Die Reichsstadt Schwäbisch Gmünd in den Jahren 1523-25

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Autor: Emil Wagner
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Titel: Die Reichsstadt Schwäbisch Gmünd in den Jahren 1523–25
Untertitel:
aus: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte 2 (1879),
S. 26–33, 81–101
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Erscheinungsdatum: 1879
Verlag: W. Kohlhammer
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Erscheinungsort: Stuttgart
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Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
Siehe auch Schwäbisch Gmünd
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[26]

Die Reichsstadt Schwäbisch Gmünd
in den Jahren 1523–25.


Von
Emil Wagner,
Pfarrer in Michelbach bei Oehringen.

Auch die in späterer Zeit für ihr zähes Festhalten am Alten, im kirchlichen und politischen Leben, fast sprichwörtliche Reichsstadt Schwäbisch Gmünd ist von der Bewegung am Anfange des sechzehnten Jahrhunderts keineswegs unberührt geblieben, sondern ist von ihr so tief und nachhaltig erschüttert worden, daß die Schwankungen bis an das Ende des Jahrhunderts fortdauerten. Dies zu zeigen und urkundlich nachzuweisen, ist die Aufgabe der folgenden Darstellung.

Zunächst soll der im Jahre 1525 zur höchsten Entwicklung und zu einem vorläufigen Abschluß gekommene Anfang der dortigen Bewegung in drei Kapiteln beschrieben werden:

I. Reformbestrebungen vor dem Bauernkriege.
II. Gmünds Haltung während desselben.
III. Die Reaktion nach demselben.

Was die Quellen für unseren Bericht betrifft, so bieten für den zunächst in’s Auge gefaßten Zeitabschnitt die Chroniken Gmünds keine irgend erhebliche Nachricht und werden daher erst bei einem späteren aufgezählt werden; dagegen enthält das Gmünder Archiv folgende ursprüngliche Quellen:

1. „Fasciculus Actorum über die 126 Original- und andere authentische Urkunden und Beilagen deren in des hl. Röm. Reichs Stadt Schwäbisch Gmünd von 1525 bis 1635 angedauerte lutherische Religionstroublen. Zusammengetragen 1738“ (im Folgenden mit F. A. bezeichnet).

Der Sammler dieser Urkunden (wahrscheinlich der Registrator Jakob Dudeum) konnte einige Stücke nicht entziffern und mit Bestimmung von Daten nicht umgehen und hat durch die Ordnung, in welcher er die Urkunden numerirte, und durch die mitunter beigefügten unrichtigen Regesten spätere Benützer der Urkunden irregeführt. Gustav Schwab[WS 1] , durch dessen Verdienst diese Sammlung in den Zwanziger Jahren vor Verschleuderung bewahrt worden ist, ließ sie einbinden und theilte eine Anzahl, besonders den Bauernkrieg betreffender Akten in seiner „Neckarseite der schwäbischen Alb“ S. 283–89 mit, gab aber nur das vom Sammler vorgezeichnete verkehrte Bild der Ereignisse wieder. Ihm folgen auch andere Darsteller, z. B. Grimm[WS 2], Geschichte der ehemaligen Reichsstadt Gmünd 1866[WS 3], auch zum Theil die Beschreibung des Oberamts Gmünd.

Die Chronik des Joseph Doll (1753-76 Dekan von Gmünd) ist nur ein durch wenige Zusätze erweiterter unkritischer Auszug aus dem Fasciculus Actorum etc. bezw. seinen Regesten.

[27] 2. 93 Beilagen zum F. A., welche Referent 1856 aus einem ungeordneten Aktenhaufen des Gmünder Archivs hervorzog und zu einem chronologisch geordneten Bande vereinigte. Sie bilden, namentlich für die Jahre 1525 und 1574, eine werthvolle Ergänzung des F. A.

3. Eine Sammlung von Rathsdecretis von 1520–42.

4. Das Klagebuch von 1520–27.

5. Die Stadtrechnung von 1525.

Außerdem wurden benützt: Verschiedene Akten der Stadtarchive von Augsburg und Nördlingen.

Die handschriftliche Chronik des Clemens Sender[WS 4], in der Augsburger Stadtbibliothek befindlich. Referent konnte nur eine alte Abschrift benützen.

Der gedruckte lateinische Auszug aus dessen leider verloren gegangener Chronographia durch P. Braun: P. Clementis Senderi Historica relatio de ortu et progressu haeresum in Germania.

Weitere Quellen am betr. Orte.


I. Reformbestrebungen vor dem Bauernkriege.

Während in Schwaben da und dort, namentlich in dem benachbarten Eßlingen durch Michael Stiefel[WS 5], die zu einer Reformation aufrufende Stimme Luther’s schon um 1520 einen mächtigen Widerhall auch beim Volke fand, lassen dagegen die spärlichen aus den Jahren vor 1525 erhaltenen Nachrichten vermuthen, daß in Gmünd erst um 1523 die Gährung jener Zeit sich einigermaßen der Einwohnerschaft bemächtigte und erst 1524 bestimmte Bestrebungen politischer und kirchlicher Reform in dem kleinen Gemeinwesen die Gemüther bewegten und den Leitern desselben zu schaffen machten.

Am 11. August 1523[1] beschloß der Rath „nachdem sich in den Klöstern zutragen will, daß sie – öffentlich Zech halten, ihre Wein um Geld ausschenken, auch darin lassen verbotene und andere Spiel thun, auch kugeln“ – es den Ordensleuten durch den Bürgermeister sagen zu lassen „daß sie sich dessen sollen maßen – wo sie das verachten würden, werde ein erbarer Rath dagegen handeln das ihnen nicht zu gutem kommen werde“.

Im September sodann erhielt der Rath[2] vom Generalvikar des Bischofs von Augsburg das Recht eingeräumt, „so die Priester sich ungeschickt und eines unpriesterlichen Wesens halten, daß sie Macht sollen haben, die gefänglich anzunehmen, in Thurm zu legen oder gen Augsburg zu schicken, und soll E. E. Rath solichs unserem gnädigen Herrn (dem Bischof) – zu wissen thun“[3].

Die Bewegung unter dem Volke, durch welche der Rath zu solchen Maßregeln gegenüber dem Klerus gedrängt wurde, spiegelt sich in dem gleichzeitigen Verbote: daß nicht Nachts jung und alt auf der Straße schandliche Lieder singen, unordentlich Geschrei treiben, sich nicht mit überflüßigem Wein beladen und Gott lästern solle, bei Strafe – unter dem 8. Dezember: daß niemand mit brennenden Spänen Nachts auf den Gassen gehe, Tanzen, Trommelschlagen und Pfeifen; bei Strafe wird ferner verboten das Schwätzen in den hl. Aemtern und Predigt.

[28] Eine Theurung war im Anzuge, so daß besondere Bittgänge in der Pfarrkirche angeordnet, öffentliche Lustbarkeiten verboten wurden und der Rath den Bürgern die Anlegung eines Mehlvorraths empfahl – aber die obengenannten Maßregeln gegen die Geistlichkeit beweisen, in welcher Richtung das öffentliche Gewissen rege geworden war und nach Befriedigung verlangte.

Die erste Spur von lutherischer Predigt in Gmünd finden wir in Senders Chronik,[4] wo unter dem Jahre 1524 erzählt ist: „An St. Sixten Tag (6. August) sind uf dem Perlach in Augsburg, (die Umgebung des Glockenthurms gleichen Namens) heimlich zusammenkommen bei 1800 Mann und haben einen Rath gebeten, daß man ihnen den Barfüßermönch, ihren lutherischen Prediger laß; denn ein Rath hie hat in geschafft hinweg zu ziehen, ursach daß ihm ein Rath zu Gmünd von seiner aufrührischen Predigt wegen und daß er offen seinen Orden hat hingeworfen und wie ein Landsknecht gangen, die Stadt verboten; da hat dieser Barfüßer, wie er zu Gmünd hat Aufruhr gemacht, Unkeuschheit trieben und täglich voll Wein ist gewesen, also auch zu Augsburg und hat hier eine solche Gesellschaft – ihm gleich – an sich gehenkt und nach ihrem Rath und Eingeben täglich gepredigt, dabei er seines eigenen Nutz nit vergessen hat und in kurzer Zeit ob 600 fl. zuwege gebracht“.

Der hier Geschilderte ist nach anderen Nachrichten[5] der Barfüßermönch Johann Schilling, aus Rothenburg a. T., zu dessen Gunsten das niedere Volk in Augsburg damals einen Aufruhr erhob, durch welchen ihm zwar die Erlaubnis zur Rückkehr ausgewirkt wurde, aber nur auf wenige Monate, wogegen zwei Weber mit dem Kopfe büßen mußten.

Die Augsburger Rathsdekrete enthalten nur die Thatsache seiner Ausweisung aus Gmünd. Für den Grund derselben und für die Art von Schillings Auftreten daselbst ist Sender unser einziger Gewährsmann. Seine ausgesprochene Abneigung gegen die Reformation[6] nöthigt uns, gegen seine Charakteristik mißtrauisch zu sein und auch einem anderen Zeugen das Wort zu geben, v. Stetten. Er sagt (I, 443 flg.) über Schilling nur dies: er hätte durch seine allzu hitzige Predigten wider die katholische Geistlichkeit gar leicht große Unruhen anrichten können, wann ihn der Rath nicht noch in Zeiten geurlaubet hätte. Vom gemeinen Volk hatte er jederzeit einen ungemeinen Zulauf gehabt“. Der Ausschuß, den an jenem Aufruhrtage die Menge auf des Raths Aufforderung aufstellte, gab ihm das Zeugnis, daß er „ihnen das Wort Gottes rein und lauter gepredigt habe“. Von „Unkeuschheit“, die Schilling getrieben, – ein Vorwurf, der damals von kirchlicher Seite jedem Geistlichen gemacht werden mochte, der sich verheiratete – weiß von Stetten nichts. Immerhin wird man zugeben müssen, was Keim von ihm sagt: „ein Mann, dessen Züge mehr Pfiffigkeit als Frömmigkeit zeigen, ein hitziger, zu manchen Skandalen Anlaß gebender Eiferer“.

Dies ist also der Mann, der zuerst, etwa um 1523, in Gmünd die evangelische Lehre verkündigte. Die tumultuarische Weise seines Auftretens werden wir bei der Beurtheilung der späteren Begebenheiten im Auge zu behalten haben: wenn in Gmünd frühe schon die Regierenden Evangelium und Aufruhr gleichsam als Zwillingsgeschwister angesehen haben, so dürfen wir, bei einem solchen Anfange, uns wenig darüber wundern.

[29] Die erste direkt auf uns gekommene Aeußerung des Raths, mit der er sich über seine Stellung zu der Zeitbewegung aussprach, ist vom 4. Okober 1524[7] datirt. An diesem Tage wurde ein „großer Rath“ gehalten, wobei die Zunftmeister ihren Eid als Rathsmitglieder ablegten[8]. Hiebei hielt der Bürgermeister Wilhelm Egen an dieselben eine Rede, in welcher er zuerst den Vorwurf zu entkräften suchte, als „sollte der Rath das hl. Evangelium und das Gotteswort niederdrücken; das E. E. Rath nicht gethan, sondern den Prädikanten laßen sagen, daß sie das hl. lauter Evangelium apostolischer und biblischer Lehre sollen predigen und vermeiden was disputirlich sei und zu Aufruhren dienen möchte. Nun möchten aber etlich sein, die sich rottiren und ihres eignen Willens im Schein des hl. Evangeliums zu Aufruhren – erzeigen wollten. – So ein Rath mit der Straf dagegen handeln würde, weß sich E. E. Rath zu ihnen, den Zunftmeistern, mit Beistand getrösten sollte“? Auf diese Anfrage erfolgte der Beschluß des großen Raths, „daß sie bei dem hl. Evangelium – ihr Leib und Gut wollen laßen bleiben. So jemand sich eigens Kopfs gebrauchen und wider das Gotteswort sein, oder ein Rath gegen denselben Straf fürnehmen wollte, so wollen die Meister ihm getreuen Beistand thun“.

Mag damals wirklich der Rath für die Predigt des Evangeliums so günstig gestimmt gewesen sein wie die obigen Worte des Bürgermeisters lauteten, so beweist doch dieser Vorgang, daß die politische Gährung, die ihren Herd damals besonders unter dem Landvolk hatte, auch die Bürgerschaft zu ergreifen drohte und es für den Rath immer schwerer wurde, das positive Element kirchlichreligiösen Fortschritts einerseits und eine für seine erblichen Vorrechte bedenkliche Lust zu Neuerungen auf politischem Gebiete andererseits auseinanderzuhalten; immer größer wurde für ihn die Versuchung, seine Abneigung gegen die letztere auf die erstere zu übertragen.

Am 23. November[9] „ist dem Bauern, so pflegt zu predigen, von einem E. Rath gesagt worden, daß er weder in der Stadt, noch im Zehent oder auf eines Raths Grund nit predigen sollt weder heimlich noch öffentlich“.

Zuvor schon – Mitte November 1524, brachten 5 Gmünder eine Supplikation vor den Rath und baten denselben, „einen Prädikanten zu bestellen[10]. Es sei bisher von den Prädikanten allhier das hl. Evangelium ungleiches Verstands gepredigt worden, also daß einer weiß, der ander schwarz gepredigt hätte“, daher „begehrten sie eines Prädikanten, der ihnen allein das klar lauter Evangelium predigen sollte, wie in anderen Städten“.

Dieselben wurden am 7. Dezember abschlägig beschieden: „es wäre nit von Nöten, dieser Weil einen Prediger zu bestellen – denn E. Rath hätte mit allen Predigern allhier ernstlich laßen verfügen, daß sie das hl. lauter pur Evangelium mit seiner gebührenden Auslegung sollten predigen und andere disputirliche Sachen, so zu Feindschaft oder Aufruhren möchten dienen, unterlaßen“. Schließlich werden die Bittsteller darüber zurecht gewiesen, daß sie „sich also zuruck eines Raths zusammenrottirt, wo das mehr beschehe, würde er sie darum strafen“.

[30] Daß jedoch mit der Beförderung des lautern Evangeliums, deren der Rath sich rühmt, nicht dasselbe gemeint war, was die Bittsteller im Auge hatten, nemlich lutherische Predigt, erhellt ganz deutlich aus einem Aufruf vom 19. Dezember, worin – mit Berufung auf ernste, von Drohungen begleitete Kaiserliche Mandate – „Bürgermeister, Rath und Zunftmeister allen ihren Bürgern, Einwohnern und Zugehörigen verkündigen ließen und ernstlich bei schwerer Strafe geboten, daß niemand, wer da sei, Manns- oder Frauenbilder etc., des Luthers neue irrige Lehre, Bücher, Gemäld, Lieder annehmen, lesen, singen, kaufen – oder feil haben, auch den Predigern in ihrer Predigt – nit freventlich widersprechen oder einreden solle“.

Dem großen Rath theilte am folgenden Tage der Bürgermeister die Beschlüsse der Reichsstädte und der Stände des Schw. Bundes, Luthers Lehre betr. mit, auch einige Kais. Mandate und besonders das Edikt von Worms. Abgeordnete der Städte hatten in Ulm getagt[11] und hatten, die Erfüllung des Wormser Edikts für unmöglich erklärend, an den Kaiser die Forderung freier Predigt des lauteren Gottesworts gerichtet. Eine ganz andere Tendenz hatten natürlich die Kais. Mandate. Näher bezeichnet[12] ist namentlich das, von Burgos aus, im Juli erlassene, welches den, für den November in Aussicht gestellten Reichstag zu Speyer untersagte, den Wormser Beschluß streng einschärfte und weiteres Vorgehen der Städte in Religionssachen verbot.

Auf die gestellte Frage erklärte die Mehrzahl, daß sie „Gott, zuvorderst dem hl. Evangelium und K. Majestät allzeit geloben und gehorsam sein und ihr Leib und Gut zu dem Rath setzen, auch diejenigen so sich dawider setzen, oder auch sonderliche sekt annehmen – wollten, wollen sie helfen strafen“. Indem so der Rath sich auf die Seite der Kaiserlichen Mandate stellte, verwarf er für Gmünd den Beschluß der Städte, und dem Pfarrer und Helfer, die hierauf vorgeladen wurden, las man dem entsprechend nur die K. Mandate vor und schärfte ihnen von Neuem ein, sich diesen gemäß zu verhalten.

Hier ist der Ort, um uns mit dem Manne bekannt zu machen, der im folgenden Jahre das hauptsächlichste Werkzeug der kirchlichen Reformbestrebungen in Gmünd werden sollte. Es ist der eben genannte Helfer, Andreas Althamer[13].

Derselbe wurde 1498 zu Brenz, zwei Stunden von Gundelfingen, als Sohn wenig bemittelter Bauersleute geboren. Sein Oheim Johann Kürschner, ein Geistlicher, nahm sich um den begabten Knaben an und ließ ihn in Augsburg, wo er sich selbst zuerst aufhielt, sechs Jahre hindurch die lat. Schule besuchen. Später zog der Oheim nach Gundelfingen; von den mancherlei Beziehungen zu Gundelfingen, die sich hieraus für Althamer ergaben, mag der Name Gundelfinger[14] herrühren, der ihm zuweilen [31] beigelegt wird (z. B. bei Keim S. 46). Von seinem Oheim für das Studium der Theologie, mit Aussicht auf die einstige Nachfolge in seiner Pfründe, bestimmt, inskribirte Althamer am 8. Mai 1518 zu Tübingen, das er aber 1519 mit Leipzig vertauschte. Hier blieb er bis 1521, erlebte also daselbst die berühmte Disputation. Was seine Studien betrifft, so hielt es der Oheim für nöthig, ihn zu eifrigerer Beschäftigung mit den zu seinem künftigen Beruf nöthigen Fächern: philosophia moralis vel naturalis oder jus canonicum zu ermahnen. Aber größeren Einfluß als diese Aufforderungen übte auf den Neffen das Beispiel des Oheims. Dieser war nemlich ein eifriger Forscher auf dem Gebiete deutscher namentlich schwäbischer Alterthumskunde – und so waren Geschichte und Poesie damals die Hauptgegenstände auch von Althamers Studium. Er ging schon als Student mit der Herausgabe eines Buchs Antiquitatum Germanicarum thesaurus um[15]. Mit Begeisterung für deutsches Wesen, das er mit schwäbischem Selbstgefühl besonders in den Schwaben verkörpert sah, gab er sich diesem Studium hin, ein Idealismus, den der Oheim durch die Erinnerung an die beschränkten Verhältnisse seiner Eltern (quare tu aliquando etiam cogitabis, eos adjuvare) und an den Aufwand, den er ihm verursachte, zu dämpfen suchte. Hand in Hand damit ging ein etwas überschwenglicher Freundschaftskultus, übrigens von edler Art, indem er den Umgang mit Männern wie Melanchthon, Capito, Brassican und anderen Humanisten eifrig suchte. Er erscheint in diesem Verkehr als ein äußerst dienstfertiger und aufopfernder, als ein aufrichtiger und Aufrichtigkeit liebender Freund, vielleicht etwas leichtgläubig und optimistisch im Urtheil über Andere.

Ueber die sich hier aufdrängende Frage: wie Althamer sich in seiner Studienzeit zu der Reformation gestellt habe, erhalten wir in den von Ballenstädt gesammelten Freundesbriefen keinen direkten Aufschluß. Keine Spur davon, daß er die Theologie der Reformatoren zu seinem Studium gemacht hätte! So sehr dies auffallen muß, bei dem lebhaften Geist und warmen Herzen Althamers, so erklärt es sich doch einigermaßen aus dem Einfluß des Oheims, welcher der Zeitbewegung fremd blieb. Er erwähnt die Reformation in keinem seiner vorliegenden Briefe. Vielleicht lag der Wahl der Leipziger Universität für seinen Neffen die Absicht zu Grunde, ihn dem Einflusse des neuen Geistes möglichst zu entziehen. Althamer mag nun theilweise aus Scheu vor einem Bruch mit seinem Oheim der Entscheidung zwischen der alten und der neuen Glaubensrichtung vorerst ausgewichen sein und sich mit um so größerem Eifer auf humanistische Studien, in Verbindung mit seiner Liebhaberei für deutsche Urgeschichte geworfen haben.

An Ostern 1521 trat er das Amt eines Präceptors an der lateinischen Schule zu Hall an. Daß er diesen Beruf nur als einen augenblicklich nothwendigen Ausweg ergriffen hatte[16], dafür spricht das Mißvergnügen, mit welchem er davon schreibt, er sei hier wie zur Arbeit in einer Stampfmühle verurtheilt. Die angestrengte Arbeit, von der er in einem Briefe vom April 1522 spricht, scheint einem anderen Ziele gegolten zu haben, und er schreibt vergnügt: „Wir freuen uns, weil wir bald den Hafen erreichen werden“.

[32] Um jene Zeit verließ er die Stelle und fand eine Verwendung als Verweser – ob in einem geistlichen oder Lehramt ist nicht zu entscheiden – in Reutlingen[17]. Obgleich wir von seinem Aufenthalt daselbst keine weitere Nachricht besitzen, so haben wir Grund genug, uns denselben als sehr bedeutsam für seine innere Entwicklung zu denken. Denn er sah sich dort an einen Herd reformatorischen Lebens und Strebens versetzt. Eben war Alber – „der schwäbische Luther“ – von Freiburg, nach empfangener Weihe zurückgekehrt und fing seine mächtigen Predigten an, durch die er bald dem altgläubigen Pfarrer unerträglich ward (vergl. J. Hartmann, Matthäus Alber S. 30 ff). Kein Wunder, wenn ein junger Mann von wahrheitsliebendem, für das Gute und Edle leicht zu begeisterndem Herzen davon ergriffen wurde. Wenn er die evangelische Wahrheit mit der gleichen jugendlichen Wärme, wie vorher seine Liebhaberei ergriff, so war er gewiß dazu angelegt, ihr auch beim Volke Eingang zu verschaffen und nach der Weise jener Zeit mit dem Theologen auch ein Volksmann zu werden.

Als lutherischer Prediger trat er, wenn nicht schon in Reutlingen, jedenfalls in Gmünd auf, zuerst als Helfer des Stadtpfarrers Keller[18]. Wie und wann[19] er dahin versetzt wurde, ist nicht bekannt. Von Keller scheint er in seinem, Anfangs wohl vorsichtigen Vortrag der evangelischen Lehre nicht angefochten worden zu sein.

Als derselbe starb, bat Althamer den Rath, ihn bei dem Domdekan und Kapitel zu Augsburg für die Stadtpfarrei vorzuschlagen und zu empfehlen (F. A. 11. Beil. 29)[20]. Dies wurde ihm abgeschlagen und die Stadtpfarrei einem M. Ulrich Schleicher übertragen. Althamer suchte bei diesem nicht um Verwendung als Helfer nach und leistete ihm keinen Gehorsam, verließ aber auch seinen Posten nicht, sondern fuhr mit „seinem Predigen und lutherischen Sekt“ fort. Hierauf kündigte der Stadtpfarrer ihm seine Entlassung an. Darüber klagte Althamer am 27. Januar 1525 bei dem Rath. Er habe doch nichts gepredigt denn das Gotteswort, „das er mit der Schrift mocht beweisen“. Der Pfarrer suchte glaublich zu machen, daß er Althamer nicht um der Lehre willen, sondern weil dieser ihn verachte und ihm nicht folge, entlassen habe (der Rath selbst, in seinem Bericht von 1529, gibt übrigens die Lehre als Grund an). Ueberdies berief er sich auf das Recht jedes Pfarrers, seinen Helfer zu verurlauben. Der Rath ließ diesen Grund gelten und erklärte, bei dieser Ordnung solle es bleiben[21]. „Darauf dann er“, berichtet der Rath weiter (F. A. 11.), „mit seiner lutherischen Predigt etlich die Unseren in großer Anzahl an sich gezogen, daß die ihn wider unseren Willen und ohne unser Wissen (auf ihre eigene Kosten Beil. 29) zu einem Prediger angenommen, das wir zur Verhinderung großer Aufruhr [33] haben müssen gedulden. Und als er solchen Ruck gemerkt, ist er je länger je mehr mit seiner lutherischen Predigt vorgefahren, wiewohl wir ihn mehrmalen (s. p. 3 fast wörtlich die folgende Ermahnung) lassen gütlich ersuchen, flehen und bitten, sich der lutherischen Lehre zu maßen, sondern allein das hl. pur Evangelium apostolischer - Lehre zu predigen und was disputirlich und zu Aufruhr – und Niederdrückung der Obrigkeit dienen möchte, zu vermeiden, auch fürgehalten die Kais. Edikte – und was sich die Ständ des (schwäbischen) Bunds, die lutherische Lehre zu vermeiden entschlossen – das alles aber bei ihm nit wollen verfahen, sondern – fort und fort auf seinem Vornehmen verharrt und die Unseren wider uns als ihr Oberkeit bewegt. – – So er hat wollen zu predigen gehn, hat er vor und nach ihm lassen gehn sein Haufen bis in die 50 oder 60 Personen – sich auch auf eine Zeit (nach dem Klagebuch am 3. März 1525)[22], als ein hochgelehrter Dr. des Predigerordens[23] gepredigt, mit seinem Haufen und Helfern in seine Predigt gegangen, zu ihm frevelich auf die Kanzel geschrieen und dermaßen gegen ihn gehandelt, daß er hat müssen von der Predigt lassen, dadurch dann ein merklicher Aufruhr erwachsen und seine Helfer in dasselbig Kloster gefallen, darin ungebührlich gehandelt“.

Wir lassen dahingestellt, ob das Grund hatte, was damals (nach dem Klagebuch) ein Bürger beim Herausgehen aus der Kirche einem Bekannten zurief: „Nachbar komm her – man sagt, Bürgermeister und Rath, die haben den Mönch heißen predigen, damit sich solch Aufruhr begeben hab“.

Wenn zu dem Bericht über diese Auftritte die Stadtregierung (Beil. 29) bemerkt: „Auch wir davor, derselben aufrührigen Zeit - wie denn viel ehrbaren Obrigkeiten begegnet ist, nicht konnten sein“, so ist hier auf die Bewegung hingedeutet, welche uns den tumultuarischen Charakter dieser Vorgänge und die mißtrauische Haltung des Raths begreiflich macht - auf den schon im Ausbruch begriffenen Bauernkrieg.

(Fortsetzung folgt).

Fortsetzung

[81]

Die Reichsstadt Schwäbisch Gmünd
in den Jahren 1523–25.


Von
Emil Wagner,
Pfarrer in Mägerkingen.
(Fortsetzung und Schluß).


II. Gmünds Haltung während des Bauernkrieges.[24]

Die in Oberschwaben zum Theil noch im Jahre 1524 ausgebrochene, im Januar und Februar 1525 allgemeiner gewordene Bewegung scheint erst in der Mitte des März auch die Bauern in der Umgegend Gmünds ergriffen zu haben. Die wirtembergischen Vögte zu Lorch berichteten nach Stuttgart am 18. März, daß „der Schenken zu Limburg und der von Gmünd Unterthanen sich auch empört und des Prälaten zu Lorch Unterthanen ganz bedrohlichen erfordert zu ihnen zu ziehen“. Die Bauern – und mit ihnen „die von der Gemein in Gmünd“ – hätten die Dörfer Spreitbach und Schechingen eingenommen, mit der Absicht gegen Lorch zu ziehen. (Augsburger Archiv).

Ein, wie es scheint, durch Eilboten verbreiteter Aufruf der Bauernführer vom 28. März (Beil. Nr. 1) beginnt zwar: „Unsern freundlichen Gruß und alles guts in Christo und evangelisch brüderlicher Liebe“, und enthält „die fleyssig brüderlich Bitt, in der Nacht darauf sich in Ickingen einzufinden“, schließt aber: „Wo aber solches nit geschehe, werden wir über euch verhängen und zu euch lassen greifen an Leib, Ehr und Gut u. s. w. Ylends furt und furt“. Dem gemäß wurde vom 29. berichtet, daß zu Ickingen 2000 Bauern stünden, 400 von Alfdorf nach Mecklingen gezogen seien. (Augsburger Archiv).

Welche Aufregung aber in diesen Tagen in der Stadt Gmünd herrschte, läßt ein vom 16. März datirter Rathsbeschluß (in das „Klagbuch“ verirrt) ahnen: Uff der Prediger[25] Ansuchen, ob sie predigen sollen oder nit, dieser Loff halben, da ist ihnen gesagt: „sie mögen predigen oder nit, und stell’ ein Rath das zu ihrem Willen“. So drohend für manche Obrigkeiten der Bauernaufstand war, so wäre doch diese seltsame Anfrage durch dessen Umsichgreifen in der Nachbarschaft noch nicht motivirt [82] – sie setzt eine kirchliche und politische Bewegung in der Stadt voraus. Es gab hier auch Unzufriedene, nach politischen wie nach kirchlichen Reformen Verlangende, welche bei der damaligen gefährlichen Lage der Stadtregierung ihre Wünsche hofften durchsetzen zu können. In welch ausgedehntem Maße sich die Einwohner, soweit sie nicht zur regierenden Aristokratie gehörten, bei diesen Bestrebungen betheiligten, davon zeugt in dem Bericht[26] des Truchseß von Waldburg an den Schw. Bund, datirt Stuttgart den 28. März, der Ausdruck: „haben auch die Gemein dem Rath die Schlüssel zu den Stadtpforten genommen“. Die Besetzung der Stadtthore und ohne Zweifel der Mauern und Thürme benahm dem Rath die Hoffnung auf bündische Hilfe und ermöglichte es den Aufständischen, nöthigenfalls mit den Bauern in Verbindung zu treten, an welche sich denn sofort eine Anzahl Leute aus der Stadt angeschlossen zu haben scheinen.

Das Mittel fruchtete. Unter dem 27. März erließ die Stadtregierung, der Bewegung nachgebend, folgende Proklamation:

Günstigen lieben Herrn und Freunde! Nachdem sich bisher eine Spann- und Irrung verloffen und begeben hat zwischen einem E. Rath eins- und etlichen von einer frommen Gemeinde anderntheils: dasselbige hat ein E. Rath zu Herzen genommen, in Betrachtung, daß wir alle unter einander Vater, Sohn, Bruder, Schwager und gute Freunde seien, und uns allen etwas Widerwärtiges begegnen und zustehen würde, was der allmächtige Gott verhüten wolle, so würden und müßen wir alle aus brüderlicher und bürgerlicher Lieb, Leib, Ehr und Gut beieinander lassen. Deß sich ein E. Rath zu euch allen als ihren lieben gehorsamen Bürgern gänzlich versehen will; erbeut sich auch ein E. Rath das alles gegen euch alle und jeden in sonders treulich zu beweisen. Und damit wir aber also beieinander in brüderlicher Lieb und bürgerlicher Einigkeit bleiben mögen und unter uns Fried und Einigkeit nach Ausweisung des göttlichen Gottesworts gehalten werde, so hat sich ein E. Rath entschloßen, daß er und eine fromme Gemeinde zufammen schwören und verpflichten sollen, daß sie einhelliglich das hl. Evangelium – – wollen einander helfen hand haben, schützen und schirmen, Leib und Gut dabei bleiben laßen, auch alle böse Ordnung und Satzung dieser Stadt abthun und gut Ordnung aufrichten helfen, wie sich gebührt nach allen ziemlichen Dingen und soll alsdann aller Unwill und Irrung so sich bisher deßhalben zwischen uns allen begeben todt und ab sein und keins – soviel deß alles – gegen den andern rächen noch eiffern in keiner Weise noch Wege alles ungefärlich[27].

Welches im Einzelnen die hier vom Rath selbst zugestandenen Mißbräuche gewesen seien, wird uns nicht berichtet. Es ist leicht zu errathen, welche Mißstände das ausschließliche Recht einer selbstsüchtigen Aristokratie auf die Regierung der Stadt für die Verwaltung und Rechtspflege mit sich führen mußte.

Die ersten greifbaren Früchte trug die Aussöhnung für die Stellung, welche die Stadt zu den Bauern nahm. Wenn auch die Panik in Lorch, wo man einen Ueberfall der mit den Bauern vereinigten Gmünder erwartete, durch einen blinden Lärm verursacht war, so hatten doch Verabredungen zwischen Städtern und Bauern stattgefunden. Als aber, nach der Versöhnung, die Bauern den vielleicht von Einzelnen versprochenen Zuzug aus der Stadt erwarteten und daran mahnten, sahen sie sich betrogen. In der Stadt wollte man nichts davon wissen, der Rath beeilte [83] sich (am 29. März[28] die Besorgnisse welche man von Stuttgart aus wegen feindlicher Absichten seiner Bürger gegen Lorch geäußert hatte, durch ein Schreiben an die östreichische Statthalterschaft zu zerstreuen und berichtete, daß zwar Bauern seines Gebiets sich von dem aus Unterthanen vieler Herrschaften beistehenden Haufen haben fortreißen lassen durch die Drohung, „ihnen Leib und Leben zu nehmen und sie zu verbrennen“, daß es aber an Abmahnungen und Aufforderungen, sich von dem Aufruhr loszusagen, von Seiten des Raths nicht gefehlt habe. Sie versprachen ein kräftiges Einschreiten, falls Gmünder Unterthanen den Lorcher Prälaten oder sonstige wirtembergische Unterthanen beschädigen sollten.

Tags darauf sandten Bürgermeister und Rath Abgeordnete an den Ausschuß und die Hauptleute der Bauern nach Hohenstatt. Sie sollten ein eben eingetroffenes Mandat des Schw. Bundes sowie eine schriftliche Ermahnung an die Hintersassen nach ihren Pflichten und Eiden sich wieder anheim zu thun, überbringen. Es hieß darin: „So wollen wir dieser Handlung gegen euch in Argem nit gedenken. – Es ist zu besorgen, daß deß alles euch zu großem Verderb Leibs und Guts reichen möchte, was wir – eure Herrn und Gutthäter aus sonderer Neigung nit haben wollen verhalten“ (F. A. N. 8).

Die Hauptleute nahmen den Abgesandten ihre Schriften ab, um diese, weil heute „der Hauff weinig sei“, demselben morgen mitzutheilen[29]. Tags darauf, den 31. März, waren die Abgeordneten schon unterwegs, um den Bauern ein weiteres Mandat des Bundes mit einem wohlwollenden, zu offener Darlegung ihrer Beschwerden einladenden Schreiben der Stadtregierung (F. A. 9) zu übermitteln und ihre Antwort auf die vorigen entgegenzunehmen, als sie in Schechingen auf einige der Hauptleute stießen, von denen Jörg Betz ihnen den Bescheid gab: die gestrigen Schriften seien den Bauern angezeigt worden, darauf „sei der Hauf abgezogen und anheim[30]. Sie seien der Sachen uneinig geworden“. Es sei darum nicht nöthig, die neuen Schriften zu verlesen.

Aus diesem Verhalten der Stadtregierung erkennen wir gleich sehr das Selbstvertrauen, welches die Versöhnung mit „der Gemein“ ihr zurückgab, wie die Rücksicht auf die Reformfreunde, welche ihr ein schonendes Auftreten gegen die Bauern auferlegte.

Hatte die bäuerliche Bewegung als eine gemeinsame Gefahr die Parteien in der Stadt vorerst geeinigt, so ließ die jetzt eingetretene Pause alsbald die noch vorhandenen Keime der Zwietracht zu Tage treten.

An der Spitze der Reformpartei, bestehend aus „Bürgern und Inwohnern“, die sich „mit Eidespflichten zusammen verpflichtet hatten, daß sie einander wollten handhaben und was einen angang, solle den andern auch betreffen“ – war ein Ausschuß gestanden, der in der Schmid (Zunft-) Haus seine Zusammenkünfte hielt. Diesem hatte der Rath nach erfolgter Aussöhnung eine Abschrift der oben mitgetheilten Proklamation gleichsam als Verpflichtungsurkunde mittheilen lassen. Aber der Ausschuß löste sich jetzt nicht auf, sondern fuhr fort, als eine Art von Volkstribunat die weiteren Schritte des Raths zu überwachen. Am 1. April[31] erschien er – der Sprecher hieß Jakob Messerschmid – bei dem Bürgermeister Brauch, verlangte [84] eine Rathssitzung und erkundigte sich in mißtrauischer Weise, in welcher Eigenschaft denn der Bürgermeister des vorigen Jahres Egen sich in Ulm aufhalte und ob die Vermuthung richtig sei, daß der Rath eine Abtheilung Söldner hereinzunehmen beabsichtige – sie bitten sie, das nicht zu thun (vermuthlich dachten sie sich dabei, der Rath verfolge den Plan, mit Hilfe der Söldner die Gewalt wieder in seine Hände zu bekommen). Der Bürgermeister stellte in Abrede, daß der Rath davon etwas wisse. Auf ihr Verlangen mußte die Schrift, „laut deren ein Rath und eine ganze Gemeinde zusammengeschworen“ hatten, ohne Zweifel eben jene Proklomation, dem als Gesandten beim Schw. Bunde abwesenden Egen zugeschickt werden. Sie auch den Knechten, die Gmünd dem Bund hatte stellen müssen, mitzutheilen, weigerte der Rath sich.

Obwohl uns über die Vorgänge in den nächsten vierzehn Tagen irgend welche Nachricht fehlt, so läßt doch schon diese Spannung zwischen Rath und Gemeinde am Anfang derselben den am Ende eingetretenen Bruch nicht unbegreiflich erscheinen. Ein an sich unbedeutender Vorfall führte ihn herbei.

[32] Am 15. April, Vorabend des Osterfestes, verbarg sich „ein muthwilliger böser Bub[33] Nachts in der Pfarrkirche, Willens darin über Nacht zu bleiben“. Als dies der Stättmeister, erster Finanzbeamter der Reichsstadt, der zugleich Pfleger dieser Kirche war, gewahr wurde, ließ er den Buben in Thurm legen. Auf dieses hin traten in der Nacht einige Bürger zusammen, beriethen sich und beschloßen: „sie wollten dem Buben als ihren Genossen außer dem Gefängnis haben“: Sie ließen Nachts um 1 Uhr, ohne obrigkeitliche Erlaubnis, einen Lärm umschlagen und öffentlich ausrufen: alle die neulich zusammengeschworen hätten, das hl. Evangelium zu handhaben, die sollten bei geschworenem Eid mit ihren Wehren und Harnisch auf den Markt kommen. Die Abmahnungen und das Versprechen des Bürgermeisters, er wolle bis morgen einen Rath versammeln und den Gefangenen dann in Freiheit setzen, halfen nichts, er mußte denselben zur Verhütung größeren Aufruhrs sofort freilassen, und die Leute blieben mit bewaffneter Hand bis zum Morgen auf dem Markt beisammen, während auf allen Straßen Feuerpfannen brannten. Am Morgen des Osterfestes verlangten sie durch ihren Ausschuß vom Rath die Absetzung des Stättmeisters, welche ihnen trotz aller Protestationen bewilligt werden mußte, sowie die Entlassung des Knechts, der die Verhaftung Zeyrer’s vollzogen hatte. Als die Menge auseinanderlief, brachen viele in’s Predigerkloster ein, zertrümmerten die Fenster, – giengen in die Keller und Speisekammern, trugen Wein, Brot und andere „hoffärtige Speiß“ auf und verzehrten sie, und trugen den Wein (bei 2 Fuder) in Kübeln und Schöpfern aus dem Kloster in die Stadt. – „Das alles ein E. Rath müßen gedulden“. Der Haufe nahm auch wieder die Schlüssel zu den Thoren; diese wurden „Tag und Nacht gewaffneter Hand verwacht und Feuer dabei gebrannt“.

Der Rath mußte dem Ausschuß der Aufständischen die Eigenschaft einer ständigen Behörde zugestehen, ungern, „weil es nicht gut sei zwei Räthe in einer Stadt zu haben“. Ein späteres Dokument nennt ihn „den Ausschuß der 15 Personen von einer Gemein verordnet“ Beil. 12. Derselbe erhielt seinen eigenen von der Stadt besoldeten Amtsdiener.

Auf dem ganzen Ereignis liegt ein Dunkel, das unaufgehellt bleiben wird, wenn nicht noch eine weitere Darstellung, namentlich auch von entgegengesetzter [85] Seite, aufgefunden wird. Was Zeyrer in der Pfarrkirche suchte, weiß auch unsere parteiische Quelle nicht anzugeben; daß er Willens gewesen sei, darin zu übernachten, kann ja auch nur die Meinung des Stättmeisters gewesen sein, und die daran geknüpfte Maßregel erscheint um so auffallender, als ja die Nacht vor dem Osterfeste in der Christenheit von Altersher zu Andachten in der Kirche benützt worden ist. Es liegt die Annahme nahe, daß Zeyrer seine Einkerkerung nur seiner Eigenschaft als bekanntes Mitglied der Reformpartei und nicht minder dem wachsenden Mißtrauen der Rathspartei, die überall revolutionäre Absichten witterte, verdankt habe.

Warum aber reihte sich an den wenig bedeutsamen Zwischenfall, auch nach dessen vorläufiger Erledigung durch Zeyrer’s Freigebung, eine so bedeutende Neuerung in dem Stadtregiment? Die Wegnahme der Thorschlüssel und die nächtlichen Wachtfeuer mögen darauf einiges Licht werfen. Vermuthlich befürchtete man auf Seiten der Reformpartei zuvor schon das – vielleicht in früheren Stadien von dem Rath angedrohte Einrücken bündischer Hilfe zu Gunsten ihrer Gegner und wußte sich nun namentlich das herrische Auftreten des Stättmeisters nicht anders zu erklären, als durch die Annahme, daß das Nahen der Hilfe den Muth des Raths wieder belebt habe. War nun dieses Auftreten eine Probe, wie der Rath mit den neugewonnenen Rechten der Gemeine umgehen würde, wenn er sich wieder mächtig fühlte, ein Beweis, daß die Gemeine ihm gegenüber nur so lange Rechte hätte, als ihre Macht zu fürchten wäre, so lag es nahe, sich diese Macht durch Besetzung der Befestigungen und eine Verfassungsänderung bleibend zu sichern.

Es war übrigens für die Städter die höchste Zeit, ihre inneren Differenzen auszugleichen. Das Feuer des Bauernaufruhrs hatte indessen mächtig um sich gegriffen und die Gmünder sollten in wenigen Tagen seine Flammenzeichen in nächster Nähe auflodern sehen.

Am Ostermontag den 17. April traten die Bauern aus der Herrschaft Limburg unter ihrem Kanzler Wolfgang Kürschenesser, Pfarrer von Frickenhofen, zusammen, rückten, durch die Hällischen Bauern verstärkt, südwärts über Murrhardt und besetzten am 26. April mit ihrem Hauptquartier Lorch. Ohne Zweifel erhielten sie in jenen Tagen weitere Verstärkung aus den Dörfern um Gmünd. Von da erging[34] am 25. früh 1 Uhr ein Hilferuf nach Ulm an den Schw. Bund, worin gesagt ist: „wir (sind) belagert und müßen täglich und alle Stund Beschädigung Leibs und Guts gewärtig sein“.

Für die bei den tumultuarischen Auftritten der letzten Wochen hervorgetretenen anarchischen Elemente in der Stadt war damit ein neuer Anstoß zu Unruhen gegeben und einige Aussicht eröffnet, ihr Gelüsten zu befriedigen, das insbesondere auf das Eigenthum der Geistlichkeit gerichtet war. Die im Fünfzehner-Ausschuß vertretene Partei mußte nun zeigen, ob sie selbst aus Feinden der Ordnung bestand, oder aus Bürgern, welche, auf das Wohl des ganzen Gemeinwesens bedacht, nur den einer selbstsüchtigen Oligarchie anhängenden Mißbräuchen gründlich, aber auf geordnete Weise abhelfen und die Freiheit evangelischer Predigt sichern wollten. Wie sie diese Probe bestand, können wir gleich aus dem am 27. April gemeinschaftlich vom Rath und vom Ausschuß erlassenen Gebot (T. A. Nr. 16) ersehen:

„Uff Dornstag nach dem Sonntag Quasimodogeniti 1525 hat sich die Briesterschafft uff Ansuchen ains erb. Raths und des Ausschuß bewilligt und begeben, daß sie ihr Leib und Gut und alles ihr Vermögen zu einem erb. Rath und ganzer Gemeinde setzen wollen“.

[86] „Darum so ist von einem erb. Rath und dem Ausschuß ernstlich erlassen, daß niemand weder geistlich noch weltlich beschädige, das Ihre nehmen oder Einem Gewalt beweisen soll; wer das überfährt, der wird darum nach Gelegenheit der Verhandlung gestraft an Leib und Gut“.

So machten sich der Rath und der Ausschuß gemeinsam verbindlich, Personen und Eigenthum der Priesterschaft zu schützen, wogegen diese die Umwälzung anerkannte und sich verpflichtete, an den voraussichtlich nothwendig werdenden materiellen Opfern – wohl auch aus dem kirchlichen Vermögen – ihren Theil zu tragen.[35]

Ein gleich günstiges Vorurtheil für den Einfluß, welchen die Reformpartei auf die Regierung übte, erweckt die Haltung der Stadt bei den nun folgenden Verhandlungen mit den Bauern.

Am 29. April erließen die „obersten Hauptleute“ und der „gemeine helle Hauff hie zu Lorch“ ein Schreiben unter der Adresse: „An die ehrsamen günstigen gemeinen lieben Bürger und Mitbrüder in Christo der ganzen Gemeinschaft und Bürgerschaft Gmünd“. Es enthält die Aufforderung, „das hl. Evangelium helfen behalten und aufzurichten, welches uns lang bishero verschwiegen und untergedrückt gewesen, bei uns in brüderlicher Lieb und Treu zu erscheinen und solch groß Beschwer des gemeinen Volks, von der Obrigkeit bisher gelitten, abzuthun und die 12 Artikel aufzurichten, als sich dann die Fürsten und Herrn auch vom Adel ergeben u. s. w. – – Wo aber das nit geschäh, müßten wir gegen euch fürnehmen, das wir viel lieber vertragen wollten sein“. (Beil. 5).

Die am folgenden Tage ertheilte, vermuthlich in einer Gemeindeversammlung beschlossene Antwort war ausweichend. Weder von dem Schmeichelhaften, was die Anrede für die an’s Ruder gekommene demokratische Richtung hatte, noch von der Drohung am Schluß, welche durch den in Gmünd sichtbaren Brand der Burg Hohenstaufen in der darauf folgenden Nacht[36] einen besonderen Nachdruck erhielt, ließen die Gmünder sich fortreißen. In ihrer Antwort gehen sie auf das Verlangen, die 12 Artikel anzunehmen und sich mit den Bauern zur Abstellung von Mißbräuchen zu vereinigen, gar nicht ein, sondern beschränken sich darauf, Sympathien für die „Uffrichtung des Evangelii“ auszudrücken. Sie nennen sich: „Wir die Burger gemeinlich und sonderlich der Stadt Schw. G. und sagen: „wir haben mit Freuden ganz gern gehört, daß ihr des ehrlichen christlichen und löblichen Fürnehmens seien, das hl. Evangelium – zu handhaben als fromme Christen. Desselbigen Gemüths, Willens und Meinung wir auch seien, haben auch samptlich und sonderlich vor dieser Weil zusammengeschworen, das hl. Evangelium – – zu schützen und schirmen u. s. w. (Beil. 6).

Mit einem bestimmteren Anliegen, nemlich dem eines freien Durchzugs für sein Heer durch die Reichsstadt Gmünd (vermuthlich nicht ohne den Hintergedanken, sich hier festzusetzen und durch die feste Stadt seine Stellung zu verstärken) wandte sich das Hauptquartier der Bauern am 1. Mai – diesmal den offiziellen Weg versuchend [87] – „an Bürgermeister und Rath, ihre besonders lieben und guten Freunde“. (F. A. Nr. 1).[37]

Aber die Adressaten wiesen das Begehren bestimmt und wenig herablassend ab. „Uns ist nit gelegen, auch ganz nit verantwurtlich, euch durch unsere Stadt laßen zu ziehen; – so ihr aber je willens – euern Fürzug umb uns zu haben – wellen wir uns zu euch versehen, ihr werden euch gebührlich halten, uns, die unsern und all’ unsere Zugehörigen – nit beleidigen noch beschädigen. Darnach haben zu richten“. (F. A. 2 vom 1. Mai).

Nicht viel besser erging es den Hauptleuten und Räthen bei der Bürgerschaft, als sie sich Tags darauf, mit Umgehung des Raths, an diese wenden wollten mit der Adresse: „An eine ehrsame Gemeinde und evangelische Brüder zu Gmünd, unsere l. Brüder“ und der Anrede:

„Unseren Gruß – zuvoran, günstige liebe und besondere gute Brüder und Freunde“. Sie hätten sich der abschlägigen Antwort von Seiten des Rathes gar nicht versehen. „Aber, wie dem Allem, ist unser freundlich Begehren, unsern – brüderlichen Willen helfen zu vollstrecken“ und eines Raths Drohung nicht zu fürchten.

„Denn wir bei euch und andern – Nachbarn zu Auffung und Mehrung des Worts Gottes Leib, Leben, Gut und Ehre setzen wollen. Damit begehren wir euer Antwort, schriftlichen versigelten Gleidt, in – versammelter brüderlicher Liebe Gespräch zu halten etc. (Beil. 7).

„Dieweil dann solche Schrift“, melden Bürgermeister und Rath am 3. Mai dem Gesandten in Ulm, (Beil. 12) „an eine Gemeine gestanden, haben wir sammt dem Ausschuß eine Gemeine lassen zusammenberufen, solch des hellen Haufens Schrift ihnen fürgehalten und uns mit ihnen einer gemeinen Antwort entschlossen“.

Diese Antwort beginnt mit den Worten: „Wir die ganz Gemeinde der Stadt Schw. G. entbieten – unsern Gruß zuvor“. Auf ihr Ansuchen bei Bürgermeister und Rath um Durchzug und Geleit sei ihnen ja schon Antwort gegeben worden, „darbei wir es nochmalen lassen bleiben. Dieweil dann euer Gemüth ist, Euern Fürzug bei uns fürzunehmen, mit uns Gespräch zu haben, wollen wir auch nit abschlagen, doch mit einem ziemlichen Ausschuß – doch wollen wir uns versehen, ihr werdet euch gegen uns und den unsern gebührlicher Weise halten“ (Beil. 8. vom 2. Mai).

Dieses feste Zusammenhalten des Raths, des Ausschusses und der Gemeine den Bauern gegenüber ist ein Beweis für die gemäßigte, gegen den Rath durchaus loyale Gesinnung des Ausschusses und der durch ihn vertretenen Partei.

Diese Antwort hielt die Bauern in ihrem, wohl schon begonnenen Zuge von Lorch[38] nach Gmünd nicht mehr auf. Als sie zu der Kreuzmühle, ¼ St. von der Stadt, kamen, schickten sie ihren Ausschuß vor dieselbe und verlangten, daß man ihnen, „den Ausschuß der 15 Personen von einer Gemeine verordnet“ zuschicke. Dies geschah „mit Verwilligung der Gemeinde“, und der Ausschuß der Bauern konnte dem der Bürger sein Verlangen freien Durchzugs durch die Stadt persönlich vortragen. Darauf heißt es in dem zitirten Bericht vom 30. Mai weiter, „wir und die ganz Gemeinde uns entschlossen und ihnen zu Antwort geben, daß wir es bei vorgebener Antwort lassen bleiben“.

Der Kern des Bauernheers zog nun nördlich über Wezgau nach Muthlangen, wo sich – etwa bis zum 5. Mai – das Hauptquartier aufhielt. Eine Abtheilung [88] besetzte am 2. Mai noch das Kloster Gotteszell, woselbst von dem Hauptmann von Gaildorf, dem Profoßen und anderen Excesse gegen die Klosterfrauen verübt wurden. „Sie liegen mit Heeres Kraft im Kloster“, heißt es in einem andern Bericht vom 3. Mai, wahrscheinlich an den Rath zu Hall „und um unsere Stadt, und müssen wir all Stund sorgen, wo sie uns etwas – zufügen“ (Beil. 11).

Der Bauern nächstes Schreiben wurde nicht beantwortet. Auf ein weiteres, wegen der berührten Excesse um Entschuldigung bittendes, die durch ihre Gefangennahme schon eingeleitete Bestrafung der Schuldigen zusagendes und alles Gute versprechendes Schreiben,[39] gleichfalls vom 3. Mai, scheinen die Gmünder einen Geleitsbrief verlangt zu haben, um Unterhändler zu den Bauern zu schicken. Derselbe wurde ihnen am 4. zugesandt (F. A. 3 und 4). Die Hauptleute der Bauern baten „Bürgermeister, Rath und ganze Gemeinde zu Gmünd“, den Bürgern die Lieferung von Wein und Brod in ihr Lager zu gestatten, gegen „genugsamliche Bezahlung; wir haben in ganzem gemeinem hellen H. ernstlich, bei Verlierung Leibs und Guts verboten, euch und dem Kloster kein Ueberlästung zu fügen; wo aber einer – – möcht ihr gegen ihnen handeln – nach euerm Gefallen oder uns dieselbigen überantworten, die wir ungestraft nit lassen wollen“.

Gmünder Abgeordnete kamen auch wirklich in das Lager der Bauern, trugen die Beschwerden der Stadt vor, und sprachen deren Geneigtheit aus, „in dem was friedlich und gut zu handeln“, den Bauern „willig und dienstlich zu sein“.

Mit diesen verhältnismäßig friedlichen Beziehungen zwischen den Bauenführern und den Stadtbehörden harmonirt wenig der klägliche Hilferuf, welche die Gmünder am 5. Mai durch eine Rathsbotschaft an den Schw. Bund richteten[40]: wie sich die Bauernschaft ob 8000 Mann stark für sie geschlagen und ihnen das Wasser abgegraben und zu ihnen hineinschießen. Freilich mochten in den Gmündern, wenn sie von ihren Mauern die zahlreichen Bauernschaaren erblickten, denen sie den Durchzug verweigerten, nicht weniger bange Befürchtungen sich regen, als solche anderwärts laut wurden, wenn man z. B. am 4. Mai in Ehingen wissen wollte, Gmünd sei von den Bauern eingenommen; auch war man selbst bei den friedlichsten Absichten der obersten Hauptleute nicht sicher, daß nicht einzelne Anführer eigenmächtig zum Angriff gegen die Stadt schreiten könnten. Denn z. B. Jörg Betz und Georg Hartmann drängten zu kriegerischen Maßregeln. Allein der genannte Hilferuf erwähnt nicht bloße Befürchtungen, sondern bestimmte Handlungen der Bauern gegen die Stadt, von denen es, wenn sie verübt wurden, unbegreiflich wäre, daß sie der vorliegenden Korrespondenz nicht klagend oder entschuldigend erwähnt sind, und es liegt nahe zu denken: die Rathspartei habe die Noth mit Absicht übertrieben dargestellt, um sich dadurch den Beistand des Schw. Bundes, dessen sie sich auch gegen die Bürgerschaft bedienen wollte, zu sichern.

„Sollt Gmünd verloren gehn, so wäre kein Aufhören“, schrieb man von Ulm aus an den Bundesfeldherrn, um ihn zu schleunigster Unterstützung der Stadt zu bewegen. Ehe er aber daran denken konnte, dieser Aufforderung zu entsprechen, war an demselben 5. Mai das Bauernheer abgezogen, nach Verbrennung des Klosters Gotteszell, und das Hauptquartier wurde nach Gaildorf verlegt.

Noch einen Versuch machten die Bauern, von Gaildorf aus, die Gmünder zu Verbündeten zu gewinnen. Sie schrieben unter dem 7. Mai an „Ersamen Rath und ganze [89] Kommun zu G.“ In diesem Schreiben ist zuerst rekapitulirt, was neulich mit den Gmünder Abgeordneten, zu beiderseitiger Befriedigung, verhandelt worden. Dann wird fortgefahren: „Aber des Begehrens – eurer armen Unterthanen – nemlich das Evangelium, das bis hieher klein und wenig in eurer Stadt gehandelt worden ist, auch der 12 Artikel halben – – ist unser unterthänig Bitt und Begehr, wollet das Gotteswort mit sammt den 12 Artikeln helfen handhaben. Als wir uns dann gänzlich versehen, uns solchs Bitt und Begehren, dieweil das göttlich ist, nit abschlagen, wollen wir mit Leib und Gut allezeit um – (euch) verdienen. Wo aber ihr euch solchs widern würden, – würden wir aus göttlicher Gerechtigkeit – gegen euch fürzunehmen als den Gottlosen und Feinden Gottes – das wir viel lieber wollten vermeiden“. (F. A. 6).

Am gleichen Tage aber, vor Empfang dieses Schreibens, hatten die Gmünder ein Schreiben an die Bauern abgeschickt (Beil. 12), in welchem sie sich ihnen als Vermittler zu einem gütlichen Vergleich anboten, nach dem sie erfahren hätten, daß jene zu einem solchen geneigt wären; zunächst sollten etliche der umliegenden Städte dafür gewonnen und sollte im Verein mit diesen „gehandelt“ werden, daß „diese Empörung und Zwietracht durch Güte verlegt möchte werden – doch in allweg auf Willigung und Zugeben der Stände des Schw. Bundes“.

Die Kundschaft, welche in jenen Tagen die Gmünder aus dem Wirtembergischen erhielten[41], ließ eine baldige Entscheidung durch die Waffen zwischen den Bauern und dem Bundesfeldherrn erwarten, ohne doch ein sicheres Urtheil zu gestatten, wem der Sieg zufallen werde; die Entscheidung drohte jedenfalls entweder für die Bauern oder für die Stadt verhängnisvoll zu werden und so war dieser Schritt ebenso durch die Klugheit wie durch das Wohlwollen geboten.

Die Hauptleute der Bauern gaben eine, mit ihrem vorigen Schreiben ziemlich kontrastirende, entgegenkommende Antwort. „Euer Verschrieben haben wir mit Freuden empfangen“, erklärten sie, und baten, diese Vermittelung schleunigst in’s Werk zu setzen, aber so wenig wie möglich „den Schw. Bund einzuflechten, der ihnen nicht gemäß sei“ (Beil. 14).

Es waren offenbar im bäuerlichen Hauptquartier zwei Richtungen vertreten, eine radikalere, die ein schrofferes Auftreten, gegen die Städte forderte, und eine gemäßigtere, hauptsächlich durch Philipp Fierler vertreten (s. Zimmermann II, 189), welche vielleicht in nicht ganz lauterer Absicht und Weise ein Einvernehmen mit dem Probst von Ellwangen, mit Gmünd und Hall aufrechterhielt. Zur Bestätigung dient ein Billet ohne Datum, das zu F. A. 6 oder Beil. 14 als Beilage gehört hat: „Wir Hauptleut und – Ausschuß stehn in großer Gefährigkeit gegen dem gemeinen Mann, und namentlich G. Hartmann und J. Betz; denn sie sagen unverhohlen: „wir tragen eure Stadt über Ruck - darum bitten wir euch zu hulden und nichts zu verziehen, damit wir den gemeinen Mann uffenthalten“ Beil. 15.

Beide Schreiben der Bauernführer, das schroffere vom 7. Mai und das einlenkende vom 8., beantworteten „Bürger R. und ganze Gemeinde“ von Gmünd durch ein Schreiben vom 9. Mai (Beil. 16), in welchem sie, mit Berufung auf die Eigenschaft der Stadt als Reichsstadt, es entschieden ablehnen, „ihnen einige Huldigung hinter Kais. Majestät, dem hl. Reich und Schw. Bund zu thun“, da ihnen das „an ihrem Eid, Kais. M. gethan, verletzlich wäre“. Von den 12 Artikeln, die sie handhaben sollten, sei ihnen, „was sie inhalten, nichts bewußt“. Aber das hl. Evangelium zu handhaben, Mißbräuche abzustellen, gute Ordnung aufzurichten, seien sie erbötig und [90] hätten darauf schon vorher zusammengeschworen, weshalb sie von den Bauern unbilligerweise gottlos gescholten würden.

Ohne Vorwissen der Stände des Bundes eine Vermittlung auf sich zu nehmen, sei ihnen unmöglich – würden sie aber in dieser Hinsicht nicht beschränkt, so würden sie allen Fleiß anwenden.

Der sehr heikeln Aufgabe, beim Schw. Bunde zu Gunsten der Bauern zu vermitteln, wurden die Gmünder durch die Ereignisse der nächsten Tage überhoben. Am 12. Mai wurde der stärkste Bauernhaufe bei Böblingen bis zur Vernichtung geschlagen. Die Wirkungen dieser Niederlage erstreckten sich bald auch auf den Gaildorfer Haufen. Zwar konnte, wie am 19. ein Rathsherr in Gmünd erzählte, in jenen Tagen der kecke Jörg Betz im Beisein des Gmünder Stadtboten noch den verzweifelten Witz machen: Er wolle den Bund aufknüpfen, und sollt ihn St. Valentin ankommen! Aber als die vom 24. datirte schriftliche Aufforderng des Truchseß von Waldburg nach Gaildorf gelangte, unterwarf sich der dortige Bauernhaufe. Einzelne Gmünder hatten schon früher ihre Entlassung begehrt und erhalten, z. B. zwei Musikanten laut Entlaßschein vom 17. Mai. (Beil. Nr. 20).


III. Reaktion nach dem Bauernkriege.

Die äußere Gefahr war für Gmünd glücklich überstanden. Heilsam hatte sich für die Stadt der Einfluß beider vorher miteinander ringenden Parteien bewiesen: – der aristokratischen durch die konsequente Ablehnung jeder Solidarität mit dem Bauernaufstande, – der Reformpartei durch die Gebundenheit, in welcher sie die revolutionären Elemente in der Stadt erhielt und durch die Enthaltung von aller Feindseligkeit gegen die Bauern, auf welche sie gedrungen haben mag und welche diese in der Hoffnung erhielt, auf gütlichem Wege etwas zu erlangen.

Die Stadtregierung hatte durch ihre Haltung nicht nur den Bauern Vertrauen eingeflößt, sondern auch den Leitern des Schwäbischen Bundes. Unter den zwei Kommissären desselben, welche mit Einzug der Brandschatzungsgelder von den Bauern namentlich in der Grafschaft Hohenlohe beauftragt waren, befand sich der schon erwähnte Bundesrath Egen. (Oechsle S. 209). Nach Gmünd und Hall wurden auch die sich unterwerfenden Bauern zu erneuter Huldigung gewiesen. (Oechsle S. 435).

Aber so gut das Wohl der Stadt berathen gewesen war, bei einem solchen Zusammenwirken der zwar einen Gegensatz bildenden, aber durch Patriotismus verbundenen, einander heilsam beschränkenden und ergänzenden Elemente: der ihres unbeschränkten Einflusses beraubten Oligarchie war nicht wohl dabei. Und da ihr immer noch – auch bei veränderter Verfassung – ein Uebergewicht innerhalb des Raths geblieben war und sie durch den Bürgermeister die Vertretung des Gemeinwesens nach Außen in Händen hatte, so war es ihr nahegelegt und leicht gemacht, die nach dem Bauernkrieg im Schwäbischen Bunde herrschende reaktionäre Strömung zur Wiedererlangung der vorigen Macht zu benützen.

Unter dem 19. Mai bitten Bürgermeister und Rath in einem Schreiben (im Augsburger Archiv) den bündischen Hauptmann Ulrich Arzt, sich für sie zu verwenden, damit man ihnen die versprochenen hundert Söldner, die bisher ausgeblieben, doch zukommen lasse „nit allein der Bauern halber“, sondern es begegnen uns noch großer Zufäll, das alles der Feder nicht zu befehlen ist. Unsere Bürger möchten [91] eine Kleinmüthigkeit empfahen, daß wir mit den Knechten verlassen werden, und würden wir gedrängt, das unser Will und Gemüth nicht gewesen“.

Nicht um der Bauern willen wäre also – das gestehen die Stadtregenten so ziemlich selbst ein – die Bundeshilfe eigentlich nothwendig gewesen – hatten ja doch in den Stunden der jetzt beseitigten größten Gefahr die zur Besetzung der Thürme und Mauern in Sold genommenen Bürger[42] die Sicherheit der Stadt hinlänglich gewahrt. Welche ernsten Besorgnisse blieben aber dann noch übrig, die einen solchen Hilferuf begründen konnten? Sie sind in dem obigen Schreiben nur angedeutet, werden aber zu errathen sein. Wenn nun, wie vorauszusehen, die Reformpartei verlangte, daß nach beseitigter Gefahr mit der versprochenen Abstellung aller „bösen Ordnung und Satzung“ und Aufrichtung „guter Ordnung“ im Politischen und Kirchlichen Ernst gemacht werde, wenn dann bei einem Versuch, sie einzuschüchtern und von weiterem Vorgehen zurückzuhalten, die Entschlossenheit und große Zahl ihrer Anhänger an den Tag käme, würde dann der Rath an einer Bürgerwache ein zuverläßiges, genügend starkes Werkzeug haben? würde es ausreichen, wenn er nun gar versuchen wollte, den Ausschuß abzuschaffen und der evangelischen Predigt ein Ende zu machen? Dies sind die Gefahren, die zwar nicht der Stadt drohten, wohl aber der aristokratischen Partei vorschwebten, ja die sie wohl schon entschlossen war selbst heraufzubeschwören; so nur können wir begreifen, wie Bürgermeister und R. von einer „Kleinmüthigkeit“ reden können, „welche die Bürger empfahen möchten“: Die Stadtmiliz konnte wankend werden, ein größerer oder kleinerer Theil des Raths selbst, der vielleicht noch schwankte, konnte von der kräftig vorgehenden Reformbewegung fortgerissen werden.

Die vom 20. Mai datirte Antwort der Stände des Schwäbischen Bundes spricht die volle Bereitwilligkeit zur Hilfe aus, die man ihnen als Bundesverwandten schuldig sei. Man habe nur die 100 Mann nicht bei der Hand, aber es werde um dieselben nach Eßlingen geschrieben.

Am 24. Mai übernahm der zur Abholung von Söldnern nach Ulm abgeschickte und von dort nach Eßlingen gewiesene bündische Hauptmann Wolf Och, genannt Ziegler, die auf bündischen Befehl in Gmündischen Dienst gestellten 57 Mann – wie er später (Beil. 30) schreibt: einem Rath zu Hilf, „damit sie von den aufrührigen Buben in der Stadt und von den Bauern – im Frieden möchten bleiben“.

Unter dem 28. Mai sodann schrieben die Bundesstände von Ulm: „Auf jetzt sonderlich ankehrten Fleiß unseres 1. Mitbundesraths – Wilhelm Egen haben wir verordnet: so ihr euren Hauptmann allher schickt, euch bei demselben weitere 100 Knechte zuzuschicken“. Sie wollten „sich zu ihnen als getreuen Bundesgenossen setzen“. Diese Söldner mögen um den 1. Juni in den Dienst der Gmünder getreten sein und wurden um den 29. Juni noch verstärkt[43].

Wir sind den nächsten Vorgängen nach dem Abzug und der Auflösung des dortigen Bauernheeres ziemlich vorangeeilt. Vorerst scheint die Reformpartei in der Stadt mit der errungenen politischen Stellung zufrieden gewesen zu sein, und das erste Anliegen ihres Ausschusses war die Durchführung der kirchlichem Reform[44].

[92] Es wurde beschlossen, zwei Gesandte nach Nürnberg, Nördlingen und Dinkelsbühl zu schicken, um „die Ordnung in der Geistlichkeit“[45] zu holen, d. h. um von den dort vorgenommenen kirchlichen Reformen Einsicht zu nehmen und die neuen Kirchenordnungen sich auszubitten, damit sie in Gmünd als Grundlage benützt werden könnten. Vom 22. Mai datirt ist ein Schreiben von Bgm. R. und Gemeinde an den Bgm. und R. zu Nördlingen[46], das die Gesandten zu überbringen hatten; es heißt darin: „Nachdem sich bisher unter den Geistlichen böse Mißbräuch und große Unordnung durch ihr widerwärtig Predigen wider das Wort Gottes – erwachsen, deßhalben der gemeine Mann zu Aufruhr – verursacht, – nun werden wir aber bericht, wie das EEW. – solch böse Bräuch in Euer Stadt bei den Geistlichen abgestellt, ihnen gut Ordnung und Satzung – gegeben sollen haben; – wo dem also wäre, so langt an EEW. unser vertraulich – Bitt, uns solcher eurer aufgerichten Satzung – in der Geistlichkeit – bei diesen gegenwärtigen unsern gesandten Mitbürgern in Schriften zu schicken, damit wir in unserer Stadt auch gut Ordnung, Fried, Einigkeit und gute Polizei dem hl. Evangelium – gemäß halten möchten etc.“

Als aber die Gesandten am andern Tage vom Rath „eine Vertröstung“, vermuthlich einen Geleitsbrief begehrten, wurde ihnen der Bescheid gegeben; „dieweil sie von dem Ausschuß verordnet dahin gehen, daß man ihnen keine andere Vertröstung geben könne, denn daß sie sich selbst in Acht und Wahrnuß haben und sich in kein Gefährd sollten geben“. (Aus dem „Klagebuch“).

Wie dieser Auftrag[47] ausgeführt wurde und welchen Gebrauch man von den erhaltenen Berichten[48] in Gmünd machte, ist uns nicht bekannt. Bemerkenswerth ist aber der innerhalb 24 Stunden erfolgte Umschwung, wenn nicht in der Gesinnung, so doch in der Stimmung und dem Benehmen des Raths, der sich in dem Rathsbeschluß, verglichen mit dem obigen Schreiben nach Nördlingen, verräth. Es liegt nahe, wenn [93] auch anderweitige Aufschlüsse fehlen, anzunehmen, daß das Schreiben noch unter dem Druck der Ungewißheit hinsichtlich der zu erwartenden Bundeshilfe abgefaßt war, der Beschluß vom 23. dagegen die resolute Stimmung athmet, welche die Zusicherung des baldigen Eintreffens von 57 Mann dem Rath einflößte: alsbald hielt man nicht einmal mehr für nöthig, dem Ausschuß gegenüber sich den Schein des Wohlwollens zu geben.

Um so weniger konnte der Reformpartei verborgen bleiben, daß die Sicherung der Stadt gegen die Bauern nur der ostensible, nicht der eigentliche Zweck der Heranziehung einer bündischen Besatzung sei. Es wird bald genug ein heimliches Einverständnis zwischen den Häuptern der aristokratischen Partei und dem Hauptmann der bündischen Söldner fühlbar geworden sein. Um so mehr sah sich jene veranlaßt, alles zu thun, um nicht nur die kirchliche, sondern auch die politische Ordnung in der Stadt nach ihrem Sinne zu gestalten. Wir sehen fortan die beiden Parteien einander einen Schachzug nach dem andern entgegensetzen.

Der Ausschuß stellte einen „kleinen Ausschuß“ auf, wahrscheinlich aus 4 von seinen Mitgliedern bestehend, wohl um der Partei eine raschere Beschlußnahme und ihrem Organ ein selbstständigeres Auftreten zu ermöglichen. Dieser engere Ausschuß verlangte am 2. Juni, daß die sonst an Georgii vorzunehmende, diesmal aber vermuthlich um der äußeren Bedrängnis willen unterlassene Selbstergänzung des Raths und Neuwahl des Bürgermeisters nunmehr vorgenommen werde[49] und zwar unter Mitwirkung des Ausschusses. Diese Forderung war ganz geeignet, eine Krisis herbeizuführen, immerhin aber hinreichend begründet durch den sich immer mehr enthüllenden Plan der Rathspartei. Sehen wir auf den bisherigen Gang der Entwicklung zurück: Am 27. März hätte die Reformpartei sich damit begnügt, wenn der Rath seinem Eide gemäß alle Mißbräuche abgestellt, die evangelische Predigt gestattet und aufrechterhalten hätte. An Ostern verlangte die mißtrauisch gewordene Partei als Garantie für die wirkliche Durchführung von Reformen die Anerkennung des Ausschusses als eines bei den Reformen mitwirkenden, diese und die Verwaltung überwachenden Organs. Das, wenn auch beschränkte Regierungsprivilegium des Raths hätte dabei immer noch bei den bisher privilegirten Familien bleiben können. Wenn nun aber der Rath, anstatt mit dem Ausschuß zu Reformen zusammenzuwirken, muthmaßlich nur auf Beseitigung desselben hinarbeitete, so mußte dieser zu der Ueberzeugung kommen, daß der Wechsel im System, den die Umwälzung vom 27. März und 16. April herbeigeführt hatte, gegen den Einfluß der damals übermächtig auftretenden Reaktion nicht genügend gesichert wäre, wenn er nicht durch einen Wechsel in den Personen besiegelt, d. h. wenn nicht eine solche Rathsmajorität hergestellt würde, mit welcher der Ausschuß zusammenwirken könnte. Es war hohe Zeit, daß man die nöthigen Schritte that; es zeugt für die numerische Stärke der Partei, daß sie jetzt noch, wo eben die bündische Besatzung bedeutend verstärkt worden war, vorzugehen wagte und der Rath sich für jetzt fügte.

Am 3. Juni, dem Samstag vor dem hl. Pfingstfest, fand die Wahl statt; es galt eine Erneuerung des Raths auf allen Bänken, auch der Zunftmeisterbank. Bei [94] der Wahlhandlung, welche zuerst, bis vier neue Mitglieder gewählt waren, von dem regierenden Bürgermeister und einem Stättmeister, dann von den vier Neugewählten vorgenommen zu werden pflegte, verlangte der Ausschuß, seinen Vertreter stellen und bei der Wahl „helfen“ zu dürfen. Der Rath wollte sich zuerst dem widersetzen, „da sie Macht hätten, laut ihrer Freiheit und altem löblichen Gebrauch den Rath selbst zu besetzen ohne des Ausschusses Zuthun“,[50] und verlangte, „sie bei ihrer Freiheit und Obrigkeit zu laßen“; aber er mußte nachgeben. Wohl mochte der Ausschuß ihnen „zu offtermalen zugesagt haben“, (F. A. 14) ihnen ihre bisherigen Rechte zu lassen; aber wenn die Wahrscheinlichkeit vorlag, daß der Rath des Ausschusses Rechte nur so lange gelten lassen würde, als ihm die Macht fehlte, sie umzustoßen, mußte da nicht der Ausschuß auf Sicherung seiner Rechte bedacht sein? Der Sprecher des Ausschusses nahm nun anstatt des Bürgermeisters die Stimmen in Empfang „und als ein Rath etlich wollen wählen, hat er das nicht wollen thun, sondern ausgetreten sagend: so ein Rath auf ihr Wahl stehen woll, müß er es den 15 Mannen anzeigen, und damit nicht ein Aufruhr geschehe, hat der Rath ihm seines Fürnehmens müßen willigen“. Der Ausschuß nahm also eine Art von Vetorecht für sich in Anspruch. Durch diese Rathswahl verloren 14[51] wie es scheint bisher ständige Mitglieder ihre Sitze.

Damals wurde das Gericht gleichfalls neu besetzt und überhaupt in Bezug auf die Besetzung von Rath und Gericht eine neue Ordnung aufgestellt.

Nach F. A. 11. hat der Ausschuß „unsere Zünfte dahin wollen bewegen, daß sie zu ihnen wider uns alle, ihre Obrigkeit sollen schwören“, oder wie dies F. A. 14. ausdrückt: „er hat auch unsere Mitrathsfreunde, die Zunftmeister sammt ihren Zunftgenossen zu ihnen wollen ziehen, mit ihnen heben und legen, deß aber die Friedensleut nit wollen willigen, sondern wie sie dem Rath geschworen, dabei sind sie blieben“.

Wir sind über das Einzelne der damaligen Vorgänge nicht genug unterrichtet, um diesen Schritt des Ausschusses uns vollständig zu erklären. Es scheint, daß durch die Rathserneuerung die Freunde des Ausschusses noch nicht die Oberhand bekommen hatten oder wenigstens nicht geltend zu machen wagten, und daß nun dieser, auf durchgreifendere Maßregeln bedacht, die Zunftmeisterschaft in ein ähnliches Verhältnis zum Ausschuß, wie es bisher zwischen ihr und dem Rath bestanden hatte, setzen wollte, um sich auf den in den Zünften organisirten Theil der Bürgerschaft stützen und dem Rath um so mehr imponiren und nöthigenfalls Widerstand leisten zu können. Aber eben bei diesem radikalen Vorgehen gerieth seine Aktion in’s Stocken. Die Zunftmeister zeigten keine Lust, ihre seit 1462 errungene einflußreiche Stellung, die ihnen selbst die Erlangung der Bürgermeisterwürde möglich machte, aufzugeben und ihr Schicksal mit dem so gefahrdrohenden der Reformpartei zu verflechten.

[95] War die Haltung des Bürgermeisters und Raths der Reformbewegung gegenüber zuvor schon eine zögernde, aufhaltende ja gegnerische geworden, so wurde der Fortschritt in dieser Richtung durch die extremen Schritte des Ausschusses und durch das Drängen der aus dem Rathe ausgestoßenen Altbürger, die mit einer Klage beim Bunde drohten (F. A. 14) noch beschleunigt.

Als Althamer am 12. Juni durch den gewählten Bürgermeister Egen bei dem Rath anbringen ließ, er habe sich (mit einer Gmünderin) verheirathet (d. h. verlobt), und verlangte, daß man ihn zum Bürger annehme, erhielt er die dilatorische Antwort: „Dieweil sein Begehr etwas eine Neuerung sei, wolle sich ein Rath bedenken“. (Rathsdecreta 1520-42).

Am 18. Juni ließ der Bürgermeister Brauch dem großen Ausschuß, „weil sie vielleicht Willens wären, Ordnung und Satzung in der Geistlichkeit vorzunehmen, warnungsweise, damit sie der Sachen nit zuviel thäten und wider Kais. Mandanz handelten“, die K. Mandate, namentlich den Luther betr. Artikel im Speyrer Abschiede vorlesen. – Als Althamer Ende Juni oder Anfangs Juli kirchlich eingesegnet sein wollte, konnte er dazu keinen Geistlichen, auch nicht einmal die obrigkeitliche Erlaubnis erlangen; er ließ sich jedoch dadurch nicht einschüchtern, sondern zog mit einer Schaar bewaffneter Anhänger zur Kirche und segnete seine Ehe selbst ein[52].

Die Lage in der Stadt gestaltete sich überhaupt drohend. Wir ersehen dies aus einem Schreiben des Raths vom 26. Juni an den Schw. Bund, worin um längere Belassung der bündischen Söldner gebeten wird[53]. Dem Hauptmann Ziegler, der selbst nach Ulm ging, gab der Rath eine Zusage, für den Fall seines Todes seine Frau zu versorgen (Rathsprotokoll vom 26. Juni).

In jenen Tagen mögen, wie Beil. 30[54] geklagt wird, die Mitglieder der Reformpartei heimlich in ihren Häusern zusammengekommen sein, ja bewaffnete Zusammenkünfte gehalten haben. In dieselbe Zeit mag das kühne Wort zu setzen sein, das Althamer von der Kanzel gesprochen haben soll, um seine Anhänger, die man durch den Hinweis auf den Schwäbischen Bund einzuschüchtern suchte, zu ermuthigen: „Ja, das (Schw.) Bündlein und Knöpflein wird sich bald zertrennen und uffthon!“

Vom Schw. Bund erfolgte zwar unter dem 27. der Bescheid, daß man die Knechte „zu gemeinen Bundes Nothdurft abziehen laßen solle“, aber es scheint dieser Befehl nicht so rasch ausgeführt worden zu sein: nach der Stadtrechnung bekommen 14 Tage später noch etwas mehr Söldner als bisher ihren Sold. Dem Rath kam überdies der Umstand zu Hilfe, daß die Stimmung der Bauerschaft noch immer zu Vorsichtsmaßregeln aufforderte und daß das Vertrauen des Schw. Bundes Gmünd zu einer Hauptstation für dieselben machte. Am 22. Juni hatte[55] in Gmünd eine Versammlung von Adeligen, Prälaten und Städten des Kreises stattgefunden und die Aufstellung einer streifenden Rotte beschlossen, welche die Bauern vollends zur Unterwerfung bringen und einige Zeit den Sicherheitsdienst versehen sollte. Die Hauptleute derselben hatten dem Jörg von Wöllwart und dem Bürgermeister von Gmünd Treue zu schwören.

[96] Wie es sich nun mit der Bundeshilfe verhalten haben mag, jedenfalls fühlte die aristokratische Partei im Rath sich am 4. Juli 1525 stark genug, um Althamer zu „urlauben“ d. h. abzusetzen[56] und den Ausschuß abzuschaffen.

Ersteres betreffend, heißt es in dem betreffenden Beschluß: „Der Rath hat den Prädikanten geurlaubet, weil er sich wider die christliche Ordnung verheirathet und selbst eingesegnet mit etlichen seiner Anhänger und verwaffneter Hand“. Würde er übrigens vom Bischof approbirt und zugelassen, so „würden sie sich der Gebühr nach halten“. Es wurde ihm verboten, in der Stadt und in ihrem Gebiet ferner zu predigen.

Nicht lange nachher entging Althamer einem nächtlichen Ueberfalle der Bündischen in seinem Hause nur mit genauer Noth und floh aus der Stadt. Es ist nicht unmöglich, daß Hauptmann Ziegler hiezu vom Bunde speciell beauftragt war, und daß Sender[57] Recht hat (wenn auch in der Jahreszahl irrend), wenn er berichtet: Da die Häupter des Schw. Bundes dem Peter Aichelin[58] aufgetragen hatten, den beweibten Priester an einem Baume aufzuknüpfen, entwich er, davon in Kenntniß gesetzt, heimlich. Daß dem Schw. Bunde an Althamers Entfernung viel gelegen war, erhellt aus einem Schreiben der Stände an Bürgermeister und Rath vom 7. August (F. A. No. 13), worin es heißt: „Wir vernehmen, daß euer Prediger sich aus eurer Stadt gethan haben solle. Darauf ersuchen wir euch – mit ernstem Befehl, daß ihr denselben – keineswegs mehr in eure Stadt kommen (lasset) und, ob er wieder kommen würde, – ihn gefänglich annehmen und wohl verwahret, bis auf weitern unsern Bescheid behaltet“.

Ueber Althamers weiteren Lebensgang und seine uns bekannten Beziehungen zu Gmünd geben wir in einem Anhang einige Nachricht.

Am gleichen 4. Juli wurden vier Hauptführer des Ausschusses vor den Rath beschieden und wurde ihnen erklärt: „Es sei unfruchtbarlich, auch schwer gegen den Kaiser und den Schw. Bund zu verantworten, zwei Räthe in einer Stadt zu gedulden“. Da nun der Bund an vielen Orten Strafe vornehme, „sehe der Rath für gut an, daß sie ihn bei seiner Obrigkeit, wie von altem Herkommen sei, bleiben lassen, damit man nicht in des Kaisers und des Bundes Ungnade und Strafe falle“.

Ob eine Verhandlung zwischen den 15 Ausschußmitgliedern und 15 vom Rath, welche die vier Vertreter des Ausschusses hierauf verlangten und der Rath zusagte, stattgefunden hat, ist nicht bekannt. Am 13. Juli wurde der kleine Ausschuß vorgeladen, ihm derselbe Vorhalt gemacht und „sie ihrer Pflicht entlassen und ihnen befohlen, daß sie ihres Ausschusses müßig stehen sollen“[59].

Es ist nicht unwahrscheinlich, daß die Ausführung dieses Beschlusses, der heftige Scenen im Rath zur Folge hatte (Protok. vom 14. Juli) die Niederschlagung thätlichen Widerstandes nöthig machte, etwa bei Besetzung des Ausschußlokals, – wenigstens spricht die später zu erwähnende Exekution dafür – doch scheint derselbe keine irgend bedeutende Ausdehnung gewonnen zu haben.

Die Partei des alten Raths hatte wieder faktisch die Gewalt in Händen. Allein es blieben für sie nicht unbedeutende Schwierigkeiten zu lösen. [97] Sie verdankte ihr Uebergewicht der bündischen Besatzung; da war zu fürchten, es werde nach dem schon einmal geforderten Abzug derselben ihr wieder entrissen werden. Im Rathe befanden sich noch die durch den Ausschuß hineingelangten neuen Mitglieder. Gewiß wollten die ausgestoßenen alten sie sofort wieder verdrängen. Allein diese Konsequenz der Reaktion wagten die gemäßigten Elemente des Raths, die namentlich an W. Egen ihren Vertreter hatten, nicht ohne Weiteres zu ziehen. Denn dieser Schritt, der die Mißliebigkeit des Raths aufs Höchste steigerte, konnte vollends nur unter der Voraussetzung gewagt werden, daß die Besatzung blieb – dann mußte man sich aber auch auf eine durchgreifende Reaktion von Seiten des Bundes und Bestrafung aller bei dem Reformversuch Betheiligten gefaßt machen, die einen nicht mehr zu versöhnenden Gegensatz zwischen der Rathspartei und der numerisch stärkeren „Gemeine“ zur Folge haben konnte. Wenn man aber den wieder hereindrängenden abgesetzten Rathsherrn nicht nachgab und es unterließ, an den Gegnern irgend ein Exempel zu statuiren, so entging man jener Gefahr auch nicht ganz: es war zu befürchten, jene würden, wie früher gedroht, beim Bunde Klage erheben. Es galt also, die Ausgestoßenen und den Bund zufriedenzustellen und dabei gegen die Ausschußpartei so glimpflich und in solchen Formen zu verfahren, daß man nach nicht zu langer Zeit die bündische Hilfe entbehren konnte.

Um den unerläßlichen Maßregeln das persönlich Gehässige zu nehmen und ihnen einen gesetzlichen Anstrich zu geben, rief die Stadtregierung die Reichsstädte Ulm, Nördlingen, Hall und Eßlingen um eine schiedsrichterliche Vermittlung an. Egen befand sich bis zum 16. August als Bundesrath in Ulm. Vermuthlich dort, vor seiner Rückkehr, fand eine vorläufige Verhandlung statt mit den Gesandten der vier Städte (F. A. 14). Egen legte diesen die bisherigen Vorgänge und die jetzige Lage ausführlich dar: wie sie einerseits, wenn sie unterließen, strafend einzuschreiten, fürchten müßten, in des Kaisers, auch der Stände des Bundes Ungnade und Strafe zu fallen; andererseits, wenn sie gleichförmig Strafe gegen soviele Personen nach eines Jeden Verschulden vornähmen, hätten sie Sorge, „daß sich der Handel fast tief und groß – einreißen und der Bürgerschaft eine Zerrüttung bringen möchte“.

Die Rathsbotschafter getrauten sich nicht, „darin hinter“ ihren Herren so eilends zu rathschlagen und baten, die Gmünder möchten ein „Verzeichnis“ ihrer Beschwerden und ihrer Vorschläge ihnen zukommen lassen, damit sie die an ihre Herren bringen.

Dieses „Verzeichnis“ haben wir in F. A. Nr. 14 im Konzept vor uns. Die Gmünder schlagen, nach einer längeren Darstellung der Vorgänge seit dem März, am Schlusse vor:

Die Rathsbotschaften der genannten vier Städte möchten noch einmal zusammentreten, in Gmünd, sich als Mittelspersonen zwischen den Rath und die Gemeinde stellen und diejenigen, welche gegen den Rath gehandelt, diesem in seine bürgerliche Strafe geben, doch so, daß sie nicht am Leben gestraft werden dürften. Sie müßten beschwören:

„Sie wollen den Rath bei seiner Freiheit und Obrigkeit lassen, ihm als ihrer Obrigkeit in allen ziemlichen Sachen gehorsam sein, sich in ewige Zeit nie mehr zusammenrottiren und schwören, und Jeder den Andern seiner Eidespflicht ledig zählen“.

Der ergangenen Einladung entsprechend, fanden sich am 21. August die Rathsbotschaften in Gmünd ein. Egen hielt eine Ansprache an sie, in welcher er für ihr Kommen dankte und sie, nach Verlesung einer die Beschwerden des alten Raths summarisch zusammenfassenden Schrift, um ihren Rath bat. (Beil. Nr. 22).

[98] Von dem Protokoll der weiteren Verhandlungen sind nur Bruchstücke erhalten. Die erste, Tags darauf erfolgte Entscheidung war, daß die 14 alten Räthe wieder eingesetzt werden sollten, die neuen wieder ausgesetzt; doch sollte es den letzteren an ihren Ehren unverletzlich sein.

In dem hierauf gehaltenen „ganzen Rath“, bei dem wohl auch die „Gemeine“ vertreten war, wurde von den Schiedsrichtern den neuen Räthen und ihrem Anhang ein scharfer Vorhalt gemacht und des Kaisers ernste Ungnade in Aussicht gestellt, wenn nicht hier eine Aenderung getroffen werde. Nur dann könne die Stadt darauf rechnen, daß „ihre Obrigkeit ihr vorbehalten“ bleibe, wenn „die alten Räthe, auch die Zwölfmeister“, wieder in ihre Stadt gesetzt würden – sonst könnten die Schiedsrichter nichts handeln.

Die Anträge der Rathsbotschaften, welche neben dem eben genannten alle Vorschläge der Stadtregierung umfaßten, erlangten in dieser Sitzung die Mehrheit. Für die beiden Hauptschuldigen Jakob Messerschmid und Jakob Beindreher, in deren Häusern hauptsächlich die Zusammenkünfte der Unzufriedenen stattgefunden hatten, wurde Fürbitte eingelegt und nur der erstere am Leibe gestraft, durch Abhacken der Finger[60]. Einige der unruhigsten Bürger wurden verbannt[61].

So konnte nach einigen Verhandlungen, welche dieser Staatsstreich noch erforderte und welche von Seiten der Gemeinde die Zunftmeister und „drei von der Gemein“ führten, am 24. August die alte oligarchische Regierung als wiedereingesetzt gelten.

Charakter und Haltung der vom Rath in der nächsten Zeit geführten Regierung läßt sich aus den wenigen überlieferten Nachrichten einigermaßen beurtheilen.

Vielleicht schon jetzt, nachweislich seit 1527, führte das Stadtregiment in seinen Erlassen den Titel: „Wir Bürgermeister, Rath und Zunftmeister“ der Stadt Gmünd. So wurden die Zunftmeister für ihre konservative Haltung belohnt – vielleicht, daß sie sich das im Juli schon ausbedungen hatten: man ließ sie im Rath mehr wie vor 1525 gelten und erkannte dies durch obige Formel offiziell an.

Am 7. September 1525 beschickte der Rath sämmtliche Mönche des Augustiner- und des Barfüßerklosters und ließ ihnen ernstlich sagen: „Wie ihm vorkomme, halten sie in ihren Klöstern öffentlich Zech, spielen Nachts, haben Tag und Nacht Frauen, thun Laienkleider an, gehen Nachts auf die Gasse. Von dem allem sollten sie abstehen; würden sie Nachts auf den Gassen betreten, werde gegen sie gehandelt werden wie sich gebührt“.

In der vorliegenden Kopie ist vom 21. Oktober 1526 datirt, aber gehört dem ganzen Inhalte nach in das Jahr 1525 ein Gebot von Bürgermeister, Rath und Zunftmeistern: „daß niemand die aus dem Rath Entlassenen, die jene Zeit, in welcher sie im Rath saßen, sich als fromme Leut wohl gehalten haben, oder andere ehrbare Leute, der Sachen halben, so sich zwischen uns allen verloffen hat, schmähe, rätsel’ oder verachte, bei Strafe an Leib und Gut“.

Weitere Strafdrohungen gelten den Weibspersonen, die sich viel böser sträflicher Reden wider christliche Ordnung, alle Obrigkeit und Ehrbarkeit befleißen und ihre Männer zu Aufruhren bewegen, sowie denen, die sich hinfüro bei Tag oder Nacht rottiren würden.

Wir sehen hieraus, daß die herrschende Rathspartei bemüht war, die Mittel, durch die sie wieder an’s Ruder gelangt war, durch eine [99] möglichst schonende Behandlung der Gegner vergessen zu machen, ja sich auch in kirchlicher Hinsicht das Ansehen eines sittlichen Rigorismus zu geben. Im Grunde waren wohl die meisten Rathsherrn, sobald ihre „Freiheit“ d. h. ihr erbliches Vorrecht wieder hergestellt war, im Uebrigen zu manchen Konzessionen und Neuerungen bereit und mag der Rath – besonders nach dem etwa in den Anfang Oktober zu setzenden Abzug der bündischen Söldner – selbst einzelne Regungen des Unmuths von Seiten der Unterdrückten geduldet haben.

Ohne eine ziemlich weit gehende Nachsicht wäre nemlich ein Erlaß unerklärlich, den die an Martini 1525 in Nördlingen versammelten Räthe des Schw. Bundes an die Gmünder Stadtregierung richteten[62], des Inhalts: Früher schon hätten sie von ihnen eine Erklärung verlangt, weß sie sich bei ihnen zu versehen haben, aber immer noch keine verständige Antwort erhalten. Es sei Sache des Bundes, wo Empörungen stattfinden, einzuschreiten. Dazu sei er bereit, wenn der Rath der Gemeinde gegenüber zu klagen hätte. – „Und nachdem in eurer Stadt Aufrührige sein möchten und durch euch nicht bestraft wären, trügen wir ein Mißfallen, würden auch verursacht, dieselben nach ihrem Verbrechen und euch eurer Hinlässigkeit zu strafen“. Sodann eine Erinnerung an das wegen Althamers früher erlassene Gebot. Antwort mit diesem Boten wird erwartet.

Welche Antwort auf dieses Schreiben gegeben wurde, wissen wir nicht: Das bündische Mandat beweist, welcher Wind damals in den oberen Regionen des Bundes wehte. Die Gmünder, welche von dieser Stimmung wohl schon vor diesem Schreiben unterrichtet waren, schärften am 16. November dem neuen Pfarrer und Helfer ein, sich streng nach dem Kais. Mandat und dem Artikel im Speyerischen Abschied zu richten. Uebrigens zeugt die Sprache, welche hier der Bund gegenüber der im Sommer mit besonderem Vertrauen beehrten Stadtregierung führte, einerseits dafür, daß die fortwährenden Klagen einer ultrareaktionären Partei bei dem Bunde eine sehr mißtrauische Stimmung selbst gegen das gemäßigte konservative Element erzeugt hatten und fortwährend nährten; andererseits, daß dieses jetzt am Ruder befindliche Element zwar gern die bündische Hilfe benützt hatte, nicht aber geneigt war, die bündische Politik mit allen ihren Konsequenzen mit in den Kauf zu nehmen, dies auch mit Rücksicht auf die Stärke des nur zurückgedrängten demokratischen Elements nicht wagen durfte.

Die Lage, in welcher die Stadt sich am Ende dieses Bewegungsjahres befand, war nicht die eines Friedens, der auf wirklicher Versöhnung der streitenden Elemente und Interessen ruhte, sondern eines Waffenstillstandes. Der Kampf, der zwischen den beiden extremen Parteien auszubrechen gedroht hatte und – ob auch in seinem Ausgang kaum zweifelhaft – nicht ohne ein heftiges Ringen und einen bleibenden Schaden für das ganze Gemeinwesen abgegangen wäre, war für jetzt abgewendet durch die Vermittlung der gemäßigten Partei, die es verstand, die reaktionäre Partei in der Hauptsache zu befriedigen, die Gegenpartei aber von der Nutzlosigkeit des Widerstandes zu überzeugen und durch Schonung zu beruhigen. Aber der so hergestellte Zustand des kleinen Staates glich nicht einer festen Säule, sondern einer augenblicklich gleichgestellten Wage, und die damalige Zeit war nicht dazu angethan, ein derartiges Gleichgewicht lange ungestört zu lassen.


[100]

Anhang.

Andreas Althamer mag, wenn Will’s unsichere Angabe (Gelehrtenlexikon S. 24) richtig ist, zunächst im Egidienkloster in Nürnberg eine Zuflucht gefunden haben, von wo er sich nach Wittenberg begab und am 18. Oktober 1525 in’s Album der Universität als Studirender eintragen ließ (s. Jul. Hartmann Sohn in der allg. deutschen Biographie I, S. 365). Von dort aus richtete er am 10. Januar 1526 an Bürgermeister und Rath von Gmünd die Bitte, ihn mit seiner Hausfrau als Beiwohner und Pfahlbürger in Gmünd wohnen zu lassen. Das Kaiserliche Edikt befage nur: einem verheiratheten Priester solle man seine Pfründ nehmen – eine solche habe er aber und begehre er nicht. (F. A. 12a)[63].

Bürgermeister und Rath wiesen das Gesuch ab, mit Berufung auf den bündischen Befehl (Beil. Nr. 24. dd. 17. Februar).

In demselben Jahre wurde Althamer Diakonus zu St. Sebald in Nürnberg. An Bartholomäi 1526 hielt er von Nürnberg aus bei dem Bürgermeister und Rath um ein freies Geleit, wie es scheint zu einem Besuch in geschäftlichen Angelegenheiten, an, das ihm aber abgeschlagen wurde. (F. A. 12 b. Beil. 25).

Daß er in diesen Jahren auch Pfarrer in Eltersdorf geworden sei, ist mir zweifelhaft, (in dem „Nürnbergischen Zion“ ist unter den Pfarrern von Eltersdorf in jenen Jahren Althamer nicht genannt). 1528 machte ihn Markgraf Georg von Brandenburg-Ansbach zum Pfarrer und Hofdiakonus zu Ansbach. Weiteres über den, namentlich als Verfasser eines Katechismus (vergl. Hartmann des Vaters älteste katechetische Denkmale der evang. Kirche) und vieler exegetischer und polemischer Schriften verdienten Mann siehe die im I. Abschnitt zitirten Schriften.

Hier sei nur noch erwähnt, daß Markgraf Georg im Oktober 1528 die Anfrage nach Gmünd richtete (Beil. 26), was denn daran sei, daß „Andreas Althamer[WS 6] sein Pfarrherr sich im jüngsten bäuerischen Aufruhr mit Predigen und in anderem Weg sträflich gehalten habe und derhalben von ihnen geurlaubet worden sei?“

Am 5. November schrieb er nochmals (Beil. 27): „Der würdig unser Pfarrherr zu Ansbach und lieber getreuer“ Andreas Althamer habe ihm mitgetheilt, es sei ihm bei seinem Abgang von Gmünd nächtlicher Weil von ihrem Hauptmann Ziegler und etlichen Landsknechten ein „purpuranischer und dann ein Chorrock entwendet worden“ und bittet Bürgermeister und Rath, den Hauptmann zur Wiedererstattung des Entwendeten anzuhalten.

Die Verlegenheit des Raths spiegelt sich nicht nur in dem langen Verzug der Antwort, deren Empfang die markgräfliche Kanzlei erst nach Weihnachten 1529 bescheinigen konnte, sondern namentlich darin, daß zwei Konzepte für die Antwort aufgesetzt wurden[64], von ziemlich verschiedener Haltung.

Das eine, datumlose stellt Althamers Auftreten als Sektirerei und als förmliche politische Aufwieglerei dar, das zweite (vermuthlich nachdem durch die Speyrer Protestation des Markgrafen lutherische Gesinnung bekannt geworden war) läßt solche Punkte, welche bei dem Markgrafen eher zur Empfehlung dienen konnten, wie Althamers lutherische Predigt und seine Verehelichung, weg und läßt ihn mehr als einen gegen seinen Vorgesetzten unbotmäßigen Helfer erscheinen, der die Volksbewegung benützte, um sich einen Anhang zu machen.

Dem letzteren, das wirklich abgeschickt wurde, war ein Rechtfertigungsschreiben des Hauptmanns Ziegler beigefügt, in welchem dieser sich wegen Althamers [101] Flucht ganz unschuldig stellt: als er einmal Nachts die Wache visitirte, sei er, bei Althamers Hause angelangt, zufällig Zeuge geworden, wie Althamer seinen Rock und Chorrock hinauswarf und selbst nachsprang. Da Althamer – warum wisse er nicht – hierauf die Flucht ergriffen habe, seien die Röcke von einem Doppelsöldner[65] aufgehoben und hierauf diesem als Beute zugetheilt worden. Wolf Ziegler bittet ihn bei Recht zu handhaben, da Althamer selbst durch seine Flucht zur Erbeutung seiner Röcke Anlaß gegeben habe und die Handlung im Dienste des Bundes geschehen sei.

Ob die Korrespondenz fortgesetzt wurde, ist nicht bekannt. Es bedurfte auch weiterer Aufschlüsse kaum, um unter dem Schafspelz den Wolf zu erkennen.



  1. Rathsdecreta von 1520–42.
  2. ebendas.
  3. An diese Einräumung mußte des Bischofs Nachfolger sich 60 Jahre später erinnern lassen, als er gegen ein solches Verfahren als einen Eingriff in seine Gerichtsbarkeit protestiren wollte.
  4. In der Abschrift Bl. 147.
  5. Die Rathsdekrete im Augsburger Stadtarchiv, Paul v. Stettens treffliche „Geschichte von Augsburg“ 1743, vergl. Keims Schwäbische Reformationsgeschichte S. 32.
  6. Die Vorlesung der Augsburgerischen Konfession vor dem Kaiser und den Ständen begleitet Sender mit der Bemerkung: „Man hat drei Stund an diesem schandlich Libell gelesen.“
  7. Dies Protokoll hat sich in das städtische Klagbuch verirrt.
  8. Ueber die auffallende Erscheinung, daß nicht am gewöhnlichen Schwörtage Georgii, sondern am Dienstag nach Michaelis diese Beeidigung stattfand, und nicht nur die neueintretenden, sondern sämmtliche Zunftmeister beeidigt wurden, enthält der Bericht keine erklärende Notiz. Es ist nicht undenkbar, daß man das Institut des großen d. h. durch die Zunftmeister verstärkten Raths lange hatte ruhen lassen (wie dies in späterer Zeit geflissentlich geschah) und nun unter dem Druck einer demokratischen Bewegung seine Zuflucht dazu nahm oder sich förmlich dazu gezwungen sah, die Zunftmeister beizuziehen.
  9. Aus den Rathsdekreten von 1520–42.
  10. Rathsdecreta 1520–42. Gleichfalls erwähnt im Klagebuch sub 7. Januar 1525.
  11. s. Keim p. 37.
  12. s. Keim p. 29. In dem cit. Protokoll ist es so bezeichnet: „der Artikul im Speyerischen Abschied Margaretha (12. Juli) gehalten“. Vergl. Schlossers Weltgesch. 2. Ausg. 1873. Bd. IX, S. 513.
  13. Vergl. Andreae Althameri vita von Joh. Arnold Ballenstädt, Wolfenbüttel 1740 mit seinem Bildnis und einer Briefsammlung. Will, Nürnberger Gelehrtenlexikon Bd. I. 1755. In beiden ist Ahamers Aufenthalt in Gmünd nicht erwähnt. Ferner Dr. Jul. Hartmann d. Vater in Herzogs theol. Realencyclop. I, 265. und Dr. Jul. Hartmann d. Sohn in der Allg. deutschen Biographie I, 365.
  14. Wenn übrigens Keim S. 190 Anm. 1 die Stelle aus Zwinglis Briefwechsel II, 529 auf ihn bezieht, so wird dies unrichtig sein. Denn wie aus einem Briefe bei Ballenstädt hervorgeht, hatte Althamer keinen Bruder, sondern mehrere Schwestern, und war ein eifriger Gegner der Zwinglianer, zu welchen M. Joh. Gundelfingius gehörte (s. ebendaselbst II, 599). Ueberdies war es nicht Althamer, der den Markgrafen Georg von Brandenburg 1530 nach Augsburg begleitete, sondern Stadtpfarrer Rürer.
  15. Melanchthon, dem er sein Manuskript mittheilte, warnte ihn mit liebenswürdiger Offenheit vor Uebereilung in der Herausgabe seiner noch unreifen Arbeit: Opto equidem ut in lucem prodeat, sed candoris mei est consulere, ut quam emendatissime exeat (bei Ballenstädt). Eine Frucht dieser Beschäftigung Althamers war sein 1529 erstmals herausgegebener, bis 1617 oft abgedruckter Kommentar zu Tacitus Germania.
  16. Nach Ballenstädt wäre es damals stehender Brauch gewesen, daß die angehenden Geistlichen vor dem Eintritt in ein Kirchenamt zuvor an einer Schule Dienste thaten.
  17. Diese Annahme gründet sich auf das datumlose Briefchen Brassicans bei Ballenstädt XXX. Althamero Reutlingensium Provisorculo. Er sendet ihm eine gewünschte Grabschrift für seinen Oheim. Da dieser im August 1521 noch am Leben war und Althamer damals und bis zum April 1522 in Hall sich aufhielt, so können wir dieses Briefchen erst in die zweite Hälfte des April 1522 versetzen und wohl nicht später als Anfangs Mai, weil in diesem Monat Brassican Tübingen verlassen mußte s. Keim p. 21.
  18. F. A. 11.
  19. Wenn nicht früher, jedenfalls vor Mitte 1524. Im anniversarium des Klosters Lorch (K. Staatsarchiv) findet sich über Keller die Notiz: 1524 Thomas Kellir (? das reformirte Statut der Priesterfraternität zu Lorch von 1522 nennt ihn Kellin) plebanus in Gamundia obiit, vir spectabilis, baccalaurcus formatae theologiae. Er hatte früher das Kloster als Dekan des Kapitels reformirt.
  20. Möglich, daß die S. 29 erwähnte Petition in ihrer eigentlichen Tendenz dahin ging, daß Althamer vom Rath als Prädikant angestellt werde.
  21. Vorstehendes aus dem „Klagebuch“.
  22. Spätere, und nach ihnen auch die Beschreibung des Oberamts S. 263 stellen diese einmalige Begebenheit als einen wiederholten, eine Zeitlang öfters, wenn ein treuer katholischer Prediger auftreten wollte, wiederkehrenden Unfug dar. Dies würde aber in F. A. 11, einer Art Klageschrift gegen Althamer, nicht verschwiegen sein.
  23. In v. Stälins wirtemb. Gesch. IV, 247 ist die Gegenwirkung gegen die Glaubenserneuerung bis 1524 bei Gmünd besonders den Franziskanern zugeschrieben und in Anmerkung 2 der Guardian Laib genannt. Dies ist ein durch die Chronisten verschuldeter Anachronismus. Seine Grabschrift in der Franziskanerkirche in Gmünd bezeugt dem G. Jak. Laib: 1620 Civitatem Gamund in vera fide servavit. Jm bischöflichen Archiv zu Rottenburg befindet sich ein Brief von ihm, der nach seinem Inhalt in das Jahr 1642 zu setzen ist. 1620 trat er gegen den protestantisch predigenden Dominikaner Stritzel auf. Dies entspricht zugleich dem historischen Verhältnis beider Orden; ebenso daß 1525 der von dem Franziskaner Schilling zuerst angefangenen lutherischen Predigt hauptsächlich die Dominikaner entgegentraten.
  24. Vergl. meine Abhandlung in den Forschungen zur deutschen Geschichte Bd. XIV, S. 229 f.: Der Bauernkrieg auf dem Gebiete der fr. Reichsstadt Schw. Gmünd, wo die im Folgenden benützten, den Bauernkrieg betr. Urkunden meist wörtlich abgedruckt sind.
  25. Unter den „Predigern“ verstehe ich Dominikaner und vermuthe, daß dieselben vom Rath veranlaßt worden waren, an den Freitagen der Fastenzeit Predigten zu halten – der 3. März, an welchem der S. 26 erwähnte Tumult in der Kirche stattfand war der erste Freitag der Fastenzeit – die obige Anfrage beim Rath geschah am Vorabende eines Freitags. Für die dem Rath unterlegte Absicht, einen Tumult zu provoziren ist, übrigens damit nichts bewiesen.
  26. Augsburger Archiv.
  27. F. A. 7, bei Schwab 286 bis auf die Schlußworte richtig abgedruckt, freilich chronologisch nicht am rechten Orte.
  28. Augsburger Archiv.
  29. F. A. 10, Bericht an den Gesandten beim Schwäbischen Bund vom 1. April.
  30. Uebrigens nur ein lokales Vorspiel des Bauernkrieges, nicht dieser selbst, wie man nach der unchronologischen Numerirung des Sammlers vom F. A. und der Darstellung Schwab’s meinen könnte, war damit zu Ende.
  31. F. A. 10.
  32. Nach dem Bericht an die später zur Vermittlung angerufenen Städte vom August 1525, F. A. 14, von Schwab p. 288 für unlesbar erklärt; er gibt das irrige Regest des Sammlers.
  33. Zeyrer nennt ihn die Oberamtsbeschreibung.
  34. Beil. 12.
  35. Aus dieser gegenseitigen Verpflichtung des Raths und der Priesterschaft machten Spätere, wie die Dollische Chronik (nach ihr auch die Oberamtsbeschreibung S. 263) ein gemeinschaftliches Gelübde, „eher Leib und Leben zu lassen, als eine Religionsveränderung zuzugeben“. Wie sollte der Ausschuß darauf eingegangen sein? Aber die mitgetheilte Erklärung enthält ja auch nichts davon.
  36. Bei der Verbrennung von Hohenstaufen betheiligten sich auch Gmünder Bürger, wofür später die Stadt mit Hall und den Herrn von Limpurg Entschädigung leisten mußte. v. Stälin IV, 310.
  37. Chronologisch gehören No. 1–6 hinter No. 10.
  38. wo ihr Nachtrab Abends oder in der darauf folgenden Nacht noch das Kloster einäscherte.
  39. F. A. 5. Adresse: „Den ehrsamen – Burgern und Gemaind der christlichen Stadt Gmünd, unsern l. Brüdern“.
  40. Laut eines von Ulm an den Bundesfeldherrn Truchseß von Waldburg gerichteten Schreibens im Augsburger Archiv.
  41. Oechsle S. 408 f.
  42. An Quasimodogen. 100, an Jubilate 152 Mann, laut der Stadtrechnung von 1525.
  43. Diese Data werden wir im Auge behalten, wenn wir die weiteren Stadien der Reaktion verfolgen. Die beiden letzten ergeben sich annäherend sicher aus der Stadtrechnung.
  44. Die Klageschrift des Raths F. A. 11. läßt Althamer bei der Aufstellung des Ausschusses mitwirken, ja sogar bei den Straßenaufläufen sich betheiligen und stellt ihn als die Seele des Ausschusses, besonders bei den revolutionären Schritten desselben dar. Bei der tendenziösen [92] Haltung dieses Dokuments aber – siehe darüber den Anhang – und da die ausführlichere Darstellung dieser Vorgänge im F. A. 14. Althamer gar nicht erwähnt – sind wir von seiner Mitwirkung nur bei Maßregeln wie die zu erwähnenden kirchlichen überzeugt.
  45. So drückt sich die Stadtrechnung aus.
  46. Nördlinger Archiv.
  47. Dessen Träger übrigens nach ihrer Rückkehr noch eine Reiseentschädigung erhielten.
  48. Von Nördlingen kam eine sehr vorsichtige Antwort des Raths (das Konzept im dortigen Archiv): Während nemlich hier (s. Keim Ref. Gesch. S. 38) „Billican schon 1524 die deutsche Taufe und Messe einführte und den Ehestand betrat, im Februar 1525 eine originelle Kirchenordnung über Predigt, Sakramente, Ehe, Begräbnis veröffentlichte, die schon jetzt großentheils eingeführt wurde“, so heißt es in dem Antwortschreiben vom 25. Mai: „Fügen Euer Lieb darauf zu wißen, wo wir einige dergleichen Ordnungen (der Geistlichen halben) gemacht hätten, daß wir insonderheit geneigt wären, euch dieselbigen mitzutheilen. Wir haben uns aber bisher – des Reichs Abschieden zuwider – einer solchen hochwichtigen Sache nit unterfahen wollen – dann wir uns dafür achten, daß wir – dazu nit gefreyet oder geschickt sein möchten. Doch ohn ist es nit, – daß wir – einen evangel. und gelehrten Prediger bestellt – haben. Der hat das hl. Evangelium so – geprediget und dermaßen etlich alte Kirchen- Mißbräuch durch Bewährung der göttlichen Schriften fürgebildet und angezeigt, daß dadurch das Volk nit wenig Abscheuen davor empfangen, und solche Mißbräuch darauf gleich ohne unsere sondern Ordnungen und Befehl den mehrern Theil gefallen und unterblieben seien“. Da die geistlichen Oberherren sich nicht hätten vernehmen lassen, „daß sie des einige Beschwerd – getragen, so hätten sie, als die in der hl. Schrift nit sonder hoch erfahren – dazu auch im Besten geschwiegen“. Sie wollten erst ein Aufsehen haben auf andere Stände und Städte, und davon vornehmen, was sie dem Kaiser gegenüber verantworten könnten. Die „mittelmäßigen“ Reichsstädte hätten wohl aufzusehen, dürften „nicht zu gäch, frevelich und unbesonnen handeln, sondern hätten zu bedenken, daß man gemachsamlich mit der Zeit auch weiter geht, merkend, wie sich die Läuf allenthalben erzeigen“.
  49. Hienach ist meine Darstellung in den Forschungen z. d. Gesch. S. 236 zu berichtigen. Die Neubesetzung des Raths erfolgte nicht, wie es nach der Aufzählung der Akte des Ausschusses in F. A. Nr. 14 scheinen konnte (weil keine Data beigefügt sind) schon an Ostern, sondern erst jetzt, freilich als weitere Folge der Ereignisse an Ostern. Auch die Darstellung der Oberamtsbeschreibung S. 246: Während des Bauernkriegs wurde der Rath abgesetzt und ein der Bauernsache und dem Evangelium günstiger Rath erwählt (im gleichen Sinn S. 283) bedarf in Betreff der Chronologie und wohl auch in sofern einer Berichtigung, als man die Haltung der Stadt doch nicht ohne Weiteres „bauernfreundlich“ nennen kann.
  50. Rathsdecreta von 1520-42 vergl. F. A. 14.
  51. Von wievielen? Nach dem Aemterverzeichnis von 1512-42 im Gmünder Archiv ist die Angabe der Oberamtsbeschreibung S. 248 vergl. 254, es seien auf jeder der drei Bänke, Burger-, Zunftmeister- und gemeine Bank, 8 Rathsherren gewesen, zu berichtigen. Es waren deren je 11, den regierenden Bürgermeister auf der „Bürger-“ d. h. Patrizierbank mit eingerechnet. Auf der Zunftmeisterbank waren vertreten die Zünfte der „Cramer, Schmid, Fischer, Grempler, Becken, Tucher, Binder, Schneider, Gerber, Metzger und Schuhmacher“. Das Rathsverzeichnis von 1525 führt nur 10 Burger auf – möglich, daß man bei der so schwierigen Wahl über einen derselben nicht einig wurde. An Bartholomäi 1525 wurde ganz der alte Rath wiederhergestellt; aber an Georgii 1526 mußten, anstatt wie sonst jährlich 3, doppelt soviele Rathsherrn austreten, beziehungsweise einer Wiederwahl sich unterwerfen.
  52. F. A. 11. und in den Rathsprotokollen 1520–42.
  53. Im Augsbgr. Archiv.
  54. Brief des Wolf Ziegler, v. Dez. 1529.
  55. Oechsle S. 433 f.
  56. Von einem Prädikanten, der „beim Anfang des Bauernkriegs ausgewiesen wurde“, wie die Oberamtsbeschreibung S. 262 berichtet, habe ich nichts gefunden. Das Auftreten Althamers, die Scenen im Predigerkloster u. s. w. gehören nicht in das Jahr 1526, sondern 25.
  57. De progressu haeresum S. 12. Ihm folgt Keim S. 46.
  58. Peter Aichelin, der Bundes- Profoß, der 1526 sich rühmen konnte, 40 lutherische Geistliche aufgeknüpft zu haben. Keim 46. v. Stälin IV, 308. Anm. 2.
  59. Dem Diener des Ausschusses reichte man seinen Lohn nur bis zum 5. Juli.
  60. Stadtrechnung: „Dem Nachrichter verehrt von Jäcklin Messerschmid wegen: 1 Gulden 1 Orth“.
  61. Oberamtsbeschreibung S. 283.
  62. F. A. 15. dd. 17. Nov. 1525.
  63. Unterschrift: „A. Althamer, weilandt euer Prediger“.
  64. F. A. 11. und Beil. 29.
  65. Eine ausgestrichene Notiz im Konzept lautet: „welcher vom Bund bestellt des Raths Profos gewesen“.

Anmerkungen (Wikisource)


  1. Gustav Schwab
  2. Michael Grimm
  3. Scans auf Wikimedia Commons
  4. Clemens Sender (1475–1537), Benediktiner und Geschichtsschreiber
  5. Michael Stifel
  6. Vorlage: Alhamer