Diskussion:Nutzen und Schaden des Branntweintrinkens

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Nutzen und Schaden des Branntweintrinkens.

Eine treue, schlichte Belehrung für das deutsche Volk, den vornehmsten Abweg zur Verarmung, zum zeitlichen und ewigen Verderben zu vermeiden, von Dr. F. Liebetrut, Pastor zu Wittbrietzen bei Treuenbrietzen.

Preis: 2 1/2 Sgr., in Parthieen noch billiger; bei dem Verfasser in Parthien von 50 Stück und mehr für 1 1/2 Sgr. zu haben.

Dritte Auflage.

Berlin, 1838. In Kommision bei L. Oehmigke.

Diese Schrift, welche zumeist für den schlichten Landmann bestimmt ist, findet ihre leichte und volle Anwendung auch auf die Bewohner der Städte, auf Bürger, Kaufleute, Militärpersonen und Angehörige jedes Standes. Mit sich dieß namentlich mit Hülfe der angehängten Tabelle, oder durch eine einfache Berechnung und Uebertragung des hier Dargelegten auf die besonderen Verhältnisse niederer Stände leicht von selbst ergiebt. –


Lesern, welche eine genauere Kunde des in dieser Schrift behandelten wichtigen Gegenstandes suchen, können folgende Schriften empfohlen werden:

R. Baird, Gesch. d. Mäßigkeits-Gesellsch. in den V. St. v. Nord-Amerika. Berlin, bei Eichler. 1837. 2/3 Thlr.

F. W. G. Cranichfeld, Prof. d. Medizin an der Könlgl. Univ., über den Unterschied des Geistigen um Weine und im Branntweine.

Karzer Bericht über die Entstehung des Mäßigkeits-Vereins in Berlin. Berlin. 1837, bei Oehmigke. 1/6 Thlr.

Dr. Jul. Ed. Hitzig, Votum üb. d. Bildung eines sogenannten Mäßigkeits-Vereins in Berlin. 1837. Vereins-Buchhandl. in Berlin.

H. Zschokke, die Branntweinspest. Eine Trauergeschichte zur Warnung und Lehre. Aarau. 1837. 1/3 Thlr.

Lehmann, Dr. d. Med. etc., über die Folgen des Mißbrauchs der starken Getränke und die geeigneten Mittel, diesem Uebel zu steuern. Gekrönte Preisschrift. Bern. 1837. 1/4 Thlr.

Rede eines Gemeinde-Vorstehers in der Schweiz an seine Gemeinde, bei Gelegenheit der Stiftung eines Mäßigkeits-Vereins und deren Erfolg. Mit einem Anhange: „Ueber die Vergiftung durch Branntwein.“ Von dem seel. Staats-Rath Dr. Hufeland in Berlin. Herausgegeben von dem Hauptverein für christliche Erbauungsschriften in Berlin. Berlin. 1837, bei S. Elsner, Spandauerstraße Nr.40. 1 3/4 Bog. geb. Einzeln 6 Pf., für 25 Sgr. 50 Exemplare portofrei.

Vorwort zur zweiten Auflage.

Dieser Schrift, welche hiermit in einer zweiten Auflage erscheint, wurde die große Auszeichnung zu Theil, den Beifall eines Hoheit Ministerii der Geistlichen-, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten zu finden, welches auf Allerhöchsten Befehl Sr. Majestät, des auch hier wie überall auf das wahre Wohl seines Volkes väterlich bedachten Königes, dem Verfasser den hohen Auftrag ertheilte, eine neue bedeutende Auflage zu veranstalten, von welcher 10000 Exemplare zur unentgeltlichen Verbreitung in der ganzen Monarchie bestimmt sind.

Und so übergiebt der Verfasser dieser geringen Arbeit dieselbe, im wesentlichen unverändert, den lieben Lesern nochmals hin. Mögen sie dann, in der Hand Gottes, unter der treuen Fürsorge Sr. Majestät und der höchsten Landesbehörden noch ferner einer Sache dienen, der sich die lebendige Theilnahme aller Edelgesinnten des Vaterlandes unmöglich länger entziehen wird. Der Verf.


Es war ein rauher Winterabend, wie das letzte Jahr uns viele brachte, als noch spät ein Reisender in die Wirthsstube trat. Die in derselben versammelten Bauern sahen eine Weile verwundert auf den Fremden hin, welcher kräftig die dicken Schneeflocken aus seinem Haar und von seinen feinen Kleidern schüttelte. Er sah ernst, und doch so frei und froh aus, er ging so fest und männlich einher, wie jemand, der sich wie ein König fühlt; er sah alle so frisch und durchdringend an, und doch war sein Blick so sanft und liebreich, sein ganzes Wesen so freundlich und brüderlich; dabei war seine Aussprache so fremd und ungewohnt, daß ihnen alles zu sagen schien; „Dieser Mann ist aus einem fernen Lande gekommen.“

Indeß wagten sie anfangs nicht, den Fremden neugierig auszufragen, um so weniger, als derselbe nach einem herzlichen Gruße seinen Platz an einem besondern Tische nahm. Bald verloren sie den Fremden auch wieder aus den Augen, der indeß seine Aufmerksamkeit im stillen auf sie hinrichtete. Obwohl die Bauern nun nicht versäumten, sich fleißig einander zuzutrinken, saßen sie doch mißmuthig und verdrossen da; ja ihre ganze Unterhaltung bestand aus Klagen, Beschwerden und Worten voll Armuth und Herzeleid. Der lange Winter, die niedrigen Preise, das trotzige Gesinde, der Leichtsinn der Jugend, der Verfall ihres Wohlstandes, ihrer Wirthschaften, vor allem aber die öffentlichen Abgaben und Gemeindelasten waren es, worüber sie ihre lauten Klagen erhoben.

Inzwischen ließ sich unser Reisende sein kleines Abendbrot von gekochten Eiern und anderen ländlichen Speisen, wie sie der Wirth eben bereit hatte, trefflich schmecken, und

die Bauern sahen jetzt mit neuer Verwunderung nach demselben hin; denn ein so einfaches Abendbrod, meinten sie, könne ja kaum den Appetit des groben Bauersmannes befriedigen. Als der Fremde nun aber ein Glas frisches Wasser forderte, es mit sichtbarem Vergnügen austrank, und zum Zeichen seiner Freude über diese schöne Gabe Gottes der kleinen Wirthstochter ein Zweigroschenstück für das frisch vom Brunnen geholte Wasser schenkte, da vermogten sie nicht länger zu schweigen. Auch zeigte sich der Fremde nicht abgeneigt, sich nun mit den übrigen Gästen in ein Gespräch einzulassen, welches der Hauptsache nach folgendes war:

Bauern: Das wird der Herr doch auch nicht lange so aushalten, wenn er nichts, als das liebe kalte Wasser trinkt!

Der Fremde: Das steht freilich in Gottes Hand, ihr lieben Leute! wie lange ich mein Leben noch führen kann und soll. Das aber weiß ich gewiß, daß ihr es allesammt ein gutes Theil länger aushalten solltet, als jetzt, wenn ihr nämlich wäret und thätet, wie ich.

B.: Das mag wohl sein; aber der Herr sollte nur eine Zeitlang sein und thun wie wir, sollte die Last unsrer Arbeit nur ein paar Monate lang tragen, sich dabei mit unserer schlechten Kost begnügen, ohne etwa des Mittags in der Stadt ein besseres Glas – –

Fr.: Erlaubet, lieben Leute, daß ich euch das Wort nehme! es ist wahr, daß ich nicht selten reichlicher und besser esse, als ihr hier sahet. Was aber eure Arbeit betrifft, so ist mir die Last derselben wohl bekannt. Mein Vater ist Landbauer in Amerika, nun zwar wohlhabend und von Gott gesegnet; aber als er vor 25–30 Jahren mit mir und meinen Brüdern erst jene Wildniß urbar machte, die noch nie eine Menschenhand bebauet hatte, da glaubet mir, war unsere Last nicht geringer, als die eurige! Und was mein jetziges Leben betrifft, so bin ich seit sieben Jahren größtentheils immer auf Reisen, habe jährlich ein paar tausend Meilen zurückgelegt, bin in den weiten Ländern von Amerika vielmal hin- und hergezogen, habe in den heißesten Gegenden von Asien, Neu-Holland und Afrika, unter schwarzen, gelben und braunen Menschen, meine Geschäfte gemacht, und nicht weniger in den kalten und eisigen Gegenden von Rußland, Schweden und Schottland. So könnet ihr euch leicht denken, wie ich Frost und Hitze, Mangel und Beschwerden oft zu tragen hatte, wie ihr wohl manche Woche, manchen Monat lang nicht an meiner Stelle hättet sein und arbeiten mögen. Dieß

nur, um euch zu sagen, wie mir dabei ein Glas Wasser überall das liebste Getränk war, und wie ich dasselbe nimmermehr mit eurem Branntwein vertauscht haben würde.

Doch, damit ich hier lieber von euch rede, ihr lieben Leute, als von mir, so habe ich euren Klagen mit herzlichem Mitleiden und Bedauern zugehört. Wollt ihr mich nicht etwas näher von euren hiesigen Umständen belehren? Auf meine aufrichtige Theilnahme könnt ihr mit Gewißheit rechnen. Ich bin kein reicher Mann, und wäre nicht im Stande, noch diesen Abend aller eurer Armuth und Noth ein Ende zu machen. Doch ist es mir mit Hülfe meines Gottes oft schon gelungen, dem Elend und der Noth vieler Armen dadurch abzuhelfen, daß ich ihnen den sicheren Weg zeigte, zum Wohlstande, und überhaupt zu einem glücklichen, zufriedenen Leben zu gelangen.

Während der Fremde dieß sagte, hörten ihm alle Anwesenden mit immer größerem Erstaunen zu. Bald aber trat an die Stelle des Erstaunens ein herzliches Zutrauen, ja eine Zuneigung zu dem fremden Manne, wie sie es nicht leicht zu einem Menschen gefühlt hatten. Es war ihnen, als fühlten sie sich jetzt schon erleichtert. Sie konnten den liebreichen Blick aus den klaren Augen des Mannes nicht sehen, den sanften und doch so eindringlichen Ton seiner Stimme nicht hören, ohne ihm ihr ganzes Herz zuzuwenden.

Alle waren schon unterdessen so nahe als möglich an ihn heran gerückt, und binnen einer Viertelstunde war er mit den äußeren Verhältnissen des Ortes hinreichend bekannt. Er erfuhr, daß dieses Dorf eines der mittleren Dörfer der Gegend war. Es gehörten etwa 50 Familien mit 250 Seelen zu der Gemeine. Es waren gegen 20 Bauern in dem Dorfe, die zusammen etwa 35 Hufen Land besaßen; die übrigen Familien waren größtentheils Taglöhnerfamilien, eine kleinere Zahl trieb ländliche Handwerke. Ein guter Ackerwirth konnte den Ertrag der Hilfe zu ungefähr 200 Scheffeln, zum Werth von etwa 200 Thlrn., berechnen, wovon jedoch drei Viertel zur Unterhaltung der Familie, des Gesindes, des Viehstandes und der Ackergeräthe aufgewendet wurden. Das übrig bleibende Viertel reichte ungefähr eben hin, um die sehr bedeutenden Abgaben an den Staat und die besonderen Gemeindelasten zu tragen, denn diese waren zusammengenommen nicht unter 50 Thlr. auf die Hufe zu berechnen. Bei eintretenden Mißärnten traf daher bitterer Mangel und Entbehrung alle

diejenigen, welche keinen Nothpfennig für diesen Fall zurückgelegt hatten.

Nachdem der Fremde nach den einzelnen Angaben, die ihm gemacht wurden, die Summe aller öffentlichen Abgaben und Gemeindepflichten berechnet, schien die Verzagtheit der Versammelten nochmals wiederkehren zu wollen, als sie die Summe hörten, welche jeder Einzelne von ihnen, oder gar die Gemeinde im Ganzen aufzubringen hatte. Bald aber er- hielt die Unterredung eine ganz andere Mundung. Es ist gewiß, sagte der Fremde, daß ihr nicht wohl anders, als bei großer Sparsamkeit und Vorsicht, im Stande seid, euer tägliches Brot getrost und sorgenfrei zu essen. Irre ich aber nicht ganz, so nähret und pfleget ihr bei dem allen einen Dieb in euren Häusern, der euch das Mark eures Ver- mögens, eures Lebens aussaugt; der euch, indem ihr täglich freundlich mit ihm thut, Blut und Leben vergiftet; der, wie ich fürchte, nicht eher ruhen wird, als bis er euch alle an den Bettelstab gebracht hat, wenn ihr ihn nicht bald aus euren Häuser--, aus eurem Dorfe thut. Entschließet ihr euch aber hierzu, so zu-elfle ich doch nicht, daß binnen wenigen Jahren an die Stelle eures jetzigen Unmuthes Frohsinn und Lebensglück treten, und euch bald klar werden wird, daß der Weg von euren jetzigen Umst(inden zu einem genügenden Wohl- siande nicht so weit ist. — Mit welcher Aufmerksamkeit wur- den diese Worte des lieben Mannes von Allen angehört! Sag» mir nur, sprach er nun weiter, ist dieser Brannt- wein euer tägliches Getränk? Ein Bauer: Ei nun, so ein Glas oder ein paar trinken wir des Tags. Weiter aber geht ein ordentlicher Bauersmann nicht leicht, kann es auch in unsrer Lage nicht einmal. Fremder: Gebt ihr eurem Gesinde, euren Taglöhnern Branntwein ? Bauer: Vor diesem geschah es nicht. Nun aber werden ihre Anforderungen immer größer, mögen auch, ihre Treue und Fleiß immer geringer werden. In der Aernte geht es nun schon gar nicht anders. Oft will sich auch ein Wirth vor dem Andern etwas sehen lassen, in guten Jahren nimmt man’s auch so genau nicht, übte Nachrede scheut man auch, und so könnte wohl die Sache zuletzt übler werden, als gut ist. Fu: Ei, ei, das dünkt mit selbst fast so. Doch fügt mir kurz, wie hoch könnt ihr wohl euren Verbrauch ungefähr berechnen?

Ein B« So ein vierte! Quart alle Tage – bald etwas mehr, bald etwas weniger.

Fr.: Alle Tage ein vierte! Quart, das macht schon gegen 100 Quart im Jahre.

B: Recht, recht. Eine Tonne alle Jahr, damit kommt ein guter Wirth noch, aus. Wir rechnen so zur Aernte etwa

F Tonne, und für die übrige Zeit des Jahres noch Htonne. Viele kommen zwar damit nicht aus; mancher braucht auch wohl das Doppelte; einige kommen dafür wohl mit etwas weniger aus, nur trinkt man doch auch dann und wann ein Glas hier in Gesellschaft, oder auch an Markttagen in der Stadt, und wenn man sonst darin Geschäfte hat.

Fr.: Und besondere Fälle, dann und wann ein kleines Gastgebot und dergleichen, kommen auch vor, wo noch ein besonderer Zuschuß nöthig wird.

B: Wenn auch nicht oft, aber dann und wann, und in dem Fall muß der arme Landmann doch auch einmal etwas zu seinem Vergnügen thun.

Fr.: Und eure Knechte vertrinken auch wöchentlich einen Groschen im Wirthshause, was mit den Markttagen zusammen auch ein paar Thaler jährlich macht. Die kommen denn im Grunde genommen doch auch ans eurer Tasche.

B.: Leider, ja. Recht besehen aber wohl mehr als einmal. Je mehr sie in der Schurke verbrauchen, je mehr verlangen sie von Jahr zu Jahr an Lohn. Je besser ihnen der Branntwein schmeckt, je weniger die Arbeit. Und alle Woche ein Groschen, das möchte für die Wenigsten noch zureichen; manch liebes Mal müssen wir am andern Morgen mit verlorner Zeit und versäumt» Arbeit noch einmal bezahlen, was am Tage vorher schon mit ihrem Dienstgelde bezahlt ist.

Fr.: Nun wir nehmen also an, daß jeder Hofwirth jährlich etwa eine Tonne Branntwein gebraucht. Habt ihr aber wohl schon einmal bedacht, daß dies aus eure 20 Bankk- höfe jährlich 20 Tonnen oder 2000 Quart macht? Hierzu hätten wir nun noch eure Ausgabe bei besonderen Gelegenheiten, ferner in der Schurke, oder in der Stadt und endlich das zu rechnen, was eure Dienstboten, wenn nicht mit eurem Gelde (was doch eigentlich der Fall ist, denn eure armen Güter müssen es wirklich herausgeben), doch mit eurer Zeit bezahlen.

Doch vorher noch eine Frage. Wie sieht es mit euren Tagelöhnern? Haben diese eigne Grundstücke?

B.: Größtentheils haben sie nur, weis wir ihnen jährlich ablassen.

Fr.: Stehen sie auch sonst in eurem Dienste?

B: Manche suchen sich wohl auch außerhalb Arbeit, größtentheils aber arbeiten sie doch bei uns, wenn sie nicht mit Bestellung ihres Miethackers zu thun haben.

Fr.: Folglich gründet sich ihr Erwerb doch größtentheils auch auf eure Grundstücke. Und wie hoch schätzet ihr den Verbrauch eurer Tagelöhner und Handwerker?

B.: Dieß dürfte wohl nicht leicht so gar genau gesagt werden können. Unter den .Handwerkern sind wohl manche, die mit einem Viertel Quart des Tages nicht zufrieden sind. Eben so sind unter den Taglöhner» viele, die sich, vorzüglich wenn sie auswärts arbeiten, damit nicht begnügen. Aber es fehlt auch gar nicht an solchen, die regelmäßig ihren Schnaps trinken; namentlich sind unter den Armen und Liederlichen Viele, die nicht wohlfeil» leben zu können glauben, als wenn sie zu ihrer schlechten Mahlzeit für einen Groschen Schnaps aus der Schenke dazu nehmen. Hiervon trinken in einigen Häuser« bereits Weib und Kinder eins mit, und da ist denn freilich kein gutes Ende abzusehen.

Fr.: Ihr meint also, weint wir annehmen, daß etwa immer drei Wirthschaften von Tagelöhnern und Handwerkern so viel verbrauchen, als zwei Bauerhöfe, so würde dieß im ganzen genommen nicht zu hoch gerechnet fein?

B.: Das machte also alle Tage?

Fr.: Etwas über den sechsten Theil eines Quarts für jede Familie, oder für ihrer drei alle Jahr 200 Quart, wie für zwei von euch; folglich für die 30 übrigen Familien eures Dorfes auch noch 2000 Quart. Dieß macht also in Summa für die 50 Haushaltungen eures Dorfes, für euer Dorf von 250 Seelen, jährlich vier taufend Quart! Ntchnen wir hierzu auf den jährlichen Verbrauch eures Gesindes, auf die Schenke. auf Markttage und besondere Gastereien, alles in al- lein auf das ganze Dorf nur noch monatlich etwa eine Tonne, so giebt dieß noch über l000 Quart jährlich, so daß eure Gemeinde also zusammen jährlich eine Last von 5000 Quart Branntwein zu tragen hätte. Und zu welchem Preise kaufte ihr den Branntwein? Bauern, sehr erschrocken: Für Z Silbergroschen können wir das Quart haben.

Fu: (indem er dem Krüger herzlich die Hand drückt und ihm ins Ohr sagt: Seid ruhig, niein lieber Wirth, zuletzt

mache ich euch allen Schaden wieder gut!): Und ein solches Glas dort kostet? Einen halben Silbergroschen.

Fr.: Das macht also 12 bis 16 Gläser, oder 6 bis S Groschen auf das Quart. Wir werden also, da ihr ös- ter, euer Gesinde aber meist im Kruge trinkt, die Tag- löhner auch ihren Bedarf häutig in kleinen Portionen aus dein Kruge holen, uns nicht verrechnen, wenn wir anneh- men, daß ihr das Quart im Durchschnitt mit S Silbergr- bezahlt. Dieß giebt auf die 5000 Quart aber, die eure Gemeinde jährlich ver-trinkt, 833 Thlr. 10 Sgr. Nehmen wir aber das Quart auch nur zu 4g- Sgr. an, so bleibt immer die ungeheure Summe von 750 Thlrn., die euer kleines Dorf jährlich für Branntwein ausgiebt. Hiervon kommt die Hälfte aus eurer Tasche, die andre Hälfte aber lastet, wie tvir sahen, großentheils auch auf euren Gütern. — Hier rückten die Bauern ängstlich aus ihren Plätzen hin und her. Furcht und Scht«ecken schien an die Stelle der Verwunderung und des Erstaunens zu treten. Es war ihnen, als könnten sie nicht recht gehört oder gerechnet haben. Keiner aber wagte jetzt zu reden, oder dem fremden Manne etwas entgegen zu setzen, der so klar und verständig zu ihnen redete.

Leicht könnte ich euch jetzt schon zeigen, sprach er weiter, daß ihr jene ungeheure Sum1ne euch jährlich selbst entwen- det, indem ihr dieselbe für einen Gegenstand verwendet, der euch Gutes verheißt, aber allemal Böses zu Wege bringt, der euch obenein größeren Schaden zufügt, als jener Verlust des baaren Geldes ist.

Doch laßt uns den Dieb vorher Von jener Seite noch etwas genauer betrachten. Kennen wir den schlauen Fuchs von allen Seiten, so werdet ihr ja zuletzt bereit sein, diesen gefährlichen Hausgenossen nicht länger unter euch zu leiden. Ich will nun glauben, daß ihr noch nicht gerade während der Arbeitsstunden gehen und trinken werdet, obschon es sich überall, wo der Branntwein erst recht gut schmeckt, auch zeigt, daß seine Freunde aus Liebe zum Trunk manche schöne Stunde beim Glase verbringen, die sie nützlicher verwenden könnten. Aber ihr habt selbst schon Von eurem Gesinde gestanden, je besser ihm der Branntwein schmecke, je weniger die Arbeit; so daß ihr oft hinterher mit der Trägheit und Unlust eurer Knechte, mit Vernachlässigung und Versäumniß ihrer Arbeit noch einmal bezahlen müsset, was

sie Tags vorher schon aus ihrer Tasche bezahlt hatten. Nicht bEssSk wird es euch aber mit euch selbst und euren Taglöh- nern gehen. Ich will nicht sagen, daß die besten Trinker unter euch die schlechtesten Arbeiter sein werden. Denn oft kann der Unmäßige sonst ein Mann von größerer Kraft und Geschicklichkeit sein, der Mäßige dagegen mag zuweilen von Natur schwach, klein, ungesund sein, und daher natürlich auch weniger ausrichten können. Dieß aber sage ich mit völliger Gewißheit, beobachtet ihr euch selbst, so werdet ihr allemal finden, je fleißiger ihr zum Trunk seid, je träger zur Arbeit. Ihr verliert dadurch mit dem Gelde nicht bloß an Zeit, sondern auch an Lust, Munterkeit, Gesundheit und Kraft. Der Branntwein macht im ersten Augenblick munter und rüstig, wie die Fieberhitze den Kranken aufregt, daß er lebendiger und stärker wird, als zwei (-k5esunde. Aber mit der Trunkenheit legt sich der Muth, man bleibt seiner Glie- der, seiner Sinne nicht mächtig. Selbst in dein Falle, daß ihr es nicht bis dahin kommen- lasset, bleibt die Wirkung doch genau dieselbe, wenn sie sich auch in geringerem Grade zeigt. Trinkt ihr weniger, so wird die Aufregung nicht so groß, der trunkene Muth steigt nicht so hoch; aber eben so hoch er gestiegen ist, so tief, und «ein gut Theil tiefer noch, fällt er. Es ist hier wieder, wie mit einem gelinderen Fieber. Es regt weniger auf, spannt weniger die Sinne und die Kräfte in die Höhe – aber die Ermattung folgt in gleichem Maße, wenn sie auch vielleicht nur halb so groß ist, als bei demjenigen, der das Fieber noch einmal so sehr hatte.

So sind also zunehmende Trägheit, Unlust, Abnahme der Kraft, der Gesundheit, Mattigkeit, Neigung zum Müßig- gang, Vernachlässigung der Arbeit, die weiteren Folgen des Branntweintrinkens. Könnt ihr euch also wundern, wenn euer Gesinde fauler, trotziger wird, wenn ihre Forderungen immer höher gehen, wenn euer Acker, euer Vieh schlechter werden, wenn eure Wirthschaft immer mehr zurückkommt? Gewiß, lieben Leute, mich sollte es nicht wundern, wenn der Schade, den ihr so unvermerkt durch diese Folgen des Branntweintrinkens erleidet, noch größer ist, als die Ausgabe jener achthalb hundert Thaler selbst schon ist. Endlich nehmet nun noch hinzu, wie die Liebe zum Trunk nothwendig mit dein Müßiggang auch die Verarmung herbeiführt. In allen Ländern, wo Branntwein getrunken wird, nimmt die Zahl der Müßiggänger, der Armen, der

Diebe und der Verbrecher auf eine erschreckliche Weise zu. Ihr aber seid es, die dem Könige die Landarmenhäuser, die Gefängnisse bauen helfen, zu ihrer Unterhaltung beisteuern müssen. Nicht wahr, auch die Summe mag nicht unbedeutend sein, die ihr hierdurch noch jährlich dem Branntwein zu Liebe hingebe?

B.: O, lieber Herr, sie machen uns das Herze gar zu schwer. Denn solche Abgaben, die unserm guten Könige nicht einmal zu Gute kommen, sondern in den Schlund der Müßiggänger, der Vagabonden und der Verbrecher fallen, diese werden uns noch einmal so sauer. Aber wenn sie wüßten, wie wir noch außerdem schon für mehr als einen Müßiggänger im Dorfe selbst, der noch arbeiten könnte, zu sorgen haben; wie dieses böse Beispiel verderblich auf andere wirkt, die schon denken, die Gemeine hat ja, well» wir nichts mehr haben: gewiß, sie würdest das herzlichste Mitleid mit uns haben. So lange wir leben, mag es mit Gottes Hülfe noch gehen. Wie es aber werden soll, wenn unsre armen Kinder einmal unsre verarmten Güter übernehmen, wenn dann jeder wird gut leben, aber lieber müßig gehen, als ar- beiten wollen, daran dürfen wir nicht denken. Jetzt mögen wir noch mit genauer Noth unsre Armen mit uns selbst durchdringen. Was soll aber werden, wenn wir selbst frem- der Hülfe bedürfen, und die Zahl der Armen, die wir ver- pflegen sollen, unterdes noch viel größer geworden sein wird?

Fr.: Gewiß ist eure Lage keineswegs beruhigend. Das Beste aber ist, daß es doch von euch abhängt, ob ihr in der- selben bleiben, oder sie mit einer besseren vertauschen wollt. Hört mir nur zu, und verliert mir den Muth nicht, wenn ich noch einmal mit euch zu rechnen anfange. Gewiß werdet ihr es sehr gering gerechnet finden, weint wir zu jenen 750 Thlrn., die ihr jährlich für den Genuß des Branntweins an baarem Gelde ausgeht, noch ein Drit- tel so viel, also noch 250 Thlr. für verlorne Zeit, für ver- säumte, von Gesinde und Arbeitern vernachlässigte Arbeit, für den dadurch verursachten Schaden an der Aernte, an Acker- geräth, an dem gemißhandelten oder vernachlässigten Vieh, für Landarmengeld, für andere, durch den Branntwein ver- ursachte, öffentliche Lasten und für Unterhaltung eurer like- 1I1ciilDc-AcMc1I u. sc w. hinzurechnen. So würde euch der Branntwein jährlich 1000 Thlr. kosten. Dieß macht in 30 Jahren, also während der Zelt, daß ihr (etwa vom 30sten

bis 60sten Jahre eures Lebens) die Wirthschaft führet, nicht weniger als dreißigtausend Thaler. Bauern, höchst erschrocken: Dreißigtausend Thaler? Das ist ja mehr, als unser ganzes Dorf, mit allem, was dazu gehört, werth ist! — — « Fr.: Nach euren eignen Angaben ganz richtig. Der Branntwein kostet euch in 30 Jahren mehr, als eure ganze Habe werth ist. Aber hättet anch, daß nach den genauesten Berechnungen in meinem großen Vaterlande, worin es tau- sende von Landbauern giebt, die eeit mehr Eigenthum be- sitzen, als zehn von euch zusammengenommen, doch in Si) Jahren mehr, ja über 400 Millionen Thaler, mehr für den Branntwein weggeworfen wurde, als der ganze Werth des ungeheuren Gebietes der Vereinigten Staaten in Nord-Am» rika beträgt. Aber höret nur weiter. Wie hoch verzinset sich bei euch ein gut untergebrachtes Kapital?

B: Zu 5 This. von 100. Fr.: 5 Thlr. von "i00 in einem Jahre macht in 30 Jahren 150 Thaler Zinsen. Folglich würden die einfachen Zinsen von 10()0 Thlrn., die euch der Branntwein in diesem Jahre kostet, binnen 30 Jahren 1500 Thaler betragen. Diese Zinsen gehen auch mit jenem Kapital verloren. Ueberhaupt aber würde auch das ganze Kapital von dreißig tau- send Thalern, die euch der Branntwein binnen 30 Jahren kostet, während dieser Zeit 23,050 Thaler Zinsen getragen haben, indem ihr nach einem Jahre 50 Thlr. Zinsen von 1000 erhoben hättet, nach L Jahren i00, und so fort; nach 30 Jahren endlich 1500 Thlr. von der Ausgabe des ersten Jahres. Neehnet ihr also den Verlust dieser Zinsen zu dein verwandten Kapital hinzu, so kostet euch demnach der Brannt- wein binnen 30 Jahren über 50,000 Thlr. (53,050 Thlr.)« Diese Summe dürstet ihr also nur sparen, ja nur etwa zur Hälfte sparen, und euer Dorf wäre binnen ZU Jahren zu- verlässig eines der wohlhabendsten weit und breit. Nach je- ner Berechnung würdet ihr aber noch die Zinsen von jenen 23 tausend Thalern Zinsen zum Besten eurer Wirthschaft ha- ben verwenden können; ja ihr könntet allenfalls die ganzen Zinsen zur Verbesserung eurer Wirthschaftsgeräthe, eures Viehstandes, zur Belohnung und Vermehrung eures Ge- sindes, eurer Arbeiter verwenden; so würde eure häusliche Einrichtung sich reichlich verbessern, euer Wohlstand, eure Lebensfreude, euer Lebensgenuß würde zunehmen, selbst wenn ihr jenes große Kapital für besondere Fälle der Noth ans-

bewahrtet. Und wenn ihr eilten Theil davon lieber zum Ankauf neuer Grundstücke, zur Erziehung eurer Kinder verwendetet, wenn ihr eine Zeitlang jährlich einige hundert Thaler zur Besoldung eitles gründlich gelehrten, geschickten Oekonomen bestimmtet, der euch mit den großen Vortheilen und Fortschritten der neueren Wirthschaftskunst bekannt machte: so windet ihr leicht auf diesem Wege noch größere Vortheile erlangen, und zum froheren Genusse eurer Ersparnisse und des göttlichen Segens der Mäßigkeit gelangen, als wenn ihr die ganzen Ersparnisse in die Sparbank geben wolltet.

Dagegen gebet ihr euch jetzt durch den Genuß des Branntweins dem lachenden Verderben und der schrecklichen Gewißheit der Verarmung preis. Oder glaubt ihr wohl, daß der Dieb, der ungehindert bei euch aus- und eingeht, eher aufhören wird, euch mit lachendem Munde zu bestehlen, als bis ihr nichts mehr für ihn habt, als euch selbst; bis er euch nun zu Sünde und Latier fortreißt, ach vielleicht gar euch selbst zu Dieben und Verbrechern macht, nachdem er end) so lange beraubt und endlich zu Bettler» gemacht hat? Glaubt dieß nicht, lieben Leute. Erst euer· Geld, dann eure Gesundheit, eure Ehre, und endlich euch selbst und ——— — Doch davon will ich noch schweigen. Ader sagt mir, habet ihr vor -?-0 Jahren auch diese Klagen geführt? Wurde, als ihr jung wart, auch schon so viel Branntwein getrunken? Ein älterer Bauer: O nein! Ich habe mir un- längst selbst berechnet, daß jetzt wenigstens 4 bis S mal so viel Branntwein gebraucht wird, als vor 3() Jahren. Als mir mein Vater im Jahre 1s(J4 die Wirthschaft übergab, brauchten wir zur Dienste G — s Quart, jetzt F Tonne;-da- mals erhielten die Taglöhner nur bei der schwersten Waizen- und Roggenmaht ein Glas, jetzt verlangen sie während der ganzen Aernte Branntwein. Damals brauchten wir außer der Aerntezeit höchstc-is die Woche F Quart, jetzt will dies; kaum den Tag über zureichen. Ein andrer B.: Als ich l802 noch für Knecht diente, bekam das Gesinde noch gar keinen Branntwein, ja auch für den Taglöhner wurde selten einmal solcher auf das Feld mit- genommen. Zu Hause war der Branntwein für die Herr- schaft eine Seltenheit, Dienstleute aber ließen sich noch gar nicht einfallen, daselbst solchen zu fordern. Der Branntwein tvar überdieß them-er, der Taglöhner und Die-sstbote trank

wohl bei Gelegenheit ein Glas Bier, zum Branntweintrinken aber kamen diese noch selten einmal. Fr.: Gut, ich sehe, daß ihr darin übereinstimmt, daß vor 30 Jahren nur ein Fünftel des Branntweins getrunken wurde, den ihr jetzt Verbraucht. Dies mag euch insofern trösten, als ihr sehet, daß wenigstens vier Fünftel eures jetzi- gen Verbrauchs überflüssig sind. Nun aber laßt uns un- sere Rechnung umkehren, und fragen, wie wird die Sache stehen, wenn ihr den Dieb«noch 30 Jahr in eurem Hause und Herzen laßt? Seit 30 Jahren hat er euch so betrogen, und so zu sagen die Hände gebunden, daß er euch jetzt jähr- lich fünf mal so viel nehmen darf, als damals. Fahrt ihr nun so fort, so können noch manche von euch erleben, wie ihr binnen weniger als 30 Jahren mit euren Kindern noch fünf mal mehr brauchen werdet, als jetzt. Vor 30 Jahren brauchtet ihr kaum 1000 Quart im Jahre, jetzt habt ihr fünf tausend nöthig, dann werdet ihr 25,000 brauchen, wenn nicht viele schon vor Jammer und Elend zu Grunde gegan- gen sind. Dabei waret ihr vor 30 Jahren noch frei und rüstig, es würde euch sonderbar vorgekommen fein, wenn man euch damals hätte sagen wollen, daß der Branntwein euch bezwingen, euch in 30 Jahren zur täglichen Nothdurft werden würde. So glaubt dann nicht, daß euer Feind jetzt inne halten, euch nicht noch fünf mal ärger betrügen und zu Schanden machen werde, wo ihr nichts thut als klagen, und ihm feinen Willen laßt, nachdem er euch fast zu feinen Knech- ten gemacht hat, euch Hände und Sinne gebunden hält. Fünf mal mehr Branntwein als jetzt, fünf mal mehr Säufer , MüßiggEingkr, Armen- und Gemeindelasten, und da- bei nicht Verbeßrung, sondern Verschlechterung der Acker- wirthschaft und der Einnahme: stellt euch dies vor, um vor einer Zukunft zu erschrecken, die begierig auf euch und eure Kinder wartet! Und damit ihr ja nicht zweifelt, daß ihr dieser schrecklichen Zukunft mit raschen Schritten entgegenge- het, so höret noch, daß andre Völker schon diese Stufe des Verderbnis erreicht haben. Das Königreich Schweden hat nur ungefähr ein Fünftel so viel Einwohner, als euer Va- terland; und doch wird nach den genauesten Berechnungen dort beinahe schon so viel Branntwein verbraucht, als viel- leicht in unserm Vaterlande. Nach jener Berechnung nimmt man an, daß in jenem Lande jährlich 60 Quart Branntwein auf jeden Kopf zu rechnen sind, so daß hiernach eine Ge- meinde, wie die einige, schon 15,000 Quart im Jahre brauchen

würde. Die Kosten belaufen sich für jenes kleine Land auf 97 und H Million Thaler; das macht also in jeder Woche die fast unglaubliche Summe von 2 Miit. Thaler, welche der Branntwein jenem Lande kostet. Seid nun froh, daß durch Gottes Güte euer Land noch vor dieser Höhe des Verderbens bewahrt blieb. Aber seid auch gewiß, daß nichts euch gegen ein gleiches, und wohl noch größeres Verderben schützen wird, wenn ihr nicht alle eure Kraft zusammen nehmt, um euch von der Gewalt eines Feindes los zu machen, der es auf euren gänzlichen Untergang abgesehen hat. Bis hierher hatte die Gesellschaft dem Fremden mit im- mer größerer Aufmerksamkeit zugehört. Nun aber konnten sie ihn nicht länger schweigend anhören. Thränen stürzten aus vieler Augen. Entsetzen vor einer solchen Gefahr, Scham und Neue ergriff sie allesammt, daß sie die Ursache ihrer Ar- muth, ihres Unmuths so lange überall gesucht, nur nicht in der Lust an einem so gefährlichen Getränk; daß sie einer so verderblichen Gewohnheit, einer so schimpflichen Knechtschaft so lange gedient hatten. Mit tausend Fragen bestürmten sie nun den Fremden. Alle schienen bereit, alles zu thun, um sich der drohenden Gefahr- der Verarmung wo möglich zu entziehen, eine so gefährliche Gewohnheit zu verlassen, sich aus der Gewalt eines so trügerischen Feindes los zu machen. Indeß war es bereits spät Abends geworden, der Fremde hielt es nicht für möglich, nicht einmal für nützlich, die Un- terredung über einen so wichtigen Gegenstand noch in dieser Nacht zu vollenden. Es freut mich herzlich, sprach er, euch zu einer guten Sache so bereit zu finden. Aber laßt uns auch darin nichts übereilen. Es möchte euch morgen leid sein, was ihr in dieser Nacht noch beschlösset, ohne vielleicht noch für euch selbst hinlänglich überzeugt zu sein. Legt euch nun im Namen des Herrn, unsres Gottes, der euch zu eurem Vorhaben gnädig sein wird, schlafen, gehet dann für euch selbst unsre heutige Berechnung noch einmal durch, und findet ihr, daß es sich so hält, oder daß die Lust des Branntweins euch doch den Verlust der besten Kräfte eures Vermögens zu Wege bringt, so bin ich bereit, morgen mit euch weiter zu reden, und, so Gott will, euch gründlich zu helfen. Unsre Rechnung ging auf dreißig tausend Thaler Capitalverlust für eure 50 Haushaltungen in s0 Jahren, und 2s,050 Thlr. Verlust an Zinsen; wovon, wenn wir den Verbrauch der A! Bauerwirthschaften dem der 30 andern

tZ)»anelhaltungen gleich setzten, auf eine jede Bauerwirth- schaft ein Verlust von 1326F This-«, und auf jede andre .s)aushaltung ein Verlust von 884 Thlr."5 Sgk. durchschnittlich kommt. « · Nel-et also inzwischen auch mit Taglöhnern, Handwerker-r und Gesinde , die, wie ihr sahet, im Grunde genom- men dabei eben so viel zu verlieren und zu gewinnen haben, als ihr. Vereinigen sie sich mit euch und euren guten Vorsätzen, so ist die Ausführung um so leichter. Und damit gute Nacht! « Der Leser kann sich denken, mit wie bewegtem Herzen sich jene Landleute schlafen legten. Als sie erwachten, wechselte Furcht und Hoffnung in ihrer Seele ab. Natürlich fehlte es nicht an mancherlei Bedenken, Sorgen und Zweifeln. Indes fanden sie die gemachte Berechnung in der Hauptsache überall richtig. Einigen zwar dünkte sie um etwas zu hoch, aber sie dachten mit Recht, wäre der Verlust auch nur halb so hoch zu rechnen, so wäre die Ersparung desselben von der größesten Wichtigkeit. Bald ward am Morgen dass ganze Dorf mit dem In- halt der Unterredung bekannt. Da fehlte es nicht an Miß- trauen, selbst nicht an Hohn und Spott. Indes alle Wohl- gesinnten fanden die Sache der ernstesten Ueberlegung Werth, selbst bei einigen starken Trinkern und Säufern regte sich ein Verlangen, von der schimpflichen Herrschaft einer Ge- wohnheit frei zu werden, die sie dem zeitlichen und ewigen Verderben so nahe gebracht hatte. Auch der Schuhe, die Kirchenvorsteher, selbst der Pfarrer des Ortes wurden von dem Vorgefallenen bald in Kenntniß gesetzt, und der letztere ladete den Fremden sogleich zu einer freundlichen Unterredung ein. Bald waren beide über die Folgen des Branntwein- trinkens, über die dringende Notwendigkeit, diese gefährliche Gewohnheit zu brechen, einverstanden, und der Pfarrer for- derte nun alle diejenigen auf, welche den lieben Fremden weiter hören wollten, hierzu aus den Pfarrhof zu kommen, der bald von Angehörigen aller Stände und Classen des Dorfes angefüllt war. · « Der amerikanische Reise-ide zeigte nun den Versammel- -ten noch einmal in der Kürze, wie verderblich das Brannt- Wcill!killkcl1sI.ll1ächst schon für ihre ·häuslichen und Ver- il1Zgclls-1.Ill1siälldc sei, und wie wichtig es ihnen sein

müsse, jährlich eine so bedeutende Summe zu ersparen, oder doch aus eine vortheilhafte nützliche Weise zum Besten ihrer Wirthschaft zu verwenden, während ihnen diese Summe jetzt spurlos und für einen Genuß verschwände, der ihren Vätern noch beinahe unbekannt gewesen sei. Aber ihr lieben Leute, so sprach er weiter, nicht bloß für euer Vermögen, auch für eure Gesundheit, für euer leibliches Besinden und für den Zustand eurer Seele, überhaupt für euer zeikliches und ewiges Wohlerge- hen ist dar? Branntweintrinken gleich verderblich. Hörer mir also nochmals zu, daß ich euch auch hiervon überzeuge. Jhr sollet euren Feind erst von allen seinen gefährlichen Seiten kennen lernen, ehe ihr ihm den Krieg erklärt, und ench—zum Kampfe gegen ihn vereinigt. »Der Branntwein ist für die Gesundheit verderblich.« Hiervon glaube ich euch also znerst überzeugen zu milssen. Der Pfarrer: Gewiß würde dieß von großer Wich- tigkeit sein. Denn, nicht wahr, viele Von euch meinten noch immer, sich durch Branntwein eine besondere Güte zu thun, wodurch der Körper mehr zur Arbeit gestärkt, als geschwächt werde? Einige Bauern und Taglöhner: Ja wohl Herr Pfarrer. Auch sollte man doch kaum glauben können, daß alle Welt nun schon so viele Jahre lang Branntwein trinken und dafür obenein sein Geld hergeben sollte, wenn derselbe der Gesundheit Schaden brächte. Fr.: Was dies betrifft, so giebt es doch gewiß noch manche andre Gewohnheit, die seit Adams Fall über Millio- nen von Menschen geherrscht hat, und noch immer herrscht, wiewohl jedermann weiß, daß die Lust, welche sie etwa für den Augenblick gewährt, allemal theuer bezahlt werden muß. Daraus also, daß der Branntwein von Millionen getrunken wird, würde nur dieß folgen, daß ein recht riickischer Feind mit demselben einen argen Betrug spielt, wofern ich euch nämlich zeige, wie verderblich der Branntwein für die Ge- sundheit ist. Nach eurer Meinung würde man eigentlich so schließen müssen: Der Branntwein kostet uns so viel Geld, so viel, daß wir fluchten müssen, endlich alle dadurch arm zu werden; folglich muß er eine kostbare Arznei, eine weith- uolle Sache sein, die uns wenigstens Kraft und Gesundheit für unser schweres Geld verschafft! ?

Viele Stimmen- -Nein, nein lieber Herr, so weit ki5nnen wir unmöglich gchenl Sondern es ist wirklich; wie sie uns gesiern sagten, während man den Branntwein noch im Munde schmeckt, macht er wohl feurig und muthig, daß man sich nun wohl noch einmal so viel zu1nuthet, als sonst. Aber nach einer Weile fühlt man sich matter, als vorher, und man muß nun entweder wieder und wieder trinken, was auch kein gutes Ende nimmt, oder-» man kommt nun noch"nicht einmal so weit, als man ganz ohne Branntwein gekommen wäre. Wenn man also die Sache nüchtern be- denkt, und nicht fragt, wie der Branntwein im Augenblick, sondern wie er überhaupt und im ganzen wirkt, so kann man so wenig sagen, daß er siark, als daß er gesund mache. Ein anderer: Ja gewiß, wenn wir fragen, ob-wir nun auch wenigstens etwas gesunder oder siärker wären, als vor 20, 30 Jahren, wo wir nur ein Viertel so viel Brannt- wein tranken, so finden wir das gerade Gegentheil. Wir wollen nicht gerade von uns reden, denn wenn ein Mann 20 L— 30 Jahre hinter sich hat, kann er nicht mehr sein, wie ehede1n. Aber es ist gewiß, daß wir jetzt eher weniger als mehr mit eben so viel Leuten ausrirhten. Und die siärksien in der Zeche sind größtentheils die schwächsten in der Arbeit. . Fr.: Gut, ihr sehet also schon ein, daß der Brannt- wein nur zum Schein und für den Augenblick Kraft und Muth giebt, auf die Dauer aber den Körper mehr schwächt, als stark macht. Folgendes wird euch aber zeigen, daß der- selbe n»ur nachtheilig aus den Körper einwirkt· 1) Der Branntwein öffnet häufig den ansteckenden Krankheiten die Thür. Dieß hat sich in neuem Zeiten besonders bei der furcht- baren Krankheit der Cholera gezeigt. An derselben starben z. B. im Jahre 1832 in der au1erikanischen Stadt Albanh 336 Personen von 25,000 Eiuwohnern, während von den 5000 derselben, welche gar keinen Branntwein tranken, nur 2 Personen siarben, d. h. also nach Verhältniß 40mal weni- ger,«als von den Trinken: slarben. Unter 600 Kranken, welche man damals in das Krankenhaus zu New-York brachte, befanden sich fast nur Trinker. Ueberhaupt kann man annehmen, daß von den Hunderttausenden, die dieser Krankheit in den letzten Jahren erlegen sind, vier Fünftel dem Trunke ergeben waren. Warum dieß, wenn der Branntwein

nicht den Körper vergiftete und die besten Kräfte desselben verzehrte? 2) Durch den Branntwein berliert der Körper überhaupt die Kraft, der Krankheit zu widerstehen, dieselbe ergreift die Trinke»r heftiger und vermehrt überhaupt die Sterblichkeit. Eine Gesellschast von Aerzten in Amerika untersuchte die Wirkungen des Branntweins aus die Sterblichkeit und fand, daß von 4292 T-)desfällen in einer Stadt wenigstens 700 durch Branntwelntrinken veranlaßt worden waren. Dagegen zeigt sich überall, daß überhaupt die Zahl der Todesfälle eben so abnimnit, als der Genuß des Branntweins aufhört. Ein berühmter Arzt in Amerika sagt: Seitdem die Einwohner dieser Stadt aufgehört haben, Branntwein zu trinken, hat sich die Zahl der Krankheitsfälle um die Hälfte vermindert. Ein andrer: Die Hälfte der Menschen, die jährlich am hitzi- gen Fieber sterben, würden wieder aufkommen, wenn sie kei- nen Branntwein getrunken hätten. Ein andrer: Wenn das Fieber in unserm Lande ausbricht, ergreift es nicht halb so viele unter denen, die keinen Branntwein trinken, als Von den Trinkern, und die Gefahr ist noch dazu bei jenen auch während der Krankheit viel geringer. S) Einen gleich verderblichen Einfluß hat der Branntwein auf die Seelenkräfte. Unter 78l Wahnsinnigen, die sich in den anierikanischen Jrrenhäusern fanden, waren über 4()0 dem Tranke ergeben gewesen«— Ueberhaupt kann man nach allen Beobachtungen annehmen, daß drei Viertel aller Fälle von Wahnsinn von dem Genusse des Branntwei-is herrühren. Dieß hat seinen Grund in der betäubenden Kraft des Branntweins; diese ist für sich ein wahres Gift, welches alle Gefäße des Körpers durchdringt, und so auch in das Gehirn steigt. Als man das Gehirn eines Säufers öffnete, der in der Trunkenheit gestorben war, fand man darin noch die giftigen Bestand- theile des Branntweins. Sie waren schon am Geruch deut- lich zu erkennen, und entzündeten sich leicht zu jener blauen Flamme, welche der Branntwein zeigt, sobald man ein Licht daran hält. 4) Ueberhaupt erklären sich alle guten Aerzte beinahe einstimmig dahin, daß der Branntwein nur nachtheilig für die Gesundheit ist. Von 80 Aerzten zu Bosion bezeugen 7;3: Der Brannt- wein ist dem gefunden Menschen niemals di;nlis:h, sondern

eine häufige Ursach der Krankheit und des Todes; oft macht er Krankheiten, die aus einer andern Ursach entstanden sind, Viel gefährlicher. 45 andre Aerzte im Staate Ohio bezeuk gen: Der Branntwein ist dem Gesunden nicht nur unnütz, sondern geradezu schädlich. Er erzeugt viele neue, und ver- stärkt die vorhandenen Krankheiten. Er ist ein gefährliches Gift, er tödtet zwar langsam, aber eben so sicher, als ande- res Gift. Dieß ist auch das Urtheil fast aller Aerzte in Amerika und England. Die Aerzte in Bradford geben das Gutachten: Nichts würde so» sehr die öffentliche Gesundheit befördern, als die gänzliche Verbannung des Brannttveins. Denn -diesen betrachten wir als eine der häufigsten Ursachen von Krankheiten. Pfarrer: Nun gewiß, wenn irgend etwas geeignet ist, uns von der Schädlichkeit des Branntwe-ins zu überzeugen, so müssen es die Zengnisse so vieler Aerzte sein» Denn eine unredliche Gesinnung könnte diese wohl bewegen, zu erklären, der Genuß eines Giftes schade dem Körper nicht; aber nur Menschenliebe und Liebe zn ihrer Pflicht kann der« Grund jener Erklärungen sein. Jndeß scheinen einige unter- euch doch noch Bedenken zu haben. B« Wir wünschten uns nur dies recht erklären zu können, daß doch mancher Säufer alt wird, und mancher starke Trinker feines Gleichen bei der Arbeit sucht. F«r.: Dies darf euch in der That gar nicht irre machen. Dergleichen Leute, an die ihr eben denken möget, sind ohne Zweif?l von dem Schöpfer mit einem besonders festen und kräftigen Körper bedacht worden, der dem Uebel länger wi- dersteht. Ein Stück Eichenholz widersteht vielleicht der Fäul- niß länger, als ein Stück Weidenholz’, wenn gleich jenes der Nässe viel ausgesetzt wird, und dieses wenig. Wäre es aber nicht ein Fehlschuß, wenn ihr deshalb annehmen wol!- tet, daß die Nüsse dein Holze nicht schade? Schadet sie nicht im Grunde einem Holze, wie dem andern, nur daß der Schatte an dem härteren Holze nicht so schnell sichtbar wird? Und wenn das härtere auch vielleicht so noch um S oder 10 Jahre länger dauert, als das weiche, so wird es doch Vielleicht noch 10 Jahre früher zu Grunde gerichtet, als es bei guter Bcwahrut1g hätte dauern können! Nicht wahr, die Anwendung auf jene alten und rüstigen Trinker ist leicht? Jene grauköpfigen Säufer hat das Glas doch viel- leicht um 10 Jahre der Grube näher gebracht, als sie sonst sein mögten; und haben sie auch bis heut ihre feste Gesundheit

noch nicht völlig zu Grunde gerichtet, sehet nur genau zu, ob sie nicht dennoch wurmfräßig ist, wie jener Eichen- stamm, der noch lange fest und brauchbar sein könnte, hätte man ihrr nicht so nachlässig hingeworfen. Was aber die rüstigen Trinker betrifft, so müsset ihr diese mit Männern von gleicher Kraft und Gesundheit ver- gleichen, die dabei aber keinen Branntwein trinken, so wird sich bald zeigen, wer in einem Tage, einer Woche das meiste leisten kann. Sollte: ihr aber noch zweifelhaft sein, so setzt die Beobachtung 10 Jahre lar1g fort, und ihr werdet sehen, wie der rüstige Trinker nun von vielen übertrossen wird, die ihrn zwar um vieles nachstanden- aber ihren Kräften nicht durch den Genuß eines schleichenden Gistes schadeten. Mehrere Bauern: So wirklich ist es, wie sie uns sagen. Betrachte rrnr einer den N. und O., wie waren die vor G, S Jahren allen andern im Dorfe voran, aber nun richten sie kaum noch so viel, als arrdere, aus. Und was die alten Trinker betrifft, so hat wohl keiner unter uns Lust, ein so morsches, lasches Alter zu erleben. Seher dagegen den alten H. und S., die haben noch manches liebe Jahr Vor jenen Voraus, aber wie sind diese ihrer Glieder und Sinne noch viel mächtiger. Fr.: Gut, so höret nur zuletzt noch, wie der Brannt- wein auch gar nicht anders, als nachtheilig, wirken kann. Ihr habt schon inr allgemeinen gehört, daß der berauschende Theil des Branntweins ein eigentliches Gift ist. So- bald dieser Bestandtheil, welchen die Aerzte Alkohol nennen, rein genossen wird, sührt er unfehlbar den Tod herbei. Die- ses Alkohol, ohne welches der Branntwein so wenig, als WAsser oder Kaffee, betrunken machen würde, wirkt folgen- dI’kI1«1ßSlI Auf den Körper. Sobald der Branntwein getrun- ken ist, wird er von den innern Gesäßen aufgesogen und in das Blut geführt. Hier bewirkt er eine große Aufregung. Mit Schnelligkeit werden die berauschenden Theile durch den ganzen Körper, durch die Lungen, die Muskeln, das Gehirn geführt. Nicht das kleinste Blutgefäß, nicht die feinsten Nerven bleiben hiervon unberührt. Eben diese schnelle Be- wegung des Blntes erzeugt aber jenes angenehme Gefühl, jenes augenblickliche Vergnügen, welches den Trinker reizt, immer öfter und mehr zu trinken. Weil aber der Brannt- wein keine Uiii)l·cl1dl’ll Theile enthält, so kann jene fieberhaft: Aufregung des Körpers denselben auch rsicht stärken, sondern Es folgt im Gegentheil allemal eine verdoppeln Abspannung

und Ermattung. Dieß ist augenscheinlich, sobald der Trin- ker es bis zur völligen Trunkenheit kommen ließ, die ihn bald seiner Sinne ganz beraubt, und ihn nachher mit Un- muth und Ermattung bestrast, wenn er nicht alsbald wieder. zum Glase greift und zuletzt ein vollkommener Säufer wird. Aber auch mäßig gen-ssenshat der Branntwein in kleinerem Maße dieselbe Verderbliche Wirkung. Nie kann närnlich der Branntwein den Körper irgend nähren oder stärken, nicht einmal sich mit den Lebenssciften völlig verbinden; sondern nachdem er durch alle Gefäße hindurch getobt und überall den ordentlichen Verlauf des Lebens gesiört hat, wird der Körper nicht eher wieder beruhigt, als bis er den Brannt- wein bis aus die lehre Spur wieder ausgeworfen hat. Jst aber die Lebenskraft bereits so geschw(icht, daß der Körper die giftigen Theile des Branntweins gar nicht mehr von sich geben kann, so muß der Tod erfolgen, daher auch mehr als die Hälfte aller plötzlichen Todesfälle auf Rechnung des Branntweins zu schreiben ist. « In allen Fällen ist es also ein Betrug, wenn der Branntwein zu stärken scheint, da er in der nächsten Stunde doppelt wieder nimmt, was er kurz zuvor zu geben schien. Ja das Uebel ist noch schlimmer, da es den Körper nicht bloß angreift und ermattet, wie die Arbeit, sondern seine Kräfte wirklich beschädigt und verzehrt,»wie jedes andere Gift. Dazu kommt nun endlich noch die Gefahr, daß der Trinker durch diese Beschaffenheit des Branntweins gereizt wird, immer etwas mehr zu trinken, theils wegen des au- genblicklichen Vergnügens, theils weil sein Körper durch den Branntwein immer mehr erschlafft und immer unlustiger und unkräftiger wird, ohne den betäubenden Reiz des Brannt- rveins noch seine Schuldigkeit zu thun. B« Hieraus erklärt es sich ja nun ganz deutlich, rarurn I·qik seit 30 Jahren uns gewöhnt haben, 4 bis 5 mal so viel Branntwein zu trinken, ohne dirs; nur eigentlich gewahr geworden zu sein. Wir sind dabei nicht geschickter, sondern unlustiger und untüchtiger zur Arbeit geworden. Wenn wir aber -jetzt S mal inehr trinken, als vor 30 Jahren, so deuchte uns dies; noch iinrner kaum genug, und wir können uns recht wohl denken, wie wir nach wieder 10 Jahren noch einmal so viel trinken gelernt haben, und noch untüchtiger geworden sein würden. Fr.: Noch untüchtigerl Dieß, lieben Freunde, ist das rechte Wort! Ihr habt gesehen, wie der Branntwein euch

...23 - und eure Wirthschaft ärmer macht, wie er, anstatt euch zu stärken, euch schmacht und eure Gesundheit ansreibt. Aber Der Branntwein ist auch für die guten Sitten, für die Gesundheit und das Heil der Seele gleich verderblich. Bei diesen Worten hielt der Fremde eine Zeitlang inne, und sahe sich im Kreise der Versammelten um. Mit großem Ernst saßen sie da, viele waren schon bis zu Thkiineu ge- rührt, alle schienen von der Wahrheit des letzten Satzes schon im voraus völlig überzeugt. Daß das Branntwein« trinken die guten Sitten nicht befördere, daß dadurch viel- mehr Unlust und Verdrossenheit zur Arbeit, Trägheit, Roh- heit, Ausgelassenheit, Wollust, und vor allem der Müßiggang mit dem ganzen Gefolge der Laster vermehrt werde, daß mit der Zunahme des Bkt1lll1M)cil1cci1lkcllH beinahe überall und immer die Tugend und Frömmigkeit in gleichem Maße ab- nehme, wer von ihnen hätte dieß läugnen können? Alle ka- men in folgenden (-Irfahrungen, die sie aufrichtig und mit vielem Kummer eingestanden, überein- Jemehr die Lust am Brannteeintrinken zunimmt, jemehr nehmen gute Sitten, häuslicher Fleiß, Liebe, Friede, Sanftmuth, Zucht, Ehrbar- keit, Gehorsam und Pflichttreue ab. Am verderblichsten wirkt das Beispiel des Hansvaters auf Kinder und Gesinde über. Rohheit, Unbändigkeit, Liederlichkeit des Gesindes nimmt jemehr überhand, jemehr Gelegenheit zum Brannt- weintrinken da ist. Die bösen Sitten des Gesindes wirken auf die zarte» Jugend verderblich ein, welche auch schon nach dem Genusse des Branntweins interner lüsterner wird, und sieh denselben bald auf öffentlichen, bald auf geheimen Wegen zu verschaffen sucht. Seiten endet ein festliches Ver- gnügen der Jugend im Wirthshause noch anders, als mit blutiger Schlägerei. Die stärksten Trinker zeigen sich hier in der Regel als die ärgsten Säufer, und bittere Feindschaft und Haß trennt sehr häufig die Partheien, die zuvor friedlich und fröhlich beisammen gewesen waren, ehe der Branntwein ihre Köpfe erhitzte. An den folgenden Tagen muß die Herrschaft dann in der Regel noch mit Vernachlässigung der Arbeit, mit i.1nmuth und Trotz des (53esindes dafür büßen, daß sie den Dienstboten zuvor die Erlaubniß zu ihren Ausschweifun- gen verstattete; eine Erlaubniß, die zwar Von dem trotzigen Gesinde gar nicht mehr gefordert wird, da es ihnen schon

als ein gutes Recht erscheint, nach Willkiihr zu thun, was die herrschende Gewohnheit verstattet. » Hierauf nahm der Fremde wieder das Wort. Ich habe, sprach er, in dieser Hinsicht also nichts zu thun, als euch zu erklären, wie die Liebe zum Branntwein gar keine andern Folgen haben kann, als die, welche ihr beklaget, und euch höchstens zu warnen, diese Gelegenheit zur Umkehr von dem Wege des Verderbens nicht vorbeigehen zu lassen. Leicht könnte sonst die böse Gewohnheit euch dermaßen zu ihren Knechten machen, daß eure Rettung für diese, ja vielleicht auch für die zukünftige Welt, so gut als unmöglich würde. Indem der Branntwein den Menschen auf eine unnatürliche Weise aufregt und lustig macht, ist es eine unausbleibliche Folge, daß mit der nachfolgenden Ermattung auch Unmuth und Verdrießlichkeit eintritt. Dieß wird vielleicht bei den ausgemachten Säufern weniger der Fall sein, indem diese sich alsbald einen neuen Rausch trinken; oder aber sie haben sich bereits so an ein liederliches Leben gewöhnt, daß sie über nichts mehr Verdruß und Reue fühlen. Dagegen wird gerade derjenige, der noch mit Schmerz auf das verschleuderte Geld, auf die verlorne Zeit, die vernachlässigte Arbeit zurückblicke, schon hierüber unmuthig werden, wenn sich die üble Laune nicht schon von selbst als Folge der körperlichen Abmattung einstellt. Nun wird der Unmuth Ursach zu Zank, Aerger, Mißhandlung der Hausgenossen, der Weiber, der Kinder, oder auch des Virhes. Wie ein solches Beih)iel, wenn der Hausherr es auch nur zuweilen sei- sren Untergebenen giebt, "alle Zucht und Ordnung im Hause zerstören muß, wie er dadurch gleichsam Kindern und Dienst- boten ein Recht giebt, nun auch anszuschweifen, so gut sie können, sehe! ihr selbst. Wehe dem Weibe, die ihren Mann einmal betrunken sahe, und dreimal wehe den armen Kin- dern, den verlaßnen Dienstboten, die ihren Vater, ihren Hausherrn einmal zum Spott und Gelächter geworden er- blickten! Wie ferner die l.1nzucht und Unkeuschheit durch das Branntweintrinken befördert werde, muß euch auf den ersten Blick klar werden. Während jenes süße Gift die Vernunft betäubt, regt es zugleich die fleischlichen Begierden mächtig auf. Wenn aber zu gleicher Zeit der Lenker des Wagens einschläft, und die unbändigen Pferde durchgehen, wer will da den Wagen lenken, und das äußerste Verderben verhüten! « Doch, ihr werdet vielleicht einwenden, alle diese schrecklichen

Folgen hat der Branntwein erst dann, wenn er im Uebermaaß getrunken wird, wenn der Mensch ein Trinfer, der Trlåi»kerhaPer :infS6x11ferbisF; «tvenn der Mensch dagegen sich tna ig ate, o ein en iee zFolgen nicht statt. »Hierauf erwiedere ich, daß freilich der mäßige Antheil Z Einem) 1Zål;el nxchF»so verderblåch ist, als das Ue(-ermaß. o ) ge e I not) )iergegen zu edenken: 1) Der mäßige Genuß eines (5Jiftes, welches unter allen Umständen nicht» nützlich, sondern für Gesundheit und Leben uerderblich ist, ist eigentlich immer eine Unordnung, die sich V« IVAcZkhUfk·Mäßige nicht zu Schulden kommen läßt. Oder was windet ihr Von einem Menschen halten, der sich zwar in Acht nähme, sein ganzes Vermögen aus die Straße zu werfen, wohl aber schüttete er mit kindischem Vergnügen täglich einen Groschen an einen Ort, woher er nimmer wieder kommt; oder wenn er sieh zwar hütete, sich die Pulsadcrn aufzuschneiden, und sich todt zu blnten, wohl aber öffnete er sich, um ei- nen lächerlichen Kitzcl zu fühlen, öfter eine kleinere Ader, und ließe das Blut in den Sand laufen? So ist der mäßige T!-inker, der kaltdlüiig noch das Glas in die Hand nimmt, nach?å;nber einmalberkannt hat, daß ihm dasselbe nur a en, nie a er nlitzen kann! 2) Der mäßige Trinker mag für den Augenblick seinem Vermögen, seiner Gesundheit, der Zucht und Ordnung seines -Hauses noch weniger schaden, als der Trunkenbold. Jndeß schadet jener der« guten Sache der Mäßigkeik gswissermaßen mehr, als» der eigentliche Säufer. Niemand niimlieh wird W) Alls FlIM1 Säufer berufen, wer seine l1nmäßigkeit beschä- lllYkl1 will; ein solcher ist jedermann verächtlich, und es Eure eine«Schande, sich mit einem solchen zu vergleichen. Jst aber ein eh»rbarer, ordentlich» Mann iIn Dorfe, zumal wenn er sonst in: Ansehen steht, etwa ein Ortsvorsteher, Kir- cheneiltesier», oder gar der Schuhe, der Pasior, der Gutsherr, und er trinkt täglich ein- oder zweimal sein Glas Brannt- wein, so wird sich jedermann zur Beschönigung seines Lasters gut« lh1! cWUfEl1- Mit guter Zuversicht berufe sich die unreife .iUg«’I1V auf solch-«, wenn ste das erstemal in Versuchung kommt, das gefährliche Glas zur Hand zu nehmen; wie, »l«PkIcht« sie, könnte das unrecht sein, was die angesehensten Leute II« Dorfe Auch thun? Auf solche sehen ferner diejeni- LlEsl;··d;K»tltkZ;II im ?5eg1«iffe stehen, von der Mäßigkeit zur Un- ’!IA»31!! VI U ?k3l1g(’)e«- Nod) regt sich vielleicht die innere Grimme, der heilige Geist warnt sie, dem Geiste des unreinen

nicht Raum zu geben — aber es scheint ihnen« ein verkehrter Gedanke zu sein, den sie lachend in den Wind schlagen, indem sie sprechen: »Es trinken ja auch so ehrbare Leute, wie der und jeuer!« Hierauf berufen sich endlich auch frech genug die cUlHgc1llüchkcll Säufer; was ist, sprechen sie, für ein Un- terschied zwischen uns und jenen, als daß wir uns ein Ver- gnügen etwas öfter machen, was auch jene sich erlauben! --— Jhr sehet, lieben Leute, ich will die völlige Richtigkeit dieser Art zu urtheilen nicht behaupten. Aber so viel ist gewiß, daß die mäßigen Trinker dadurch, daß sie mit nüehternem Muthe ein ausgemachtes Gift genießen, das ihnen niemals nützen, überall und immer nur schaden kann, dennoch eine große Schuld auf sich laden, indem sich andere ihres Bei- spiels immer zur Beschiinigung ihres« l?asters bedienen können. Mi5gen diejenigen unter euch zu entschuldigen sein, welche Eise her mäßige Triuker waren, indem ihr aus Unwissenheit sun- digtet. Aber indem ihr erkannt habt, daß der Branntwein euch nie nützen, sondern nur schaden kann, hört jene Entschul- digung auf, und ihr ladet eine große Verantwortung auf euch, wenn ihr andere durch euer Beispiel in ihren Süuden bestärkt. Ihr würdet hiermit nämlich gerade so gegen die Seele jener unglücklichen Knechte des Lasters sündigcu, wie jener Grau- same, der mit kluger Berechnung kleine Stück-chen Gift ver- schluckte, nieinend, daß er so viel wohl ohne Schaden Vertra- gen könne, während ein Haufe gieriger Kinder oder unsinni- ger Menschen ihm auf die Finger sahen, um durch fein Bei- spiel ermuntert, sich nun völlig zu vergiften. , Z) Endlich ist aber auch noch dieß zu bemerken, daß kein mäßiger ,Branntweintrinker sicher ist, ob er nicht bald zu der Klasse der nnmäßigen Trinker gehören werde. Aus dem Vorigen geht schon hervor, daß der Genuß des Branntrveins im Allgemeinen nothwendig dazu hintreibt, allmälig immer etwas mehr zu trinken. Wer den Branntwein auch gar nicht zum Vergnügen trinkt, sondern sich dadurch zu ermuntern und zu stärken meint, muß nothwendig, wenn er eine Zeitlang 8Tage an einem Quart genug hätte, in 7 Tagen eins verzehren, worauf er in einigen Monaten oker Jahren wieder etwas mehr bedarf, wenn der Branntwein feinen geschwächten Körper noch aufregen soll. Doch dicß beweist ja auch schon die al1tciglirhe Erfahrung. Zwar möget ihr noch etwa einwenden, daß sich doch hier und da ein festcr Mann finde, der seinem Grund- faSe treu bleibe, täglich nicht mehr zu trinken, als etwa ein Glas. Hingegen gebt ihr aber zu, daß gegen einen solchen

Mann zehn anderekommcn, die einem solchen Gl’UllVs·t1T·3c nicht -treu bleiben konnten. Wer aber bürgt nun euch dafür, daß ihr euch in die Gefahr begeben dürstet, ohne darin umznkom- tneu, nach dein so viele Tausend darin umgekommen sind? Und gesetzt, ihr hättet so viel Kraft, eurem Gent-dsatze treu zu bleiben, würdet ihr dann nicht auch die Kraft haben, durch euer Beispiel zu zeigen, daß man ohne Branntwein gesund und glücklich leben kann? Würde es nicht sogar eure Men- schen- und Christenpflir-ht sein, ein solches Beispiel zum Besten andrer zu geben? — — Um nun zuletzt noch einmal eure eigene Erfahrung über die verderblichen Folgen für die zeitliche Wohlfarht und die Gesundheit der Seele reden zu lassen, so sagte mir doch, t«oie groß mag die Zahl der Säufer in eurer Gemeine sein? (D;e Bauern sehen den Pfarrer und sioh selbst unter einander erschrocken an. Hierauf reden sie leise unter einan- der. Endlich nimmt einer unter ihnen das Wort und spricht:) Ei nun, 2 oder Z find es doch wohl unter uns, die nicht viel darnach fragen, ob sie trunken oder nlichtern sind. Und wenigstens eben so viele sind, die sich gern einmal einen Rausch trinken, dieß auch wohl gern öfter thäten, wenn das Geld nur zureichen wollte. Ein andrer: Nun, lieber Nachbar, lVcllc1«s aufs Gern- thun ankommt, so isi die Zahl wohl Viel größer, namentlich bei der Jugend. Wir könnten aber auch noch erleben, daß wir mehr unmäßige Trinker im Dorfe hätten, als müßige- Dann wird auch nach dem Geldhaben nicht gefragt, es wird so lange versetzt und verkauft, als noch etwas hierzu da ist. An solchen Dörfern fehlt es ja schon nicht, in denen eine Menge von Gütern verschuldet ist, weil die Zahl der Säufer alle Jahr größer wird. Fr.: Nun wohl, so wollen wir annehmen, daß im gan- zen ihrer Z im Dorfe sind, die den Trunk lieben, die bereits Trunkenbolde find, oder nahe daran, es zu werden. Nehmen wir dieß Verhältniß durchschnittlich für das ganze Land an (Psarrer: in vielen Stüdten kann man leider die doppelte Zahl annehmen), so giebt dieß auf 1000 Seelen 20 Säufer, auf eine Million 20,0()0 Säufer, und auf eine Bevölkerung von 15 Millionen, die euer Land beinahe zählen mag, nicht weniger als 300,000 Säufer! (Alle fahren nochmals er- schrockcn zusamnien.) Usid für welchen haltet ihr den Weg dieser 1lnglijckseligen, für den schmalen Weg, von welchem der Herr spricht, ,,daß er zum Leben führet,« oder für den brei-

ten, »der zur Verdammniß abführet, darauf viele wandeln?« (Matsh. 7, 13.»14.) Nechnet die Schrift nicht , Fressen und Sausen geradehin zu den Werken des Fleisches, von denen der Herr spricht: »Die solches thun, werden das Reich Gottes nicht ererben!« (Gal·5,19—2l). — — Sagt uns das Wort Gottes nicht geradezu: »Die Trunkenbolde — wie die .Hurer, Göt3endiener, Ehebrec1)er, Diebe, Räuber — werden dasNeich Gottes nicht ererben,« und ermahnt uns, darum uns nicht versühren zu lassen, weil so viele die- sen Weg der Verdammniß wandeln! («i. Cor. 6, 9. 10.) Wie schrecklich also ist der Fortgang und Ausgang des sünd- lichen Genusses eines süßen Gistesi Anfangs dünkt der Ge- nuß uns unschädlich und unschuldig, aber leicht wird er zum schreckliehen Laster, welches Vermögen, Gesundheit, das zeitliche Lebensglück zu Grunde richtet, und endlich gar die Hoffnung der Seligkeit zu Schauder! macht. Hat irgendwo der Satan freies, leichtes Spiel, die Seele zu verderben bis in die Hölle, so ist es beim Genuß des Branntweins. Frager jene 300,(J0() Säufer, ob sie einen so schrecklichen Ausgang erwartet haben. Gewiß, die Mehrzahl unter ihnen wird (wenn ihre Augen nicht so erblindet sind, das Verderben zu sehen, das sie schon ergrisseu hat, das in der Ewigkeit noch aus sie wartet) euch mit Thriinen gestehen, das sie einst mäßige Trinker waren, wie vielleicht die tueisien Von euch sind; daß sie unversehens · « « Ab d des Verderbnis und Schritt sur Schritt zu dem grüne hinabgesunken sind, aus dem ihnen kaum noch eine Rückkehr möglich scheint. Inzwischen sterben nun unter jenen Säusern, wolltest wir auch für jeden noch «10 Lebensjahre annehmen, jährlich dreißig tausend, ja an jedem Tage 100 auf dem Wege der Verdainmniß hin, um alsdann vor Gottes Richter· stuhl zu erscheinen, und als solche verworfen zu werden, die Leib und Seele eutheiliget und zum Dienst der Sünde und des Fleisches entwürdigrt haben! Wenn Jesus Christus, der Heiland und König der Christenheit, spricht: »Ihr seid das Licht der Welt; also lasset euer Licht leuchten vor den Leuten, aus daß sie eure guten Werke sehen, und euren Vater im Himmel preisen!« so heißt dieß gewiß nicht, von einem Ge- triink genießen, das überall und immer leid- und feelenver- derdlich ist. und wenn er spricht: »Ihr seid das Salz der Erde; -wo nun das Salz dumm wird, womit soll man sal- zen? Es ist zu nichts hinfort nütze, denn daß man es hinausschütte, und lasse es die Leute zertretenl« – o lieben Freunde, über wie viele Christen, über wie

viele mäßige und unmäßige Trinter ist durch dieses eine Wort das Urtheil der Verdam1nniß gesprochen, und wie kann man dasselbe hören, ohne den festen Entschluß zu saß sen, alsbald von diesem breiten Wege der Verdammniß abzutreten!

Und sehen wir endlich nochmals ab von dem Verderben, welches die Trinker sich selbst in dieser und in jener Welt bereiten, um die Folgen zu betrachten, tvelche das Brannt- weintrinken überhaupt für die guten Sitten hat: so ist nichts leichter, als sich zu überzeugen, daß das Laster aus keiner Quelle so reichlich fließt, als ans dem Branntweinsglase. Ja es ist leider kein Zweifel, daß durch den Branntwein allein mehr Verbrechen und Laster entspringen, als auf allen andern Wegen zusammengenommen. Durch die mühsamsten und nmsländlichsten Berechnungen, die in England und Nord- Amerika angestellt wurden, entsprangen vier Fünftel aller Verbrechen und darüber aus dem Branntwein. Von 95,000 Prozessen, die in England anhcingig gemacht wurden, hatten über 70,000 in der Liebe zum Trunke ihren Grund. Eben so finden sich überall in den Akll1flli)iillskl·ll, Toll- und Ir- renhliusern Und GefängnisTen jeder Art größtentheils solche, die dem Trunke mehr oder weniger ergeben waren. Aber wie verderblich muß auch in eurem Lande das Beispiel VDI1 300«000 Säufer» aus die Sitten des Landes, namentlich auf die Jugend wirken. Wenn auf etwa zehn Männer ein Trinker oder gar ein Trunkenbold zu rechnen ist, auf zwanzig Familien eine bis zwei unglückliche Ehen, eben so viele schlechte Wirthschaften, wie ungeheuer müssen die Folgen eines solchen Beispiels sein! Auf diese Art er- wächst beinahe der zehnte Theil der armen Jugend unter den Augen trunkener Eltern, welch’ eine schreckliche Kinderzucht muß dieß geben! Und nun laßt diesE noch ein Geschlecht so fortgehen, laßt die Sünden von hunderttausend Vätern auf die Kinder sorterbcn, laßt auch Hunderttausende von Kin- dern, deren Väker noch mäßige Trinler waren, von der Macht einer so allgemeinen Sünde ergriffen werden und mit jener in Müßiggang, Verarmung, Schulden und Verbrechen gerathen: welches soll dann das Schicksal der Kinder eurer Kleider sein« Jetzt mögen eure Kinder nur noch mit Mühe euren Ermahnungen Gehör geben, da ihre Väter noch gro- ßentheils mäßige Trinker sind, da sie gegen einen Säufer noch eine ganze Anzahl Mäßiger"sehen. Aber wecsn die Kin- der eurer Kinder gegen einen Nüchternen mehrere Trnnkknr

zählen werden, wenn die Mäßigkeit eine Seltenheit wirdsge- worden sein, wenn schon Säuglinge das Glas in den Hän- den ihrer got1losen Mütter sehen werden und das ganze Land vom Verderben trunken sein wird: welche Zukunft wird dann für eure Kinder zu hoffen sein?? · » Hier hielt der Fremde nochmals eine Zeitlang inne. Niemand unter den Versammelten wagte auch nur ein Wort zu reden. Bleich und von Entsetzen ergriffen saßen sie da. Greise rangen die Hände in bitterem Gram, Männer und Jünglinge weinten wie die Kinder. Alle waren fest über- zeugt, nur eine schnelle Hülfe, nur ein ungewöhnlicher Ent- schluß könnc unter dem gnädigen Beisiande Gottes noch ei- nen Zustand abwenden, der in manchen Häusern mit all sei- nem Jammer schon vorhanden war, in viele aber doch schon einzukehren drohte. « « Dann gab der Fremde dem Pfarrer freundlich die Hand und sprach: Nicht wahr, Herr Pastor, ihre liebe Gemeinde kennt den Weg des Heils und den Weg des Verderbnis! So weiß sie auch, daß Gott nicht gefallen hat am Tode des Sünders, sondern daß derselbe sich bekehre und lebe! Irre ich nicht, so sind diese alle entschlossen, diesen Weg der Sünde zu verlasscn, und den Branntwein hinfort als einen feurigen Pfeil des Satans zu fliehen! Pfarrer: Gewiß, ihr Urtheil trügt sie nicht. Der Herr, unser Gott, wird unserm Vaterlande und dieser Ge- meinde Gnade geben, die Entschlüsse auszuführen, welche sic und andere glei-:hgesinnte Männer unter uns erwecken! Ha- ben sie nur die Güte das gute Werk fortzusetzen, welches sie seit gestern in dieser Gemeinde angefangen haben. Zeiger! sie uns noch, auf welchem Wege die furchtbare Macht der bis-« sen Gewohnheit zu brechen ist, und wie wir von dem Fluche des Branntweins zu erlösen sind, ohne den unsre Väter noch vor 50 Jahren so glücklich leben konnten: und an be- reitwilligen Herzen, ihre Rathschlüge anzunehmen, wird es nicht fehlen! —- Hierauf erhoben sich alle Versammeln, wie ein Mann, und baten den Fremden, noch länger zu bleiben, und ihnen zu zeigen, was zu thun sei, um jenen drohenden Gefahren zu- entgehen. Gern ward diese Bitte gewährt. Der Pfarrer und der Fremde entließen die Versammlung mit herzlichem Gruße und der Vermahnung, über das Gehör» inzwischen weiter nach-

zudenken, und sich am folgenden Tage zu ernster und from- mer Fortsetzung der 525crathung wieder sit versammeln. I I I Am folgenden Tage vermogte das Pfarrhaus kaum die Menge hörbegierigcr Menschen zu fassen, tvelkhe zusammenka- men, um den Weg kennen zu lernen, auf dein sie von einer so verderblichen Gewohnheit befreit werden könnten. Auch aus den nächsten St(idten sogar war eine ziemliche A-naht herbeigekotnmen. Dies veranlaßte den Fremden, den Ver- fatnnIelten noch einmal in der Kurze alles zu wiederholen, wobei ihn nun der Pfarrer vielfach untersüitzte, indem der- seibe ans vielen Erfahrungen, die jedermann seit Jahren in der lltngegend hatte sammeln können, bewies, wie der Fremde in allen .Hauptpunkten vollkommen Recht habe. So waren auch die zum ersten Male Gekotnmenen bald überzeugt, wie der Branntwein der gefährlichste Feind ihres Wohlstandes, ihrer Gesundheit und Seligkeit sei, wie man diesen Feind nur aus dem Lande oder wenigstens aus seinem Hause vertrieben haben dürfe, um damit für sein zeitlirhes und ewiges Wohlergehen um vieles besser gesorgt u haben. . Z Namentlich war den .Ij)andwerkern und den übrigen Stadtleuien ganz klar, wie sie fast fämmtlich sich in einem glücklichen Wohlslande befinden müßten, wenn sie seit etwa 20 Jahren das Geld gesammelt, oder auf eine zweckmäßige Weise angelegt haben winden, welches sie für ein so schädli- ches Getränk weggeworfen hatten. Sehr wenige unter ihnen waren, die ihren täglichen Verbrauch an Branntwein, Likär und Naiv mit einem guten Groschen bestreiten konnten, die meisten versicherten, wenigstens das Doppelte zu gebrauchen; ungerechnet, daß bei besonderm Gelegenheiten, die in der Stadt so häufig kommen, oft das Vierfache an einem Tage gebraucht würde. Sie berechneten, daß aber täglich ein Groschen jährlich 15 Thlr. betrage, welches in 30 Jahren ein weggeworfenes Kapital von 450 Thlrn. mit bloß einfa- chen Zinsen von 337-; Thlrn. macht, im ganzen also einen Berti-1st von 787; Thlrn. Mancher alte arme Schuster und Schneider erkannte mit Schrecken, wie er also jeht eine Summe von fast tausend Thalern für sein sehn-aches Alter erspart, oder es zum Besten seiner Kinder verwendet habest könnte, ohne dabei das Geringste entbehrt zu haben, als den Genuß eines ganz unnützen, ja leih- und seelenverderblichen

Getrankes Die Wohlhabenderen schätzten ihren Verlust mehr als zweimal so hoch. Alle aber freuten sich zugleich, für Kinder, Gesinde und Lehrlinge von dieser Belehrung den tresslichsien Gebrauch machen zu können« Sie hoffte-i auch jetzt noch« bedeutende Ersparungen machen zu können, selbst wen« sie die Hälfte des bisher für Branntwein weggeworfe- nen Geldes für gesunde, nahrhafte Speisen und Getränke verwendeten, oder einen Theil zur Verbesserung der häusli- chen Einrichtung und zu wohlthätigen Zwecken bestimmten. Einen vorzüglichen Vortheil versprochen sich noch alle davon, wenn ne ihre Dienstboten, Lehrlinge und Gesellen bewegen würden, dein Branntwein zu entsagen; denn es war klar, daß diese dadurch nicht allein für sich bald recht bedeutende Summen ersparen würden, sondern auch als ordentliche, flei- ßige Arbeiter gute Arbeit liefern und so den Vortheil ihrer Vorgesetzten und Herrschaften befördern müßten. Mancher: alte Bürger und Handwerker dachte hierbei mit Thränen der W«-hmuth an die bessere Zeit, wo das Sausen als entehren- des Laster betrachtet wurde, und wo sich jeder tüchtige Ge- sell, selbst bei festlichen Gelegenheiten, mit einem guten Glase Bier begnügte. So waren denn endlich alle einverstanden, daß es nur Gründe gegen den ferneren Genuß des Branntweins gebe, keinen aber für denselben. Selbst der Krüger und einige Kaufleute erkannten, daß ihr Handel mit Branntwein ihnen nicht einmal so viel äußeren Vortheil gewähren könne, als sie zu hoffen hätten, wenn sie mit frommer christlicher Ge- sinnung mit ihren.Angehörigen aufhörten, Branntwein zu trinken, und das so Ersparte zweckmäßig verwalteten. Dach- ten sie aber vollends daran, daß sie durch den Handel mit einem so gefährlichen Gifte das zeitiiche und ewige Verder- ben so vieler Menschen befördern würden, so schien ihnen der von diesem».Handel zu erwartende Gewinn mit mehr als Mensthenblut ekkauft zu sein. Sie waren also bereit, sich auf jede andere Weise redlich zu nähren, den Segen Gottes mit Gebet und Arbeit zu suchen, aber nicht länger ihr Glück auf das Verderben ihrer Mitmenschen zu bauen. « « . Hierauf nahm der Fremde wieder das Wort und iprsch- « - Ihr seid also überzeugt, meine lieben Freunde, daß der Branntwein unter allen Umständen für Vermögen, Gesund- heit des Leibes und der Seele verderbllch ist. Es bleibt mir nur noch zu zeigen, wie dieses Getränk eben so entbehrich,

als verderblich ist, und auf WcIchcll1 Wege man sich von diesem gefährlichen Genusse völlig frei machen kann. ,,Der Branntwein ist völlig entbehrlich« Dieß folgt genau genommen schon aus dem Vorigen Von felbst. Oder sollte der Genuß eines schleichenden Gistes, das den Körper unter keinen Umständen nährt, ihm überall nur schadet, nicht aber nützt, nicht völllg entbehrlich sein? B: Aber erlauben Sie nur, lieber Herr, wir haben uns nun doch einmal an dieses Uebel gewöhnt. Fr.: Wohl, lieber Freund! Bald wollte ich auch auf diesen Punkt kommen. Aber ihr se-het gewiß ein, daß man vor 100 Jahren einen Menschen würde ausgelacht haben, der erst hätte zeigen wollen. daß der Branntwein überflüssig und entbehrlich für den Genuß sei. Da würde jeder gesagt haben: Ei das versieht sich ja von selbst, daß Branntwein so gut entbehr- lich ist, als Sohierlingssast und Arsenik; und welchem vernünf- tigen Menschen fällt es denn auch schon ein, so etwas zu trinken? Hiermit sind wir aber schon auf den zweiten Beweis gekommen. Der Branntwein ist unnütz und entbehrlich; nicht allein darum, weil er nicht nützt sondern schadet, son- dern weil eure Vorfahren vor und nach der Geburt unsres Erlösers lebten und gllicklich waren, ohne auch nur an den Branntwein zu denken. Warum sollten wir nun nicht ent- behren können, was ihnen so lange entbehrlich, ja völlig un- bekannt tvar? Drittens aber ist derselbe auch entbehrlich, weil es schon Millionen von Menschen bewiesen haben, daß es nur auf den bloßen Entschluß, auf den festen Willen au- kam, nicht mehr Branntwein zu trinken, und sie befanden sich alsbald wieder so wohl und glücklich, als ehemals, ehe sie jenes schädliche Gift kennen lernten. Nur diejenigen, welche bereits die Kräfte ihres Körpers und der Seele völlig zerstört hatten, konnten nicht immer das verlorne Gut der Gesundheit wieder gewinnen; doch befanden stch diese immer besser, wenn sie zu trinken aufhörten, als zuvor. Vernehmet nur, daß auch ich noch vor wenigen Jahren täglich einige Gläser starken Branntwein genoß, ehe in mei- nem Vaterlande die Mäßigkeitsgesellschaften gegründet wurden. Dieß geschah im Jahre 1s26, und seit der Zeit hat der sechste Theil der ganzen Bevölkerung von Nordame- rika dem Genuß des BraInnweins völlig entsagt. Millionen Von ehemaligen mäßigen und unmäßigen Trinkers« Tausende von ausgemachten Säufern, die schon im Abgrunde des Verderbens

lagen, leben "etzk geii1nd, froh und glücklich, und seg- nen den Tag, wo sie den Entsch1uß faßtcn, sich von der schicnpsiichen Herrschaft einer Gewohnheit frei zu machen, die sie nur zn lange betrogen hatte. Seit der Zeit haben bei uns 40s)0 Bremrereien ihr Geschäft gänzlich, über 800() Kausieute den Handel mit Branntwein völlig aufgegeben, um ihr Brot auf einem edleren Wege zu erwerben. Seit der Zeit haben sich alle wohlgestnnten Männer bei uns für die g(inzliche Berbannung des Branntweins erklärt, in vielen Städten, ja in ganzen Gegenden ist bereits kein Tropfen mehr zu finden, und jedermann ist froh, den gefähr- lichen Feind, den man so lange als Freund ansahe, weit entfernt zu wissen. Bei dem stehenden Heere ist der Brannt- wein geset3lich ausgeschlossen- derselbe darf weder in das La- ger, noch in die Garnisonstädte gebracht werden, keine Mar- ketender dürfen ihn führen. Tausende von Schissen machen die deschtver1ichsten Reisen, die meisten Landstraßen, Eisen- bahnen, Eaniile, woran Tausende von Menschen arbeiten, wurden seit I- Jahren gebaut, ohne daß ein Tropfen Brannt- wein angewandt wurde. Bei dem Bau des Irrenhauses in Massachusetts wuchert über elf mal hunderttausend Ziegel- steine gelegt, ohne daß während dieser Zeit ein Arbeiter krank wurde, aber es war bei dem ganzen Bau nicht ein Tropfen Branntwein getrunken. B« Wahrscheinlich ist bei ihnen das Klima besser, als hier. Bei der Kälte unsrer Winter und der Hitze unsrer Sommer, wo oft die Nacht über die Luft nicht einmal kühl wird, sollte so etwas doch wohl nicht ohne Branntwein gehen können. Fr.: O nein, im (8egcntheil ist der Branntwein an vielen Orten unter weit schtverern UMstiinden nicht im Ge- brauch. Als z. B. der General Mac-Gregor mit einer Division Soldaten von Indien nach Acgypten ging, um ge- gen Napoleon zu kämpfen, verrichteten die Soldaten unter dem heißesten .Himme1sstriche die schwersten Arbeiten; sie hat- ten sich aber nie besser befunden, als damals, wo sie gar keinen Branntwein bekamen. Ein andrer vornehmer engli- scher Beamter machte während einer Reihe von Jahren die größesten Reisen in den heißesten Ländern von Asien, Afrika und Europa. Er lebte S Jahre in Indien und legte zusam- men 30,000 Meilen zurück. Auf allen diesen Neffen war das Wasser sein einziges Getrünk. Ost hatte er in wenigen Wochen viele 100 Meilen zu Wasser und zu Lande zu durch- eilen, die beschwerlichsien Geschäfte zu verrichten, aber niemals

fühlte er das Bedürfniß, sich durch starke Getränke zu ermun- kern. Auch fand er die kriistigsten Menschen da, wo man anstatt solcher Getränke sich nur des Wassers und der Milch bediente. Was aber die kalten Gegenden betrifft, so segelten Hirs- lich 168 Schiffe ans New-Bedford auf den Wallsischfang aus, ohne daß ein Tropfen Branntwein mitgenommen wurde. Die Matrosen haben hier dir härtesten Arbeiten in der Welt in der bittersten Kälte des Eismeers zu thun, aber ihre Ar- beiten gehen viel glücklicher von Starken, als auf den Schif- fen, wo Branntwein getrunken wird. lleberhaupt vertraut bei uns kein Kaufmann mehr seine Waaren einem Schiffe an, auf welchem noch Branntwein getrunken wird, so lange noch andere im Hafen zu finden sind. So viel sicherer und besser wird alles besorgt, wo der Branntwein sein verderbli- ches Spiel nicht mehr treiben kann! Kurz und gut, so sonderbar es euch hier vorkommt, daß man sollte ganz ohne Branntwein leben können, eben so sonderbar würde es jetzt bei uns sein, wenn sich jemand noch einbilden wollte, daß der Branntwein nicht unter allen Umständen unnütz und ent- behrlich sei. Und doch wurde bei uns vor 10 Jahren eben so stark getrunken, wie bei euch, und es schien damals auch lächerlich, als die ersten Freunde der Mäßigkeit den Brannt- wein für eben so überflüssig als schädlich erklärten. B.: Nun, wo von Millionen Menschen mit der That bewiesen wird, daß sie ohne Branntwein leben können, wo Matrosen, Soldaten und Arbeiter in Hitze und Kälte zu Tau- senden sich gesünder und froher fühlen, seit sie keinen Brannt- wein mehr trinken, da kann freilich kein Zweifel sein, daß auch wir noch heute aufhören könnten, Branntwein zu trin- ken, ohne dadurch an Gesundheit und Kraft zu verlieren. Aber sagen sie uns nur, was sollten wir nun wohl anfan- gen, was follten wir mit Kindern und Gesinde bei unsrer schwe- re11 Arbeit trinken, wenn wir dem Branntwein gänzlich entsagten? Fr.: Die Frage scheint mir dadurch beinahe beantwor- tet zu sein, wenn ihr euch von euren Vätern sagen laßt, was sie denn vor 40 bis 50 Jahren getrunken haben und ihren Taglöhnern und Gesinde gaben, ehe sie Branntwein tranken. Irre ich nicht, so hat sich damals jedermann mit einem Glase Bier begnügt und ist dabei gesund und froh gewesen. Was hindert euch denn, ein Gleiches zu thun, und zu jener alten guten Ordnung zurück zu kehren? Zu Hause aber haben sich eure Väter mit ihren Dienstleuten ohne Zweifel mit einem Glase Wasser oder Eg?ilch begnügt.

Dies? ist nun auch gewiß das gesundesie und naht-hafk«ste Ge- triink. Ihr werdet an meiner Aussage um so weniger zwei- feln, wenn ich euch erinnere, daß auch in eurem Vaterlande seit einigen Jahren von sehr vielen Vornehmen fast nichts als Wasser getrunken wird, wobei sich alle recht wohl be- sinden. Eben so findet man bei den wilden Völkern, daß diejenigen unter ihnen die stärksten uisd kräftigsten sind, die sich keines anderen Gctränkes, als des Wassers und der Milch bedienen. Ersparet ihr indes? die bedeutenden Ausga- ben für Branntwein, und verwendet einen Theil davon auf Obst- und Weinbau, so könnet ihr, ehe viele Jahre vergehen, euch selbst einen erquickenden Most für sestliche Gelegenheiten und zur Stärkung bei euren Arbeiters bereiten. Entschlösse sich nun eure Gemeinde, die Hand an’s Werk zu legen; wollte eine jede Familie nur etwa den sechsten Theil der Ansgabe für- Branntwein in eine besondere Kasse legen, so könnte: ihr euch dafür einige Jahre lang den geschicktesten Gärtner halten, der alle eure Gärten und kahlen Gemeinde- plätze mit Obst und Wein bebaute, von dem ihr mit euren Kindern oornäimlich die Obsizucht lerntet. So würdet ihr binnen wenigen Jahren mit dem schönsten frischen O!-st ver- sorgt sein, und es könnte euch dieß noch Gelegenheit zu mehrfachem Gewinn geben. Ueberhaupt würdet ihr durch jene bedeutende Ersparung bald euren ganzen Hausstand ver- bessern, würdet bei besserer, ordentlicherer Wirthschaft dahin kommen, kräftigere Nahrungsmittel zu genießen, und euch für den Genuß jenes elenden Getränkes reichlich entschädigen zu können· B« Wir würden also mit der Zeit selbst am Sonntage ein Glas Wein trinken können, den wir uns entweder für baares Geld verschassen, oder den wir selbst von unsern Meinstöcken preßten; oder würden wenigstens unsern eignen Most von Aepseln und Birnen trinken können. Fr.: Daß dieß für sehr viele Gemeinden eures Landes leicht möglich ist, kann ich keinen Augenblick bezweifeln. Jn- deß sei dieß nur gesagt, damit ihr die Sache getrost und fWk)kg 0t1f«1lsgek- Daß ihr große Summen ersparen, durch einen Theil der Ersparnisse alle eure Lebensumstände bedeu- tend verbessern könnet, und also auch in Hinsicht der leibli- chS« Nahrung nicht verlieren, sondern sehr gewinnen werdet, dies, sehet ihr, unterliegt nicht dein geringsten Zweifel. In: übrigen aber würdet ihr für eure Gesundheit, ja für Leib und Seele il1ll11l’l· am besten sorgen, wenn ihr in .Hinsicht DE! S»rci»ke euch mi5glichst auf Wasser und Milch beschränket.

Ein leichtes, nahrhaftes Bier, seicht über den Durst ge- trunken, oder einen leichten Most von Obst gekeltert, dürfet ihr euch zwar bei schwerer Arbeit, bei festlichen Gelegenhei- ten, bei der Schwäche des Alters, oder in ähnlichen Schwach- heitsfüllen, nicht versagen; ja selbst zur täglichen Erquickung könnte ein sehr mäßiger Genuß nicht schaden. Nur würde hier- bei gleichfalls große Vorsicht nöthig sein, wenn nicht ein an- dres Uebel an die Stelle des kaum verbannten gesetzt wer- den, und der kaum aus den: Lande geschlagene Feind nicht von einer andern Seite in verändert« Montur wiederkom- men sollte· Wenn die Schrift sagt: ,,die Schlemmer und Säufer verarmen,« so gilt diesi gewiß eben so gut von den Bierzrchern und Weinsäufern, als von den Branntweintrin- kern. Die amerikanischen Mäßigkeitsgesellschaften haben da- her sogar den Grundsatz, gar keine berauschenden Getränke zu trinken, auch auf Wein und berauschende Biere ange- wandt. Ue-theilt ihr, daß sie hierin zu weit gegangen sind, so ist doch klar, daß einer, der Von Bier oder Wein taumelt, um nichts besser ist, als ein Brauntweinsäufer; daß es eben so sci)i1nps·lich und sündlich ist, seine Zeit, seine Gesundheit, sein Vermögen und seinen guten Namen in Wein und Bier zu bei-wüsten, als in Branntwein. Dies? gilt indeß nur für eure reichen Mitbürger in den Städten (obwohl auch diese oft die letzte Münze und den lehren Nest von gutem Namen mit dem Wein Verschlucken), und für diejenigen Gegenden, in welchen starke, berauschende Biere nicht sowohl zur Erwärmung des Magens zuweilen getrunken, sondern liederlich und unmäßig gezecht werden. Doch das Genauere wird euch, wenn ihr die Sache als verständige Männer und fromme Christen anfangt, die Zeit.bald lehren. Gebt nur inzwischen dem Branntwein den Abschied, trinket für gewöhnlich (d. h. zur Löschung des Dur- stes, denn dazu trinkt der vernünftige Mensch nur, so wie er nur ißt, wenn der Hunger sich meidet) euer frisches Was- ser, eure nährende Milch, und in besonderen Fällen ein leich- tes gesunder? Bier, so wird sich alles andre finden. Ersparet also jährlich das eine Tausend Thaler für Fälle der Noth, legt Sparkassen an, leitet euer Gesinde, eure erwachsenen Kinder gleichsalls an, einen Theil des sonst für Branntwein weggeworfenen Geldes zu ersparen, um ihre Wirihschast einst ohne drückende Sorgen anfangen zu können und das übrige auf eine srommere, passendere Art zu verwenden. In dieser Art hat sich bei uns namentlich die Jugend mancher Ortschaft

in wenigen Jahren ein Capital von mehreren hundert Thalern zurückgelegt. Ja gleicher Weise verwendet die an- dern 1000 Thaler jährlich auf die Erziehung eurer Kinder, zur Verbesserung eurer Wirthschast, zu andern unschädlichen Genüssen der Gaben Gottes. Stellet einen tüchtigen Deko- nomen, einen geschickten Gärtner aus einige Jahre mit eini- gen 100 Thlrn. an, erlernet die höhere Wirthschastskunst, und die eine Hälfte des so Verwandten Capitals wird euch auf einem andern Wege reichtich wiederkehren. Fangt ihr dies im Namen Gottes und eures Heilandes, mit herrlicher Neue über eure bisherige sündliche The-rheit an; sucht ihr dabei, wie die Rettung eures»Vernrögens, eurer Familie, eurer Gesundheit, so die Ehre«Gottes, der euch zu etwas Besserem erschaffen hat; laßt ihr euch dabei die Liebe eures Heilandes leiten, der euch so theuer erkauft hat: sehet, so wird euer Leben so viel schöner sein, als euer jetziger Jam- mer, wie ein schöner Maitag lieblicher ist, als die Tage die- ses Winters. Jesus Christus, euer Heiland, ermahnt euch, meine lieben Brüder: »Seid nüchtern, machet, euer Wider- sacher, der Teufel, gehet um wie ein brüllender Löwe, und suchet, welchen er verschlinge (1. Petri Z, 8.).« Nun wisset ihr, wie viele er bereits auf diesem breiten Wege der Trun- kenheit verschlungen hat, auch euch ist er mit seiner berau- srhenden Macht schon nahe genug gekommen — wehe, wenn ihr den Ruf des Herrn nicht hören, mit eurer Entschließung warten wolltet, bis eure und eurer Kinder Rettung nicht mehr möglich wäre! — — — Mit diesen Worten machte der Fremde noch einmal eine längere Pause, unt zu erfahren, wie weit ihm jeder- mann gefolgt sei, und welche Zweifel und Bedenken noch etwa statt fänden. Es fand sich indcß, daß fast alle in allen Haupt- punkten überzeugt und mit dem Fremden einverstanden waren. Nur konnten einige sich noch nicht recht überzeugen, daß man ein so lange geivohntes Uebel ohne Schaden der (5efundheit sollte lassen können, besonders von starken Trin- kers! und eigentlichen Säufern schien ihnen dieß unmöglich zu sein. Sie meinten, die Wirkung müsse hier dieselbe sein, wie wenn man plötzlich einen tödtlichen Pfeil aus einer al- ten Wunde reiße; da trete der Tod um so schneller ein. Jndeß kam ihnen hierbei zunächst die Erfahrung einiger An- wesenden zu Hülfe. Sie nannten diesen und jenen von ih- rer Bekanntschaft, die noch vor einigen Jahren starke Trin- ker und Säufer gewesen waren, und das Branntwcintrinken

ganz»ohne allen Schaden aufgegeben hatten, und seit der Zeit immer mehr wieder zu Gesundheit und Kraft gekommen waren. Ja es stand sogar ein anwesender Bürger aus der nächsten Stadt ans und erklärte mit großem Ernst, daß er dafür einstehen könne, daß niemand zum Schaden seiner Ge- sundheit den Genuß des schädlichsten aller Gifte aufgeben werde. Vor einem Jahre sei er zwar auch andrer Meinung gewesen. Dann habe er, nach vielen vergeblichen Versuchen, ein mäßiger Trinker zu werden, sieh Vor Gott fest entschlos- sen, nicht einen Tropfen Branntwein mehr zu trinken. Au- fangs habe es ihm oft wieder leid werden wollen; er habe sich so matt gefühlt, es sei ihm so kläglich zu Muthe gewe- sen, wie einem, der Von einem schweren Krankenlager auf- steht. Doch habe er unter Gottes Beisiande. ausgehauen und gedacht, lieber willst du nun fromm und uüchtern ster- ben, als trunken und gottlos. DaPei habe er siil1 und gott- ergeben seine Arbeit gethan, mäßig und zur gehörigen Zeit gegessen, als Getränk nur Wasser und Milch, zuweilen aber auch ein halbes Glas Bier getrunken, und bald sei er wie- der zu Gesundheit und Kraft und Lebensfreude gckoannec. Hier komme es also nur darauf an, treu und fest zu blei- ben, um nicht in den ersten acht Tagen den Muth zu ver- lieren. Bald werde es sich dann zeigen, daß jene Meinung der letzte Betrug des geschlagenen Feindes sei, der sich en:- weder rächen will, wenn er das so längst bewohnte Haus verlassen soll, oder er will den Besitzer nöthigen, ihm die Thür zur Rückkehr recht bald wieder zu öffnen. Dieses ossene Gestündniß eines Mannes, den nur die Liebe zu einer guten Sache bewegen konnte, die natürliche Scham zu unterdrücken und seine frühere Schwachheit hier vor einer Landgemeinde zu bekennen, machte aus alle den größten Eindruck. Der Fremde durfte jetzt nur noch kurz auf die tausendsachen Erfahrungen, welche gebesserte Säufer seit einigen Jahren in England und Nord-Amerika gemacht hatten, die sich jetzt wieder der Gesundheit und aller Wohl- fahrt ersreuten, hinweisen, um jeden Zweifel in dieser Hin- sicht zu zerstreuen. Vorzüglieheu Eindruck machte es, als er ihnen ein Nundschreiben vorlas, welches 30 Handwerker und gewesene Säufer in England an alle dortigen Trinker richte- ten, nachdem sie jede Art von berauschendeu Getränken zu trinken aufgehört hatten, und dadurch wieder glückliche Men- schen wurden. Dieses Schreiben war von Schuttern, Schnei- dern, Stellmachern, Weber« u· s. w. unterzeichnet, und zeigt,

wie die gänzliche Absagung des Branntweins und aller be- rauschenden Getränke der einzige Weg der Rettung für alle starke Trinker und Säufer sei. Eben so las er ihnen eine Anzahl von—Neden vor, welche zu Preston in England vor einer sehr zahlreichen Ver- sammlung von Freunden und Gegnern.der starken Getränke gehalten worden waren. Diese waren G Abende nach einan- der znsa1nmengekommen, theils um bekannt zu machen, was in der letzten Zeit zur Abschaffung jener Getränke geschehen sei, theils sich zu berathen, was ferner hierzu beigetragen werden könne· Hier waren hunderte der vornehmsten und reichsten Männer des Landes, Minister und Räthe des Kö- nigs, reiche Kaufleute, aber auch hunderte von Arbeitern und Handwerkern versammelt. Eine ganze Reihe von gewesenen Säufern trat nach einander auf, die unter Freudenthränen erzählten, welchem Elende, welcher schimpflichen Knechtschaft sie entronnen waren, welcher glücklichen Umstände sie sich dadurch erfreuten, daß sie dem Genusse des Branntweins und der starken Getränke völlig entsagt hatten. Es waren unter ihnen Männer, die seit vielen Jahren dem Tranke er- geben gewesen, vieljährige Säufer, deren Gesundheit bereits so zerstört gewesen war, daß sie weder essen noch schlafen konnten, und nur von einem Rausche zum andern taumel- ten. Aber alle kamen in den: freudigen Zeugnisse überein, daß nach einiger Zeit der Enthaltung von Branntwein ihnen Gesundheit, Kraft und Lust zur Arbeit wiedergekehrt sei. »Jch bitt in der Welt wohl bekannt,« sagte unter vielen ein Fuhrmann, ,,ich war seit 14 Jahren der treuste Kunde der Schenkwirthe, und eine Plage für meine Frau. Nun aber bin ich so glücklich, wie jemand in diesem Leben seist kann, Und habe in den 13 Monaten, in welchen ich ohne starke Getränke lebte, mehr Freude genossen, als in meinem ganzen früheren Leben. Ich hatte meine Familie grausam gemißhan- delt und meine Kinder nackend gehen lassen. Ich verdiente ««-«ld genug, manche Woche über 30 Thaler, aber wenn ich Dr- Peche das Doppelte verdient und 100 Jahre gearbeitet .(«ir.e, würde es nur nichts geholfen haben. Gott sei Dank, T:-.-is in) den Mäßigkeitsverein kennen lernte, und mich ent-

":"»;, H; F-like starken Getränke mehr zu trinken! Mein Haus,

J;-»:2« -«.««: holte, ist in ein Haus der Freude umgewandelt. s?E«.:xc .».c..t»s: gehen ordentlich gekleidet. Ich selbst habe .:.i»I, its. so -bot,-l befunden, als jetzt; ich bitt heut um Z Uhr Morgens aufgestanden, habe einen weiten Weg zuriickgSlt9k-

und bin darum doch so frisch und munter, wie ein Vogel in der Luft. Als ich unlängst eine Fahre Kohlen bei einem Schenkwirth abgeladen, sagte er zu seiner Frau, sie solle nur ein Glas vom besten Ale (ein starkes Bier) einschenken. Sie that es, und reichte mir das Glas mit den Worten hin: Hier mein Freund, das ist ein Bier, wie ihr es noch nie getrunken! Nein, antwortete ich, Satan soll mich nicht wie- der verlocken! Und nun, meine Herren, sollten sie meinen Haushalt sehen; es sind 13 Monate her, seit wir keine be- rauschende Getränke mehr trinken; aber Gottlob, dies? war von solchem Segen begleitet, daß wir nun mit allem reich- lich versehen sind, was wir brauchen!« Hiermit war denn auch das letzte Bedenken im Grunde schon gehoben, womit denn andere schwächliche Personen sich stärken sollten, und welchen Ersatz sie finden würden, wenn sie keinen Branntwein mehr trinken wollten. Ein eigentlicher Ersatz hierfür konnte schon darum nicht nöthig sein, weil ja der Branntwein weder genährt noch gestärkt, sondern nur immer noch mehr geschwächt hatte. Eine gute Ordnung im Essen und Trinken überhaupt, gehö- riges Maß im Arbeiten und Schlafen, nöthigenfalls eine gute Medicin- jährlich einigemal gebraucht (die immer noch nicht so theuer wird, als der tägliche Genuß des Brannt- weins), vielleicht auch ein Glas dünnes, gutes, nicht berau- schendes Bier, dieß schien jetzt allen der Gesundheit viel zu- träglicher zu sein, als Branntwein oder andere starke Getränke. So konnte es denn auch nicht mehr schwer werden, sich über den Weg zu verständigen, auf welchem man sich von der Herr- schaft eines so verderblichen Getränkes am sichersten befreien könne. Zwar wünschten immer noch Einige, erst den Versuch zu machen, den Branntwein nicht sowohl abzuschaffen, als sich nur im Genuß desselben zu mäßigen, oder sich doch dic- sen Genuß nur nach und nach abzugewöhnen. Der Fremde zeigte indeß, daß man überall mit diesem gefährlichen Feinde nichts ausgerichtet habe, so lange man mit ihm unterhandeln und kapituliren wollte. In einer unbewachten Stunde war gewöhnlich alles wieder verloren, was man ihm vielleicht durch monatelange Mühe abgewonnen hatte; eine frohe Ge- sellschft oder sonst eine dem Feinde günstige Gelegenheit ver- darb alles wieder, und hatte «er erst einmal wieder seine gif- tige Lust eingesiößt, einmal die alte Macht der Sünde wie- der gewonnen, so ward das Letzte ärger als das Erste. So- bald man sich aber einmal entschloß, diesem Feinde völlig und

auf einmal abzusagen,« so war der Sieg leicht und vollstän- dig errungen. Man fand, daß es ungleich leichker, und so? zu sagen ganz ohne Schwierigkeit sei, diesen Feind ganz und auf einmal zu schlagen, als ihm noch- eine Kammer -im Hause und im Herzen zu lassin, von wo er bei nächster Ge- legenheit den schwachen Menschen wieder überfallen kann.- So hatte man sich in Amerika eine Reihe von Jahren ganz vergeblich bemüht, den Genuß des Branntweins bloß zu be- schränken. Als man sich aber vereinigte, mit einem ««F-einde gänzlich zu brechen, der es auf Gut und Blut aller seiner Freunde» abgesehen hat, ging alles leicht von statten,- und in wenigen Jahren genossen Hunderttausende den Segen eines- so heldenmüthigen Entschlusses. Der Fremde schlug daher vor, daß alle diejenigen sich auf der Stelle zur gänzlichen Absagung vom Branntwein ver- einigen mögten, welche hinlänglich überzeugt wären, daß der- selbe für Vermögen, Gesundheit, für die zeitliche und ewige Wohlfahrt nur verderblich sei. Eine große Anzahl war hierzu sogleich- bereit. Andere erboten sich, die Pflicht auf sich zu nehmen, vorläufig ein Jahr lang keinen Branntwein oder andere berauschende Getränke mehr zu trinken. Einige waren. bereit, diese Pflicht für sich und ihre Kinder zu übernehmen, andre aber, überhaupt weder selbst noch Branntwein zu trinken, noch auch anderen dazu irgend behülflich zu sein. Mehrere anwesende Taglöhner und Dienstboten erklärten mit Freuden-, hinfort lieber solchen Herrschaften dienen zu wollen, bei welchen sie nicht in Versuchung mögten geführt werden, wieder Branntwein zu trinken, als anderen. Hierauf setzte sich der Pfarrer nieder, und schrieb folgende Sätze ans einen Bogen: 1) Wir unterzeichnete sind überzeugt, daß der Branntwein und andre ähnliche Getränke als Getränk nicht nur unnütz und entbehrlich, sondern auch für die Gesundheit, das Leben, für das zeitliche und ewige Wohlergehen. höchst gefährlich und schädlich sind. 2) Wir wünschen von Grund des Herzens, sowohl uns selbst und unsre Angehörige, als auch, so viel in unsern Kräften steht, unsre Mitmenschen von der drohenden Gefahr des Branntweins zu erretten. Z) Wir halten hierzu kein anderes Mittel für so geeignet, als die gänzliche Absagung des Branntweins; indem wir uns dadurch auf einmal der Gefahr entziehen, aus ll1äßEgIU

Trinkern unmäßige zu werden, uns überdieß auch den Genuß eines überall nur schädlichen Getränkes nicht ferner gestatten können. 4) Wir beschließen aus freiem Antrieb, keinen Brannt- wein mehr zu trinken (es sei denn in besonderen Fällen der Noth als Arznei), ihn auch unsern Kindern und Dienstleuten nicht mehr zu trinken zu geben, auch unsre Freunde und Gäste nicht mehr damit zu bewirthen; überhaupt aber auch in der Furcht Gottes und im Gehorsam der Obrigkeit aus allen Kräften dahin zu wirken, daß endlich jedermann· sich ans freiem Entschlusse dieses verderblichen Getränkes enthalte. Nachdem diese Sätze vorgelesen waren, war ein großer Theil bereit, dieselben durch Namensunterschrift anzuerkennen, und ihnen in allen Stücken nachzuleben. Dieselben baten den Pfarrer und einige achtbare Männer des Ortes, für die fernere Leitung des angefangenen Unternehmens Sorge zu tragen, welches natürlich mit Freuden gewährt wurde. Der Pfarrer trat hiermit an die Spitze des Vereins, und ermahnte sogleich die Mitglieder desselben, von dem heutigen Tage an in der Furcht des Herrn und im festen Glauben an ihren Erlöser ihrem Gelübde treu zu bleiben, sich einander auch gegenseitig hierzu mit dem Ernst der Liebe zu vermahnen und zu beaufsichtigen. Auf ihren Wunsch vereinigte er sich auch mit den bereits vorgeschlagenen Männern, diese Leitung und Aufsicht sich besonders angelegen sein zu lassen, und zu diesem Zwecke sich von Zeit zu Zeit über die besten Mittel zu berathen, das angefangene Werk kräftig fortzuführen. Zugleich machte er noch alle darauf aufmerksam, wie natürlich der Austritt ans diesem Verein jeder Zeit jedem eben so frei stehe, als der Eintritt in denselben. Die Sache solle durchaus in freier Liebe zum Guten fortgeführt werden, wie sie aus freier Ueberzeugung und Entschließung angefangen sei. Nur so lange jemand sich nicht eben so bestimmt für den Austritt, wie für den Eintritt erklärt habe, werde von jedem wackern Manne und Jüngling angenommen werden, daß er seiner guten Entschließung treu bleibe. Dieß bewog alsbald eine ziemliche Anzahl, sich noch ebenfalls zur Unterschrift zu melden, welche bisher noch nicht gewagt hatten, sich für ihre ganze Lebenszeit zu verpflichten- Der Pfarrer lobte ihre Aufrichtigkeit und versprach ihnen, daß sie an den Austritt nicht wieder denken sollten, sobald sie nur einige Monate lang ihrem Gelübde treu bleiben, und ihre Herzen vor anderen fleischlichen Lüsten bewahren würden, die freilich sonst leicht auch einen Rückfall zum leichtsinnigen Genusse eines verderblichen Getränkes zur Folge haben.

Unter den Uebrigen waren einige, die gern auch an dem zu hoffenden Segen des Vereins Theil gehabt hätten, aber sich noch nicht getrauten, das zu gehende Versprechen überall erfüllen zu können. Sie wünschten dieses «Versprechen «also dahin abgeben zu dürfen, daß sie für sich und ihre Kinder dem Branntwein ganz absagen,,,und auch überdieß so viel, als irgend möglich daraus bedacht seist wollten, ihn unter ihren anderen Angehörigen und Dienstleuten zu verbannen. Auch dieß wurde ihnen gewährt und ihre Erklärung nebst den Unterschriften auf einer besonderen Seite des Bogens« verzeichnet. « " -(· ·- .Hierauf verweilte der Fl·:·l11Ec noch einen Tag im Kreise jener Dorfgemeinde. Dieser Tag wurde von einem großen Theile derselben als ein wahrer Fest- und Freudentag gefeiert. Noch genoß man die Früchte des Sieges über einen Feind nicht, .der sie lange unterjocht gehalten hatte; aber sie fühlten sich glücklich in der Gewißheit, von seiner Macht auf immer frei zu sein, wenn sie dem in der ’Furcht des Herrn gefaßten Vorsatze treu bleiben würden. » Wie das Leben und alle seine Güter demjenigen wie ein neues Geschenk erscheint, der von einem harten und langen Krankenlager zum erstenmale wieder aufsteht: so betrachteten sie jetzt alle Dinge mit ganz anderen Augen· Habe und Gut, Weib und Kinder, Leben und Dasein, ja selbst die ewigen Wahrheiten des christlichen Glaubens erschienen ihnen jetzt in einem neuen höheren Lichte; sie begriffen kaum, wie sie von einem elenden Sinnengenusse so hatten betrogen werden, »sich dadurch aller wahren Freuden des Lebens hatten berauben können.x Um so dankbarer blickten sie darum jetzt nach oben und beteten mit gerührtem Herzen den gnädigen Gott an, dessen Werk sie in der Sendung des lieben Fremden erkannten. Dieser setzte am folgenden Tage seine Reise unter den Segnungen der Gemeinde fort, nachdem er noch versprochen, ennsp Jahrestage der Stiftung des Vereines, den sie jährlich zu feiern wünschten, wieder bei ihnen zu sein, und sich des Segens ihres Vereines mit ihnen zu freuen. Der Segen des Herrn aber komme über euch, lieben Leser; und er wird über euch und eure Kinder kommen, wenn ihr aufsiehet, und ein Gleiches thut!

Ein Soldat, ein Handwerksbursch, Taglöhner; ein Bauer, Bürger u. s. w. der täglich nur für 1/2 Sgr. Branntwein, Rum, Likör oder dergleichen trinkt, vertrinkt doch

täglich: monatlich: jahrlich: in 30 Jahren an Capital: in 30 J. an einfachen Zinsen à 5 % von jenem Capital: Summa des Verlustes in 30 Jahren: Dieß macht auf 100 Trinkende in einem Dorfe, Regimente, in 30 Jahren: Macht auf 1000 Personen in einer Stadt in 30 J. einen Verlust von: Macht auf 100,000 Personen in einem Bezirk: Macht auf eine Mill. in einer Provinz: Macht auf 5 Millionen Trinkende in einem Lande von 12-15 Millionen Einw.:
1/2 Sgr. 1/2 Th. 6 Th. 180 Th. 135 Th. 315 Th. 31.500 Th. 315,000 Th. 31,500,000 T. 315 Ml. T. 1575,000,000 Th.
Ferner: 1 Sgr. tägl. macht: 1 Th. 12 Th. 360 Th. 270 Th. 360 Th. 63,000 Th. 630,000 Th. 63,000,000 T. 630 Ml. T 3150,000,000 Th.
1 1/2 Sgr. 1 1/2 - 18 - 540 - 405 - 945 - 94,500 - 945,000 - 94,500,000- 945 - - 4725,000,000 -
2 1/2 - 2 1/2 - 30 - 900 - 675 - 1575 - 157,500 - 1,575,000 - 157,500,00 - 1575 - - 7875,000,000 -
3 - 3 - 36 - 1080 - 810 - 1890 - 1,890,000 - 189,000,000 -
5 - 5 - 60 - 1800 - 1350 - 3150 - 3,150,000 - 315,000,000 -

Zu diesen ungeheuren Summen sind nun noch hinzuzurechnen: 1) Der Verlust an Zins von Zins; 2) der Werth der verlornen Zeit, der vernachlässigten Arbeit, Überhaupt die Kosten, welche durch Müßiggang und Laster entspringen, die das Branntweintrinken im Gefolge hat. 3) Die Kosten für gemeinschaftliche Ernährung der verarmten Säufer, Verbrecher, Irren; 4) die Kosten zur Unterhaltung der Armenhäuser, Gefängnisse, Irrenhäuser, welche der Branntwein voll macht. 5) Der Verlust der Gesundheit, die der Branntwein zerrüttet, die Kosten für Medicin u. s. f. – – (Die Zinsen sind, der Kürze wegen, noch 1/30 zu niedrig berechnet.)

Die Leser, welche sich den Werth von Millionen nicht vorstellen können, mögen sich ein Ackerstück denken, welches 30 Reihen breit und 100 Reihen lang mit Kartoffeln bepflanzt ist. Schüttet man an jeden Kartoffelstrauch etwa eine halbe Metze harte Thaler (1000 Thlr.), so daß die ganze Ende mit Geld bedeckt ist, so giebt diese doch erst 3 Millionen Thaler. Es gehören also zwanzig solcher mit Geldhaufen bedeckten Ackerstücke dazu, um die Summe von 60 Mill. hinzuschütten, die ein Land in einem Jahre für Branntwein verschüttet, wenn darin von 5 Millionen Menschen jeder nur täglich einen Silbergroschen vertrinkt (wozu noch der oben angegebene, vielleicht mehr als große Verlust kommt)!! – – !! – –

Von demselben Verfasser ist erschienen, und in Berlin bei L. Oehmigke, so wie in allen guten Buchhandlungen zu haben:

Die Waffnung gegen die Branntweinpest, eine Sache der Zeit und der Noth. Mit besonderer Beziehung auf die vaterländischen Verhältnisse und die Consumtion von, starken Getränken in Preußen erwogen und allen redlichen Freunden der Humanität und des Vaterlandswohles zur Prüfung und Beherzigung vorgelegt. Berlin, bei Thome, 1838. Sauber brosch. 6 Bog. 1/3 Thlr.

Der Soldat und der Branntwein, eine kurze und gründliche Belehrung für den deutschen Kriegsmann. Berlin, 1837, bei J. Weckerle. 24 S., geheftet 1 Sgr.

Der Tag des Herrn und seine Feier. In Briefen, mit biblischer, historischer und wissenschaftlicher Begründung dargestellt, und den christlichen Zeit- und Heilsgenossen, insonderheit den ernstgesinnten Freunden und Gegnern einer wohlgeordneten Sonntagsfeier zur Prüfung und Beherzigung vorgelegt. Berlin, 1837, bei L. Oehmigke. 24. Bogen. 1 1/3 Thlr.

Die Ehe, nach ihrer Idee und nach ihrer geschichtlichen Entwickelung. Ein Beitrag zur richtigen Würdigung der Ehe und der ehelichen Verhältnisse, insonderheit der Scheidung und der zweiten Ehe Geschiedenen, vom allgemein-wissenschaftlichen und vom christlich-theologischen Standpunkte. Berlin, bei Dümmler, 1834. 1 1/2 Thlr.


Gedruckt bei Julius Sittenfeld in Berlin, Burgstraße Nr. 25.

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