Ein hungriger Gast
[162] Ein hungriger Gast. (Zu dem Bilde S. 137.) Es sind sonst nicht gerade die friedsamsten Gesellen, die fahrenden Kriegsknechte, die ihre Dienste überall anbieten, wo es Händel und einen gut zahlenden Herrn giebt, oder die auch wohl in Ermangelung solcher Gelegenheit zu „ehrlichem“ Verdienste auf eigene Faust das Kriegen anfangen. Diesmal aber haben wir es mit einem verhältnißmäßig ordentlichen Vertreter dieser Menschenklasse zu thun; verhältnißmäßig – denn auch er wird sich kaum die Mühe genommen haben, sich über die Entbehrlichkeit des fetten Huhns, das an seiner Seite hängt, erst genauer bei der Bäuerin zu erkundigen, ehe er es heute früh beim Durchmarsche durch das halbschlafende Dorf mitlaufen ließ.
Aber der schon etwas ältliche Kumpan, den wir auf unserem Bilde im grobgenähten Lederkoller, in Eisenwams und Eisenschuhen vor uns sehen – er ist unter seinem rauhen Kriegshandwerk empfänglich geblieben für die Reize friedlicher bürgerlicher Lebensart – insbesondere soweit solche mit einem ausgiebigen Nahrungsstande verbunden ist. So hat es denn sein gutmüthig schmunzelndes Gesicht rasch dahin gebracht, daß der sechsjährige Bube seiner Quartiergeberin Freundschaft mit dem Fremdling schloß und in kindlichem Anpassungstrieb sofort sich mit des neuen Kameraden Armbrust und – Schnapsflasche bewehrte. Mit ehrlicher Bewunderung schaut das Schwesterchen auf die mit erstaunlicher Schnelle zwischen den Zähnen des hungerigen Gastes verschwindenden Knödel – sie weiß, daß sie für den Nothfall, wenn die Knödel zur Stillung des Appetites nicht ausreichen sollten, noch mit ihrem Brotlaib einspringen kann. Auch die junge Mutter hat Vertrauen zu dem vielleicht nicht eben gerne begrüßten Gast gefaßt und sie schaut mit Befriedigung auf den glänzenden Sieg, den ihre Kochkunst bei dem fahrenden Mann zu verzeichnen hat. =