Ein Name für das erste deutsche Kriegsschiff

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: J. Venedey
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Ein Name für das erste deutsche Kriegsschiff
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 1–2, S. 14–15; 23–24
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1864
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Reminiszenz an ein deutsch-dänisches Kriegsscharmützel von 1849
Reihe: Aus jüngstvergangenen Tagen
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[14]
Aus jüngstvergangenen Tagen.
Nr. 3. Ein Name für das erste deutsche Kriegsschiff.

In der Sitzung des Frankfurter Parlamentsvom 31. August 1848 wurde über das deutsche Reichsbanner und die deutsche Flagge verhandelt. Gagern schlug für letztere den doppelten schwarzen Adler mit abgewendeten Köpfen, ausgeschlagenen rothen Zungen, goldenen Schnäbeln und dergleichen offenen Fängen in goldenem Felde vor.

„Gold in Gold,“ wurde hiergegen eingewendet, „sieht man ja nicht; goldene Klauen und goldene Schnäbel in goldenem Felde verschwinden, – so kann der deutsche Adler wohl zwei Köpfe, aber weder Schnäbel noch Klauen haben.“

„Ich kann das Amendement nicht mehr zulassen,“ erwiderte der Vorsitzende, und der Doppeladler wurde ohne Klauen und Schnäbel in die Welt hinausgejagt.

Beim Schluß dieser Verhandlung schlug dann dasselbe Parlamentsmitglied, das vor dem Adler ohne Klauen und Schnäbel gewarnt, noch zusätzlich vor, einen allgemeinen Beschluß zu fassen, daß jedes deutsche Kriegsschiff, welches ein feindliches Kriegsschiff mit mehr als 20 Kanonen einbringe, einen Preis von 50.000 Thlr. erhalten, das gewonnene Kriegsschiff den Namen des Capitains, der es eingebracht, führen, und sobald das Schiff untauglich werde, das nächste neuerbaute den Namen verewigen solle.

Präsident: „Ich stelle die Frage an den Herrn Antragsteller, ob er diesen Antrag als dringlich bezeichnet?“ „Heiterkeit“ steht nach dieser Aeußerung des Präsidenten in den stenographischen Berichten. Die Dringlichkeit wurde natürlich abgelehnt, der Antrag an eine Commission verwiesen, und hier – begraben.

Wäre der Antrag nicht mit Hohn zurückgewiesen worden, so hätte Capitain Jungmann nicht zwölf Jahre um das Gnadenbrod betteln müssen, und die Gefion hieße – Theodor Preußer.

Der Fünfziger-Ausschuß hatte der allgemeinen Stimmung im deutschen Volke Ausdruck gegeben, als er die preußische Regierung zwang, die Dänen aus Schleswig-Holstein zu vertreiben. Vielen aber that der Zwang wehe, und in dem Augenblicke, wo die preußischen Garden das Dannevirk erstürmt hatten, erhoben die Gardeofficiere den Ruf: „Es lebe der Prinz von Preußen!“

Wohl wußte man recht gut, was mit diesem Ruf ausgedrückt werden sollte, noch aber schien es nicht an der Zeit das Panier der Reaction offen aufzustecken, noch kehrte man die freisinnige, die volksthümliche Richtung heraus und gab sich den Anschein in officiösen Schriftstücken den Wünschen der Nation Rechnung zu tragen.

Eine bekannte deutsche Großmacht aber schickte um diese Zeit an seinen Gesandten in Kopenhagen eine Note, in der sie dem Könige von Dänemark versicherte, daß der begonnene Krieg in Schleswig-Holstein keine andere Absicht habe, als die demokratischen, die republikanischen Elemente in Deutschland zu verhindern, sich dieser Frage zu bemächtigen, und daß Dänemark durch den Krieg keinen Schaden leiden solle, sondern in seiner ganzen Integrität aus demselben hervorgehen werde.

Der Malmöer Vertrag machte denn dem Kriege, der kein Ziel hatte, ein Ende zum Vortheile Dänemarks, zum Nachtheile Deutschlands, zum Verderben des Parlaments, zum Unheile für Schleswig-Holstein selbst.

Immerhin war aber dieser Friede nur ein fauler, weil er trotz aller Zugeständnisse die Dänen nicht befriedigte, weil diese – nach den Versicherungen der Diplomatie – vom Kriege noch mehr hoffen durften, als sie in dem Malmöer Vertrage bereits erlangt hatten.

Im nächstfolgenden Frühjahr hatte Dänemark alle Vorbereitungen getroffen, Holstein zurückzuerobern. Sein Heer war vollzählig und bereit zum Aufbruche; seine Kriegsschiffe warteten mit Ungeduld auf das Wort, das ihnen den Angriffspunkt bezeichne. In Deutschland herrschte allgemeine Mißstimmung; das Parlament war durch allerlei kluge und unkluge Ränke von rechts und links um das Ansehen gekommen, in welchem, nachdem der Antrag, ihm eine Parlamentswehr zu schaffen, schon im Fünfziger-Ausschusse gestellt und verworfen worden war, allein seine Macht bestanden hatte; der große Aufschwung des Frühjahrs von 1848 war vollkommen gebrochen; die „Reaction“ durfte schon offener hervorzutreten wagen; die dänische Regierung konnte hoffen, auf noch weniger ernsten Widerstand als schon im Jahre 1848 von Seiten der preußischen Hülfe in Holstein zu stoßen.

So kündigte sie jetzt den verhängnißvollen Malmöer Vertrag und gab voll Vertrauen die Losung zum Angriffe, vorerst für die Flotte. Siegesbewußt entfaltete diese ihre Segel und steuerte den holsteinischen Ufern zu. Am ersten Jahrestage der Eröffnung des Fünfziger-Ausschusses, des Tages, an welchem der Fünfziger-Ausschuß den Beschluß faßte, daß auch die Schleswiger zur Wahl für das erste deutsche Parlament zu berufen seien, am 4. April 1849 warf die stolze Flotte, das Linienschiff Christian VIII. mit 84 Kanonen, die Fregatte Gefion mit 56 Kanonen, zwei Dampfschiffe, eine Corvette, eine Brigg und zwei Transportschiffe, im Ganzen über 170 Kanonen gebietend, ihre Anker aus bei Noer, am Eingänge der Bucht von Eckernförde.

Eckernförde liegt ungefähr in gleicher Entfernung, etwa drei deutsche Meilen, von Kiel, Schleswig und Rendsburg, am Ufer eines Meerbusens, der einen der größten und schönsten Häfen der Ostsee bildet. Er lockte gewissermaßen die Dänen zur Landung. Gelang es ihnen, sich hier festzusetzen, so war Schleswig abgeschnitten und ganz Holstein von hier aus bedroht und beherrscht. Es war vorherzusehen, daß die Dänen hier eine Landung versuchen könnten; und im ganzen Lande ging das Gerücht, daß sie eine solche versuchen würden. Nichts destoweniger war für die Vertheidigung dieses schwachen und doch so bedeutenden Punktes so gut wie gar nicht gesorgt.

Die Bucht von Eckernförde erstreckt sich in meilenweitem Umfange von Osten nach Westen in’s Land hinein. Am äußersten Ende des Meerbusens liegt die kleine freundliche Stadt mit ihren 4000 Einwohnern. Die Nordseite der Bucht ist kahl und erhebt sich in kleinen Hügeln über die See, die Südseite trägt theilweise einen jener schattigen, duftigen, saftigen Buchenhaine, die den Buchten des Holsteiner Landes eine so tiefe und stille Andachtstimmung geben. Auf der Nordseite der Bucht, fast in der Mitte derselben, war auf einer Landzunge eine unbedeutende und unscheinbare Befestigung [15] von Erdwällen angebracht, in welcher acht Kanonen, unter diesen zwei 48pfündige Bombenkanonen, standen. Auf der Südseite der Bucht, kaum eine Viertelstunde von der Stadt, lag eine zweite Batterie von Erdwällen umgeben und von vier 18pfündigen Kanonen besetzt. In jener befehligte ein Hauptmann Jungmann (s. Jahrg. 1862, Nr. 32), in dieser ein Unterofficier Theodor Preußer. In Gettdorf, halben Weges zwischen Kiel und Eckernförde, war unter dem Herzog Ernst von Coburg-Gotha eine deutsche Brigade aufgestellt, um Kiel und Eckernförde zugleich zu Hülfe eilen zu können.

Am Morgen des 5. April um 61/2 Uhr lichteten die dänischen Kriegsschiffe die Anker. Ein frischer Ostwind schien sie zum Einlaufen in die Bucht einzuladen. Langsam und stolz segelte der Koloß Christian VIII. vorauf in die Bucht ein, ihm folgte die Gefion und in geringer Entfernung die Dampfschiffe. Eine halbe Stunde später lagen die beiden mächtigen Kriegsschiffe vor der Nordbatterie und begannen dann den ungleichen Kampf von hundertundvierzig Kanonen gegen acht.

Eine Breitseite nach der andern erschütterte die Luft, durchwühlte die Erde des nördlichen Ufers der Bucht, überschüttete die Batterie und ihre Umgebung mit Eisen und Sand. Aber eine Ladung des mächtigen Orlogschiffes um die andere wurde von den Kanonen der Nordbatterie beantwortet. Zwei volle Stunden dauerte der ungleiche Kampf, mehr denn einmal wurde die deutsche Fahne von den Wällen herabgeworfen, doch immer von der tapfern Besatzung dem Feinde zum Trotz wieder aufgepflanzt. Der größere Theil der Geschütze aber wurde allmählich unbrauchbar; die Besatzung, zum Theil getödtet, verwundet, übermüdet, leistete, trotz aller Aufmunterung ihres tapfern Hauptmanns, nach und nach nur noch schwachen Widerstand; endlich fehlte auch die Munition. Die Nordbatterie schwieg.

Mit freudigem Victoriaruf machten dann die beiden Kriegsschiffe eine Wendung, um auch die kleine Batterie an der Südseite des Hafens zum Schweigen zu bringen. Das Haupttagewerk war vollbracht; es galt nur noch eine Nachlese. „Nur die paar Kanonen dort noch, und der Tag ist gewonnen, Eckernförde unser!“ konnte siegesgewiß der Admiral der kleinen Flotte, Commandeur Paludan, seinen um ihn versammelten Officieren zurufen, als der Christian VIII. in majestätischer Ruhe auf die Südbatterie zusegelte.

Wie gesagt, in dieser vollkommen unscheinbaren, mit den gewöhnlichsten Erdwällen umgebenen Batterie standen vier Kanonen, Achtzehnpfünder; zweiunddreißig Artilleristen bedienten diese, und dreißig Mann Infanterie eines der thüringischen Contingente sollten die Batterie beschützen. Auf den beiden dänischen Kriegsschiffen waren 140 Kanonen und 1600 Mann bereit, dies kleine, letzte Hinderniß wegzublasen.

Der Befehlshaber der Südbatterie aber war Theodor Preußer. Er war der Sohn eines Soldaten, eines deutschen Majors des dänischen Heeres, im Jahre 1825 in Rendsburg geboren. Sein Vater hatte den dänischen Kriegsdienst aufgegeben, während der Sohn seine ersten Erfahrungen ebenfalls im dänischen Heere machte.

Bis zum Jahre 1814 gab es eine Kriegs- und Cadettenschule auch in Rendsburg. Die Dänen waren die letzten Bundesgenossen Napoleon’s I. in Deutschland gewesen; sie kämpften noch für ihn in Deutschland, als er selbst bereits über den Rhein zurückgeworfen war. Der Keim des Deutschenhasses treibt in der ganzen Geschichte Dänemarks mit jeder neuen Lebensthätigkeit des dänischen Völkchens immer wieder neue Früchte. Und das erklärt sich von selbst, weil Dänemark seit Jahrhunderten, ja von Anfang seiner Geschichte an, immer auf Kosten Deutschlands Macht, Ansehen und Wohlstand zu erringen gesucht hat. Der Aufschwung, den die deutsche Nation 1813 nahm, richtete sich auch gegen Dänemark im Bunde mit Frankreich, und die Dänen ahnten mehr als andere Völker, daß Deutschland durch die Bewegung von 1813 einer neuen Zukunft deutscher Größe entgegengehe. Von der Stunde an steigerte sich von Neuem das Mißtrauen, die Eifersüchtelei der Dänen gegen ihre deutschen Mitbürger unter der dänischen Krone. Eine der Folgen dieser Stimmung war es, daß die Kriegsschule und das Cadettenhaus von Rendsburg schon 1814 nach Kopenhagen verlegt wurde.

Hierhin mußten von nun an die Deutschen unter dänischer Herrschaft wandern, die sich dem Kriegswerke widmen wollten. Auch der Major Preußer schickte seinen Sohn, als er das Alter erlangt hatte, in dem er seinen Beruf wählen mußte, nach Kopenhagen auf die Kriegsschule. Aber schon nach Jahr und Tag trat Theodor Preußer aus dem Kopenhagener Cadettenhause und aus dem dänischen Kriegsdienste wieder aus und wurde Landwirth. – Er theilte hierin das Geschick nicht weniger deutscher Jünglinge aus Schleswig-Holstein, die wie er dem Soldatenstande sich widmen wollten, und denen dann in Kopenhagen ihr Beruf auf jede Weise verleidet wurde. Die Dänen spielten hier die Hauptrolle; mit bewußtem oder aus unbewußtem Nationalhasse suchten die Oberofficiere, Lehrer und Cadetten den Deutschen den Dienst zu verleiden. Jede Neckerei, jeder Hohn, jede Zurücksetzung war hier ein gutes Mittel zum Ziele. Nur wer nach und nach sein Deutschthum verleugnen, verstecken lernte, wurde endlich von den Dänen als vollgültig und ebenbürtig angenommen.

Wie manche Stunde bittern Zornes, stillen Hasses, verbissener Verzweiflung mag dem Entschlusse Theodor Preußer’s, wie dem so vieler wackern Deutschen, die wie er sich in diese Laufbahn wagten und aus ihr hinausgedrängt wurden, vorhergegangen sein, ehe er seinen Degen hinwarf und zu Pflug und Schaufel griff!

Wenige Jahre nachher fand der Kriegsruf Schleswig-Holsteins ihn am Pfluge, und trieb ihn als Freiwilligen in das junge deutsche nordalbingische Heer. Er wurde Unterofficier in der Artillerie, und ihm war die Vertheidigung der Südbatterie des Hafens von Eckernförde übertragen. !

[23] Preußer war Soldat genug, um mit dem ersten Erscheinen der dänischen Schiffe in der Bucht von Eckernförde vorherzusehen, daß es zum entscheidenden Kampfe kommen werde. Die ganze Nacht hindurch hatte er Alles vorbereitet, um glühende Kugeln so viel als möglich vorräthig zu haben. Sein Entschluß stand fest, dem Vaterlande sich bis zum letzten Athemzuge zu widmen und den Dänen den Hohn, der ihn aus seiner Kriegslaufbahn hinausgetrieben hatte, heimzuzahlen. Jedes Wort, das er im Laufe der Nacht und am Morgen des Kampftages zu seinen Cameraden sprach, war eine Ermuthigung, eine Aufmunterung. Meist waren es kecke Witzworte, beißender Hohn gegen die Dänen, die diese Ermuthigungen würzten. Dann belehrte er seine tapfern Kanoniere, daß es nicht nöthig sei, ohne Nutzen sich bloßzustellen. „Wir werden das Feuer der Kanonen auf den Schiffen sehen, ehe die Kugeln uns nahekommen. So oft wir es sehen, bückt Euch, duckt Euch hinter die Erdwälle; das macht Euch keine Schande, wenn Ihr sonst tapfer aushaltet und gleich wieder an den Kanonen seid, um zu antworten. Immer ruhig, immer lustig, Ihr Jungens; wir wollen den Dänen heiß machen.“

Während die beiden Kriegsschiffe die Nordbatterie beschossen, schickten dieselben nur selten ein paar Kugeln gegen die Südbatterie, die ihrerseits der Entfernung wegen kaum mit großem Erfolge antworten konnte. Der zweistündige Kampf gegen die Nordbatterie gewöhnte aber die Besatzung der Südbatterie wenigstens an das furchtbare Schauspiel, das dieser Kampf bot und das ihnen selbst bevorstand.

Endlich schwieg die Nordbatterie; – endlich rückten die Tod und Verderben drohenden schwimmenden Festungen mit ihren 140 Feuerschlünden langsam über den blauen Spiegel der Bucht auf die Südbatterie zu. „Jungens, jetzt kommt die Reihe an uns! Wir wollen dem Dänen zeigen, mit wem er’s zu thun hat. Geben wir uns Alle das Wort und die Hand darauf, daß wir diese Batterie nicht verlassen, bis der letzte Mann von uns gefallen und die letzte Kugel verschossen ist.“ Sie reichten sich die Hände, als eben die erste Breitseite des Christian VIII. auf sie abgefeuert wurde. Mit einstimmigem „Hurrah!“ antworteten sie.

Dann begann der ungleiche Kampf. Eine Breitseite nach der andern durchwühlte die Erdwälle; immer antworteten die vier Kanonen der Batterie mit wohlgeziellen Schüssen von glühenden Kugeln. Eine nach der andern traf die Wände der Schiffe, daß man in der Batterie das Krachen derselben hörte und die tapfern Holsten jeden glücklichen Schuß mit einem glücklichen Witze in ihrem Plattdeutsch begleiteten. So oft die Breitseiten blitzten, lagen sie alle am Boden; so bald die Kugeln über sie weggesaust, standen sie wieder bei ihren Kanonen.

Nach einem Kampfe von etwa einer Stunde gingen der Batterie die glühenden Kugeln aus; eine derselben aber steckte dem Christian so in den Rippen, daß später sich ihre Wirkung im vollen Maße zeigte. Vorerst aber wurde der Kampf jetzt mit gewöhnlicher Kanonenladung fortgesetzt. Da riß eine dänische Kugel die deutsche Flagge der Batterie nieder. Und derselbe tapfere, besonnene Befehlshaber, der seinen Kanonieren rieth, sich hinter die Wälle zu bücken, wenn der Blitz auf den Schiffen den Kugeln vorhergehe, sprang jetzt auf die Brüstung der Batterie und pflanzte, kalt, ruhig und keck, die deutsche Fahne wieder auf.

Mit einem jubelnden „Hurrah!“ seine Mütze den Dänen zum Gruß schwingend, eilte er in die Batterie zurück und wurde dort mit freudigem Hurrah-Echo empfangen.

Vier volle Stunden dauerte dieser wunderbare Wettkampf, bis endlich nach zwei Uhr Nachmittags die beiden Kriegsschiffe ein Manöver begannen, dem man die Absicht ansah, die Schiffe vor der Batterie zurückzuziehen. Aber jetzt zeigte sich bald, daß dies nicht mehr möglich. In dem festen Vertrauen, daß die Südbatterie ihnen nur so zum Nachtische nach der Nordbatterie dienen werde, hatten die beiden Schiffe sich an eine Stelle gewagt, in deren nächster Nähe eine Sandbank liegt. Bei dem Versuche des Christian VIII., gegen den starken Ostwind lavirend, seine nicht länger geheuere Stellung zu verändern und dem Meere zuzusteuern, war derselbe auf diese Sandbank gerathen, so daß das Steuer den Dienst versagte. Gleichzeitig brach der Rauch aus den Luken des Schiffes hervor. Eine der glühenden Kugeln hatte gezündet und zwar auf einer Stelle, der nicht beizukommen war.

Alles das verdoppelte den Eifer der Besatzung der Südbatterie. Jetzt, wo der Christian festlag, so daß er seine Kanonen nicht einmal mehr auf die Batterie richten konnte, flogen die Kugeln von dieser nur um so lustiger ihm in die Wände, in den Rumpf hinein, über das Deck in die Besatzung, in die Masten und auch in das Takelwerk. Jeder Schuß traf. Da flatterte auf einmal eine weiße Fahne und kletterte geschäftig zur Spitze der Masten aus den Schiffen hinauf! – Der Sieg war errungen.

Wer will die Gefühle beschreiben, die beim Hissen der weißen Flagge auf den beiden Kriegskolossen in den Herzen der Besatzung der Südbatterie, in den Herzen der Bewohner von Eckernförde und der Landbauern der Umgegend aufstiegen, die herzugeströmt waren und von ferne dem Schauspiel mit höchster Seelenspannung zusahen! „Herr Gott, dich loben wir!“ In wie vielen Seelen mag der Gedanke widergeklungen sein, ehe er von Eckernförde bis zu den Alpen ganz Deutschland durchzog. Der Sieg war errungen, aber der Tag noch nicht zu Ende. Die Dänen forderten einen Waffenstillstand zur Unterhandlung. Der wurde gewährt. Bei der dann beginnenden Unterhandlung wollten sie zusagen, daß sie sich, ohne weiter die Stadt zu beschießen, zurückziehen würden, wenn man sie unbelästigt abrücken lasse. Sonst würden sie die Stadt in Grund und Boden zerstören. Die Bürger der Stadt selbst aber erklärten sich bereit, lieber Haus und Gut zu opfern, als schuld zu sein, daß um ihretwillen der Däne aus der Lage entschlüpfe, in die ihn die tapfere Besatzung der Südbatterie hineingetrieben hatte. Ergeben auf Gnade und Ungnade – war die einzige Bedingung, die ihnen gestellt wurde.

„So wollen wir kämpfen,“ – antworteten die Dänen-, die so tapfer sind, wie es die Germanen aller Stämme zu sein pflegen. Und so begann der Kampf von Neuem und bald zu noch größerem Nachtheile der in der That bereits vollkommen Besiegten. Während des Zweikampfes zwischen den Kriegsschiffen und der Nordbatterie war, durch die Kanonenschüsse gerufen, der Herzog Ernst von Coburg-Gotha an der Spitze eines Theiles seiner Brigade, und insbesondere mit der sechsten nassauischen Fußbatterie, auf den Kampfplatz geeilt. Diese Batterie, vier Geschütze, wurde jetzt hinter einer Erdbedeckung gegen das Linienschiff, kaum 400 Schritte von diesem, aufgestellt. Auch die Nordbatterie war wieder mit Schießbedarf versehen worden, so daß, als mit dem Glockenschlage vier der Waffenstillstand verstrichen war, nicht nur die beiden Strandbatterien den Kampf wieder begannen, sondern die Nassauer mit ihren Sechspfündern namentlich das Verdeck der Gefion durch Kartätschen fegten, so daß der Kampf hier sehr bald ein Ende erreichte.

Nun rief der Christian VIII. durch Signale einen Dampfer herbei als letzte Rettung, um ihn aus der Bucht hinanszuschleppen. Aber kaum im Bereiche der Nordbatterie, erhielt der Dampfer mehrere Schüsse in Rad und Maschine, so daß dieser selbst nur im raschen Rückzuge Rettung fand. Von da an kämpften die Dänen nur noch den Verzweiflungskampf um ihre Ehre, und sie kämpften ihn in der Lage, in der sie sich befanden, so ehrenvoll, wie er selten gekämpft wurde. Sie beschossen die Stadt, die Kugeln zerrissen die Häuser, in „Christians Pfeghaus“ – ein Pathenkind des Königs Christian VIII., wie jenes Schiff, das dem Untergange geweiht war – drang eine Kugel durch zwei Mauern, und zerriß eine alte kranke Frau von achtzig Jahren. Sie brachte die Botschaft des Sieges in jene Welt, denn dieses Opfer war eines der letzten des Tages.

Es war dem Befehlshaber des Christian nicht zweifelhaft, daß sein Schiff, von einem Feuer, dem nicht beizukommen war, [24] verzehrt, in höchster Gefahr schwebte, während die Gefion unablässig von den Kartätschen der Nassauer unter ihrem tapfern Hauptmann Müller gepeitscht wurde. Die Hälfte der Besatzung lag todt oder verwundet auf dem Deck und in den Räumen, – ehe endlich der Danebrog auf den beiden Schiffen das stolze Haupt senkte und der Commandeur Paludan das Parlamentairboot bestieg, um mit seinem Degen die beiden Schiffe dem glücklichen Befehlshaber des Platzes, dem Herzog Ernst von Coburg, zu übergeben.

Christian VIII. stand in Flammen. Fast dreihundert Verwundete waren in der höchsten Gefahr, lebendig zu verbrennen, und mit ihnen die tapfersten der dänischen Seeofficiere, die selbst in dieser Gefahr sich geweigert hatten, ihrem Befehlshaber zur Uebergabe ihrer Degen an’s Land zu folgen. Ob da Theodor Preußer vielleicht daran gedacht, daß unter diesen der Eine oder Andere seiner Schulgenossen im Cadettenhause zu Kopenhagen sein möchte? Ob er da des Spottes, des Hohnes sich erinnert, mit dem die Dänen ihn aus dem Kriegsdienste vertrieben hatten? –

„Die Verwundeten müssen gerettet sein,“ war sein einziger Gedanke. Preußer befahl den Booten, auf welchen die Dänen gelandet, zurückzukehren und die Verwundeten zu retten. Er selbst trat in das erste, welches vom Lande wieder abstieß, und übernahm die Leitung dieses edlen Rettungswerkes. „Das Schiff ist in höchster Gefahr, in die Luft zu fliegen,“ riefen ihm befreundete Stimmen zu. – „Retten wir die Verwundeten!“ war seine Antwort. So trat er auf das Verdeck. Hier legte er selbst Hand mit an, sorgte, daß, so viel die Boote fassen konnten, Verwundete hineingebracht wurden, und befahl, so oft eines gefüllt, an’s Ufer zurückzukehren. Rettend, helfend, sorgend für die Unglücklichen, stand der Sieger zwischen den Besiegten – als ein furchtbarer Schlag die Luft zerriß. Das Schiff war aufgeflogen. In der Dampf- und Feuersäule, unter zahllosen Leichen und Splittern flog auch die Leiche Theodor Preußer’s mit in die Luft, um dann in den blauen Wogen der Bucht von Eckernförde begraben zu werden. – Die ganze Nacht hindurch brannte der Rumpf des gewaltigen Schiffes lichterlohe bis zum Spiegel des Wassers, ein Katafalk, so großartig, wie sie bei den größten Leichenfesten von Fürsten und Herrschern nie vorgekommen.

Der Befehlshaber der schleswig-holsteinschen Armee aber ernannte den Todten – nachträglich zum Lieutenant; und so lange die schleswig-holsteinsche Armee bestand, wurde bei jedem Appell der Name „Theodor Preußer“ in seiner Compagnie aufgerufen, worauf dann der älteste Unterofficier antwortete: „Hier!“

„Hier!“ – Daß dies Wort zur That werde, sobald die deutsche Nation wieder eines Theodor Preußer bedarf! – Und wieder saßen die Herren zu Frankfurt und beriethen das Heil der Nation. Da trat der Kriegsminister von Peuker auf und erzählte mit stolzen Worten die That Preußer’s und Jungmann’s und setzte hinzu, daß „damit das erste derartige Kriegsschiff (eine Fregatte) der deutschen Flotte zugeführt worden“ und daß in Zukunft die Gefion – Eckernförde heißen solle. Selbst das war den Herrscherlingen, die bald nach jenem Tage einer großen That wieder Oberwasser erlangten, zu viel. Preußen kaufte die „Eckernförde“, als der Bundestag sie unter den Hammer brachte und – taufte sie wieder um – zur Gefion, den Dänen zu Ehren! – Nachdem der Beifallssturm, den die Worte des Kriegsministers hervorgerufen, verrauscht war, trat jenes Parlamentsmitglied wieder auf und erinnerte an seinen frühern für nicht dringlich erklärten Antrag, daß, wer das erste feindliche Kriegsschiff wegnehme, eine National-Belohnung erlangen und sein Name dem Schiffe, das er erobert, bleiben solle. Der Marineausschuß hatte den Antrag vergessen. „Theodor Preußer“ muß das erste Kriegsschiff heißen, sobald Deutschland wieder deutsche Kriegsschiffe hat.
J. Venedey.