Ein guter und ein schlechter Trinker

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Textdaten
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Autor: Otto Beneke
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Titel: Ein guter und ein schlechter Trinker
Untertitel:
aus: Hamburgische Geschichten und Sagen, S. 297–299
Herausgeber:
Auflage: 2. unveränderte Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Perthes-Besser & Mauke
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Erscheinungsort: Hamburg
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Quelle: Google, Commons
Kurzbeschreibung:
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[297]
101. Ein guter und ein schlechter Trinker.
(1637.)

Etwa um 1637 war ein Mann in Hamburg, ein Franzose, der hat, was das Trinken anbelangt, alle damaligen Hamburger übertroffen, die doch auch in diesem Betreff keine Anfänger waren, sondern was Ehrliches leisten konnten. Der Mann hieß Mr. Vinaut, und war einer der Mundköche des berühmten Grafen d’Avaux, welcher als Französischer Gesandter mit einem ansehnlichen Gefolge damals in Hamburg lebte, und später bei den Behandlungen des Westphälischen Friedens Frankreich vertrat. Mr. Vinaut, groß und rund wie eine Tonne, war in Paris bei allen Weinschenken und Garköchen so wohlberufen, daß man derzeit in allen Wirthsstuben sein Portrait sehen konnte; er rühmte sich, durch seine Kunst (des Kochens oder des Trinkens?) schon vier Herren ruinirt zu haben; ein gleiches Schicksal hoffte er auch Herrn d’Avaux zu bereiten, welcher ihn oft scherzend sein unergründliches Weinfaß nannte. Bei einem Gastmahle, welches der Rath zu Hamburg dem Gesandten gab, zeigte Vinaut auf Verlangen folgende Probe seiner Trinkfähigkeit. Er trat ans Ende der Tafel mit einem angezündeten halbpfündigen Licht in der Hand, während ein großer Eimer mit eisernem Bügel ganz voll Weins zu seinen Füßen stand, und nachdem er jedem einzelnen der 25 bei Tafel sitzenden Herren jedesmal ein vom Mundschenken frisch gefülltes tüchtiges Glas Wein zugetrunken hatte, nahm er das brennende Licht in den Mund, kauete und schlang es hinunter, worauf er (vermuthlich um dies seltsame Gericht besser zu verdauen) den Kopf auf den Eimer beugte, dessen Bügel um seinen Hals schlang, sich damit aufrecht in gute Positur stellte, den Eimer zierlich an die Lippen setzte, und dies geräumige Gefäß in einem Zuge, ohne abzusetzen, [298] leerte. Eine unglaublich scheinende Geschichte, die aber 25 der angesehensten Personen Frankreichs und Hamburgs als Augenzeugen bestätiget haben.

Der Graf d’Avaux gab übrigens zur Feier der Geburt eines Dauphins von Frankreich am 11. August in seinem Hotel in der Neustädter Fuhlentwiete ein überaus glänzendes Banquet, das Mr. Vinaut große Ehre gemacht hat. Vor dem Hause floß aus Springbrunnen rother und weißer Wein für Jedermann stundenlang, und die Armen-Häuser bekamen ganze Ochsen und Schaafe zum Verspeisen.


Möglich, daß Jan Dircksen, der Kirchspielsläufer, sich Mr. Vinaut als Vorbild genommen hatte, wenigstens trank er auch unmenschlich viel, aber mit geringerer Künstlichkeit und schließlich mit entschiedenem Unglück. Denn als Ao. 1646, am 29. August, das jährliche große Convivium der Herren Bürger-Capitaine auf dem Einbeck’schen Hause abgehalten wurde, da nahm Jan Dircksen, der mit den übrigen Kirchspielsläufern die Aufwartung dabei hatte, die gute Gelegenheit wahr, und trank, damit nichts umkomme, vom Ueberfluß der Heeren so erschrecklich viel in sich hinein, daß er zuletzt, mit Erlaubniß zu sagen, ganz vollgesoffen war. Solch Mißgeschick war Mr. Vinaut nie begegnet. Aber es kam noch ärger. Denn spät Abends, als Jan Dircksen heimwanken will, fällt er beim Einbeck’schen Hause in einen Rinnstein, der leider etwas tief war, so daß er nach einigen vergeblichen Versuchen wieder empor und auf die Beine zu kommen, sich in sein Geschick ergiebt und darin liegen bleibt, salva venia wie ein Schwein; auch alsobald in solchem unsäuberlichen Bette einschläft, in welchem ihn nächtlicher Dunkelheit wegen Keiner der noch Vorübergehenden bemerkt. Weil es nun Nachts stark [299] zu regnen beginnt (so erzählt die Chronik), so läuft jener Rinnstein ganz voll Wassers, und also ersoff der versoffene Kirchspielsläufer ganz elendiglich in der Gosse, und wurde am andern Morgen als ein todter Mann herausgezogen. Konnte man also wohl sagen: „der Tod ist der Sünde Sold.“

Anmerkungen

[386] Die erste Geschichte aus dem eben gedachten Buch, S. 18, und Steltzner III. 324. – Die zweite aus Beckend. handschriftl. Chronik.