Ein Schul-Examen
Ein Schul-Examen.
In einem Dorf in Sachsen war
Schulprüfung, wie noch jedes Jahr:
Zu des Schulmeisters Qual und Pein
Fand sich der Schulrat pünktlich ein;
Und fand, die Jungen wussten mehr,
Als er – sich liess vermuten,
Das stimmt ihn nur zum Guten.
Nur eins missfiel ihm in der That,
Wie es im Dorfe grade Brauch;
So fragt er unter anderm auch:
»Du dort am Fenster, sage mir,
Was ist denn das wohl für ein Tier,
Und dort im Grase satt sich frisst?«
Der Knabe schaut durchs Fenster ’raus
Und ruft mit kräft’ger Stimme aus:
»Sie denken wohl, das weess ich nich?
Sprich hochdeutsch, wenn der Rat dich fragt
Du hast es richtig sonst gesagt!« –
»Nu ’s is ’ne Zicke! – wersch doch wissen,
Se hat mich oft ins Gras geschmissen.«
Wie heisst du?« – »Rippel Fritze!« –
»Gut! Rippel Fritze, sag’ du mir,
Wie nennst du hochdeutsch jenes Tier?«
»’ne Zicke!« drauf wie nicht gescheit
»Sprichst du mit Michel, eurem Knecht,
Mein lieber Sohn, so hast du recht,
Doch wenn der Schulrat dich thut fragen,
Musst du es richtig hochdeutsch sagen.«
Der Rat verbeisst das Lachen sich,
Fragt weiter, jeder bleibt dabei,
Dass das Tier eine Zicke sei.
Da stürzt in der Verzweifelung,
Zum Fenster hin, brummt in den Bart:
»Das is ooch ’ne kuriose Art,
Was der nur will, ich weess es dock,
Mer han in Dorf gar keenen Bock;
Ich will’n schunt de Antwort sagen«
Drauf stellt er sich in Position
Und spricht: »Herr Rat! – Mit Permission!
Sie mach’n die Kinder mäuseldrätig,
Sie mee’n: dass mer uns recht verstehn,
Das Tier, was mer da fressen sehn?«
»Ja!« – »Und bricht mersch ooch’s Genicke, –
»’s is werklich eene Zicke!« –