Ein Besuch in Reinhardtsbrunn

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Titel: Ein Besuch in Reinhardtsbrunn
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aus: Die Gartenlaube, Heft 23, S. 264–267
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Ein Besuch in Reinhardtsbrunn.

Es war an einem hellen Herbsttage, als ich mit meinem Skizzenbuch durch die alte Baumallee dem Schlosse Reinhardtsbrunn, der Sommerwohnung des Herzog Ernst von Gotha-Koburg, zuzog. Für das Auge eines Malers waren die Formen eines deutschen Baustyls in ihrer eleganten Anwendung mit der reichen Blumendecoration in dem üppigen Grün der Thallandschaft ein vortrefflicher Anblick. – Ich wurde in ein einfach, aber würdig decorirtes Empfangszimmer geführt. An der Wand hing unter andern guten Stücken ein großes Bild von dem Javanesen Raden-Saleh[WS 1], dessen persönliche Bekanntschaft ich einst in Dresden gemacht hatte. Es war wohl nicht das beste Bild, das er gemalt hat, aber in Farbe und Sujet sehr charakteristisch für ihn. Später erfuhr ich, daß Saleh längere Zeit die Gastfreundschaft des Herzogs genossen hatte und bei ihm und seiner Gemahlin in freundlicher Erinnerung stand.

Nach wenigen Augenblicken trat der Herzog selbst ein. Eine stattliche Gestalt von mehr als mittlerer Größe, kräftig gebaut, von hübschen männlichen Formen. Kopf und Figur erinnerten auffallend an die alten Portrait-Statuen seines Geschlechts, welche ich wenige Wochen zuvor auf einem fürstlichen Grabmal in der St. Moritzkirche zu Koburg gesehen hatte. Es war derselbe eigenthümliche Schnitt des echt deutschen Gesichts, kräftige Conturen,

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Herzog Ernst von Koburg-Gotha.

belebt durch die blühende Farbe, durch zwei große braune Augen von sehr freundlichem Ausdruck und durch dunkelbraunes, dichtes Haar, welches in ziemlicher Länge glattgestrichen das Antlitz einfaßt. Intelligenz und Herzensgüte und ein lebendiges frisches Wesen waren bei der ersten Erscheinung des Fürsten zu erkennen.

Mit einer Freundlichkeit, so ungezwungen, wie man zu einem gleichstehenden Bekannten spricht, redete der Herzog mich an, und ich fühlte mich ihm gegenüber sehr bald frei und ungenirt. Ich legte meine Mappen auf, und der Herzog äußerte sich mit Einsicht über das, was in künstlerischer Beziehung an den Skizzen und Studien hervorzuheben war. Zuletzt, nach einer lebhaften Unterhaltung, hatte er die Güte, mich zu einem mehrtägigen Aufenthalte in Reinhardtsbrunn aufzufordern.

Seit jenem ersten Empfange habe ich öfter die Freude gehabt, seine Person, welche gegenwärtig so vielfach die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat, zu sehen. Es war mir stets eine interessante Aufgabe, einen Fürsten aufmerksam zu beobachten, der einer jüngeren Generation angehörte, als ich selbst und der sich mir gegenüber in aller Unbefangenheit gab, wie er war.

Was mir zuerst am Wesen des Herzogs auffiel und mich zu interessanten Vergleichungen anstachelte, ist seine große Humanität. Es ist nicht die freundliche Artigkeit allein, welche bei Vornehmen nicht selten zu finden ist, auch nicht blos jene natürliche Herzlichkeit, welche den offenen Menschen von glücklicher Anlage so wohl steht, sondern noch etwas mehr. Ihm ist eigen eine lebhafte Freude an aller Tüchtigkeit, Selbstständigkeit, persönlichen Kraft, eine hohe Achtung vor jedem guten und schönen Streben, bei wem es sich auch finden mag. Ueberall, wo ihm Geist, ein [266] Gemüth, ein klarer ehrlicher Wille entgegentritt, fühlt er sich im innersten Herzen angesprochen. Mit solchen Menschen, wenn sie in seine Nähe kommen, verkehrt er als mit seines Gleichen in so offener, taktvoller, zarter Weise, daß seine eigene große geistige Bedeutung zunächst nur wie ein klares schönes Licht erscheint, welches dem Bilde des andern zu seiner besten Wirkung verhilft.

Nicht weniger stark aber ist sein Unabhängigkeitstrieb. Wie warm er sich auch der gemüthlichen Stimmung, dem Augenblicke, dem Geist eines Andern hingiebt – seine innere Freiheit opfert er doch niemals. Auch im äußern Leben ist ihm alle Géne, aller Zwang, der ihm von Andern kommt, verhaßt. Was sonst den regierenden Herrn nöthig, wie die Lebenslust ist, die Etikette des Hofes und das altfränkische Ceremoniell, wie es noch an den meisten deutschen Höfen sich findet, es ist ihm, insofern es geistlos oder anspruchsvoll auftritt, geradezu verhaßt und gern entzieht er sich ihm. Er hat bei sich das steife Würdenwesen der adeligen Hofämter fast ganz aufgehoben und den sogenannten privilegirten Ständen, wozu in kleinern Staaten auch die unverhältnißmäßig zahlreiche Coterie des Beamtenstandes gehört, zu ihrem unaufhörlichen Aerger keines von den gesellschaftlichen Hofvorrechten gelassen, in deren exclusivem Genuß vornehme Bedientennaturen so gern das höchste Glück finden.

Solche Eigenschaften mußten den Herzog bald populär machen. Für seine eigenen Länder bewirkte dies freilich noch mehr seine große Gutherzigkeit und Bravheit, sowie die Leichtigkeit, mit welcher Bittende ihn zu irgend einem persönlichen Opfer bringen konnten. Der Landmann, der Bewohner des Gebirgswaldes und der kleine Bürger haben kein zureichendes Urtheil über den Geist und die politische Richtung ihres Herzogs, aber haben im Stillen die Ueberzeugung, daß sie von einem guten Fürsten regiert werden, der nicht nur als Regent gewissenhaft, in strenger Gesetzlichkeit und rein von jeder vornehmen Sünde unter ihnen lebt, sondern der dem Einzelnen auch als Mensch bei jeder Gelegenheit die letzte Hülfe und Zukunft ist.

Mit einer ungemeinen Regsamkeit in Geschäften begabt, besitzt er dabei eine Ausdauer und eine Kraft, die ihm alle Anstrengungen leicht und kaum fühlbar machen. Und wie seine Lebenskraft groß ist, so ist auch der Kreis seiner Interessen von weitem Umfange. Erst spät, aber dann mit großer Energie und Schnelligkeit soll sein Geist sich entwickelt haben. Er hat das Glück gehabt, mit seinem Bruder einige Jahre in Bonn als immatriculirter Student ernsthaft zu studiren und die Collegia zu besuchen. Dort hat er vornehmlich Staatswissenschaft getrieben, aber auch ernste philosophische Studien gemacht. Auch die leichtern Talente, welche als ein Schmuck des Lebens betrachtet werden, hat er mit Eifer ausgebildet. Sein hervorstechendes Talent, das musikalische, hat er, wie allgemein bekannt, in verschiedenen Werken, welche der Oeffentlichkeit angehören, bewiesen. Mir scheint eine besonders hervortretende Eigenthümlichkeit seiner ungewöhnlichen musikalischen Begabung der große Reichthum an graciösen Melodien zu sein, welche auch in der Ausführung größer und mächtiger auftreten, als Dilettanten eigen ist.

Aber auch die sogenannten adeligen Virtuositäten unserer Zeit besitzt der Herzog in nicht gewöhnlichem Grade. Er gilt für einen festgeschulten Waidmann von sehr sicherer Hand und treibt das Waidwerk mit großer Freude; er ist ein vortrefflicher und waghalsiger Reiter und Rossebändiger und in Führung jeder Art von Waffe wohl erfahren. Und wie er bei solchen Eigenschaften in seinem Privatleben den Eindruck einer frischen, gesunden und tüchtigen Kraft macht, so hat er auch im öffentlichen als Regent, als General, als Politiker und vor allem als deutscher Patriot sich überall kräftig, gesund und edel gezeigt.

Es würde den Lesern der Gartenlaube zu lang werden, wenn hier im Einzelnen berichtet werden sollte, was er als regierender Herr für seine kleinen Länder gethan. Einige charakteristische Züge werden genügen. Als er im Jahr 1844 die Regierung antrat, fand er die damaligen Stände, namentlich in Koburg, in einem langjährigen, unfruchtbaren Zwiste mit der Regierung. Er erkannte, daß die Stände in mehreren Punkten im Rechte waren, und machte einer erbitterten Opposition dadurch mit einem Schlage ein Ende, daß er kurz erklärte: „Ihr habt Recht!“ – Im Jahre 1848 ergriff der Eifer der unruhigen Zeit auch seine Territorien. Mit klarem Blicke und der ihm eigenthümlichen Schnelligkeit kam er dem unruhigen Drängen, wo es ihm berechtigt schien, leitend und mäßigend entgegen, und trat auf der andern Seite gegen die Excesse und Uebergriffe der Tumultuanten, namentlich in den den Gebirgskreisen mit der persönlichen Entschiedenheit eines festen Willens auf. Sein Leben hat er dabei mit der größten Gleichgültigkeit oft in Gefahr gesetzt, aber auch die Freude gehabt, daß er da, wo er selbst vortrat, mit seinem Willen immer durchdrang. Als in den letztvergangenen Jahren das Doppelregiment der beiden kleinen Länder, das getheilte Wesen mit seinen ewigen Widersprüchen unerträglich und die Nothwendigkeit einer gemeinsamen Landesregierung unabweisbar geworden war, sprach er das schöne Fürstenwort: „Ich werde nie octroyiren, ich werde nie einen Riß in das gesetzliche Leben meiner Länder machen; aber ich werde die Regierung niederlegen, wenn meine Landtage das Nothwendige nicht einsehen wollen, denn eine fernere Regierung unter den bestehenden Verhältnissen ist unmöglich.“ Die Folge davon war, daß die neuen Wahlen ganz entschieden im Sinne der Regierung ausfielen.

Das Jahr 1848 eröffnete auch seinen kriegerischen Talenten ein weites Feld. Er übernahm in warmer Begeisterung für die Sache der Herzogthümer ein selbstständiges Commando in Schleswig-Holstein, und ihm ward das Glück, den glänzendsten Erfolg des ganzen verhängnißvollen Krieges, den Kampf bei Eckernförde (5. April), anzuführen. Bei dieser Affaire, in welcher seine persönliche Bravour und seine richtige Beurtheilung des Terrains gerühmt wird, erhielt er die tiefen Eindrücke, welche ein glorreicher kriegerischer Erfolg auf die Seele des Feldherrn auszuüben pflegt, nämlich Vertrauen zu sich selbst und zu den braven deutschen Truppen, welche er befehligte. An diesem Tage schlang sich ein festes Band um seine Seele und die von tausend deutschen Herzen, welche für die Größe unsers gemeinschaftlichen Vaterlandes schlagen, und dieses Band, durch Kugelregen und Blut geweiht, wird, so hoffen wir Alle, fest halten, was auch die Zukunft bringen möge. Die große Flagge vom Christian VIII. und der Degen Paludan’s hängen jetzt in den Waffensälen von Koburg, und wohl auch der Herzog erwartet, daß es nicht die letzten Beutestücke sein werden, welche er von Feinden deutscher Größe nach dem Schlosse seiner Väter sendet. – Er hatte bald Veranlassung, zu beweisen, daß sein Herz treu für die deutsche Sache schlug. Als die Herzogthümer durch die Großmächte den Dänen gebunden überliefert wurden, da war er der deutsche Fürst, welcher zu Frankfurt und überall, wo es galt, eifrig gegen alles Unrecht protestirte, das man den Schleswig-Holsteinern anthat; der mit Freuden den Flüchtigen, Verbannten ein Asyl auf seinem Grund und Boden eröffnete, ihre Privatrechte gegen die dänische Regierung nachdrücklich und mit Erfolg vertrat, und die Zumuthung, Einzelne auszuliefern, mit vornehmer Verachtung zurückwies.

Aber nicht den Holsteinern allein erwies er sich treu. In den bösen Jahren, welche herankamen, war mehr als ein Ehrenmann in Gefahr, sein Festhalten an Recht und Gesetz, gegenüber einer fanatischen Reaktion, mit Verlust des Amts und der Freiheit zu bezahlen. Für solche unschuldig Verfolgte wurde er Schützer und Helfer, den Hessen öffnete sich sein kleines Land als Asyl, wie den Holsteinern. Ja man erzählt sich in Gotha unter vier Augen oft, daß der Herzog den und jenen Flüchtling mit ansehnlichen Summen unterstützt und weiter geholfen habe.

Was den Herzog zumeist allen Deutschen theuer macht und was ihm eine Bedeutung verleiht, die weit größer ist, als der Theil der deutschen Bodenfläche, den er beherrscht, das ist seine politische Thätigkeit, sind die Grundsätze, welche er, vielleicht der einzige von allen deutschen Fürsten, mit warmer Begeisterung und mit Verläugnung seines eigenen Interessen von je geltend gemacht hat. Höher als das Stamminteresse seines Hauses hat ihm stets die Ehre und Größe Deutschlands gegolten. Lebhaft empfindet er den Jammer und das Misere der Kleinstaaterei, die Schwäche des Vaterlands gegenüber dem Auslande, den Mangel an Selbstgefühl und politischer Kraft, welcher in der jetzt lebenden Generation überall sichtbar wird. Mit hohem Fürstensinn hat er seit dem Jahre 1848 stets als Vorkämpfer auf der Seite gestanden, auf welcher die Vertreter der deutschen Interessen zu finden waren. Er begrüßte die Nationalversammlung zu Frankfurt als einen großen Fortschritt in der Bildung unserer staatlichen Zustände, obgleich er als Souverain eher, als ein Anderer einsah, daß ihre Aufgabe nicht vollständig zu lösen sein würde. Nach ihrer Auflösung sah er in dem Dreikönigsbündniß und der Union der kleinern deutschen Staaten mit Preußen die einzige Möglichkeit, [267] bessere Zustände herbeizuführen, größere Einheit, mächtigere Kraftentwickelung gegenüber dem Auslande. Er war einer der deutschen Souveraine, welche am Festesten am Bündniß hielten; er war der thätigste Theilnehmer, der Führer der patriotischen Fürstenpartei bis zu jenem Fürstencongreß in Berlin, den er selbst hervorgerufen und auf welchem von den Regierenden selbst der letzte Versuch gemacht wurde, den alten Bundestag zu vermeiden und den Grund zu legen zu einem festen deutschen Staatsbau. Er war damals der Feuergeist, welcher, als Sprecher der Fürsten, der patriotischen und hohen Gesinnung, die außer ihm die Großherzöge von Oldenburg und Weimar, der ritterliche Herzog von Braunschweig und andere kundgaben, Ausdruck und Form gab. Vieles Charakteristische erzählt man sich in seiner Umgebung über sein damaliges Auftreten gegen die lauten und heimlichen Feinde der Fürstenunion. Aber was der Herzog gewollt hatte für Deutschland und für Preußen, das war durch die russischen Drohungen und die preußische Regierung selbst vereitelt worden, und wohl hätte der Herzog manchen persönlichen Grund gehabt, sich selbst für verletzt zu halten und von der politischen Thätigkeit zum Vortheil einer Regierung zurückzuziehen, welche selbst ihren Vortheil so wenig verstand. Daß er Dies nicht that, daß er fortwährend treu zu Preußen hielt, das ist sein großes staatsmännisches Verdienst. Soweit sich aus der Ferne seine Ansichten beurtheilen lassen, wurzelt in ihm die feste Ueberzeugung, daß das preußische Volk und sein Staat bei der gegenwärtigen Lage Deutschlands die einzige Macht ist, von welcher große und dauernde Kraftanstrengungen für Gestaltung einer bessern deutschen Zukunft zu erwarten sind. Seine Thätigkeit in diesem Jahre zeigt, daß alle Schwächen und die zahlreichen Fehler der gegenwärtigen preußischen Regierung diese Ueberzeugung in ihm nicht erschüttert haben. Denn kaum war die Weltlage wieder so geworden, daß sich über alles Erwarten hinaus Vortheile für Deutschland aus der Konstellation hoffen ließen, so trat der Herzog wieder mit Vorstellungen und Mahnungen an die Lenker des preußischen Staats hervor. Mit leidenschaftlicher Begeisterung erscheint er gegenwärtig thätig, einen Anschluß der beiden Großmächte Deutschlands an den Westen herbeizuführen.

Gewiß hat er die Ansicht, daß die großen Verwickelungen, welche über Europa hereingebrochen sind, auch unerwartete Veränderungen in Deutschland herbeiführen müssen. Es ist ihm sicher nicht verborgen, daß die nächste große Katastrophe, wenn sie überhaupt eintritt, die Verhältnisse mancher souverainen Fürsten wesentlich umgestalten würde, und es gehört eine nicht gewöhnliche Selbstverleugnung dazu, wenn er trotzdem für das allgemeine deutsche Interesse arbeitet. Gegner und unverständige Lobredner haben in persönlichem Ehrgeiz das Motiv seiner jüngsten politischen Thätigkeit gesucht. Es ist anzunehmen, daß der Herzog Ehrgeiz besitzt, sicher aber nicht den kleinen Ehrgeiz, für sich selbst Etwas aus den Trümmern der alten Verhältnisse zu erbeuten; denn hätte er solche Hintergedanken, so würde sein rücksichtsloses, Hausinteressen und Regentenansichten wenig schonendes Vorgehen im höchsten Grade unpolitisch gewesen sein, weil es mehr geeignet war, ihm diplomatische Gegner, als Freunde zu machen. Wohl aber ist sein Ehrgeiz der einer tüchtigen und edlen Natur, welche das kleinere Interesse vergißt über dem höchsten Interesse des deutschen Vaterlandes. Es ist der Ehrgeiz, welchen jeder Patriot haben muß, den seine edle Natur und sein für alle idealen Gefühle empfänglicher Geist in vorzüglichem Grade ausgebildet hat, zu arbeiten, rastlos thätig zu sein und vorwärts zu treiben für ein großes, der höchsten Einsätze würdiges Ziel, für Deutschland selbst. Auf der andern Seite soll man aber auch nicht vergessen, daß der Herzog ein deutscher Fürst ist und den Stolz eines Fürsten hat, mit großen Mitteln und, so viel als möglich, durch eigene Kraft das Gute zu fördern. Politische Feinde und abgeschmackte Lobredner haben ihn hie und da zu schildern versucht als einen Demagogen, der gegen die Interessen seines Standes es nicht verschmähe, um die launische Volksgunst zu werben. Wer den Herzog persönlich kennt, weiß, daß bei seiner großen politischen Freisinnigkeit – dies Wort im besten Sinne gefaßt – doch auch ein starkes Gefühl von deutscher Fürstenehre und Größe in ihm lebt, daß er zwar oft veranlaßt ist, als Staatsmann für seine Zwecke Propaganda zu machen, aber dabei ein lebendiges Gefühl der Verachtung gegen Das empfindet, was man eine wohlfeile Popularität nennt. Er unterscheidet sich von manchem andern Souverain gerade dadurch, daß er Beruf und Pflicht eines deutschen Fürsten in der Gegenwart höher und größer auffaßt, und daß er, der durch seine Bildung, seine Familienverbindungen und eigene Anschauung die größten Staatsverhältnisse der Welt näher kennen gelernt hat, wahrscheinlich seine eigene Bedeutung als regierender Fürst in einer größern oder kleinern Landschaft Deutschlands nicht so hoch anschlägt, als andere Souveraine die ihrige. Ja es ist wohl möglich, obgleich auch seine nähere Umgebung darüber aus seinem Munde Nichts erfahren wird, daß er, der deutsche Regent, gerade das politische Scheinleben der Klein- und Mittelstaaten und ihre inneren Leiden so gründlich kennen gelernt hat. daß ihm die Regierung einer solchen Parcelle, gleichviel ob sie Königreich oder Herzogthum heißt, nicht als ein des höchsten Strebens würdiges Ziel erscheint.

So ist in flüchtigen Strichen der Charakter und das Wesen des liebenswürdigen Fürsten gezeichnet, welcher mehr als ein anderer das Prädicat „der Deutsche“ verdient. Ein bekannter Staatsmann gab als summirendes Urtheil über ihn den Ausspruch: „Er ist ein Kind seiner Zeit und kann daher vor den übrigen regierenden Fürsten in dem Sinne seiner Zeit handeln.“

Sie haben, lieber Freund, von einem Maler ein Bild verlangt; ich habe das Portrait in warmer Sommerbeleuchtung gemalt, mit der Liebe und Verehrung, welche ich auch in der Ferne für den Herzog empfinde. Ich hoffe, es wird Ihnen nicht nur den Eindruck machen, daß es einen warmen Ton hat, sondern auch, daß es Nichts als die Wahrheit enthält.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Raden Saleh; Vorlage: Japanesen Rhaden-Saleh