Zum Inhalt springen

Die Wölfe

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Wagner von Laufenburg
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Wölfe
Untertitel:
aus: Badisches Sagen-Buch I, S. 157–159
Herausgeber: August Schnezler
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Creuzbauer und Kasper
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Karlsruhe
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons und Google
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[157]
Die Wölfe.[1]

Auf des Rheines blauen Wellen
Zieht dahin ein schnelles Schiff,
Zieht vorüber Städte, Burgen,
Dorf und Wald und Felsenriff.

5
Pilger sitzen viel darinnen,

Kommend von dem Gnadenort,
Kehren mit Gebet und Liedern
Wieder nach der Heimath Port.

Pilger sitzen auch darinnen

10
Muntern Schlages, frischen Bluts,

Denn das Bad, wo man genesen,
Läßt man immer frohen Muths.

Fröhlich sind von Herzen Alle,
Hundertdreißig zählt die Schaar,

15
Zwei nur scheinen bang und traurig,

Aller Erdenfreuden baar.

Weinend sitzt da eine Mutter,
Ach! von greisen Haaren schon,
Und mit jammervoller Miene

20
Neben ihr der kranke Sohn.


Irr und wild sind seine Sinne
Wohl seit langen Jahren her;
Alle Bäder und Arzneien
Machen Den gesund nicht mehr.

25
Wie die Einen in dem Schiffe

Innig beten immerfort,
Und die Andern scherzen, lachen,
Sprechen Die kein einzig Wort.

[158]

Da erbrauset aus der Ferne

30
Wildes Tosen und Gekrach,

Wie wenn über Felsenklippen,
Wellen stürzen wild und jach.

Und mit blödem Starren hebet
Sich der Kranke nun voll Hast,

35
Und mit flehenden Geberden

Er die Mutter fest umfaßt:

„Mutter! o dein Herz war immer
Fromm vor allen, treu und gut,
Warum hast du doch uns heute

40
Anvertraut der falschen Fluth?


„Weißt, o Mutter, du denn nimmer,
Daß Der wohl der schlimmste Feind,
Der im Herzen Tücke heget
Und von Außen freundlich scheint?

45
„Hörst du nicht, o Mutter schallen

Dort von fern das Wolfsgeheul?
Ja, zum Fraß den schlimmen Wölfen
Werden Alle wir zu Theil.

„Mutter, o den Sohn, den kranken,

50
Siehst du in so großer Noth!

Mutter, weißt du, wer kann heilen
Alle Krankheit? – nur der Tod!“ –

Immer jammert so der Kranke
Zu der greisen Mutter auf

55
Und das Schiff, den Rhein hinunter,

Reißt der Wellen wilder Lauf.

In die Strudel lenkt der Schiffsmann,
Der hier die Gefahr nicht kennt,
In die Strudel, die man ringsum

60
Wohl mit Recht „die Wölfe“ nennt.
[159]

„Mutter, alle Krankheit heilen
Kann allein der Helfer Tod!
Horch! wie rings die Wölfe jappen!
Weh dir, Schiff, in deiner Noth!“ –

65
Still – Gebet und frohe Lieder

Sind mit Einem Mal verhallt;
Fluthgebrauße, Schiffeskrachen,
Lauter Jammer nur erschallt.

Weh! geborsten ist das Fahrzeug

70
Am verborgnen Klippenpfahl;

All die Pilger sind versunken,
Hundertdreißig an der Zahl.

Wagner von Laufenburg.

  1. So heißt eine für die Schiffer höchst gefährliche Stelle im Rheine, der sich hier durch mächtige Klippen Bahn brechen muß; zwischen Laufenburg und Seckingen.