Ein Sperling als Briefträger

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Textdaten
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Autor: Alfred Brehm
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Titel: Ein Sperling als Briefträger
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 9, S. 144
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1860
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[144] Ein Sperling als Briefträger. Die Wittwe des Philosophen Helvetius liebte alle kleinen Vögel ungemein und suchte sie zu schützen, so viel in ihren Kräften stand. Während des Winters reinigte sie jederzeit ihren Altan von Schnee und streuete dort für die kleineren Körnerfresser Nahrung hin. Eines Tagen erschien einer ihrer besonderen Lieblinge, ein Haussperling, welcher der Dame so viel Vertrauen schenkte, daß er ihr aus der Hand fraß, mit einem aus dem abgeschnittenen Finger einen Handschuh gefertigten Beutelchen am Halse und flog seiner Wohlthäterin sogleich auf die vorgehaltene Hand, gleichsam bittend, ihn doch von seiner Last befreien zu wollen. Die Dame nahm ihm das Beutelchen ab und fand in demselben ein Zettelchen mit den Worten: „Rechtliche Leute Ihrer Nachbarschaft entbehren des Nöthigsten; werden Sie für dieselben weniger thun, als für ihre kleine gefiederte Familie, welcher Sie jeden Morgen so große Wohlthaten erzeigen?“ Die gute Dame besann sich keinen Augenblick lang, sondern eilte zu ihrem Schreibpulte, nahm eine Banknote von ziemlichem Werthe aus demselben, steckte sie in das Beutelchen, fing ihren kleinen Briefträger, küßte ihn, übergab ihm das Geld und trieb ihn zum Wegfluge an. Wenige Tage später erschien der niedliche Bote wieder mit seinem Briefbeutel und folgender Antwort: „Sie haben einen achtbaren Künstler und seine zahlreiche Familie gerettet; Gott segne Sie dafür! Ihren gütig geleisteten Vorschuß erhalten Sie nächstes Frühjahr zurück.“ Und wirklich brachte der geflügelte Bote der mildherzigen Geberin zur rechten Zeit das als Darlehn betrachtete Almosen zurück, zugleich aber ein Dankschreiben folgenden Inhalts: „Wir bitten unsere verehrte Wohlthäterin, unserer Geldschuld uns zu entbinden, aber zu erlauben, daß wir die Dankesschuld, welche sie in unsere Herzen eingegraben hat, für immer in diesen bewahren dürfen, weil wir ja doch niemals im Stande sein können, sie zu tilgen.“ – Der Erzähler dieser verbürgten Geschichte fügt hinzu, daß der Sperling später noch einen Besuch bei seiner Gönnerin abstattete und von dieser festgehalten wurde, um womöglich die Familie kennen zu lernen, in welcher er aufgezogen worden war. Und diese Absicht wurde auch vom Erfolge gekrönt; denn seine Herrin, die Tochter des Künstlers, bat durch die Zeitungen um Rückgabe ihres Lieblings, und Frau Helvetius erlangte hierdurch Gelegenheit, den Wünschen ihres Herzens vollständig Genüge zu leisten.
Dr. Brehm.