Die Röntgenschen Strahlen und die Reichenbachsche Od-Lehre

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Autor: Prof. Dr. Ludwig Büchner
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Titel: Die Röntgenschen Strahlen und die Reichenbachsche Od-Lehre
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aus: Die Gartenlaube, Heft 9, S. 141–143
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1896
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Die Röntgenschen Strahlen und die Reichenbachsche Od-Lehre.

Von Prof. Dr. Ludwig Büchner.

Es giebt mehr Ding’ im Himmel und auf Erden, als Eure Schulweisheit sich träumt, Horatio.“ Dieser oft citierte Ausspruch des großen Briten hat in diesen Tagen eine abermalige Bestätigung erfahren durch die Röntgensche Entdeckung, welche jetzt so großes Aufsehen macht und an welche sich bereits die weitestgehenden Hoffnungen für die Zukunft knüpfen. Es wird der weiteren Forschung überlassen bleiben müssen, festzustellen, ob und in welchem Umfang diese Hoffnungen berechtigt sind oder nicht. Jedenfalls ist man einer neuen Naturkraft auf der Spur, deren Dasein bis jetzt nur vermutet, nicht bewiesen werden konnte. Was aber dieselbe eigentlich ist, ruht vorerst noch im Schoß eines tiefen Geheimnisses. Das Geheimnis wird auch dadurch nicht durchsichtiger, daß man dasselbe in Verbindung bringt mit einer in den fünfziger Jahren angeblich entdeckten, aber seitdem in völlige Vergessenheit geratenen Naturkraft, dem Od, welche allerdings auf den ersten Anblick eine gewisse Verwandtschaft mit den Röntgenschen Strahlen zu haben scheint. Dieser Anschein hat es denn auch veranlaßt, daß man sich gegenwärtig in den weitesten Kreisen wieder an die Reichenbachsche Od-Lehre zurückerinnert, welche ihrer Zeit eine kaum minder große Aufregung in gelehrten wie nichtgelehrten [142] Kreisen hervorgerufen hat ähnlich der gegenwärtigen Entdeckung. Man glaubte damals ebenfalls einer neuen Naturkraft gegenüberzustehen, welche allerhand nützliche Anwendungen für das tägliche Leben, namentlich in ärztlicher Beziehung, versprach, und welche zugleich durch das Geheimnisvolle, das sie umgab, auf mystisch angelegte Gemüter einen besonderen Reiz ausübte. Auch haben die Anhänger des Spiritismus nicht versäumt, sich zur Erhärtung ihrer Theorien von Zeit zu Zeit ebenso auf die Od-Lehre wie auf die Erscheinungen der Hypnose und Suggestion zu berufen.

Die Hoffnungen, welche man damals an die neue Entdeckung knüpfen zu dürfen glaubte, haben sich allerdings im Laufe der Zeit nicht erfüllt; vielmehr ist die ganze Lehre, wie bereits bemerkt, bald in Vergessenheit geraten. Diese Vergessenheit würde einem erneuten Aufleben weichen, wenn es gelingen sollte, die vermutete Beziehung oder Verwandtschaft mit der Röntgenschen Entdeckung nachzuweisen. Mag dies nun gelingen oder nicht, jedenfalls darf das große Publikum den Anspruch erheben, über die Möglichkeit einer solchen Beziehung durch eine erneute Darlegung der wissenschaftlich nicht genügend begründeten Od-Lehre aufgeklärt zu werden. Dies zur Rechtfertigung der folgenden Ausführungen.

Das Od (der Name stammt aus dem Nordischen) ist nach seinem Entdecker K. von Reichenbach eine bisher unbekannte Naturkraft, ein sogenanntes Dynamid, in ihren Gesetzen und Erscheinungsweisen ähnlich der Elektrizität, dem Magnetismus, der Wärme und eigentlich zwischen diesen drei Naturkräften mitten inne stehend, doch aber durch ein besonderes Verhalten bestimmt von ihnen unterschieden. Das Od ist überall, es durchdringt das ganze Weltgebäude im kleinsten wie im größten, es haftet an allen Personen und Gegenständen und strömt fortwährend von ihnen aus, unter den letzteren am stärksten von den Metallen und von den einfachen Stoffen überhaupt, am schwächsten von Holz, Baumwolle u. dergl. Das Od verhält sich gerade so wie der Magnetismus vollkommen polar, und auf diesem polaren Verhalten beruhen alle seine Erscheinungsweisen, welche ohne dasselbe unsern Sinnen ganz verborgen bleiben würden. Grundgesetz dabei ist, daß sich, ebenso wie bei dem Mineralmagnetismus, ungleichnamige Pole einander anziehen, gleichnamige abstoßen. Auf diese Weise wird das Od teils dem Auge, teils dem Gefühl bemerkbar; der positive Pol dem Auge als gelbrote, unangenehme, häßliche Farbe, dem Gefühl durch Erregung einer lauen, widrigen Empfindung, der negative, dem Nordpol des Magneten entsprechende, dem Auge als schöne, blaue oder bläuliche Farbe, dem Gefühl durch Erregung einer kühlen und zugleich angenehmen Empfindung. Nicht alle Menschen haben die Fähigkeit dieser Empfindungen und Gesichtseindrücke gleichmäßig, die einen gar nicht, die anderen schwach, die dritten stark oder sehr stark. Die letzteren heißen Sensitive, welcher Begriff übrigens nicht mit demjenigen des Sensiblen zu verwechseln ist. Sensible d. h. empfindsame Personen können ebensowohl sensitiv, wie nichtsensitiv sein.

Entdecker des Od war, wie schon erwähnt, Freiherr Karl von Reichenbach, der, 1788 zu Stuttgart geboren, in Tübingen sich Universitätsbildung aneignete und dann ein großer Industrieller wurde. Später wandte er sich dem Studium der Naturwissenschaften (Chemie, Geognosie, Meteorsteinkunde) zu und machte seinen Namen als Naturforscher durch die Entdeckung des Kreosot und Paraffin bekannt und geachtet. Seine „Odisch-magnetischen Briefe“ erschienen im Jahre 1852 in Stuttgart, nachdem sie vorher Eingang in die Beilage der „Allgemeinen Zeitung“ gefunden und, wie gesagt, großes Aufsehen erregt hatten. Ihnen folgten in den Jahren 1854–1867 noch mehrere Schriften desselben Verfassers über denselben Gegenstand.

Die wissenschaftliche Welt nahm die Angaben des damals hochangeschenen Naturforschers nicht ohne weiteres als bare Münze hin, sondern teilte sich in Freunde und Feinde. Unter den letzteren nahm die oberste Stelle ein der berühmte Liebig, mit welchem Reichenbach schon Jahre vorher Differenzen wegen der verweigerten Aufnahme seiner Aufsätze in die „Chemischen Annalen“ gehabt hatte, und welcher sich in einer Rede, mit der er die Münchener Akademie zu eröffnen hatte, mit Entschiedenheit gegen Reichenbach erklärte. Er beging allerdings dabei den Fehler, daß er die Reichenbachschen „Sensitiven“ für krankhaft veranlagte Personen erklärte, was weder mit den eigenen Angaben Reichenbachs, noch mit den Erfahrungen der Nachexperimentatoren übereinstimmte. Hätte er statt „krankhaft“ das Wort „eigens“ oder „eigentümlich“ gesetzt, so würde dieses besser gepaßt haben. Alle Sensitive sind, nach Reichenbachs Lehre, unruhig, ohne selbst einen Grund für diese Unruhe zu wissen, weil ihre Kleider, überhaupt ihre ganze Umgebung stets durch sie selbst mit Od geladen und überladen werden und sie daher stets eine Veränderung ihrer Lage, ihrer Beschäftigung u. s. w. wünschen lassen. Auch alle odischen Ausstrahlungen von anderen Personen oder Gegenständen werden vom Sensitiven empfunden. Daher ist derselbe nicht gern in größerer Gesellschaft, weil die vielen Od-Ausstrahlungen unangenehm auf ihn einwirken – vorausgesetzt, daß sich dabei gleichnamige oder einander entgegengesetzte Od-Polaritäten, also rechts zu rechts, links zu links, berühren.

Die ganze linke Seite eines Menschen (oder Tieres) ist nämlich nach Reichenbach odpositiv, die rechte odnegativ; ähnlich verhält es sich mit der oberen und unteren Körperhälfte. Uebrigens werden alle odpositiven Ausstrahlungen von anderen Personen oder von Gegenständen stärker von den Sensitiven empfunden als die odnegativen. Unter den Gegenständen haben namentlich die Metalle, vor allen Kupfer und Quecksilber, eine starke odpositive Ausstrahlung. Bei jeder chemischen Thätigkeit, bei jeder Zersetzung oder Verbindung, selbst beim Entstehen einer einfachen Lösung und bei dem Verflüchtigen leicht verdunstender Substanzen, bei der Zerlegung des Wassers durch den Voltaischen Apparat, bei jeder Fäulnis, bei dem chemischen Prozesse des tierischen Atmens, ferner bei dem Entstehen der Schwingungen in der Luft durch schallende Körper, bei jeder mechanischen Reibung, bei jeder Entwicklung von Wärme, bei jeder Thätigkeit des elektrischen Agens etc. wird nach Reichenbachs Behauptung eine gewisse Menge von Od frei und dem Gefühl oder Gesicht des Sensitiven bemerkbar. Durch dieses Verhältnis und durch das häufige Zusammentreffen verschiedener Od-Polaritäten im täglichen Leben entstehen nun für den Sensitiven mannigfache Belästigungen, Empfindungen, Gesichtsbilder, die er sich nicht zu erklären weiß und die dem Nichtsensitiven ganz unbekannt sind. Es ist ihm z. B. – abgesehen von der bereits erwähnten Abneigung gegen größere Gesellschaft oder Volksaufläufe – unerträglich, wenn sich jemand hinter seinen Stuhl stellt, weil sich dabei gleichnamige Od-Polaritäten einander berühren, oder wenn jemand links zu links neben ihm steht oder dicht hinter ihm geht u. s. w. Daher rührt auch nach Reichenbach die allgemeine Sitte aller Kulturvölker, den bevorzugten Personen die rechte Seite als Ehrenseite anzuweisen, weil die linke Seite des Sensitiven als odpositiv die stärkste Empfindlichkeit hat und am meisten die Berührung mit einem ungleichnamigen Pole liebt. Da auch zwischen der vorderen und hinteren Körperhälfte der stark Sensitiven ein polarer Gegensatz besteht, so ist der Sitzplatz eines Sensitiven auf einem Stuhl, einem Sofa, vor einem Piano, in der Kirche, im Theater, für ihn von größter Wichtigkeit. Tausende von sitzenden Arbeitern oder Arbeiterinnen werden auf diese Weise, ohne es zu ahnen, zu Opfern eines ihnen unbekannten Verhältnisses. Eine Haupteigentümlichkeit der Sensitiven besteht auch darin, daß sie, wenigstens in unsern Himmelsstrichen (wegen des odpolaren Verhaltens des Erdkörpers) bei Nacht stets oder meist auf der rechten Seite liegen, weil sich auf diese Weise der odnegative Pol derselben gegen den odpositiven Pol der Erde kehrt. Auch die Lage mit dem Kopf nach Norden, mit den Füßen nach Süden ist wegen des Zusammenstoßes ungleichnamiger Polaritäten von Wichtigkeit. Kranke können nach Reichenbach jahrelang vergeblich behandelt werden, wenn sie nicht eine ihrer Sensitivität entsprechende Lage im Bett einnehmen.

Alle diese Eigentümlichkeiten der Sensitiven – so lehrt nun Reichenbach weiter – können in demselben Individuum vereinigt sein. In der Regel jedoch fehlen einzelne derselben, während andere vorhanden sind oder stärker hervortreten.

Die Experimente, auf welche Reichenbach seine Theorie stützt, beziehen sich teils auf die Empfindung, teils auf das Gesicht der Sensitiven. Magnete und große Krystalle scheinen die Kraft der Od-Ausstrahlung am stärksten zu besitzen. Die darüber gehaltene Hand des Sensitiven empfindet den Südpol des Magneten oder die Basis eines großen Bergkrystalls warm, lau und widrig, den Nordpol oder die Spitze des Krystalls kühl und angenehm. Beidemal zeigt sich das Gefühl eines aufsteigenden Hauchs oder Windes. Auch Sonnenlicht und Wärme haben odische Wirkung. Ein Glas Wasser, welches man während einiger Minuten in das blaue Sonnenlicht oder an die Spitze eines Bergkrystalls oder an den [143] Nordpol eines Magneten gestellt hat, schmeckt dem Sensitiven angenehm, kühl, säuerlich; ein solches aus gelbem Licht oder vom Südpol des Magneten oder von der Basis des Krystalls schmeckt lau, unangenehm, widrig und kann sogar Erbrechen erregen.

Die odischen Gesichtserscheinungen werden in einer absolut finsteren Kammer, der sogenannten Dunkelkammer, beobachtet, in welcher die Versuchspersonen stundenlang verweilen müssen, bis sich die lichten Scheine wahrnehmen lassen, welche von den Enden eines Magneten oder eines Krystalls (positiv gelbrot, negativ blau) ausströmen. Zuletzt erglüht der ganze odausstrahlende Körper selbst in einem gleichmäßigen weißlichen Lichte. Bei starken, aufrecht stehenden Magneten kann das übrigens nur dem Auge des Sensitiven bemerkbare Licht so stark werden, daß es flammenartig bis zur Decke des Zimmers emporstrahlt. Uebrigens fangen nach kürzerer oder längerer Dauer fast alle in der Dunkelkammer befindlichen Gegenstände, wie Blumenstöcke, Schmetterlinge, Tiere, Menschen, ja der Sensitive selbst an, leuchtendes Od auszustrahlen, letztere rechts in einem mehr blauen, links in einem mehr gelblichen Lichte. Schließlich ist der Sensitive imstande, fast alles zu erkennen, was im Zimmer befindlich ist. Er sieht den Atem der Anwesenden, wie seinen eigenen, sieht angeschlagene Metallstäbe oder Glocken, den Rauch flüchtiger Stoffe, geriebene oder elektrisch erregte Drähte, mit Flüssigkeit geschüttelte Flaschen u. s. w., weil bei allen diesen Gelegenheiten Od frei wird.

Die Erscheinungen des tierischen Magnetismus reduzieren sich nach Reichenbach einfach auf Odismus. Die sogenannten Metall- und Wasserfinder sind nichts anderes als Hochsensitive, welche das in der Tiefe der Erde entwickelte Od empfinden. Die Leute, welche bei Nacht Geister auf Gräbern oder Kirchhöfen gesehen haben wollen, sind von odischen Ausdünstungen getäuscht worden, die durch den Verwesungsprozeß erzeugt wurden.

Leider war Reichenbach trotz seiner Bemühungen nicht imstande, ein Odoskop oder einen Odometer zu erfinden, mittels dessen man die Anwesenheit von Od jederzeit physikalisch hätte nachweisen können – ein Umstand, der gegen die ganze Entdeckung von vornherein mißtrauisch machen mußte.

Dieses Mißtrauen mag es zum Teil verschuldet haben, daß nur sehr wenige ernste Nachprüfungen der Od-Lehre bekannt geworden sind. Auch der Umstand, daß nicht alle, sondern nur einige gewissermaßen bevorzugte Personen der Odwirkung zugänglich waren, konnte nicht für dieselbe einnehmen. Dennoch war eine solche Nachprüfung unerläßlich, wenn man in der Sache zu einem bestimmten Urteil kommen wollte. Dies der Anlaß zu den im Jahre 1853 von dem Verfasser dieses Aufsatzes in Gemeinschaft mit Prof. Rapp und Dr. Ranke auf der Tübinger medizinischen Klinik angestellten Versuchen.

Wir experimentierten anfangs mit starken, hufeisenförmigen Magneten, später auch mit einem mäßig großen Bergkrystall. Versuchspersonen waren teils wir selbst, teils Patienten und dienendes oder helfendes Personal der klinischen Anstalt, wobei außer uns niemand wußte, um was es sich eigentlich handelte, und wobei ängstlich vermieden wurde, die Versuchspersonen auf dasjenige aufmerksam zu machen, was sie empfinden sollten. Allerdings konnte nicht vermieden werden, daß sie sehr bald errieten, was gefühlt oder gesehen werden sollte. Unter den ungefähr hundert Personen, welche geprüft wurden und unter denen sich die ungefähr gleiche Zahl von Männern und Frauen befand, trafen bei etwas weniger als der Hälfte die Reichenbachschen Angaben in mehr oder weniger ausgesprochener Weise zu, während eine ungefähr gleiche Anzahl gar keine Empfindung hatte. Neun Personen empfanden umgekehrt, sechs an beiden Polen gleichmäßig. Die linke Hand, d. h. die odpositive Seite, war entschieden weit empfindlicher als die rechte. Fast alle, welche die Empfindung von kalt und warm gehabt hatten, gaben zugleich unaufgefordert an, daß von dem Pole aufwärts ein leiser Hauch oder Wind an ihre Hand ziehe, welcher sich mehreremal durch den ganzen Arm verbreitete und denselben angriff oder ermüdete. Das Geschlecht machte keinen Unterschied. Wir selbst, d. h. die Experimentatoren, empfanden gar nichts. Uebrigens waren die Angaben einiger der Versuchspersonen nicht an allen Tagen dieselben, sondern widersprachen sich insofern, als sie den an früheren Tagen gemachten gerade entgegengesetzt waren. Auch fehlte es nicht an Angaben verschiedener Empfindungen, wenn man bei verbundenen Augen die Hand in die Luft statt über den Magneten hielt!!

Ganz ähnliche Resultate ergaben die Versuche mit dem in Berührung mit den Magnetpolen gebrachten Glase Wasser.

In der Dunkelkammer hielten wir mit verschiedenen Personen beiderlei Geschlechts elf Sitzungen von je ein bis drei Stunden Dauer. Die Herstellung einer solchen Dunkelkammer, in welcher absolute Finsternis herrschen soll, ist nicht leicht. Anfangs glaubt man allerdings sich in vollkommener Finsternis zu befinden. Aber nachdem man eine Viertel- oder halbe Stunde darin zugebracht hat, sieht man bald da, bald dort einen leisen Lichtschimmer von außen hereindringen, welcher durch abermaliges Verkleben beseitigt werden muß. Die Mehrzahl der Versuchspersonen sah von den Reichenbachschen Lichterscheinungen nichts; eine Minderzahl dagegen wollte sehr intensive Lichterscheinungen verschiedener Art bemerkt haben. Der Hufeisenmagnet wurde in einem weißlichen Lichte erglühend erblickt, während von seinem Nordpol ein blauer, von seinem Südpol ein gelbroter Schein ausstrahlte. Auch andere Gegenstände oder Personen wurden von den Sensitiven gesehen und die Stellen bezeichnet, wo sie standen. Einige Angaben von Hochsensitiven nehme ich Anstand, wiederzugeben, teils ihrer Unbestimmtheit wegen, teils weil die Phantasie dabei eine übermäßige Rolle zu spielen schien. Uebrigens waren die Hochsensitiven in der Regel solche Personen, welche auch den Einwirkungen des tierischen Magnetismus zugänglich waren. Daß aber den Angaben solcher Personen nur mit größter Vorsicht zu begegnen ist, ist bekannt.

Ein abschließendes Urteil über die Od-Lehre konnte bei der Unbestimmtheit und Zweifelhaftigkeit der von uns erlangten Resultate nicht erreicht werden. Auch anderen Experimentatoren scheint es nicht besser ergangen zu sein, da man im Laufe der Jahre nichts darüber vernommen hat, und da die Lehre, wie gesagt, in Vergessenheit geriet. Ueber die Frage, ob dieselbe nunmehr in irgend welche Verbindung mit der Röntgenschen Entdeckung gebracht werden kann, mag die Zukunft entscheiden. Doch spricht sehr der Umstand dagegen, daß die Röntgenschen Strahlen eine physikalische Erscheinung sind, welche unter Herstellung bekannter Bedingungen jederzeit mit Sicherheit hervorgerufen und von jedermann beobachtet werden kann, während das Dasein der odischen Ausstrahlungen nur aus den subjektiven Empfindungen einzelner, besonders disponierter Personen und aus deren darüber gemachten Aussagen gefolgert wird. Welche reiche Quelle von Täuschungen dabei fließen kann, weiß jeder, der sich mit dem Studium tierisch-magnetischer oder ähnlicher Erscheinungen beschäftigt hat. Die menschliche Phantasie ist bis zu einem fast unglaublichen Grade befähigt, solche Täuschungen hervorzurufen oder Dinge wahrzunehmen, die nicht da sind, wofür ja Geschichte und tägliche Erfahrung zahllose sprechende Beispiele liefern. Hat es doch im Mittelalter Leute gegeben, z. B. Luther, welche den Teufel in leibhaftiger Gestalt zu erblicken glaubten oder welche einen Eid darauf ablegten, daß sie eine Hexe auf einem Besenstiel durch die Luft hätten reiten sehen! Und giebt es doch auch heute noch Leute in Menge, welche Geister, Gespenster u. s. w. zu erblicken glauben, ohne daß irgend etwas da ist. Warum sollte es also nicht möglich sein, daß phantasievolle Personen Empfindungen zu verspüren oder Dinge zu sehen glauben, denen die Wirklichkeit nicht entspricht? Wie viele Personen geraten bei Tischrückungs- oder tierisch-magnetischen Versuchen in die größte Aufregung, wenn man einen Stahlmagneten in ihre unmittelbare Nähe bringt, während sie vollkommen ruhig bleiben, wenn diese Annäherung in einer ihnen unbemerkbaren Weise geschieht!

So mag die Phantasie auch bei den odischen Erscheinungen eine ausschlaggebende Rolle spielen. Dieselben können wegen des schon erwähnten Mangels eines physikalischen Hilfsmittels zur Erkennung odischer Anwesenheit wissenschaftlich nicht kontrolliert werden. Sollte vielleicht ein solches Hilfsmittel mit der Zeit gefunden werden, so wäre die Frage, ob eine Verwandtschaft mit der Erscheinung der Röntgenschen Strahlen anzunehmen sei, berechtigter als gegenwärtig. Vorerst aber ist dazu wenig oder gar keine Aussicht vorhanden. Die Spiritisten oder Geister- und Gespenstergläubigen werden freilich dabei bleiben, daß die Erscheinungen des Odismus, des tierischen Magnetismus, des Hypnotismus, der Suggestion, der Telepathie, des Gedankenlesens, der Seelenriecherei u. s. w. alle aus der nämlichen Quelle fließen, und werden auch nicht versäumen, die Entdeckung der Röntgenschen Strahlen für ihre Sache in Anspruch zu nehmen. Erfolg oder Beweis bleibt abzuwarten.