Die erste deutsche Handelshochschule in Leipzig
[689] Die erste deutsche Handelshochschule zu Leipzig. Die kolonialen Bestrebungen eines Volkes, die mit dem Blühen seines Handels Hand in Hand gehen, stellen immer höhere Anforderungen an die Tüchtigkeit seines Kaufmannsstandes. Dem Kaufmann liegt es ob, die Erzeugnisse ferner Zonen dem Vaterlande zugängig zu machen und denen der Heimat neue Absatzgebiete zu eröffnen. Zugleich soll er aber auch als Pionier für Bildung und Gesittung wirken und im Verkehr mit fremden Nationen das Ansehen seines Volkes heben und festigen. Und auch im Heimatlande selbst harren seiner ernste Pflichten. In den maßgebenden Kreisen, den Parlamenten und anderen staatlichen Einrichtungen soll er der Wichtigkeit entsprechend, die der Handel für die Volkswirtschaft bedeutet, größeren Einfluß gewinnen und so an der Gesetzgebung, der Leitung des Staatswesens zum Wohle des Ganzen teilnehmen.
Aber freilich, die Lösung so wichtiger Aufgaben ist nicht leicht. Sie erheischt ein umfassendes Wissen und einen weiteren Blick, als ihn die alleinige Ausbildung durch die Praxis zu geben vermag. Und diese Erkenntnis ist es denn, welche die Handelskammer zu Leipzig veranlaßte, mit Unterstützung des Sächsischen Ministeriums und des Leipziger Stadtrats und im Einvernehmen mit der Universität, in Leipzig eine Handelshochschule – die erste in Deutschland und in ihrer Art die erste auf der ganzen Erde – zu gründen. Auserlesene Lehrkräfte stehen der Anstalt zur Verfügung und gewährleisten die gewissenhafte Erfüllung des Lehrplans, dem eine zweijährige Dauer zu Grunde gelegt ist. Der Lehrplan, in dem der Besuch der einschlägigen Vorlesungen auf der Leipziger Universität inbegriffen ist, umfaßt Rechts- und Volkswirtschaftslehre, Handelsgeschichte, Handelsgeographie, Warenkunde, Technologie und Handelsbetriebslehre, ferner kaufmännisches Rechnen, Buchhaltung, Korrespondenz, Stenographie und endlich fremde Sprachen.
Der Besuch der Handelshochschule wird besonders solchen Kaufleuten von Nutzen sein, die einmal Leiter großer geschäftlicher Unternehmungen werden sollen, dann denjenigen, welche ausersehen sind, die Interessen des Kaufmannsstandes im In- und Auslande zu vertreten (Konsularbeamte, Mitglieder von Handelskammern u. a.), auch Juristen, die in kaufmännischen Verhältnissen bewandert sein müssen, ehemaligen Offizieren, die in kaufmännischen Betrieben, im Versicherungswesen etc. angestellt werden wollen, und ferner allen jenen jungen Leuten aus dem Kaufmannsstande, die sich durch Tüchtigkeit besonders auszeichnen und es bei entsprechender Ausbildung weiter als gewöhnlich in ihrem Berufe bringen können. Endlich wird es auch die Aufgabe der Handelshochschule sein, tüchtige Handelslehrer, an denen ein so großer Mangel herrscht, heranzubilden.
Wir sehen, die neue Hochschule stützt sich auf ein gar umfangreiches Programm, und darum muß sie auch höhere Anforderungen stellen, um das, was sie verspricht, halten zu können. Als Handelsstudenten sollen deshalb nur diejenigen Aufnahme finden, welche das Abiturientenzeugnis eines Gymnasiums, Realgymnasiums, einer Oberrealschule oder höheren Handelsschule beibringen können, seminaristisch gebildete Lehrer, dafern sie die Wahlfähigkeits-(2. Lehramts-)Prüfung bestanden haben, und Kaufleute, welche die Berechtigung zum einjährig-freiwilligen Dienst erworben, ihre Lehrzeit beendet haben und die erforderliche geistige Reife besitzen.
Zahlreiche Anmeldungen sind bereits auf der Handelshochschulkanzlei eingelaufen, und schon zu Ostern dieses Jahres wird die Handelshochschule ihre Pforten öffnen. Möchten alle, die da aus- und eingehen werden, das hohe Ziel, das sie sich gesteckt haben, erreichen, und möchte die Anstalt nicht nur zum Wohle des deutschen Handelsstandes, sondern des gesamten deutschen Vaterlandes blühen und gedeihen!