Ein guter Stand
[756] Ein guter Stand. (Zu dem Bilde S. 753.) Die Hühnersuche ist vorüber, das Feld ist leer. Der Brunftschrei des Hirsches ist verklungen, und Nachtfrost und Sturm haben von Baum und Busch den herbstlichen, in bunter Farbenpracht leuchtenden Blätterschmuck mit rauher Hand abgestreift. Schon zieht aus der nordischen Brutheimath des Jägers Liebling, die Schnepfe, zurück, um nach kurzer Rast im Lande, wo die Citronen blühen, ihre Winterfreuden zu suchen, und Reineke, der Hochstapler mit den bestechenden Manieren, hat, weil’s ihm zu kalt geworden, sein dünnes Sommerjackett mit einem behäbigen Pelzrock vertauscht. Es will Winter werden. Jetzt beginnt die Zeit der Holztreibjagden, und Robert Schleich hat uns auf seinem Bilde „Ein guter Stand“ mitten in das frische lustige Jägerleben einer solchen hineingeführt.
Guten Anlauf haben, oft zu Schuß zu kommen, ist der sehnsüchtige Wunsch aller Jäger. Dieses Jagdglück aber kann vom Jagdgeber, wenn auch nur im beschränkten Maße, beeinflußt werden, denn er kennt ganz genau die Stände, über die beim Treiben erfahrungsmäßig das Wild gern wechselt, besonders aber die Fuchspässe. Daß auf diese kein unsicherer Schütze zu stehen kommt, daran braucht Freund Grünrock nicht erinnert zu werden. Im letzten Triebe hat er seinen Freund, den Hofstallmeister, auf den Fuchspaß an die Kreuzbuche, den besten Wechsel auf dem ganzen Revier, gestellt. Der Hofstallmeister ist aber auch ein Jäger, wie man sie suchen muß, und wenn seine Flinte spricht, so ists gewiß kein Salutschuß – Fehlschüsse kennt er nur dem Namen nach.
Kaum hat das Geklapper der Treiber begonnen, so steckt auch schon Meister Schlauberger sein rothes Spitzbubengesicht aus dem Gebüsch und sucht sich dann über die mit vertrockneten Disteln bewachsene Bahn aus dem Triebe zu stehlen. Aber langsam, vorsichtig hat sich die Flinte gehoben – es knallt – und ohne zu zucken hat Reineke die Strafe für seine vielen Frevelthaten verbüßt.
Der Fuchs ist am leichtesten von allem Wilde zu schießen, wenn man ruhig steht und man, wenn er vertraut antrabt, die Flinte an den Kopf zu kriegen weiß, ohne daß er das Blinken oder die Bewegung der Läufe sieht – das ist die Kunst für den Schützen. Sieht ein Hase sich was bewegen, so macht er häufig „einen Pfahl“ – ja selbst beim Fehlschuß kommt das vor – der Fuchs ist aber so neugierig nicht, blitzschnell ist er verschwunden.
Die Treibwehr rückt klappernd und schreiend näher – Hase hie! wehrt’n! wehrt’n! – Schnepfe, Tiro! – Erdmännchen, hu faß! Ein Reh! ’n Reh! Es knallt an allen Ecken – hier witscht Lampe über die Bahn, dort hoppelt er am Saume des Triebes entlang und dort sucht er sich hinter einem Busche zu drücken – immer begrüßt vom Geknatter der Flinten.
Jetzt, fast ist der Trieb schon beendigt, stürmt bei unserem Freunde an der dicken Buche noch ein Hase heraus – wieder knallt’s – und der arme Lampe überschlägt sich in elegantem Saltomortale und bleibt regungslos liegen.
Der Trieb ist zu Ende, die Treiber kommen aus der Dickung. Der alte Obertreiber tritt zu unserem Schützen: „Einen Fuchs und einen Hasen? Sieh mal einer an. Ja! die Kreuzbuche, die verläßt nicht, Herr Baron – die ist schon seit alters immer ‚ein guter Stand‘.“