sie ein rechtes Beispiel bodenständiger Baukunst und bietet Sitzplätze für 2.200 Personen. Einen solchen umfangreichen Bau in jener Kriegszeit herzustellen, war nur dadurch möglich, daß die Silbergruben gute Erträge lieferten, wodurch die öffentlichen Kassen in den Stand gesetzt wurden, namhafte Unterstützungen zu gewähren. Im Jahre 1689 mußte die Kirche durch einen Anbau vergrößert werden. Ein hochragender Glockenturm und ein ebenbürtiger Dachreiter krönen das Gebäude mit ihrem kräftigen Uniriß.
Im Innern der Kirche ist der schönste Schmuck der im Barockstil geschnitzte Altaraufsatz, ein Geschenk des Oberbergmeisters Georg Illing. Den [36] großen Kronleuchter stiftete sein Enkel, der Bergfaktor Georg Elling. Mit dem Altar harmontert die getrennt stehende Kanzel, die von der Gestalt des Moses getragen wird. Jnteressant ist der neue hölzerne Taufstein, dessen Deckel die Taufe Jesu im Jordan durch Johannes darstellt. Die beiden großen Gedächtnistafeln links und rechts vom Altar von Zehntner Berwardt und jeiner Frau Sophia Catharina geb. Illing erinnern an die Beerdigungen, die in der Kirche vor dem Altar stattfanden. Hinter dem Altar ist das Modell der letzten Gottesackerkirche aufgestellt.
In Zellerfeld baute man im Jahre 1538 die erste Kirche an das alte Gemäuer des Zellklosters, die aber bei dem raschen Anwachsen der Gemeinde bald zu klein wurde. Man brach sie deshalb 1563 ab und errichtete unterhalb der jetzigen Terrasse eine geräumige Holzkirche, die im Innern mannigfach geschmückt war. Außerdem wurde 1579 der Anfang gemacht zu einer zweiten Kirche auf dem Gottesacker, behuf der darin zu haltenden Leichenpredigten. Erst 1587 war der Bau vollendet.
Beide Kirchen, die Hauptkirche, die damals schon den Namen St. Salvatoriskirche führte, und die Gottesackerkirche, die man auch Julius-Stift nannte, gingen in dem schrecklichen Brande am 18. Oktober 1672, der fast die ganze Stadt zerstörte, in Flammen auf. Schon im folgenden Jahre wurde die Gottesackerkirche wieder aufgebaut, die man aber nachher wegen Mangels an Mitteln zur Erhaltung derselben, und weil die öffentlichen Leichenpredigten allmählich abkamen, verfallen ließ und am Ende des 18. Jahrhunderts bis auf das unterste Mauerwerk abbrach.
Der Anfang zu der neuen St. Salvatoriskirche wurde am 12. August 1675 gemacht, aber erst am Sonntage Jubilate 1683 konnte sie eingeweiht werden. Es ist ein mächtiger massiver Steinbau, aus Grauwacken und Sandsteinquadern errichtet, der sich von den verschalten Holzbauten der Wohnhäuser monumental abhebt. Eine besondere Zierde der Kirche ist ihr grünes Kupferdach, das dem Stadtbilde einen eigenartigen Reiz verleiht. Statt eines hochaufstrebenden Turmes hat sie nur einen Dachreiter.
Den inneren massiven Ausbau und eine würdige Ausstattung erhielt die Kirche erst 1864 unter Leitung des Baurats Haase-Hannover, der die gotischen Stücke künstlich einfügte und durch zwei Säulenreihen eine dreischiffige Hallenkirche schuf. Die prächtig ausgebaute Kirche wurde am 27. November 1864 in Gegenwart des Königs Georg V. von Hannover, der 10.000 Taler als Beihilfe gestiftet hatte, feierlich eingeweiht. In ihrem südöstlichen Ausbau birgt sie die wertvolle, aus etwa 4.000 Bänken bestehende Calvörsche Bibliothek, die der Kirche auf ewig vermacht ist. Wie die Clausthaler Kirche, so ist auch die Zellerfelder Kirche mit einer wundervollen neuen Orgel versehen, die größte des Oberharzes.
In Wildemann wurde die erste Kirche im Jahre 1543 am Tage Mariä Magdalenä eingeweiht, weshalb sie den Namen Magdalenenkirche erhielt. Nach dem dreißigjährigen Kriege war sie so baufällig geworden, daß der Gottesdienst nicht mehr ohne Gefahr darin abgehalten werden konnte. Mit Hilfe einer von den Herzögen bewilligten Kollekte wurde sie im Jahre 1656 an der Höhe des Gallenberges von Grund auf neu gebaut. Am 1. März 1914 stand die kleine Holztirche plötzlich in Flammen und brannte bis auf die 4 Meter hohen Umfassungsmauern vollständig nieder.
Unverzüglich ging man trotz der durch den Krieg hervorgetretenen Schwierigkeiten und Hindernisse an den Neubau unter Leitung des Architekten Sasse-Hannover, und schon am 15. August 1915 konnte das neue Gotteshaus, eine der schönsten Holzkirchen des Harzes, an derselben Stelle, hoch am Abhange des Gallenberges, und ungefähr in demselben Umfange eingeweiht werden. Die Kirche zeigt in ihrem Äußeren die alte vertraute Form der früheren Kirche, wie es die Einwohner Wildemanns gewünscht hatten. Sie ist im Stil der Harzer Holzkirchen gehalten und fügt sich, wie auch der Turm, harmonisch in das Landschaftsbild ein. Das Innere der Kirche ist mit reichem Schnitzwerk verziert. Kanzel und Altar sind in eins vereinigt, wie in Grund und Altenau. Man findet diese Kanzelaltäre nicht nur im Harz, sondern auch in vielen Dorfkirchen des flachen Landes. Die Orgel hat statt der Prospektpfeifen eine kunstvoll durchbrochene Holzwand zur Verkleidung. Der Balken unter der Orgel wird von zwei als Bergleute geschnitzte Gnomen getragen.
In Lautenthal entstand die erste Kirche 1564, doch war es nur ein kleines hölzernes Gebäude mit einem bescheidenen Türmchen, das am Marktplatze an der Stelle des jetzigen Pfarrhauses stand. Im Jahre 1647 war sie so baufällig geworden, daß man zum Bau einer neuen größeren Kirche schritt. Die Braunschweig-Lüneburgischen Herzöge August und Georg Wilhelm und Christian Ludwig spendeten dazu jeder 100 Taler und bewilligten außerdem eine Kollekte. Kantor Heinrich Retzel und andere Personen sammelten von 1648–1653 in Deutschland über 1.000 Taler, das Bergamt in Zellerfeld unterstüßte die Gemeinde mit einer ganz ansehnlichen Summe und der Oberbergmeister Andr. Bach in Zellerfeld gab ein Darlehen von 300 Taler.
Die Kirche wurde in den Jahren 1649–1653 erbaut, doch zog sich, hauptsächlich durch Schwierigkeiten in der Beschaffung der Baugelder in dieser so ungünstigen Zeit nach dem Dreißigjährigen Kriege, die Vollendung und Einweihung bis zum 25. Juli 1653 hin. im Jahre 1672 [37] wurde der hohe schlanke Kirchturm fertig, und 1673 decke man die Kirche mit Schiefern statt der Holzschindeln. Die Kirche hat schlichte Mauern aus Grauwackensteinen, und der untere Teil des Turmes, der die Jahreszahl 1649 trägt, ist ebenfalls massiv. Im Jahre 1741 wurde die malerisch am Bergeshang gelegene Kirche durch den Aufbau eines weiteren Dachgeschosses und die Anlage einer zweiten Empore oberhalb der ersten vergrößert. Während die kleineren Glocken im Kirchturme aufgehängt sind, ist für das größere Geläute ein besonderer Glockenturm auf benachbarter Höhe im oberen Friedhofe errichtet.
In Grund ließ um das Jahr 1465 der reiche Eisenhüttenbesitzer Hans Streit die Antoniuskapelle erbauen, welche als Filial der St. Moritzfirche in Gittelde untergeordnet wurde. Am 29. Juni 1505 erhob sie die Herzogin Elisabeth von Braunschweig-Wolfenbüttel, die ihren Witwensitz auf der Staufenburg hatte, zur selbständigen Pfarrkirche und stattete sie mit den nötigen Einkünften aus. Bei der Zerstörung Grunds im Dreißigjährigen Kriege durch die Spanier am 11. Februar 1626 brannte die Antoniuskirche bis auf die Umfassungsmauern nieder.
Nach dem Jahre 1631 wurde die Kirche wieder aufgebaut, doch konnte der Kirchturm erst 1640 fertig gestellt werden. Im Jahre 1836 wurde die äußerst baufällige Kirche vollständig erneuert, indent man auf den massiven Unterbau einen hölzernen Oberstock aufsetzte. Auch später waren noch mehrere bauliche Ausbesserungen und Veränderungen nötig, bis die Kirche ihr heutiges Aussehen bekommen hat.
In Altenau bestand bereits 1582 ein Kirchlein, das von seiner Höhe am Berge traulich auf die kleine Bergstadt herniederschaute. Nach der Abbildung von Merian war die Altenauer Kirche dem heiligen Nikolaus geweiht, der als der gabenspendende Weihnachtsmann zu den Bergheiligen gehört. Im Jahre 1669 wurde dies erste Gotteshaus abgebrochen und die jetzige St. Trinitatiskirche[WS 1] an derselben Stelle größer aufgebaut und Pfingsten 1670 eingeweiht. Es ist eine schlichte Holzkirche mit einem beschieferten Turm, die sich dem heimatlichen Landschaftsbilde stimmungsvoll einfügt. Ihre äußere und innere Erneuerung kam erst im vorigen Jahrhundert zur weiteren Ausführung. „Am barocken Kanzelaltar, dessen Schalldeckel Christus mit der Siegesfahne krönt, hat ein Holzschnitzkünstler 1674 nach Leonardo da Vincis Bilde die Einsetzung des heiligen Abendmahls in Relief nachgebildet, und von dem hölzernen Tonnengewölbe der Kirche schwebt ein Engel hernieder und hält in den Händen ein Taufbecken“. Die Kirche besitzt ein besonderes Glockenhaus, das 1684 auf benachbarter Höhe errichtet wurde.
In St. Andreasberg erbaute sich die Gemeinde, die bis dahin in Lauterberg eingepfarrt war, im Jahre 1536 eine kleine Kirche, die der heiligen Dreieinigkeit gewidmet war. Aber schon nach einigen Jahrzehnten war der Zuzug nach Andreasberg so groß geworden, daß das hisherige Gotteshaus nicht mehr ausreichte. Dasselbe wurde deshalb 1568, wie der damalige Schulrektor Joh. Funck berichtet, „aus christlichem und wohlbedachtem Rahte unseres gnädigen Herrn Volkmar Wolffs, Grafen von Hohnstein, Herrn zu Lohra und Klettenberg, auch eines ehrbahren und wolweisen Rahts“ durch einen größeren Neubau ersetzt.
Diese Dreifaltigkeitskirche brannte bei der großen Feuersbrunst am 8. Oktober 1796 mit ab, worauf der Gottesdienst bis zur Errichtung einer neuen Kirche im alten Ludwiger Zechenhause abgehalten wurde. In den Jahren 1809 bis 1811 entstand dann die jetzige St. Martinskirche mit dem kleinen Dachreiter, welche am 10. November 1811 eingeweiht wurde. Sie ist aus Holz gebaut und schaut von ihrer Höhe in der Oberstadt auf die steil abfallenden Straßenzüge der mittleren und unteren Stadt freundlich hernieder. Sie hat auf dem benachbarten Glockenberge ein besonderes Glockenhaus. Die Orgel wurde aus dem Kloster Gernrode geliefert.
In Elbingerode bestand schon eine Kirche vor der Reformation, die 1516 Jakobikirche genannt wird. In der Feuersbrunst vom Jahre 1610 fiel sie den Flammen zum Opfer. Die wieder neu erbaute Holzkirche konnte 1615 eingeweiht werden. Sie wurde bei dem großen Brande vom 27. Mai 1753 ebenfalls in Asche gelegt. Die nach diesem Brande neu erbaute Kirche erhielt erst 1831 einen Turm. Abermals zerstörte ein Brand am 8. Januar 1858 die Holzkirche gänzlich und den Turm bis auf die massiven Mauern.
Die jetzige massive Steinkirche ist 1860–1863 nach den Plänen des Baurats Haase-Hannover im gotischen Stile aufgeführt und am 25. Oktober 1863 in Gegenwart des Königs Georg V. von Hannover feierlich eingeweiht. Der König hatte in hochherziger Weise zum Kirchenbau eine reiche Beisteuer gestiftet.
Hahnenklee-Bockswiese gehörte in kirchlicher Beziehung zu Lautenthal, hatte aber in alter Zeit zu gottesdienstlichen Zwecken einen Raum im alten Hahnenkleer Hofe. Seit 1827 war im ersten Stock des Schulhauses eine Kapelle, die 1883 vergrößert wurde. Deneben stand auf einer kleinen Anhöhe ein besonderer Glockenturm. Im Jahre 1907 erbaute sich die Gemeinde mit Rücksicht auf die vielen Kurgäste eine prächtige Kirche im nordischen Stil, in Holz auf Steinsockel, nach den Plänen des Professors Mohrmann-Hannover. Sie enthält mehrere Türme und bildet eine große Zierde des Kurortes.
Lerbach war zuerst in Osterode eingepfarrt und gehörte zur Johannisgemeinde. Im 17. Jahrhundert hatte die Schule eine kleine Kapelle, weshalb sie Schulkirche genannt wurde. [38] Im Jahre 1729 erhielt die Gemeinde eine eigene Kirche, die in schlichter Weise von Holz erbaut und später vergrößert wurde. Sie hat auf benachbarter Anhöhe einen besonderen Glockenturm, der 1837 errichtet ist.
In Buntenbock, das in kirchlicher Beziehung zu Clausthal gehört, soll schon am Ende des 16. Jahrhunderts eine Kapelle bestanden haben, doch stammt das jetzige Gotteshaus aus späterer Zeit.
In Schulenberg, das in Zellerfeld eingespfarrt ist, befindet sich eine Kapelle im oberen Stock des 1890 erbauten Schulhauses.
Zum Schluß sei noch erwähnt, daß im Oberharz auch zwei katholische Kirchen bestehen, von denen die St. Nikolaus-Kirche in Clausthal 1869 und die Marien-Kirche in Hahnenklee 1928 erbaut ist. Außerdem befindet sich in Clausthal seit 1907 noch die Bethanienkapelle der Evangelischen Gemeinschaft.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vermutlich ist St. Nikolai gemeint