Dieb und Dirne
Dieb und Dirne.
Ein dürres Weib, gewohnt ihr Leben
Im Elend und im Schmutz zu waten,
Verkauft sich an der Grossstadt Grenze
An trunkne Männer und Soldaten.
Und halb zum Schutz sich musste wählen,
Geht abends heimlich mit dem Messer
Zur Stadt zu rauben und zu stehlen.
Die Angst, Begierde und das Elend
Die trotz des Zanks und trotz der Prügel
Die beiden stets zusammenhalten.
Der Abschaum der Kultur, der schönen,
Die man verficht mit kühner Stirne,
Am Abgrund wandelnd – Dieb und Dirne
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Auf weichen, weissen Kissen dehnt sich
Ein Weibchen noch im Morgenkleide
Und zeigt kokett das schlanke Beinchen
Der Mann ist fort, auch der Geliebte,
Den solche Frauen haben müssen;
Sie aber schwelgt im Geist schon wieder
In unerhörten Hochgenüssen.
Gewährt sie auch die tollsten Sachen,
Nur darf man später nicht vergessen,
Ein reich’ Geschenk dafür zu machen.
Der Gatte muss den Luxus schaffen,
D’rum muss er wuchern, unterschlagen
Und muss die rechten Wege meiden.
Die Frau betrügt ihn täglich, stündlich,
Wie er die Leute muss betrügen,
Stets lächelnd mit verzerrten Zügen.
Die Angst, Begierde und die Habsucht
Sind riesenhaft die drei Gewalten,
Die trotz des Zanks und trotz der Lügen
Dasselbe wie dort in der Gosse,
Trotz Seidenkleid und Glühlichtbirne,
Der Rahmen anders, doch im Innern
Das gleiche Pärchen – Dieb und Dirne.