Ein Schul-Examen

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Ludwig Menzel
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Ein Schul-Examen
Untertitel:
aus: Die zehnte Muse. Dichtungen vom Brettl und fürs Brettl. S. 359–360
Herausgeber: Maximilian Bern
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1904
Verlag: Otto Eisner
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons = Google-USA*
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[359]

Ein Schul-Examen.

In einem Dorf in Sachsen war
Schulprüfung, wie noch jedes Jahr:
Zu des Schulmeisters Qual und Pein
Fand sich der Schulrat pünktlich ein;

5
Er fraget hin, er fraget her

Und fand, die Jungen wussten mehr,
Als er – sich liess vermuten,
Das stimmt ihn nur zum Guten.
Nur eins missfiel ihm in der That,

10
Die Kleinen sprachen alle platt,

Wie es im Dorfe grade Brauch;
So fragt er unter anderm auch:
»Du dort am Fenster, sage mir,
Was ist denn das wohl für ein Tier,

15
Das an den Pfahl gebunden ist

Und dort im Grase satt sich frisst?«
Der Knabe schaut durchs Fenster ’raus
Und ruft mit kräft’ger Stimme aus:
»Sie denken wohl, das weess ich nich?

20
Das is’ ne Zicke!« »Noch einmal, sprich,

Sprich hochdeutsch, wenn der Rat dich fragt
Du hast es richtig sonst gesagt!« –
»Nu ’s is ’ne Zicke! – wersch doch wissen,
Se hat mich oft ins Gras geschmissen.«

25
»Du Nachbar mit der Zipfelmütze,

Wie heisst du?« – »Rippel Fritze!« –
»Gut! Rippel Fritze, sag’ du mir,
Wie nennst du hochdeutsch jenes Tier?«
»’ne Zicke!« drauf wie nicht gescheit

30
Der kleine dicke Bengel schreit.
[360]

»Sprichst du mit Michel, eurem Knecht,
Mein lieber Sohn, so hast du recht,
Doch wenn der Schulrat dich thut fragen,
Musst du es richtig hochdeutsch sagen.«

35
»’ne Zicke! andersch weess ich’s nich.«

Der Rat verbeisst das Lachen sich,
Fragt weiter, jeder bleibt dabei,
Dass das Tier eine Zicke sei.
Da stürzt in der Verzweifelung,

40
Der Schulmeister mit einem Sprung

Zum Fenster hin, brummt in den Bart:
»Das is ooch ’ne kuriose Art,
Was der nur will, ich weess es dock,
Mer han in Dorf gar keenen Bock;

45
Ich lass mich nich ins Bockshorn jagen,

Ich will’n schunt de Antwort sagen«
Drauf stellt er sich in Position
Und spricht: »Herr Rat! – Mit Permission!
Sie mach’n die Kinder mäuseldrätig,

50
Zur Antwort bin ooch ich erbötig,

Sie mee’n: dass mer uns recht verstehn,
Das Tier, was mer da fressen sehn?«
»Ja!« – »Und bricht mersch ooch’s Genicke, –
»’s is werklich eene Zicke!« –


Ludwig Menzel.