Ein Weihnachtsbaum für unsere Ostsee-Deutschen

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Textdaten
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Autor: Die Redaction der Gartenlaube
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Titel: Ein Weihnachtsbaum für unsere Ostsee-Deutschen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 49, S. 814
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1872
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Ein Weihnachtsbaum für unsere Ostsee-Deutschen.


Auch ohne die zahlreichen Aufforderungen, welche in Folge der Verheerungen der Sturmfluth am dreizehnten November von der schleswigschen Küste bis nach Memel hinauf direct an die Redaction der Gartenlaube ergangen sind, würde dieselbe ihren altbewährten Opferstock für deutsches Unglück wieder aufgestellt haben, denn unverschuldeteres Unheil hat in so furchtbarem Maßstabe noch nie eine ärmere, mühseliger und gefahrvoller um ihr täglich Brod ringende Bevölkerung getroffen.

Gegen Feuersgefahr, Hagelschlag und regelmäßig wiederkehrende Wassersnoth kann der Besitzende sich versichern; wie aber soll der arme Fischer und Strandbewohner seine Boote, Netze und sein Wiesen- und Ackerland gegen eine Zerstörung versichern, die nur nach Jahrhunderten wiederkehrt? Einhundertachtundsiebenzig Jahre sind seit jener Sturmfluth von 1694 verflossen, von welcher die Chronik der Ostseeländer eine gleiche Zerstörung berichtet.

Keine Schuld trifft die Bewohner unserer Ostseeküsten auch hinsichtlich des Dämme- und Dünenschutzes, der ja ihre Lebensbedingung ist. Denn trotz der hier und da und an den gefährdetsten Stellen drei- und vierfachen Dünenreihen bis zu vierzig Fuß Höhe, hinter denen seit Jahrhunderten die Menschen sicher wohnten, brach sie alle der Wogensturm, und das wildeste Meer rollte in furchtbarer Freiheit über das mit unsäglichem Fleiß gepflegte Land. Und als seine Wellen zurückkehrten, was haben sie hinterlassen? Da ist kein Weg, kein Steg, kein Baum, kein Haus, kein Halm, kein Acker mehr zu sehen – nur Mauer- und Balkengerippe, und zwischen den Trümmern von Hab und Gut die Leichen der Menschen und Thiere. – Und wo die Vernichtung nicht so weit gediehen – wo die Häuser noch stehen und die Leben gerettet sind, da sind alle Vorräthe in Keller und Kammern verdorben, die Brunnen mit dem Salzwasser des Meeres überfluthet, Möbel und Kleider, Holz und Torf fortgeschwemmt, kein Bett mehr für Alte, Kinder und Kranke, Schlamm und Sand in den Häusern, und vor der Thür der nagende Hunger! –

Darum rasch zur That! – Wohl ist zu erwarten, daß das Reich mit seinen Mitteln dieser Nationalnoth zu Hülfe kommen werde, aber Niemand soll uns vorwerfen, daß wir auf „Franzosengeld“ gewartet hätten, um deutsche Brüder vom Verderben zu retten. Rasch zur That, – wenn nicht der Tod durch ausbrechende Seuchen eine schreckliche Nachernte halten soll. Der Opferstock der Gartenlaube ist aufgethan: deutsche Ehre und Liebe führe Jedem die spendende Hand!

Wenn die Gartenlaube auch, aus vielmals veröffentlichten Ursachen, später als alle anderen Blätter mit ihrem Aufrufe hervortreten kann, so kommt sie vielleicht doch noch zurecht, um hier und da Vorsteher von Liedertafeln und Dilettantenvereinen, großen und kleinen Erholungs- und Spiel-Gesellschaften ebenso, wie die Lehrer unserer Schulen in den Städten und auf dem Lande um Sammlungen mit oder ohne öffentliche Aufführungen in ihren betreffenden Wirkungsstätten zu bitten. In diesen Kreisen fand die Gartenlaube stets die reichhaltigsten Segensquellen für alle vom Unglück Verfolgten, und so wird es sicherlich auch diesmal sein.

Vor Allem möchten wir ihnen und uns eine Aufgabe stellen, an welche in dieser Zeit dringendster Noth für die Bedürfnisse des Augenblicks von den Hülfesuchenden selbst nicht gedacht werden kann! Wir stehen im Christmonat! Wenn Alle, die dieses lesen, eiligst helfen, so könnten wir es wohl noch dahin bringen, daß Hunderten der armen Kinder an der Ostsee ihr Weihnachtsbäumchen nicht ganz verkümmert würde! Nur müssen wir dann bitten, nicht Waaren, welche erst auf Herstellung warten müssen, sondern uns Geld zu schicken, für das sich überall das Nöthige und Erwünschte in kürzester Zeit schaffen läßt.

Für diesen Gedanken möchten wir ganz besonders die Lehrer und Kinder der Schulen begeistern! Und nun Glück auf zur That!




Erste Quittung der Gaben für unsere Ostsee-Deutschen.

Gleichzeitig mit den ersten Hülferufen aus dem Norden gingen vorläufig nachfolgende Gaben an uns ein:

L. K. in L. 10 Thlr. – Im Sinne eines Heimgegangenen 10 Thlr. – Dr. Fr. Hofmann 5 Thlr. – Redaction der Gartenlaube 50 Thlr. – Alex. Wiede 15 Thlr. – Dr. Ernst Ziel in Leipzig 5 Thlr. – 10 Thlr. von A. in Weimar, mit einem poetischen Aufrufe: „Zur Hülfe!“, in dessen Schlußreim wir mit ganzem Herzen einstimmen: „Zu Hülfe mit vollen Händen! Zu Hülfe, den Jammer zu enden!“ – Wilhelm Bauer, der todkranke, selbst verarmte Ludwigsheber und Submarine-Ingenieur, dem einst ganz Deutschland zugejubelt, sendet sein einziges Kleinod, seinen goldenen Siegelring mit seinem Namenszuge – „als Zeichen seiner Dankbarkeit für die vielen Liebesthaten, welche er 1851 in Kiel und später bei Hebung des Ludwig von dortigen Freunden erfahren“ und schließt mit dem Spruch:

„Eile, eile, warm von der Hand,
Wärmer noch vom fühlenden Herzen,
Eile zum deutschen Ostseestrand,
Lindre und stille die Thränen und Schmerzen!“

Wer bietet auf Wilhelm Bauer’s Siegelring? Dem höchsten Gebot wird er zugeschlagen.

Die Redaction der Gartenlaube.