Die Wahlverlobten

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Autor: Heinrich Heine
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Titel: Die Wahlverlobten
Untertitel:
aus: Vermischte Schriften.
Erster Band
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S. 170–172
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Hoffmann und Campe
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Erscheinungsort: Hamburg
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Quelle: Heinrich-Heine-Portal und Scans auf Commons
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[170]
XI.
Die Wahlverlobten.


     Du weinst und siehst mich an, und meinst,
Daß du ob meinem Elend weinst –
Du weißt nicht, Weib! dir selber gilt
Die Thrän’, die deinem Aug’ entquillt.

5
     O, sage mir, ob nicht vielleicht

Zuweilen dein Gemüth beschleicht
Die Ahnung, die dir offenbart,
Daß Schicksalswille uns gepaart?
Vereinigt, war uns Glück hienieden,

10
Getrennt, nur Untergang beschieden.


     Im großen Buche stand geschrieben,
Wir sollten uns einander lieben.

[171]

Dein Platz, er sollt’ an meiner Brust sein,
Hier wär’ erwacht dein Selbstbewußtsein;

15
Ich hätt’ dich aus dem Pflanzenthume

Erlöst, emporgeküßt, o Blume,
Empor zu mir, zum höchsten Leben –
Ich hätt’ dir eine Seel’ gegeben.

     Jetzt, wo gelöst die Räthsel sind,

20
Der Sand im Stundenglas verrinnt –

O weine nicht, es mußte sein –
Ich scheide, und du welkst allein;
Du welkst, bevor du noch geblüht,
Erlöschest, eh’ du noch geglüht;

25
Du stirbst, dich hat der Tod erfaßt,

Bevor du noch gelebet hast.

     Ich weiß es jetzt. Bei Gott! du bist es,
Die ich geliebt. Wie bitter ist es,
Wenn im Momente des Erkennens

30
Die Stunde schlägt des ew’gen Trennens!

Der Willkomm ist zu gleicher Zeit
Ein Lebewohl! Wir scheiden heut
Auf immerdar. Kein Wiedersehn
Giebt es für uns in Himmelshöhn.

35
Die Schönheit ist dem Staub verfallen,

Du wirst zerstieben, wirst verhallen.

[172]

Viel anders ist es mit Poeten;
Die kann der Tod nicht gänzlich tödten.
Uns trifft nicht weltliche Vernichtung,

40
Wir leben fort im Land der Dichtung,

In Avalun, dem Feenreiche –
Leb’ wohl auf ewig, schöne Leiche!