Die unglücklichen Ehen! Ein weiblicher Blaubart vor den Geschworenen

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Autor: Hugo Friedländer
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Titel: Die unglücklichen Ehen! Ein weiblicher Blaubart vor den Geschworenen
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aus: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 8, Seite 1–27
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Erscheinungsdatum: 1913
Verlag: Hermann Barsdorf
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Erscheinungsort: Berlin
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Quelle: Google-USA*, Commons
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Die unglücklichen Ehen!
Ein weiblicher Blaubart vor den Geschworenen.

„Die Ehen werden im Himmel geschlossen„“, dieser schöne Ausspruch ist längst durch die Wirklichkeit widerlegt. Es ist ungemein bedauerlich, daß in unserm materiellen Zeitalter eine glückliche Ehe als große Seltenheit gilt. Unglückliche Ehen sind in allen Gesellschaftskreisen vorhanden. In den Kreisen der Begüterten ist wohl in der Hauptsache der Umstand schuld, daß die Ehen vielfach nicht aus innerer gegenseitiger Neigung, sondern geschlossen werden mit Rücksicht auf eine große Mitgift, eine in Aussicht stehende Erbschaft oder anderer äußerer Vorteile wegen. Dadurch wird die Ehe eine Art Versorgungsanstalt. Daß derartige Ehen nicht glücklich sein können, ist begreiflich. Vielfach werden auch unglückliche Ehen dadurch verschuldet, daß sie in übereilter Weise und in solch’ jugendlichem Alter geschlossen werden, daß beide Ehegatten, insbesondere der männliche Teil, noch gar nicht den nötigen Ernst und auch nicht das Bedürfnis zu einer Familiengründung empfindet. Aber auch in den unbemittelten Volkskreisen begegnet man vielfach unglücklichen Ehen. Zweifellos wird das schöne Dichterwort nicht genügend beachtet:

„Drum prüfe, wer sich ewig bindet,
Ob sich das Herz zum Herzen findet.“

Sowohl im Mittelstande, als auch in den ärmeren Kreisen werden die unglücklichen Ehen vielfach durch den Umstand verschuldet, daß die Frau es nicht versteht, durch Wirtschaftlichkeit, Sauberhalten der Wohnräume und Zubereitung schmackhaften Essens, dem Manne das Familienleben angenehm zu machen. Daß die traurigen wirtschaftlichen Verhältnisse hieran die Hauptschuld haben, ist allerdings nicht zu leugnen. Sehr viel wird ja zweifellos der glücklicherweise immer geringer werdende Branntweingenuß zur Besserung des Familienlebens beitragen. Dringend notwendig ist es aber auch, die jungen Mädchen für ihren dereinstigen Beruf als Gattinnen und Mütter schon in der Schule und auch durch möglichst zahlreiche Gründungen von Haushaltungsschulen besser vorzubereiten. Dies gilt selbstverständlich für alle Gesellschaftskreise. Daß die vielen unglücklichen Ehen zur Verminderung der Eheschließungen beitragen, ist begreiflich. Man hat einmal einen römischen Philosophen gefragt: ob es besser sei, zu heiraten oder nicht. Der Philosoph antwortete: „Tue beides, und du wirst beides bereuen.“ Wer wollte leugnen, daß in diesem Ausspruch eine große Wahrheit liegt? Jedenfalls ist es auch mit unserm Eherecht noch sehr schlecht bestellt. Angesichts des Umstandes, daß die Zahl der modernen Raubritter keine geringe ist, die Mädchen und Witwen mit einigem Vermögen nur in der Absicht heiraten, um durch „straflosen Diebstahl“ sich in den Besitz des Vermögens der Gattin zu setzen und alsdann spurlos zu verschwinden, sollte Veranlassung geben, den § 247, alinea 2 des Strafgesetzbuches so schnell als möglich zu ändern. Die gefährlichste Erscheinung im Eheleben ist zweifellos der Blaubart. Welches Kind empfindet nicht ein gewisses Gruseln, wenn ihm von Dienstmädchen in der Dunkelstunde am traulichen Kaminfeuer von einem Blaubart erzählt wird, der ein halbes Dutzend Frauen aus reiner Mordlust um die Ecke gebracht hat. Leider haben diese Kindermärchen in der Neuzeit immer mehr praktische Gestalt angenommen. Im fünften Bande meiner „Interessanten Kriminalprozesse“ wird dem Leser unter der Überschrift: „Ein verbrecherischer Arzt“, ein Blaubart in schlimmster Form als Angeklagter vor dem Schwurgericht zu München vorgeführt. Daß wir aber auch an weiblichen Blaubärten keinen Mangel haben, erhellt aus dem Prozeß gegen die Gräfin Tarnowska und Genossen (siehe dritter Band), aus den Prozessen gegen Frau v. Schönebeck in Allenstein, sowie der Damen Steinheil und Borawska in Paris und aus noch neueren Vorkommnissen. In demselben Saale, in dem sich im Hochsommer 1910 Frau Majorin von Schönebeck wegen Anstiftung zum Gattenmorde zu verantworten hatte, erschien sieben Jahre früher, im Juni 1903 ein weiblicher Blaubart vor den Geschworenen, die alle ihre Vorgängerinnen an Ruchlosigkeit und Grausamkeit weit in den Schatten stellte. Diese Massenmörderin gehörte keineswegs den unbemittelten Klassen an; sie war Besitzerin einer sehr wertvollen Landwirtschaft; sie schenkte nicht, wie der Erste Staatsanwalt im Plaidoyer ausführte, unbemittelten Jünglingen im Dorfe ihre Gunst. Auch hier waren Lüsternheit und Habsucht die Triebfeder des ungeheuerlichen Treibens dieser Megäre. Die Verhandlung enthüllte einen solch’ furchtbaren Abgrund von Verworfenheit und niederer Gesinnung, wie man sie bei einem weiblichen Wesen nicht für möglich halten sollte. Ich habe in meiner langjährigen Tätigkeit als Gerichtsberichterstatter so manchem verruchten Verbrecher ins Antlitz gesehen, dies Scheusal in weiblicher Menschengestalt, das am 18. und 19. Juni 1903 vor dem Schwurgericht zu Allenstein unter der Beschuldigung stand, ihre ersten vier Ehemänner in verhältnismäßig kurzer Zeit vergiftet zu haben, war jedoch in höchstem Grade geeignet, mich, den „wetterfesten Kriminalisten“ mit Ekel und Abscheu zu erfüllen. – Den Vorsitz in diesem forensischen Drama führte Landgerichtsdirektor Dr. Thiessen. Die Anklage vertrat Erster Staatsanwalt Nietzki. Die Verteidigung führte Justizrat Wolski. Dolmetscher der polnischen Sprache war Obersekretär Doehlert. Die Angeklagte, Frau Anna Przygodda, war eine kleine, etwas behäbige Frau mit nicht unintelligenten und auch nicht unschönen Gesichtszügen. Auf Befragen des Vorsitzenden gab sie durch den Mund des Dolmetschers an, sie sei am 20. Juli 1859 zu Puvlitz, Kreis Ortelsburg geboren, evangelischer Konfession und bisher noch nicht bestraft. Laut Anklagebeschluß war sie beschuldigt, vier ihrer Ehemänner, die Besitzer Bachur, Kempka, Panneck und Wiescholleck durch Gift getötet zu haben. Auf Befragen des Vorsitzenden, ob sie sich schuldig bekenne, äußerte die Angeklagte: Keineswegs, ich bin vollständig unschuldig. Die Männer sind sämtlich an ihren Krankheiten gestorben. Auf weiteres Befragen bemerkte die Angeklagte: Am 15. Februar 1883 habe sie den Besitzer Johann Bachur in Röblau geheiratet. Bachur war bei der Verheiratung 21 Jahre. Aus dieser Ehe seien drei Kinder hervorgegangen. Das jüngste, das nach dem Tode des Bachur geboren wurde, sei drei Wochen nach der Geburt gestorben. Bachur sei am 22. Mai 1888 gestorben. Im Dezember desselben Jahres habe sie Kempka, der bei Bachur Wirtschaftsinspektor war, geheiratet. Kempka sei 27 Jahre alt gewesen. Auch aus dieser Ehe sei ein Mädchen hervorgegangen, aber kurze Zeit nach der Geburt gestorben. Kempka habe ihr gesagt, er habe ein Vermögen von tausend Talern, die er auf ihre Besitzung einzahlen wolle; er habe aber nur 100 Taler besessen. – Vors.: Ist es richtig, daß Sie nicht zur Trauung gehen wollten, ehe Kempka tausend Taler auf den Tisch aufzähle? – Angekl.: Das ist unwahr, ich war froh, daß Kempka mich heiratete, denn ich befand mich von ihm bereits in gesegneten Umstänständen. – Vors.: Das Mädchen, das Sie in der zweiten Ehe geboren, wurde nach dem Tode Ihres zweiten Mannes, am 22. Juli 1889 geboren? – Angekl.: Ja. – Vors.: Sie erhielten deshalb die Erlaubnis, sehr bald eine neue Ehe einzugehen und heirateten am 26. November 1889 August Panneck. Dieser war zu Lebzeiten des Kempka dessen Wirtschaftsinspektor? – Angekl.: Jawohl. – Vors.: Wann starb Panneck? – Angekl.: Am 18. September 1891. – Vors.: Hatten Sie mit Panneck Kinder? – Angekl.: Jawohl, mit Panneck hatte ich zwei Kinder. Eins starb noch zu Lebzeiten des Panneck, das zweite sehr bald nach seinem Tode. Am 19. April 1892 heiratete ich den Besitzer Wiescholleck. Mit diesem hatte ich drei Kinder, einen Knaben und zwei Mädchen. Der Knabe starb sehr bald, die zwei Mädchen leben. Am 16. November 1899 ist Wiescholleck gestorben. Wiescholleck war zu Lebzeiten des Panneck dessen Wirtschaftsinspektor. Am 3. November 1901 habe ich zum fünften Male geheiratet, und zwar meinen jetzt noch lebenden Mann, den Besitzer Adam Przygodda. – Vors.: Woran sind denn Ihre ersten vier Männer, zunächst Bachur, gestorben? – Angekl.: Bachur bekam den Typhus. Es starben damals viele Leute in Röblau am Typhus. Bachur wollte keinen Arzt haben. Nach acht Tagen war Bachur tot. Ich habe mich mit Bachur wohl bisweilen gezankt, im allgemeinen war aber unsere Ehe eine sehr friedliche und glückliche. Bachur hatte auch Ausschläge auf den Kopf bekommen, so daß ihm die Haare ausgingen. Mein zweiter lieber Mann, Kempka, hatte sich bei dem Tragen eines Sackes Kartoffeln „überhoben“. Er klagte bald darauf über Schmerzen im Rücken und in den Füßen und ist nach einigen Tagen gestorben. Mein dritter Mann Panneck war Ulan. Er wurde zu einer Übung nach Lyck eingezogen. Als er zurückkam, hatte er ein großes Geschwür am Halse, das ihn heftig schmerzte. Kurze Zeit darauf starb er. Es wurde mir gesagt: Panneck sei an der Schwindsucht gestorben. Woran mein vierter Mann Wiescholleck gestorben ist, weiß ich nicht, er ist von Anfang an krank gewesen. Eines Abends hatte sich Wiescholleck im „Krug“ derartig betrunken, daß er nicht nach Hause fand; er hatte mehrere Stunden im Schnee geschlafen. Dadurch wird er sich wohl stark erkältet haben. – Vors.: Haben Sie nicht Ihren Männern Gift beigebracht? – Angekl.: Nein, ich habe mit Gift nie etwas zu tun gehabt. – Vors.: Ihre vier ersten Männer waren evangelisch, Ihr jetziger, fünfter Gatte ist katholisch? – Angekl.: Jawohl. – Vors.: Sie sollen einmal gesagt haben: die evangelischen Ehemänner kosten zehn Pfennige, die katholischen bekommt man für fünf Pfennige. – Angekl.: Das sind Lügen. – Vors.: Sie sollen viel Schnaps getrunken haben? – Angekl.: Ich bin allerdings keine Abstinentin, viel Schnaps habe ich aber nicht getrunken, zumal ich ihn nicht vertragen kann. – Vors.: Ihr dritter Mann Panneck soll einmal gesagt haben: „Zwei Männer hat sie schon um die Ecke gebracht, bei mir wird es ihr aber nicht gelingen? – Angekl.: Das ist mir vollständig unbekannt. – Vors.: Wiescholleck ging häufig auf die Jagd? – Angekl.: Jawohl. – Vors.: Sie sollen deshalb dem Wiescholleck Vorwürfe gemacht und gesagt haben: Wenn du das nicht läßt, dann wirst du bald verschwinden? – Angekl.: Das ist vollständig unwahr. Im Gegenteil, ich freute mich, wenn mir mein Mann einen Hasen mitbrachte. – Vors.: Panneck soll Sie bei einem Streit einmal eine Hexe genannt haben. Sie sollen geantwortet haben: Wenn ich eine Hexe bin, dann werde ich dich verhexen. Es kostet mich bloß einen Silbergroschen, dann kommt dich der Teufel holen. – Angekl.: Das ist eine vollständige Lüge. – Vors.: Sie sollen außerdem einmal gesagt haben: Es gibt eine Pflanze; wenn man davon einem Menschen zu essen gibt, dann muß er sterben, wenn es auch etwas lange dauert. – Angekl.: Das ist alles Lüge. – Vors.: Sie sollen ferner gesagt haben: Sie haben in Ihrem Planeten gelesen, daß Sie sechs Männer haben werden, erst mit dem siebenten werden Sie Ihr Dasein beschließen? – Angekl. Es ist einmal eine Zigeunerin bei mir gewesen, von dieser habe ich mir die Karten legen lassen. Die Zigeunerin sagte mir: Ich habe in meiner Jugend sieben Liebschaften gehabt. Dies habe ich im Dorfe erzählt, dabei muß ich mißverstanden worden sein. – Auf weiteres Befragen des Vorsitzenden äußerte die Angeklagte: So lange meine zwei ersten Männer lebten, habe ich niemals Gift im Hause gehabt. Wiescholleck hat zwei Jahre vor seinem Tode Schweinfurter Grün zum Töten von Schwaben angeschafft. Der Vater des Wiescholleck, Altsitzer Wiescholleck hatte an Krätze gelitten und wahrscheinlich deshalb, aber auch zum Weißen der Wände Vitriol angeschafft. – Vors.: Sie sollen einmal zu Ihrem vierten Mann Wiescholleck gesagt haben: Du ruinierst die ganze Wirtschaft. Wenn du nicht anders wirst, werde ich dich einfach verschwinden lassen. – Angekl.: Das ist unwahr. Ich habe dem Wiescholleck allerdings oftmals Vorwürfe gemacht, weil er sich bisweilen betrank und infolgedessen die Wirtschaft vernachlässigte. Ich habe aber niemals gesagt: ich werde dich verschwinden lassen. – Vors.: Wiescholleck soll einmal gesagt haben: die Wurst, die Sie ihm vorgesetzt hatten, schmecke eigentümlich. – Angekl.: Das ist mir nicht erinnerlich. Die Wurst war jedenfalls gut, ich habe selbst davon gegessen. Meinem Mann schmeckte nicht alles, da er krank war. – Vors.: Wiescholleck soll oftmals allein gegessen haben? – Angekl.: – Das geschah nur, wenn wir uns gezankt hatten. – Vors.: Sie sollen einmal erzählt haben, Wiescholleck sei gestorben, weil er Rühreier gegessen hatte, zu denen Eier verwendet wurden, die eine Gans schon vierzehn Tage lang bebrütet hatte? – Angekl.: Auch das ist nicht wahr, dem Wiescholleck ist allerdings einmal von dem Essen gekochter Eier übel geworden. – Auf Antrag des Ersten Staatsanwalts stellte der Vorsitzende aus den Akten fest, daß Bachur bei der Verheiratung 21 Jahre, Kempka 27, Panneck 26, Wiescholleck 28 Jahre alt war. – Vors.: Angeklagte, es ist Ihnen schon wiederholt vorgehalten worden, daß es festgestellt ist, daß in den ausgegrabenen vier Leichen, jedenfalls bei Bachur, Kempka und Wiescholleck Arsenik gefunden wurde; es ist ferner festgestellt, daß alle vier Männer an ein und derselben Krankheitserscheinung gestorben sind, wie erklären Sie sich das? – Angekl.: Ich kann mir das nicht erklären. Arsenik war niemals in unserem Hause. Dieselben Krankheitserscheinungen können bei den vier Männern nicht festgestellt sein, denn sie sind an verschiedenen Krankheiten gestorben. – Unter größter Spannung wurde darauf der fünfte Ehemann der Angeklagten, Besitzer Przygodda, ein großer, nicht unschöner Mann von 30 Jahren, als Zeuge in den Saal gerufen. Er bekundete auf Befragen des Vorsitzenden: Er habe die Angeklagte am 3. November 1901 geheiratet. Seine Frau habe oftmals gezankt und auch Schnaps getrunken. Zweimal sei sie betrunken gewesen. – Vors.: Hat Ihnen Ihre Frau bisweilen gedroht? – Zeuge: Sie sagte einmal: „Du wirst meiner gedenken.“ – Vors.: Hat nicht Ihre Frau einmal gesagt: „Es kostet mich nur ein ‚Dittchen‘, dann kommst du um die Ecke?“ – Zeuge: Davon weiß ich nichts. Es ist mir allerdings erzählt worden, meine Frau habe gesagt: evangelische Männer kosten einen Silbergroschen, katholische die Hälfte. – Vors.: Sind Sie denn nicht gewarnt worden, eine Frau zu heiraten, der fast hintereinander vier Männer gestorben waren? – Zeuge: Jawohl, es wurde mir gesagt, es könnte mir auch so gehen, denn die Männer seien alle unter eigentümlichen Umständen plötzlich gestorben. Dies hielt ich meiner Frau vor. Da versetzte sie: Meine vier ersten Männer sind an verschiedenen Krankheiten gestorben. Wenn deine Zeit herangekommen sein wird, dann stirbst du auch.“ Auf weiteres Befragen bekundete der Zeuge: Er habe 600 Taler in die seiner Frau gehörende Wirtschaft eingebracht. – Angekl.: Ich habe mich mit meinem fünften Mann Przygodda nur zweimal gezankt. Das eine Mal zankte ich mich mit Przygodda, weil er den Hund sehr geschlagen hatte. Przygodda drohte mir, mich ebenfalls zu schlagen. Da sagte ich: Du wirst meiner gedenken. Ich habe allerdings auch zu Przygodda gesagt: „Wenn deine Zeit gekommen sein wird, dann wirst du auch sterben.“ Das ist doch Gottes Bestimmung, dagegen läßt sich nichts machen. – Gutsbesitzer Braun (Röblau): Ich kannte Panneck, Wiescholleck und kenne Przygodda. Panneck war ein sehr nüchterner Mann, dagegen war Wiescholleck bisweilen angetrunken, Wiescholleck klagte mir oftmals, daß seine Frau ihn sehr schlecht behandle. Ich habe deshalb dem Wiescholleck geraten, sich scheiden zu lassen. Wiescholleck, der ebenso wie Panneck Ulan war, hat mir geantwortet: Ich bin ein kranker Mann, da ist es schwer, sich scheiden zu lassen. Auch Przygodda klagte mir einmal, daß seine Frau ihn schlecht behandle. Er erzählte mir, seine Frau habe zu ihm gesagt: „Vier meiner Männer hat der Teufel schon geholt, den fünften wird er auch bald holen.“ – Vors.: Angeklagte, Sie sollen oftmals in Rußland gewesen sein? – Angekl.: Ich war zweimal in Rußland. – Bürgermeister Müller (Willenberg): In Rußland sind Gifte teurer, als in Deutschland, man kann aber in Rußland alle Gifte ohne Giftschein erhalten. Ich kenne die Angeklagte seit 20 Jahren, ich habe sie oftmals angetrunken gesehen. Sie trank vielfach mit Leuten, die unter ihrem Stande waren, Schnaps. Die Angeklagte war auch eine unordentliche, unwirtschaftliche Frau. – Landgerichtssekretär Hintz: Ich war im Sommer 1902 in Willenberg. Da wurde erzählt: die Angeklagte habe ihre vier Ehemänner beiseite geschafft, um immer wieder neues Geld zu erhalten. Die Ehemänner haben auch alle Geld in die Besitzung, die sich sehr gut rentierte, eingebracht. – Die Angeklagte bestritt, daß sie darauf ausgegangen sei, von ihren Männern neues Geld zu erhalten. Frau Rosowsky: Die Angeklagte habe ihr einmal erzählt, sie habe sich von einer Zigeunerin die Karten legen lassen. Sie habe der Zigeunerin sechs Mark für das Kartenlegen zahlen müssen. Die Zigeunerin wisse aber viel, habe die Angeklagte gesagt; sie habe ihr aber nicht mitgeteilt, was die Zigeunerin wisse. – Vors.: Haben Sie nicht zum Gendarm gesagt, die Angeklagte habe sich ein Mittel zum Behexen für sechs Mark gekauft? – Zeugin: Nein. Die Angeklagte sagte nur: Es kostet bei der Zigeunerin sechs Mark, die weiß aber viel. – Vors.: War Ihnen bekannt, daß die Angeklagte viel Schnaps trank? – Zeugin: Das glaube ich schon. Als wir über die Zigeunerin sprachen, haben wir zusammen einen Liter Schnaps ausgetrunken. (Große Heiterkeit.) – Vors.: Haben Sie die Angeklagte angetrunken gesehen? – Zeugin: Das kann ich nicht sagen, ich wohne nicht in Röblau. – Lehrer Ottersdorf: Im Volksmunde hieß es: die Angeklagte habe ihre vier ersten Ehemänner durch Zauberei aus der Welt geschafft. – Vors.: Was verstehen die Leute unter Zauberei? – Zeuge: Die Leute sind der Ansicht, die Angeklagte habe die Männer behext, so daß sie von dem Weichselzopf und ähnlichen Dingen befallen wurden und starben. Ich habe nur Wiescholleck gekannt. Mit diesem zankte sich einmal die Angeklagte im Kruge und sagte: Drei sind bereits um die Ecke gegangen, dir wird’s auch bald so gehen. Wiescholleck hat mir oftmals über schlechte Behandlung seiner Frau geklagt. Als Wiescholleck starb, wollte ich Anzeige erstatten, weil mir das Sterben der vier Männer aufgefallen war. Nachdem die Angeklagte mit Przygodda verheiratet war, zankte sie sich auch einmal mit diesem im Krug. Przygodda weinte und sagte: Vier Männer hast du schon um die Ecke gebracht, mir wird es wohl auch bald so gehen. Daraufhin fühlte ich mich veranlaßt, Anzeige zu erstatten. – Przygodda gab auf Befragen des Vorsitzenden zu, die bekundete Äußerung im Krug getan zu haben, er erinnere sich aber nicht, daß er dabei geweint habe. – Alsdann wurde Frau Przygodda, Schwester des ersten Mannes der Angeklagten, des verstorbenen Johann Bachur, als Zeugin vernommen: Ihr Bruder sei, als er mit 21 Jahren die Angeklagte heiratete, ein sehr kräftiger und gesunder Mann gewesen. Im letzten Jahre seines Lebens habe ihr Bruder über Schmerzen in den Füßen geklagt; dadurch sei ihm das Arbeiten schwer geworden. Sie habe ihren Bruder wenige Tage vor seinem Tode besucht. Ihr Bruder habe über innere Schmerzen und Hitze geklagt. Sie sei einmal mit ihrem Bruder und ihrer Schwägerin in Willenberg gewesen. Da haben sich die Eheleute heftig gezankt. Die Angeklagte habe zu ihrem Manne gesagt: Du wirst auch „keinen Tod“ sterben. Wahrscheinlich habe die Angeklagte sagen wollen: ihr Bruder werde keines natürlichen Todes sterben. – Gemeindevorsteher Cibalski (Röblau): Bachur sei ein kräftiger, gesunder Mann gewesen. Im letzten Jahre seines Lebens habe Bachur über Schmerzen in den Gliedern und auch geklagt, daß ihm Hände und Füße anschwellen. – Angekl.: Bachur hat nicht angeschwollene Hände und Füße, sondern den Typhus gehabt und ist daran gestorben. – Vors.: Herr Gemeindevorsteher, herrschte damals der Typhus in Röblau? – Zeuge: Keineswegs. – Im weiteren bekundete der Zeuge auf Befragen des Vorsitzenden: Die Angeklagte habe oftmals Schnaps getrunken und sei sehr unwirtschaftlich gewesen. Dem Bachur habe das Grundstück gehört; die Angeklagte habe in die Wirtschaft hineingeheiratet. Wieviel sie in die Ehe mitgebracht habe, wisse er nicht. Die anderen Männer der Angeklagten haben alle Geld und auch Vieh mitgebracht. Es sei aufgefallen, daß alle vier Männer unter denselben Krankheitserscheinungen gestorben seien. – Arbeiter Pöhl: Bachur habe plötzlich Hautausschläge auf den Kopf bekommen, so daß ihm die Haare ausgegangen waren. Der Zeuge bestätigte ferner die Aussagen des Vorzeugen und bekundete außerdem: Die Eheleute aßen zumeist nicht zusammen. Wenn sie sich beide betrunken hatten, dann gab es heftigen Zank und Streit. Bachur bekam im letzten Jahre seines Lebens auf dem Gesicht und auf dem Kopf zahlreiche „Pusseln“. – Frau Pöhl (Gattin des Vorzeugen) schloß sich im wesentlichen den Bekundungen ihres Gatten an. Bachur habe in der letzten Zeit oftmals Erbrechungsreiz gehabt, er habe sich aber nicht erbrechen können. Die Angeklagte habe ihr einmal erzählt: ihr Mann habe sich von Eiern, die schon 14 Tage von einer Gans bebrütet waren, Rühreier gemacht und sei infolgedessen erkrankt. Bachur habe in den letzten Jahren über Krampf in den Armen und Beinen geklagt. Als Bachur starb, befand sich die Angeklagte in gesegneten Umständen. – Arbeiter Jacobeck bestätigte im wesentlichen die Bekundungen der Vorzeugen und teilte weiter mit: Als Bachur gestorben war, sei das Gesicht der Leiche vollständig schwarz und angeschwollen gewesen. Bachur sei am Tage vor seinem Tode infolge heftiger Schmerzen mit dem Kopfkissen umhergelaufen und habe über furchtbare Schmerzen im Halse geklagt. Da Bachur es vor Schmerzen nicht aushalten konnte, habe er das Kopfkissen heftig an seinen Körper gedrückt. Er klagte auch über eine furchtbare innere Unruhe. In der folgenden ganzen Nacht habe Bachur[WS 1] laut vor Schmerzen fast unaufhörlich geschrien. Er habe geklagt, daß er innerlich verbrenne. Dieser schreckliche Zustand habe bis zum folgenden Morgen angedauert, bis Bachur unter heftigen Zuckungen und Stöhnen starb. Der Tod war dem bedauernswerten Mann zweifellos eine Erlösung. – Hierauf wurden die Zeugen über das Ableben des Kempka, des zweiten Mannes der Angeklagten, vernommen. Gemeindevorsteher Cibalski konnte über die Krankheit und das Ableben des Kempka nichts bekunden. Er hatte nur gehört, Kempka habe sich „überhoben“. Kempka habe die Hilfe eines Lehrers in Röblau in Anspruch genommen, der sich viel mit Kurieren beschäftigt habe. – Arbeiter Pöhl: Kempka sei ein sehr gesunder und kräftiger Mensch gewesen. Eines Tages sei Kempka erkrankt; er habe gesagt, er müsse sich „überhoben“ haben. Kempka habe über dieselben Schmerzen wie Bachur geklagt. Er habe sich schließlich in seine Heimat Wallen begeben, um sich dort kurieren zu lassen. – Frau Jacobeck: Kurze Zeit vor dem Ableben des Kempka habe dieser heftiges Nasenbluten bekommen. Um dies zu stillen, haben ihm die Leute Pferdedünger auf die Nase gelegt. (Heiterkeit im Zuhörerraum.) – Besitzer Christoph Kempka, Bruder des zweiten Gatten der Angeklagten: Sein Bruder habe 800 Taler und 100 Mark, eine Anzahl Rindvieh und 11 Schweine in die Wirtschaft mitgebracht. Die Angeklagte habe erklärt: Sie gehe nicht eher zur Trauung, ehe nicht das versprochene Geld und Vieh da sei. Sein Bruder sei ein kräftiger, gesunder Mensch gewesen. Einige Zeit nach der Verheiratung habe er seinen Bruder besucht. Dieser habe so schlecht ausgesehen, daß er (Zeuge) vor ihm erschrocken sei. Er habe geglaubt, sein Bruder habe einen Schlaganfall erlitten. Sein Bruder habe ihm auf Befragen erzählt: Als er eines Tages vom Friedrichshofer Jahrmarkt gekommen sei, habe ihm seine Frau zu essen gegeben; seit dieser Zeit sei er krank. Der Bruder habe über heftige Schmerzen in Händen und Füßen geklagt. Nachdem sein Bruder 1½ Jahre in seiner Behausung gelegen hatte, habe er sich von ihm, dem Zeugen, nach Wallen bringen lassen, da seine Frau ihn nicht pflegen wollte. Der Bruder habe gesagt: Wenn ein Schwein krank sei, dann erhalte es eine bessere Behandlung, als sie ihm von seiner Frau zuteil geworden sei. Er (Zeuge) habe zu seinem Bruder einen Arzt gerufen. Dieser habe gesagt: Ihr Bruder wird nicht mehr lange leben, sein ganzes Blut ist vergiftet. Sein Bruder sei ein sehr nüchterner Mann gewesen und war auch bemüht, seine Frau vom Schnapstrinken abzuhalten. Das Kind seines Bruders sei auch ganz plötzlich gestorben. – Frau Maruch, eine Schwester des Vorzeugen und des verstorbenen Kempka, bestätigte vollständig die Bekundungen ihres Bruders. – Kreisarzt Dr. Urbanowicz (Memel): Er sei früher Arzt in Willenberg gewesen. Dort habe er einmal einen Mann, namens Kempka, behandelt. Er glaube, daß dieser mit dem verstorbenen zweiten Mann der Angeklagten identisch war. Er habe angenommen, daß es sich bei dem Patienten um eine Verdauungsstörung gehandelt habe. Er halte aber eine Arsenikvergiftung nicht für ausgeschlossen. Auf Befragen des Ersten Staatsanwalts bekundete der Zeuge noch: Das Überheben mit einem Sack Kartoffeln hätte wohl lokale Beschwerden, nicht aber derartige Krankheitserscheinungen zur Folge haben können. – Arbeiter Jacobeck: Kempka sei in Wallen von dem ihn behandelnden Arzt mit einer Nadel in verschiedene Körperteile gestochen worden, da der Patient über vollständige Gefühllosigkeit an Händen und Beinen geklagt hatte. Der Patient sollte während des Stechens zählen, er konnte das aber nicht. – Besitzer Christian Kempka bekundete noch: Sein Bruder habe beim 128. Infanterieregiment in Danzig gestanden. – Darauf wurde über das Ableben des dritten verstorbenen Ehegatten, August Panneck, verhandelt. Frau Samplotzki, Schwester des Panneck, bekundete: Ihr Bruder habe beim 8. Ulanenregiment in Lyck gedient; er sei ein gesunder, kräftiger Mann gewesen. Er habe der Angeklagten tausend Taler in die Wirtschaft mitgebracht. Ihr Bruder habe ihr oftmals geklagt, daß er von seiner Frau schlecht behandelt werde. Als ihr Bruder, nachdem er schon eine Zeitlang verheiratet war, von einer militärischen Übung aus Lyck zurückkam, sei er plötzlich erkrankt. Er klagte über Schwere in den Gliedern und sagte: Hände und Füße seien ihm wie abgestorben. Von ihrer Mutter sei ihr erzählt worden, ihr verstorbener Bruder habe einmal gesagt: Zwei Männer hat meine Frau schon um die Ecke gebracht, bei mir wird ihr das aber nicht gelingen. – Gemeindevorsteher Cibalski: Panneck sei ein sehr kräftiger und vollständig gesunder Mensch gewesen. Plötzlich sei er erkrankt. Er habe geklagt: Seine Hände und Beine seien ihm wie abgestorben. Panneck hatte einmal einen Schuh vom Fuße verloren, es aber gar nicht bemerkt. – Schneider Matthias Panneck, Bruder des Verstorbenen, bekundete: Die Ehe seines Bruders war sehr unglücklich. Sein Bruder habe seine Frau oftmals geschlagen, weil sie dem Trunk ergeben war. Sein Bruder sei schließlich erkrankt und habe über Gefühllosigkeit an Händen und Füßen geklagt. Sein Bruder habe ihm gesagt: Seine Frau müsse ihm etwas eingegeben haben. Sie habe ihm eines Abends Rühreier vorgesetzt, dadurch sei er von einem heftigen Unwohlsein befallen worden. Er habe seine Frau und seine Schwiegermutter aufgefordert, mitzuessen. Diese haben aber geantwortet: Wir haben schon gegessen, das ist dein Anteil. Sein Bruder erzählte ihm noch: Er habe in den Füßen derart das Gefühl verloren, daß, als er einmal in Holzpantoffeln durch den Schnee gegangen sei, er diese von den Füßen verloren habe, ohne es zu merken. Er war so schwach, daß er einmal plötzlich im Hausflur umgefallen sei. Sein Bruder habe gesagt: Die Weiber müssen mir etwas eingegeben haben. Die sind so verliebt in die Hexerei, daß ich ihnen schon zutraue, sie haben mir etwas ins Essen getan. – Frau Grötsch, geb. Panneck, Schwester des Vorzeugen, bestätigte im wesentlichen die Bekundung ihres Bruders. – Besitzer Adolf Panneck erklärte: Er wolle gegen seine Schwägerin nicht Zeugnis ablegen. – Am zweiten Verhandlungstage wurde der Fall Wiescholleck verhandelt. Wiescholleck war bekanntlich der vierte Gatte der Angeklagten, der auch durch Arsenik vergiftet sein sollte. Gutsbesitzer Braun bekundete auf Befragen des Vorsitzenden als Zeuge: Er kannte den verstorbenen Wiescholleck sehr genau. Er traf mit ihm häufig auf Genossenschaftsversammlungen und ähnlichen Gelegenheiten zusammen. Wiescholleck hatte seiner Militärdienstpflicht beim 8. Ulanenregiment in Lyck genügt. Er war ein kräftiger, gesunder Mann. Er habe ihm aber oftmals geklagt, daß ihn seine Frau sehr schlecht behandle. Wiescholleck erzählte ihm: Wenn er krank sei, dann werde er von seiner Frau nicht nur nicht gepflegt, sondern sogar geschlagen. Seine Frau gehe einfach tagelang fort, koche ihm kein Essen und lasse ihn hilflos liegen. Im letzten Jahre seines Lebens seien dem Wiescholleck die Füße angeschwollen. – Vors.: Haben Sie das selbst gesehen? – Zeuge: Jawohl. – Gemeindevorsteher Cibulski: Wiescholleck habe ihm oftmals über schlechte Behandlung seiner Frau geklagt. – Vors.: Hat der Mann auch gesagt, daß ihn seine Frau schlage? – Zeuge: Die Ehegatten haben sich oftmals gegenseitig geschlagen. Wiescholleck trank viel, er verkehrte viel im Krug; seine Frau leistete ihm dabei Gesellschaft, da sie auch viel Schnaps trank. In der letzten Zeit klagte Wiescholleck, daß ihm Hände und Beine anschwellen und er kein Gefühl darin habe. – Vors.: Ist Ihnen bekannt, daß Wiescholleck einmal, als er aus dem Kruge kam, längere Zeit im Schnee gelegen hat? – Zeuge: Davon weiß ich nichts. – Angekl.: Alles was die Zeugen ausgesagt haben, ist unwahr. Schlägereien kommen bei allen Eheleuten vor. (Große Heiterkeit im Zuhörerraum.) – Frau Kloßeck: Sie habe bei der Angeklagten mehrere Jahre gewohnt. Die Wiescholleckschen Eheleute haben eine sehr schlechte Ehe geführt; es kam oftmals zu Zank und Streit, auch zu gegenseitigen Schlägereien. Wiescholleck habe zumeist allein gegessen. Er habe einmal seine Frau „Hexe“ und Diebin genannt. Die Angeklagte habe darauf versetzt: „Wenn ich eine Hexe und Diebin bin, dann werde ich etwas machen, daß du bald sterben wirst. Es kostet mich bloß ein Dittchen, dann mußt du sterben.“ Wiescholleck sei in der letzten Zeit seines Lebens sehr krank gewesen und habe geäußert: Seine Frau sei daran schuld. Wiescholleck sei derartig schwach gewesen, daß er einige Male nach Hause getragen werden mußte. Er klagte, daß ihn seine Beine kaum noch tragen können. Sie (Zeugin) habe einmal Veranlassung genommen, über die Krankheit des Wiescholleck mit der Angeklagten zu sprechen, zumal Wiescholleck anfänglich ein kräftiger, gesunder Mann war. Die Angeklagte sagte: Krankheiten kommen alle von Gott, da läßt sich nichts dagegen machen. Sie (Zeugin) habe erwidert: Es gibt Krankheiten, die von Gott kommen und Krankheiten, die von Menschen kommen. Darauf habe die Angeklagte versetzt: Es gibt ein Kraut, wenn man davon einem Menschen etwas ins Essen tut, dann muß er sterben; wenn es auch etwas lange dauert, es kann unter Umständen ein volles Jahr dauern. Sie habe gefragt, was das für ein Kraut sei. Die Angeklagte habe geantwortet: Das Kraut heißt „Frauenzier“. Die Angeklagte habe ihr auch einmal erzählt: Sie habe in ihrem Planeten gelesen, sie werde sieben Ehemänner haben. Die ersten sechs werden sterben, erst mit dem siebenten werde sie ihr Dasein beschließen. – Die Angeklagte lächelte bei dieser Bekundung und äußerte: Ich habe der Frau so manche Dummheiten erzählt, ich konnte nicht annehmen, daß die Frau das ernst nehmen werde. – Arbeiter Kloßeck, Gatte der Vorzeugin, bestätigte im wesentlichen die Aussage seiner Frau und bekundete außerdem: Wiescholleck war in der letzten Zeit seines Lebens magenkrank; er klagte, daß er schwere Speisen nicht vertragen könne. Als Wiescholleck seine Frau Hexe und Diebin nannte, und ihr drohte, er werde sie wegen Gänsediebstahls anzeigen, da habe die Frau gesagt: Du wirst es nicht erleben, gegen mich als Zeuge aufzutreten. Es kostet mich nur einen Silbergroschen, dann bist du von der Welt verschwunden. Wiescholleck antwortete: Drei Männer hast du allerdings schon vergiftet. Nun willst du wohl auch mich, deinen vierten Mann, vergiften? Bald darauf habe Wiescholleck einen von seiner Frau zubereiteten Hering gegessen. Seit dieser Zeit war Wiescholleck krank; er konnte weder arbeiten, noch auf die Jagd gehen. Er war so schwach, daß er (Zeuge) ihn oftmals nach Hause tragen mußte. Kurze Zeit nachdem Wiescholleck den Hering gegessen hatte, habe ihm die Angeklagte Mehlsuppe vorgesetzt. Wiescholleck weigerte sich, die Suppe zu essen, da ihm schon beim Genuß des ersten Löffels übel wurde. Wiescholleck kam in seine (des Zeugen) Wohnung und sagte: Es komme ihm vor, als wolle ihn seine Frau mit der Suppe vergiften. An diesem Tage habe Wiescholleck bei ihm zu Mittag gespeist. Bald darauf sei die Angeklagte in seine (des Zeugen) Wohnung gekommen und habe ihren Mann gefragt, weshalb er die Suppe nicht essen wolle. Er (Zeuge) habe geantwortet: Der Mann befürchte, er solle durch die Suppe vergiftet werden. Die Angeklagte sei daraufhin in große Erregung geraten und habe gesagt: Von der Suppe haben die Kinder und der Hirt Kochza gegessen, sie habe allen sehr gut geschmeckt. – Vors.: Haben Sie von der Suppe gegessen? – Zeuge: Jawohl, ich habe sie gekostet. Sie roch und schmeckte ganz widerlich. – Vors.: Ist der Hirt auch gestorben? – Zeuge: Jawohl, der Hirt starb vier Wochen nach Wiescholleck, er war aber bereits 70 Jahre alt. – Auf Befragen des Ersten Staatsanwalts bekundete der Zeuge noch: Er habe einmal mit der Angeklagten gesprochen und seiner Verwunderung Ausdruck gegeben, daß ihr alle Männer so plötzlich weggestorben seien. Da habe die Angeklagte geantwortet: Ich habe in meinem Planeten gelesen, daß ich sieben Ehemänner haben werde. Sechs werden sehr schnell hintereinander sterben, erst mit dem siebenten werde ich mein Dasein beschließen. – Die Angeklagte habe ihm auch einmal gesagt: Es gibt ein Kraut, wenn man davon einem Menschen etwas ins Essen tut, dann muß er sterben. Es dauert lange, es kann ein Jahr dauern, aber der Erfolg ist sicher. – Wiescholleck hatte seine Frau auch bisweilen bezichtigt, daß sie ihm Geld stehle. Die Frau dagegen habe dem Manne Vorwürfe über viele Ausgaben, Faulheit und Vernachlässigung der Wirtschaft gemacht. Die Frau sagte einmal: Du ruinierst die ganze Wirtschaft und schmälerst das Vermögen unserer Kinder. Ich werde schon dafür sorgen, daß du bald verschwindest. Im Januar 1899 sei er (Zeuge) einmal mit der Angeklagten in der Scheune gewesen. Es sollte Buchweizen gedroschen werden. Da sagte er zu der Angeklagten: Wenn jetzt der Buchweizen gedroschen wird, dann haben Sie ja gar nichts zur Beerdigung; Wiescholleck wird doch bald sterben. Die Angeklagte versetzte: Das kann noch fast ein Jahr dauern. – Vors.: Und wann starb Wiescholleck? – Zeuge: Am 19. September 1899. – Im weiteren bekundete der Zeuge auf Befragen des Vorsitzenden: Wiescholleck habe einmal Schweinfurter Grün zur Tötung von Schwaben gekauft. Wiescholleck habe gesagt: er müsse das Gift vor seiner Frau und seinen Kindern sehr vorsichtig verschließen. – Vors.: Nun, Angeklagte, was sagen Sie zu dieser Aussage? – Angekl.: Das sind alles Lügen, die Leute legen es sich so zurecht.. – Vors.: Leben Sie mit dem Zeugen in Unfrieden? – Angekl.: Nein. – Vors.: Sie haben bei Ihren Vernehmungen vor dem Untersuchungsrichter mit voller Entschiedenheit bestritten, daß Sie Gift im Hause hatten. Es war Ihnen doch aber bekannt, daß Ihr vierter Mann Schweinfurter Grün im Hause hatte? – Angekl.: Ich wurde von dem Herrn Untersuchungsrichter gefragt, ob in unserem Hause Arsenik war, an das Schweinfurter Grün dachte ich nicht. – Knecht Gayl, Besitzer Guend und Frau Lax, letztere Schwester des Wiescholleck, bestätigten im wesentlichen die Bekundungen der Vorzeugen. Frau Lax teilte außerdem mit, ihr Bruder habe 1700 Mark in die Ehe mitgebracht. – Besitzer Michael Wiescholleck, Bruder des verstorbenen Wiescholleck, erklärte, daß er gegen seine Schwägerin nicht Zeugnis ablegen wolle. – Es wurde darauf die gerichtliche Aussage des inzwischen verstorbenen Vetters des Wiescholleck, Altsitzers Adam Wiescholleck, verlesen. Dieser hatte bekundet: Als er bei seinem Vetter, dem verstorbenen Wiescholleck gewohnt, habe er einmal an Krätze gelitten. Er habe sich deshalb Vitriol gekauft, um damit die erkrankten Körperteile zu bestreichen. Nachdem er das Vitriol aufgebraucht hatte, habe er das Fläschchen zerschlagen. Sein Vetter habe ihm einmal gesagt: Seine Frau müsse ihm etwas eingegeben haben. – Gendarm Böhmfeld: Er habe in der Wohnung der Angeklagten Haussuchung gehalten und vier leere Flaschen mit der Bezeichnung „Gift“ gefunden. Frau Rosowski habe ihm (Zeugen) erzählt: Die Angeklagte habe ihr einmal gesagt: Sie habe von einer Zigeunerin ein Mittel gekauft, das sechs Mark gekostet habe, es habe aber geholfen – Besitzer Rosowski: Er habe die Angeklagte stark im Verdacht gehabt, daß sie ihm fünf Gänse gestohlen habe. Der verstorbene Gatte der Angeklagten, Wiescholleck, habe den Verdacht geteilt, es wurde aber von keiner Seite Strafanzeige erstattet. Wiescholleck, der früher ein starker, kerngesunder Mann gewesen, war in der letzten Zeit seines Lebens derartig hilflos, daß er sich nur mühsam auf Krücken fortbewegen konnte. – Dr. med. Riemeck bekundete hierauf als Zeuge und Sachverständiger: Ich wurde im Januar 1899 zu dem verstorbenen Wiescholleck gerufen. Wiescholleck sah sehr schlecht aus. Er klagte über Rücken- und Kreuzschmerzen, Ameisenlaufen, Gefühllosigkeit in Händen und Füßen und Verdauungsstörungen. Außerdem klagte er, daß ihm das Gehen sehr schwer werde. Ich nahm zunächst an, der Patient leide an Rückenmarksschwindsucht. Ich kam aber sehr bald davon ab, da die wesentlichsten Symptome der Rückenmarksschwindsucht fehlten. Ich kam überhaupt zu keiner Diagnose, eine Vergiftung nahm ich damals nicht an. Ich habe Wiescholleck viermal besucht. Nachdem ich gehört hatte, daß in den Leichenteilen des Wiescholleck Arsenik gefunden wurde, kam ich zu der Überzeugung, daß Wiescholleck an Arsenikvergiftung gestorben ist. Wiescholleck muß Arsenik in großen Quantitäten, und zwar längere Zeit genossen haben. Es muß eine chronische Vergiftung vorgelegen haben. – Auf Befragen des Ersten Staatsanwalts bekundete Dr. Riemeck noch: Er glaube nicht, daß in der Suppe, die die Angeklagte dem Wiescholleck vorgesetzt hatte, Arsenik oder Schweinfurter Grün enthalten war. Arsenik sei geschmack- und geruchlos, Schweinfurter Grün hätte die Suppe grünlich gefärbt. – Erster Staatsanwalt: Ist es nicht möglich, daß auch andere Dinge in der Suppe waren, die den widerlichen Geruch und Geschmack der Suppe verursacht haben? – Dr. Riemeck: Diese Möglichkeit liegt vor. – Darauf wurde auf Antrag des Ersten Staatsanwalts die Strafgefangene Frau Teschner als Zeugin vorgeführt. Sie bekundete auf Befragen des Vorsitzenden: Ich verbüße eine längere Gefängnisstrafe wegen Kindesmordes. Als ich hier in Untersuchungshaft saß, sagte die Angeklagte einmal zu mir: Gestehen Sie nur nicht, sondern sagen Sie immer nein. Wenn man vor Gericht immer nein sagt, dann kommt man am besten weg. – Die Angeklagte bestritt mit großer Entschiedenheit, eine solche Äußerung zu der Zeugin getan zu haben. Sie habe die Zeugin ausgefragt, ob sie schuldig sei und ihre Schuld eingeräumt habe. Die Zeugin müsse sie mißverstanden haben. – Auf Befragen des Vorsitzenden sagte die Zeugin: Sie habe die Angeklagte nicht mißverstanden, sie halte ihre Aussage in vollem Umfange aufrecht. – Auf Auffordern des Vorsitzenden wiederholte die Zeugin ihre Aussage in polnischer Sprache. – Die Angeklagte beteuerte wiederholt, daß sie eine solche Bemerkung nicht gemacht habe. – Gerichtschemiker Medizinalassessor Dr. Gutzeit (Königsberg) wurde alsdann als Sachverständiger vernommen: Im Mai v. J. wurden mir in verschiedenen Gefäßen innere Teile von der ausgegrabenen Leiche des Wiescholleck, Magen, Leber, Nieren, Schädel-, Handknochen, sowie Teile vom Sargboden, Sargdeckel und dem Stroh, auf dem die Leiche gebettet war, zur Untersuchung gesandt. In den mir übergebenen Körperteilen habe ich 69 Milligramm Arsenik gefunden. Es ist aber anzunehmen, daß in der Leiche mehr als die doppelte Menge enthalten war. Nach dem jetzigen Stande der Wissenschaft ist der Genuß von 20 Milligramm Arsenik unschädlich. 50 Milligramm wirken bereits gesundheitsschädlich, 100 Milligramm wirken tödlich. Von Giftmördern wird vielfach behauptet: das Arsenik könne von außen in die Leiche gekommen sein. Es ist daher wichtig, daß weder in der Erde, noch im Sargdeckel, dagegen im Stroh und im Sargboden Arsenik gefunden wurde. Daraus geht hervor, daß von außen Arsenik nicht in die Leiche gekommen ist. Ich resümiere mich dahin: Das Arsenik ist bei Lebzeiten in den Körper des Wiescholleck, und zwar in solcher Menge gekommen, daß dies den Tod des Mannes herbeiführen mußte. Dieselbe Untersuchung habe ich an den Leichenteilen von Bachur, Kempka und Panneck vorgenommen. Bei Bachur und Kempka sind nur Teile von Arsenik, in den Leichenteilen des Panneck dagegen keinerlei Arsenikteile gefunden worden. Bei Bachur und Kempka ist auch das Arsenik nicht von außen eingeführt, sondern ihnen bei Lebzeiten beigebracht worden. – Auf Befragen des Ersten Staatsanwalts bekundete der Sachverständige noch: Arsenik verflüchtet sich sehr schnell und erhält sich längstens 22 Jahre in einem menschlichen Körper. Es ist daher kein Wunder, daß in den Leichen, die schon 10 bis 14 Jahre alt waren, nur noch Spuren, oder auch nicht einmal solche vorhanden waren. – Sachverständiger Kreisarzt Dr. v. Petrykowski (Ortelsburg): Die Krankheitserscheinungen der verstorbenen vier Männer lassen darauf schließen, daß alle vier an chronischer Arsenikvergiftung gestorben seien, und zwar ist allen vier Männern das Arsenik von fremder Hand beigebracht worden. Es ist allerdings auffallend, daß in der Leiche des Panneck keine Spur von Arsenik gefunden wurde. Ich zweifle aber nicht, daß Panneck auch an Arsenikvergiftung gestorben ist. Dafür spricht einmal, daß sich bei diesem dieselben Krankheitserscheinungen gezeigt haben, wie bei den anderen drei Männern, andererseits aber auch der Umstand, daß die Leiche des Panneck so schnell in Verwesung übergegangen ist, daß nach erfolgtem Ableben der Sargdeckel sofort geschlossen werden mußte, weil es vor Gestank nicht auszuhalten war. – Kreisarzt Dr. v. Decker (Neidenburg): Ich kann mich dem Gutachten meines Kollegen Petrykowski nur anschließen. Arsenik kann auch durch künstliche Blumen, Tapeten, bunte Lampenschirme und ähnliches in den menschlichen Körper kommen und allmählich den Tod herbeiführen. Ich halte das aber in den vorliegenden Fällen für ausgeschlossen, da nur immer die Ehemänner erkrankten, niemals aber die Frau, Kinder oder andere Mitbewohner. – Die Angeklagte äußerte sich hierauf mit weinender Stimme: Ich kann mir die Gutachten der Sachverständigen nicht erklären. Ich beteuere nochmals, daß ich niemals Arsenik im Hause gehabt habe. „Die Ärzte sind doch nicht der liebe Gott, sondern nur Menschen, die sich irren können.“ – Direktor, Medizinalrat Dr. Stoltenhoff, Kortau: Ich habe die Angeklagte in der Provinzial-Irrenanstalt beobachtet und sie für geistig gesund befunden. – Die Beweisaufnahme war damit erschöpft. – Der Vorsitzende verlas die den Geschworenen vorzulegenden – Schuldfragen. Diese lauteten: Ist die Angeklagte schuldig, ihre Ehemänner Bachur, Kempka, Panneck und Wiescholleck vorsätzlich getötet zu haben, und zwar indem sie die Tötung mit Überlegung ausführte? Bei der Schuldfrage betreffs Panneck wurde die Unterfrage gestellt: Im Falle der Verneinung der Frage zu 3: Ist die Angeklagte des versuchten Mordes schuldig? – Der Dolmetscher übersetzte die Schuldfragen ins Polnische. Die Angeklagte begann darauf laut und heftig zu weinen und beteuerte ihre Unschuld. Es nahm alsdann das Wort zur Schuldfrage Erster Staatsanwalt Nietzki: Meine Herren Geschworenen! Fürchten Sie nicht, daß ich Ihre Phantasie erregen werde. Ich habe auch keineswegs die Absicht, die schaudervollen Taten, die Gegenstand der Beweisaufnahme waren, noch schauerlicher zu schildern. Phantasien gehören nicht in den Gerichtssaal, und schauervolle Bilder gehören auf den Jahrmarkt. Ich will lediglich an Ihren nüchternen Verstand appellieren und die Taten ohne jedes Beiwerk schildern. Sollten Sie mit mir zu der Überzeugung kommen, meine Herren Geschworenen, daß die Angeklagte ihre vier Ehemänner oder auch nur einen durch Beibringung von Gift aus der Welt geschafft hat, dann zweifle ich nicht, daß Sie Ihren Urteilsspruch abgeben werden ohne Rücksicht auf die damit verbundenen Folgen. Sie können nicht dafür verantwortlich gemacht werden. Eine Milderung Ihres Urteilsspruchs kann lediglich Seine Majestät der Kaiser und König bewirken. Als vor länger denn Jahresfrist bei der hiesigen Staatsanwaltschaft die Anzeige einging: In dem Dorfe Röblau lebe eine Frau, die vier Ehemänner getötet habe, da wurde diese Behörde, obwohl sie gewohnt ist, in den Abgrund menschlicher Verworfenheit zu sehen, etwas stutzig. Die Staatsanwaltschaft konnte sich kaum denken, daß es hier im Osten des deutschen Vaterlandes eine Frau geben könne, die solch’ furchtbarer Straftaten fähig wäre. Als sich aber bei der Ausgrabung des Wiescholleck ergab, daß dieser große Quantitäten Arsenik genossen und daher sterben mußte, und als in den Leichenteilen noch zweier anderer Ehemänner der Angeklagten Arsenik gefunden wurde, da war es klar, daß die Angeklagte vor Ihrem Forum, meine Herren Geschworenen, werde erscheinen müssen, um sich wegen Mordes zu verantworten. Die Angeklagte lebte mit 42 Jahren bereits in fünfter Ehe. Das ist jedenfalls etwas ganz Außergewöhnliches. In einem solchen Falle ist nicht anzunehmen, daß die vier ersten Ehemänner eines natürlichen Todes gestorben seien. Man ist geneigt, anzunehmen, daß eine solche Frau mindestens einige Male geschieden ist, oder ein siebzehnjähriges Mädchen hat einen 70jährigen Mann geheiratet, oder eine gesunde, kräftige, junge Frau hat einige schwindsüchtige Männer gehabt. Nichts von alledem war hier der Fall. Die vier ersten Ehemänner der Angeklagten waren sämtlich jung, gesund und kräftig. Der erste Ehemann Bachur war bei der Verheiratung 21, Kempka 27, Panneck 26, Wiescholleck 28 Jahre. Alle vier Ehemänner waren mehrere Jahre jünger als die Angeklagte. Der jetzige fünfte Mann, Przygodda, ist sogar 14 Jahre jünger als die Frau. Wenn man erwähnt, daß die Angeklagte in ihrem Planeten gelesen haben will, es werden ihr sechs Ehemänner sterben, erst mit dem siebenten werde sie ihr Dasein beschließen, da muß man sagen: es lag dringende Gefahr vor, daß auch der fünfte Ehemann und womöglich noch ein sechster von ihr vergiftet worden wäre, wenn nicht der Angeklagten noch rechtzeitig das Handwerk gelegt worden wäre. Der Erste Staatsanwalt beleuchtete alsdann in eingehender Weise die einzelnen Straftaten der Angeklagten. Ich will nicht so weit gehen, so etwa fuhr der Erste Staatsanwalt fort, daß die Angeklagte, als sie den 21jährigen Bachur heiratete, von vornherein den Beschluß gefaßt hatte, den Mann durch Gift aus der Welt zu schaffen. Wäre das der Fall, dann wäre ja die Angeklagte eine menschliche Bestie. Aber nach einigen Jahren, da kam sie zu dem Entschluß, ihren Ehemann aus der Welt zu schaffen. Diesen Entschluß führte sie sehr bald aus. Es verging nur eine kurze Zeit, da heiratete sie einen zweiten Mann, den Kempka. Dieser erfreute sich nicht lange der ehelichen Gemeinschaft. Nach kaum fünf Monaten war auch Kempka beseitigt. Nun kam der dritte, Namens Panneck. Dieser war ein ganz besonders kräftiger, gesunder Mann. Panneck war Ulan. Er sagte: Die Frau hat schon zwei Ehemänner um die Ecke gebracht, bei mir soll es ihr aber nicht gelingen. Allein es dauerte nicht lange, da war auch Panneck um die Ecke gebracht. Allerdings, es ist in den Leichenteilen des Panneck kein Arsenik, sondern nur Kupfer gefunden worden. Die Sachverständigen haben jedoch erklärt: sie halten es für sehr wahrscheinlich, daß auch Panneck mittelst Arsenik vergiftet worden ist. Da aber hierbei Zweifel aufgetaucht sind, so will ich bezüglich dieses Falles die Anklage wegen vollendeten Mordes fallen lassen und nur wegen versuchten Mordes das Schuldig beantragen. Der vierte Ehemann, Wiescholleck, hat längere Zeit standgehalten, aber auch dieser mußte schließlich sein Leben lassen. In der Leiche des Wiescholleck wurde so viel Arsenik gefunden, daß er notwendigerweise sterben mußte. Der Erste Staatsanwalt erinnerte an die verschiedenen Zeugenaussagen, die mit zwingender Notwendigkeit für die Schuld der Angeklagten sprechen. Der Beweggrund der Angeklagten war einmal ihre übergroße Sinnlichkeit und andererseits ihre Habsucht. Die Angeklagte hatte bei jeder Ehe einen neuen Mann und auch immer neues Geld, denn sie wendete sich nicht an die armen Jünglinge des Dorfes, sondern immer an die begüterten, die sämtlich tausend und mehr Taler und viel Vieh mitbrachten. Sollten Sie, meine Herren Geschworenen, woran ich nicht zweifle, von der Schuld der Angeklagten überzeugt sein, dann hoffe ich, daß Sie nicht Milde walten lassen werden. Der Richter und auch der Geschworene steht unter dem Gesetz und darf sich von der Milde nicht zu einem Fehlspruch verleiten lassen. Woher sollte auch die Milde kommen? Hat die Angeklagte gegen ihre vier Ehemänner Milde geübt? Sie hat drei blühende Menschenleben durch Gift vernichtet und in einem Falle mindestens den Versuch hierzu unternommen. Sie hat ihre Männer zum Tode verurteilt, die ihr nichts weiter getan, als daß sie ihr die Hand zum Ehebunde gereicht haben. Wenn Sie die Angeklagte verurteilen, dann treffen Sie jedenfalls eine Schuldige. – Verteidiger, Justizrat Wolski: Ich gebe zu, daß die Verhandlung ein schauderhaftes Bild entrollt hat. Die Angeklagte ist auch der zur Anklage stehenden Verbrechen dringend verdächtig. Es liegt aber kein bestimmter Beweis vor, daß alle vier Ehemänner durch Arsenikvergiftung gestorben sind und auch nicht, daß die Angeklagte die Täterin war. Man wird nur annehmen können, daß Wiescholleck an Arsenikvergiftung gestorben ist, man kann auch annehmen, daß diesem das Gift von dritter Hand beigebracht worden ist. Es ist aber nicht bewiesen, daß diese Tat die Angeklagte begangen hat. Es ist nicht unmöglich, daß die Mutter der Angeklagten die Täterin war. In einem Falle, wo es sich um Leben und Tod handelt, kann man nur auf Schuldig erkennen, wenn die Schuld klar erwiesen ist, da die Vollstreckung des Urteils nicht mehr repariert werden könnte. Erwägen Sie, meine Herren Geschworenen, daß nur der Schein für die Schuld der Angeklagten spricht, und daß die Gefahr, eine Unschuldige zu verurteilen, nicht ganz ausgeschlossen ist. – Alsdann teilte der Dolmetscher der Angeklagten den Antrag des Staatsanwalts und auch den des Verteidigers in polnischer Sprache mit. Die Angeklagte bemerkte darauf mit weinender Stimme: Ich habe mit meinen „geliebten“ Männern friedlich gelebt, wenn es auch bisweilen zu Streitigkeiten gekommen ist. Arsenik ist niemals in mein Haus gekommen. Ich schwöre bei Gott, daß ich vollständig unschuldig bin. – Der Vorsitzende erteilte alsdann den Geschworenen die vorgeschriebene Rechtsbelehrung. Nach halbstündiger Beratung der Geschworenen verkündete der Obmann, Amtsvorsteher Fox (Nadrau): Die Geschworenen haben die Schuldfragen betreffs Bachur, Kempka und Wiescholleck bejaht, betreffs Panneck verneint. – Der Erste Staatsanwalt, beantragte darauf, die Angeklagte zum Tode und zum Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte zu verurteilen. – Die Angeklagte beteuerte von neuem mit weinender Stimme, daß sie unschuldig sei. – Der Verteidiger erklärte, daß er nichts weiter zu sagen habe. – Nach kurzer Beratung des Gerichtshofes verkündete der Vorsitzende, Landgerichtsdirektor Dr. Thiessen: Im Namen des Königs hat der Gerichtshof, entsprechend dem Spruch der Geschworenen, die Angeklagte im Falle Panneck freigesprochen, in den Fällen Bachur, Kempka und Wiescholleck dagegen in jedem einzelnen Falle zum Tode verurteilt und außerdem der Angeklagten die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt. Soweit Verurteilung erfolgt ist, hat die Angeklagte, soweit auf Freisprechung erkannt ist, die Staatskasse die Kosten des Verfahrens zu tragen. – Die Angeklagte wurde, als ihr der Dolmetscher das Urteil mitteilte, kreidebleich. – Die eingelegte Revision wurde vom Reichsgericht zurückgewiesen. Kurze Zeit darauf wurde die Angeklagte auf dem Gefängnishofe zu Allenstein hingerichtet.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Bachar