Ein Besuch bei Friedrich Gerstäcker
Friedrich Gerstäcker, der Weltumsegler und beliebte Erzähler, ist eine der merkwürdigsten und interessantesten Persönlichkeiten in unserer an ungewöhnlichen Charakteren so armen Zeit. Die Leser werden uns also gern zu ihm begleiten.
Wir treten in ein ziemlich großes Zimmer. Vom Sopha erhebt sich eine junge Frau von zartem Bau und mittelgroßer Gestalt mit klugen Augen, feinen Zügen und einem Munde, der sehr deutlich Charakterfestigkeit und Entschlossenheit verräth. Sie legt ein englisches Buch, in dem sie gelesen, aus der Hand, während sie den Gruß des bekannten Besuchers erwiedert. Vor ihr auf einem großen prächtigen Tigerfell, das als Teppich dient, – eine Jagdbeute des Hausherrn aus Java – spielen, freundschaftlich über einander kollernd, ein kräftiger Knabe von etwa sechs Jahren und Booz, ein gutmüthiger Neufundländer. Auf einem Tischchen fallen als Nippes allerlei niedliche und seltsame chinesische und japanische Arbeiten in das Auge, nebst Korallen, Muscheln etc.
Nach einiger Zeit öffnet uns die Gattin des Reisenden freundlich die Thür selbst des Nebenzimmers, das halb wie das Studirzimmer eines Gelehrten, halb wie ein Kuriositäten-Cabinet aussieht.
An einem großen eleganten Schreibtisch, auf dem die musterhafteste Ordnung herrscht, sitzt rasch schreibend ein Mann in türkischem Schlafrock. Aber sogleich springt er auf und nicht blos der Mund, auch die Augen sagen uns ein herzliches Willkommen. Er ist 38 Jahre alt, von mittlerer Größe, kräftigem Knochenbau und sehnigen Gliedern; sein Kopf mit dem schwarzen vollen Bart und dem buschigen Haar, mit den blitzenden kecken Augen, und dem festgeschlossenen Mund überzeugt uns auf den ersten Blick, daß wir vor einem Manne stehen, dem kein Wagniß zu kühn und kein Unternehmen zu schwer ist, während zugleich ein Zug um den Mund und ein Blick des Auges sagen, wie gern und herzlich er lacht.
Doch sehen wir uns in dem Zimmer um. Da über dem Büchergestell, das vorzugsweise Reisewerke enthält, hängt „der [434] vollständige Anzug“ einer tahitischen Schönen, nämlich ein Halsband von rothen erbsgroßen Früchten neben einem kleinen chinesischen Puppentheater und dem Schädel des Tigers, dessen Fell wir schon sahen. Dann bemerken wir ein paar schöne Büchsen und daneben chinesische Puppen und Pfeifen, Tomahawks mit schöner Schnitzarbeit, chinesische Holzschnittbilder, einen Bomarang aus Australien, d. h. ein Instrument, das man von dem Gegenstande, den man treffen will, hinwegwerfen muß, weil es mit ungeheurer Wucht zurück springt; Bogen und Pfeile mannigfacher Art, Gläser mit Schlangen und ein Gläschen mit Goldstaub aus Californien; ein Ding, das aussieht wie ein Stück eines zerbrochenen Stacketes, das aber ein musikalisches Instrument der Malaien ist, mit dem sie einen Heidenlärm machen. Es besteht nämlich aus hohlen Bambusstäben, die zu sechs etwa, eine Hand breit von einander, an einander befestigt sind. In den Höhlungen befindet sich eine Art Knöppel, und wenn man das Ding schüttelt, giebt es einen lauten Ton. Die dicken und langen Stäbe vertreten den Baß, die kleinern, schmälern geben höhere Töne. Unter all den vielen andern Seltenheiten ist auch ein Paar Glacéhandschuhe aufgehangen und auf einem Tischchen liegt eine Zitter.
„Diese zwei Glacéhandschuhe sind die einzigen, die ich in meinem Leben getragen habe,“ berichtet Gerstäcker lächelnd, „und zu der Zitter da habe ich der Königin Pomare in Tahiti und deren ganzem Hofe deutsche Lieder vorgesungen. Aber zu etwas Anderem!“
„Ich weiß, daß Sie das Gegentheil von andern Reisenden sind und so wenig als möglich von Ihren Fahrten sprechen, aber diesmal kommen Sie nicht los. Zweierlei müssen Sie mir sagen.“
„Nun?“
„Was war für Sie auf allen Ihren Wanderungen das Merkwürdigste oder das Auffallendste?“
„Das Merkwürdigste?" antwortete der Reisende sinnend, aber schnell setzte er hinzu: „einer Dame, mit der ich kürzlich sprach, war das Unbegreiflichste bei meinen Reisen, woher ich immer – weiße Strümpfe bekommen habe; ich hätte doch unmöglich so viel mitnehmen können. Mir waren das Merkwürdigste und Komischste – die deutschen Schneider. Wohin ich auch gekommen bin, in Californien, auf den Inseln der Südsee, in Australien, auf Java, überall habe ich einen Deutschen gefunden, der – Schneider war, und irgend etwas Närrisches an sich hatte. Ich könnte ein ganzes Buch über diese komischen Schneider schreiben. – Und das Zweite?“
„Sie haben einen gar großen Theil der Erde gesehen, sagen Sie mir, wo ist sie am Schönsten?“
„O schön sind die Inseln der Südsee mit den Palmenwäldern, mit dem herrlichen Himmel darüber, mit der klaren Fluth umher, in welcher die Koralle ihre Zaubergrotten baut, noch schöner aber ist Java mit den grünen Bergen und der unbeschreiblichen Pracht und Ueppigkeit der Vegetation, aber –“
„Doch ein aber?“
„Es ist ewig grün und ewig gleich schön; es wird bald langweilig. Ueber einen Frühlingstag in Deutschland, wenn es wieder grünt, wenn die Vögel im Walde singen, geht in der Welt nichts. Wenn später auch der Winter kommt, wir haben doch immer die Hoffnung auf neuen Frühling.“
„Und Ihre Reiselust ist nun gestillt?“
„Vollständig.“
„Sie kann auch wiederkommen, wie der Frühling.“
„Ich fühle doch, daß ich Strapazen bestanden habe, namentlich die Fußpartie 300 Stunden weit durch die Wildniß von Australien, wo man Abends kein Wirthshaus zum Einkehren findet, sondern das Abendbrot erst schießen, am Feuer braten und sich dann, in die wollene Decke gewickelt, unter freiem Himmel hinlegen muß, hat gewirkt. Sehen Sie da“ – er bog den Kopf vor und deutete auf eine Stelle, wo der Haarwald sich zu lichten beginnt – „ich fange doch wenigstens an, mir eine kleine Platte stehen zu lassen.“
„Ich glaube doch nicht, daß Sie nun bis an Ihr Ende in Deutschland still sitzen.“
„Nun – zum Spaß einmal in einem Sommer eine Spazierfahrt mit einem Wallfischjäger in das Nordmeer will ich nicht verreden, obgleich ich genug gesehen habe. Wenn ich einmal recht ordentlich träume, sollten Sie den Wirwarr von Bildern und Gesichtern aus Deutschland, Amerika, Australien, Oceanien und Asien untereinander sehen können, die dann an mir vorüber ziehen!“
Das Gespräch wendete sich auf andere Dinge, und als ich mich verabschieden wollte, sagte er:
„Warten Sie noch einen Augenblick, ich gehe mit.“
Er warf den Schlafrock ab, zog den grauen Paletot an und nahm den breitkrämpigen runden Hut.
„Ich muß nach einer Familie sehen, die recht in Noth ist. Wir können aber helfen – Sie geben monatlich etwas, ich laufe zu andern Bekannten, die müssen auch geben; da bringen wir ein Sümmchen zusammen und die Leute brauchen wenigstens nicht zu hungern. Mir schmeckt kein Bissen, wenn ich weiß, daß Andere darben ohne Schuld. Jeder von uns kann noch einen Thaler entbehren, und wer’s nicht kann, nun, der braucht nur ein paar Töpfchen Bier weniger zu trinken.“
Sein Herz ist also so weich, wie sein Muth stark und sein Blick in’s Leben scharf. Aber wie wurde er, was er ist?
Friedrich Gerstäcker (geboren 1816 in Hamburg) ist der Sohn des ehemals sehr gefeierten Tenoristen Gerstäcker, Er verlor aber den Vater sehr früh, verlebte seine Jugend meist in Braunschweig und kam dann nach Cassel in die Lehre zu einem Kaufmann. Das sagte aber seinem unruhigen Geist nicht zu und er erlernte die Oeconomie zu Döben bei Grimma, Nach drei Jahren widerstand er der Wanderlust nicht länger und schiffte hinüber nach Amerika. In New-York schon begegnete ihm was vielen Einwanderern auch geschieht, ein freundlicher Landsmann brachte ihn um all sein Geld und er stand nun mittellos in der fremden Welt. Aber schon damals, wie seitdem immer, lautete sein Spruch: „Hilf dir selber, so wird dir Gott helfen.“
Er schämte sich keiner Arbeit und verrichtete die verschiedenartigsten, um sich den Unterhalt zu erwerben: er machte Pappschachteln zu den Pillen, die ein Anderer in gleicher Lage fabrizirte; er arbeitete auf dem Felde; er war Heizer auf einem der Dampfschiffe, die den Mississippi befahren und hätte einmal beinahe das Leben verloren, als er in den Dampfkessel kriechen mußte, um ihn zu reinigen, ehe er frisch voll Wasser gepumpt wurde zum neuen Heizen, denn man hatte ihn vergessen, schloß die Oeffnung des Kessels und fing bereits an Wasser einzulassen, als es ihm zufällig gelang sich bemerklich zu machen; er schnitt Rohr (zum Beziehen der Stühle u. s. w.) am Ufer des Mississippi, wobei er in glühender Sonnenhitze bis über den Gürtel im Wasser stehen mußte, während gar häufig Schlangen und anderes Geziefer um ihn herum wimmelte, worauf er das Rohr noch an die Haltestellen der Dampfer zu schaffen hatte und öfters von dem dort unvermeidlichen Fieber befallen wurde; er war Schnappsverkäufer bei einem immer betrunkenen Wirth tief im Westen, übernahm auch eine Zeit lang ein Hotel in St. Louis, und drei ganze Jahre lang zog er endlich als Jäger quer durch die Vereinigten Staaten, hauptsächlich aber in Arkansas in den Urwäldern umher, bald allein, bald mit einem gutmüthigen Wilden, bald mit verwetterten alten Jägern. Er schoß da Bäre, Hirsche, Jaguars u. s. w., natürlich nicht des Fleisches wegen, sondern um die Häute und Felle zu erhalten, die auf der Stelle gegerbt werden mußten, um sie später zu verkaufen. Gewiß hat der Gedanke viel Verlockendes, völlig frei, nur auf sich selbst bauend, mit der Büchse durch die Wälder und über die weiten Prairien zu schweifen; „aber,“ sagte der kühne Wanderer an einem regnigten Herbsttage einmal, „denken Sie sich, Sie sollen z. B. sechs Wochen lang, bei fortwährendem Regen, nur im Rosenthale (bei Leipzig) campiren und in die Decke gewickelt unter einer Eiche schlafen, wo nicht einmal gelegentliche Besuche eines Bären u. s. w. zu fürchten sind.“
Auch erwachte nach sechsjährigem Wandern in Amerika die Sehnsucht nach der Heimath unwiderstehlich in ihm. Er kam zurück und schrieb seine „Streif- und Jagdzüge,“ in denen er sein abenteuerliches Leben mit frischen Farben, wenn auch mit noch etwas ungeübter Hand beschrieb. Das Buch fand Beifall und der Jäger begann einzelnes Erlebtes ausführlicher zu schildern; er ließ sich in Leipzig nieder und hier entstanden seine zahlreichen Erzählungen, wie seine beiden so viel gelesenen Romane: „die Regulatoren“ und die „Flußpiraten.“ So unermüdlich er sonst die Büchse geführt hatte, so ausdauernd saß er nun am Schreibtisch. Nur gelegentlich erwachte die alte Wanderlust, aber man hielt sie für gänzlich beruhiget, als er sich verheirathete und einen eigenen Hausstand gründete.
[435] Da drang die Kunde aus Californien herüber, daß man sich dort nur zu bücken brauche, um Klumpen Goldes aufzuheben, und daß die Goldjäger aus allen Weltgegenden nach dem Wunderlande strömten, Gleichzeitig zog der Revolutionssturm über Europa, die Literatur trat in den Hintergrund und Gerstäcker war es auch überdrüßig, immer und immer von Amerika zu erzählen.
„Ich gehe nach Californien!“ sagte er mir eines Tages aufgeregt. „Wissen Sie was dort das Beste ist?“
„Etwas anderes als das Gold?“
„Ah, Gold ist nur Chimäre.“
„Nun?“
„Abenteurer, Nichtsnutze und Lumpen strömen aus allen Welttheilen dort zusammen. Da giebt’s Charaktere! Da laufen die Romanhelden zu Tausenden umher; da lassen sich Studien machen! Und vielleicht giebt’s von da Gelegenheit weiter. In Deutschland ist am Ende für Schriftsteller lange nichts mehr zu hoffen; ich „belege“ eine hübsche kleine Insel in der Südsee, komme dann wieder und hole die Meinigen und die Freunde dahin ab.“
„Und das Geld?“
„Das findet sich.“
Es fand sich, Die Cotta’sche Buchhandlung, die schon manchen Reisenden im Interesse der Allgemeinen Zeitung ausgesandt hat, war bereit auch Gerstäcker in gleicher Weise zu unterstützen. Im deutschen Parlamente zu Frankfurt verhandelte man über Auswanderung, ohne recht zu wissen, wohin dieselbe zu leiten sei. Das Reichsministerium billigte also gern den Plan, von Gerstäcker sich Berichte über die Länder und Gegenden senden zu lassen, wohin die deutsche Auswanderung mit bestem Erfolg zu leiten sein dürfte und gab bereitwillig im Voraus Beiträge zu den Reisekosten.
Im März 1849 nahm Gerstäcker Abschied und von Bremen ging er mit einem Schiffe ab, das direkt nach Californien segeln sollte. Die Fahrt war glücklich, aber langweilig: unser Reisender faßte also, als das Schiff in Buenos Ayres anlegte, den tollkühnen Entschluß, während dieses die langwierige Fahrt um das Cap Horn herum mache, quer über ganz Südamerika zu reisen und das Schiff in Valparaiso wieder zu besteigen. Alle erklärten das Unternehmen, namentlich die Wanderung über die Cordilleren im Winter, für unmöglich, aber für Gerstäcker giebt es kein „Unmöglich.“ Er ließ sein Schiff absegeln, stellte sich in seinem Reiseanzuge dem Dictator Rosas und dessen Tochter Manuelita vor, einigte sich mit dem Courrier, welcher monatlich die Reise nach Valparaiso zu machen hat und fort ging es zu Pferd „in sausendem Galopp“ über die Pampas, vierzehn Tage lang, auf wiederholt gewechselten Pferden täglich und stets im Galopp, dann über die schneebedeckten Cordilleren unter haarsträubenden Gefahren, jede Minute fast dem Tode ausgesetzt, und glücklich langte er in Valparaiso an. „mit völlig durchgerittenen Hosen“ aber „ohne Wolf,“ während man sich an der Beschreibung der Tour einen Wolf lesen kann, Er hat sich in Valparaiso in dem Anzuge daguerreotypiren lassen, in welchem er den entsetzlichen Ritt machte, mit dem breiten südamerikanischen Hute und dem Poncho (Mantel) und das Bild gleicht allerdings so ziemlich dem „Abällino.“
Ueberstanden war die Landreise, aber sein Schiff hatte auch Valparaiso – bereits verlassen und alle seine Habseligkeiten mitgenommen. Da stand er, in keineswegs salonmäßigem Anzuge, so daß er den Mantel nie ablegen durfte, und ohne Geld, da er natürlich nur das Nothdürftigste mitgenommen hatte. Aber er fand Leute, die sich seiner annahmen und auch bald ein anderes Schiff, mit dem er die Fahrt nach Californien fortsetzen konnte.
Was er dort gesucht, fand er in reichem Maße; das Publikum wird sich überzeugen, wenn einmal sein californischer Roman erscheint, aber mit dem Golde, das er auch suchte, da er einmal im Goldlande war, hatte er kein Glück. Zwar stand er mehrere Monate lang halbe Tage halbnackt, mit großen Wasserstiefeln, im Wasser und schaufelte und siebte, aber es ist mit dem Goldsuchen eben wie mit der Lotterie. Einer bekommt das große Loos, Einige erhalten ansehnliche Gewinne, Andere fallen durch. Gerstäcker verdiente bei dem Goldsuchen, mit schwerer Arbeit, knapp den Unterhalt, gab dies Geschäft also bald auf und da das aus Europa erwartete Geld zufällig lange ausblieb, mußte er in anderer Weise sich durchzubringen suchen. Er griff zunächst wieder zur Büchse und zog umher, um Wild zu schießen und dies an die Goldwäscher zu verkaufen; aber das Wild ist ziemlich selten dort und es gehörten lange Märsche dazu, ehe einmal eine Beute zu erlangen war und wie diese dann viele Stunden weit zurückzubringen? Da nahm er die Axt und begann Bäume zu fällen und zu zerhacken für die Feuer der Goldsucher. Das lohnte besser, aber er hatte leider das Unglück, dabei einmal mit der Axt sich gewaltig in den Fuß zu hauen, Er konnte nicht gehen; vierzehn Tage lang lag er so allein in einem kleinen leichten Zelte und war auf die Gutmüthigkeit zweier Goldsucher angewiesen, die einen Tag nach dem andern Abends nach der Arbeit zu ihm kamen und ihm Wasser und etwas zu essen brachten.
Nach fast einjährigem Aufenthalte in Californien erhielt er endlich die Mittel, die Reise fortzusetzen. Er fuhr mit einem Wallfischjäger nach der Südsee, besuchte die Sandwich-Inseln, Tahiti u. s. w. und die Schilderung, die er davon giebt, gehört zu dem Schönsten, das er geschrieben hat.
Von da schiffte er nach Australien, wo man unterdeß auch Gold gefunden hatte. Es lockte ihn aber nicht, noch einmal auch darnach zu suchen, dagegen unternahm er hier die Wanderung, von der er oben sprach. Er wollte den Murray hinaufschiffen, obwohl alle ihm abredeten. Da es kein Boot zu dem Unternehmen gab, nahm er wiederum selbst die Axt, fällte einen Baum und hieb sich daraus ein Fahrzeug, etwa in der Form eines Backtroges. Auf diesem gebrechlichen Dinge begann er die Fahrt in Gesellschaft eines blutjungen deutschen Handwerksburschen; aber er mußte den ihm hinderlichen Gesellschafter bald aussetzen und die Fahrt selbst aufgeben, da der Fluß zwar sehr breit, aber oft lange Strecken so seicht war, daß er sich genöthigt sah, an dem Ufer hinzugehen und dabei sein Boot zu tragen. Er ließ es endlich stehen und setzte die Reise zu Fuße fort durch öde Wildnisse und der Gefahr ausgesetzt, von den da umherziehenden schmuzigen, boshaften Wilden gelegentlich erschlagen zu werden.
Aber er kam an das Ziel und seine kühne Wanderung machte in Sidney so großes Aufsehen, daß die Zeitungen dort alle davon sprachen und die fabelhaftesten Dinge erzählten,
Von Australien schiffte er nach Java und diese herrliche Insel, die er nach allen Richtungen durchstreifte, erregte sein wie aller Reisenden Entzücken. Nur eines trübte seine Freude da – es war ihm nicht möglich, ein Nashorn schießen zu können, welche Mühe er sich auch gab. Den Tiger, dessen Fell sein Zimmer schmückt, erlegte er auf einer Jagdpartie dort.
Von Java endlich segelte er direkt nach Hamburg, denn die Sehnsucht nach den Seinen war mächtig erwacht und im Juni 1852 kam er frisch und wohlbehalten, von den Freunden jubelnd begrüßt, zurück.
Bald saß er da wieder anhaltend am Schreibtisch. Er schrieb in wenigen Monaten seine „Reisen“ in fünf Bänden, und gleichzeitig in drei Bänden in englischer Sprache, die er so gewandt wie die Muttersprache gebraucht; auch ist bereits eine andere Frucht seiner Weltfahrten erschienen, sein Roman „Tahiti“ in vier Bänden, in welchem er namentlich den Conflict der Cultur mit der sinnlichen Natur der Eingebornen, der christlichen Religion mit dem Heidenthum, der Bestrebungen der protestantischen englischen und der französischen katholischen Missionäre u. s. w. sehr anziehend schildert.
Sein Skizzenbuch ist aber noch gar reich und er wird selbst bei fortdauerndem Fleiße und langem Leben kaum im Stande sein, Alles, was er für das deutsche Publikum gesammelt hat, mitzutheilen.
Fragen die Leser nun, wie es ihm möglich geworden ist, leicht zu ertragen. was er ertragen hat, so antworte ich: sein rüstiger Körper bequemt sich leicht allen Anforderungen, die an ihn gemacht werden, es wird ihm nie zu kalt und nie zu warm; er ist bewundernswürdig mäßig und begnügt sich mit dem, was eben zu haben ist; er hat keine Leidenschaft, deren Nichtbefriedigung ihm lästig werden könnte, er raucht und schnupft nicht, er besuchte nie regelmäßig das Wirthshaus, er fand nie Lust an Kartenspiel etc. Der einzigen Leidenschaft, die er besitzt, der Lust an Schießen und Jagen, konnte er dagegen stets recht con amore sich hingeben.
Um sie jetzt mit mehr Genuß befriedigen zu können, hat er [436] Leipzig in diesen Tagen verlassen, um seine Wohnung in dem reizenden Rosenau bei Coburg zu nehmen. Manche Leute wollen wissen, der verehrte Herzog von Gotha, der sich für den Vielgewanderten interessirt, werde noch einen Hofmann aus ihm machen, aber ich glaube es nicht, denn – und das ist noch eine Eigenthümlichkeit Gerstäcker’s – er haßt fast so sehr wie jede Unredlichkeit – den Frack, und ist stolz darauf, dies häßliche Kleidungsstück nie getragen zu haben.