Die Senne

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Ludwig Altenbernd
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Senne
Untertitel:
aus: Frühlingsblüthen und Herbstblätter
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1872
Verlag: Meyer
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Detmold
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: LLB Detmold, Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: [1]
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[index:|Indexseite]]


[119]
Die Senne


Hier ist der Ort, die alte Stätte,
Wo auf der Haide dürrem Sand
Vor langer Zeit mein Wiegenbette
Im engen Vaterhause stand.

5
Das Vaterhaus! – von dieser Stelle

Längst schwand es in der Jahre Lauf,
Und gastlich nimmt die fremde Schwelle,
Das fremde Dach, den Wandrer auf.

Auf dieser Flur, so öd’ und stille,

10
Sang, als der lange Winter schied,

Die Haidelerche und die Grille
Dem Knaben einst das Wiegenlied.
Ich mein’, ich müßt’ ihn heut noch hören,
Den Nachtwind, in den Wipfeln hoch,

15
Wie durch die Birken und die Föhren

Er wunderseltsam rauschend zog.

[120]
Es klang, es sang wie leises Klagen,

Daß sie noch lag, wenn rings die Au
Sich schmückte in den Maientagen,

20
Im Alltagskleide, Grau in Grau;

Daß sie, gemieden und vergessen,
Das blöde Stiefkind der Natur,
Im Winkel stand, wenn unterdessen
So bräutlich lachten Wies’ und Flur.

25
Da wob, als längst der Mai verglühte

Der Sommer ihr das Hochzeitskleid,
Flocht ihr in’s Haar die Haideblüthe,
Und schön in ihrer Dürftigkeit,
Der Armuth Kind im schlichten Kleide

30
Bestrickt sie dich, du weißt nicht, wie.

Das ist die Poesie der Haide,
Der stillen Senne Poesie. –

Es raucht kein Schlot auf dieser Fläche,
Hier schimmert nicht der Oefen Licht;

35
Es frohnen Dampf und Mühlenbäche

Und laute Hammerwerke nicht.
Hier frohnt der Mensch mit seinem Arme,
Vom Frühroth bis der Abend graut,
Schier unermüdlich, gleich dem Schwarme

40
Der Bienen hier im Haidekraut.


[121]
Fern von der Straße, die der volle,

Der breite Strom des Lebens rollt,
Hängt er an seiner dürren Scholle
Und nimmt gelassen, was sie zollt:

45
Des Feldes karg gemessne Gaben,

Den Bienenfleiß der Sommerzeit;
Zufrieden, wenn gefüllt die Waben
Und wenn die Knollenfrucht gedeiht. –

Schon früh in meiner Kindheit Tagen

50
Hat mich von hier mein Lebensloos

– Ich dank es ihm! – hinweggetragen
In reichgeschmückter Fluren Schooß;
Wo mit den fruchtbeladnen Auen
Sich mischen Wald und Wiesengrün;

55
Wo Heerden läuten, Berge blauen

Und silberhelle Bäche ziehn.

Da trank ich an dem frischen Borne
Der vielbewegten Gegenwart
Und nahm, was in gefülltem Horne

60
Mir Lieb’ und Leben aufgespart.

Die neue Zeit mit mächt’gen Schwingen,
Dem Großen, was sie angestrebt,
Hab’ ich gesehn in ihrem Ringen
Und mitgefühlt und mitgelebt:

65
[122]
Und dennoch – mitten in der Fülle

Des Lebens oft und der Natur,
Zieht’s wie ein Heimweh mich zur Stille,
Zum Frieden dieser Haideflur.
So kreis’t die Schwalbe um’s Gemäuer,

70
Wenn heimwärts sie vom reichern Süd

Zum alten Nest an alter Scheuer
Am sonn’gen Frühlingstage zieht.