Eine Bärenjagd

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Titel: Eine Bärenjagd
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aus: Die Gartenlaube, Heft 5, S. 79
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1866
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Bärenjagd in Siebenbürgen
Blätter und Blüthen
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[79] Eine Bärenjagd. Es war Anfangs October vor J., als ein schlanker Gebirgswalache der Naja (einer Alpe im Südwesten Siebenbürgens, die im Sommer zur Schafweide benützt wird) zu mir hereintrat, um mich im Namen seines Oberhirten zu einer Jagd auf einen Bären einzuladen, der seit geraumer Zeit dessen Heerden decimirte. Früher schon hatte ich diesen Wunsch gegen den alten Oberhirten geäußert und dieser versprochen, mir bei nächst bester Gelegenheit das Vergnügen und die Gefahr einer solchen Jagd zu verschaffen. Erfreut, endlich Gelegenheit zur Erfüllung eines Lieblingswunsches zu haben, nahm ich die Einladung gern an, und schon nach drei Stunden – weil mein Walache mich sehr zur Eile gemahnt – ritt ich in seiner Begleitung gerüstet aus dem Weichbilde des gemüthlichen Städtchens B. dem sich vor uns erhebenden Hochgebirge zu. Meine Rüstung war sehr einfach. Gute, schließende ungarische Stiefeln, Beinkleider aus Hirschhaut, eine passende Jacke aus ebendemselben Stoffe und ein fester Wollenmantel, hier zu Lande „Guba“ genannt, bildeten meinen Anzug. Um die Hüften hatte ich einen Hirschfänger aus steierischem Stahl und am Sattel hing ein zuverlässiger Doppelstutzen von Peterlongo in Innsbruck.

Mein Gefährte hatte mich um ein Kugelgewehr ersucht, da das seinige zerbrochen wäre. Ein Messer wie ich, meinte er, hätte er nicht, wohl aber ein starkes Schlachtmesser, welches nicht zu verachten sei. So ausgerüstet trugen uns die kleinen, aber starken und ausdauernden Bergrosse rasch dem Gebirge zu und dann den steilen Bergpfad zur Alpe Naja hinan. Nach mehrstündigem Ritte gelangten wir an einzelne, mit fettem Alpengrase bewachsene freie Stellen, auf welchen feiste Schafe weideten, und kurze Zeit darauf, nachdem wir mit Lebensgefahr eine aus zwei Buchenstämmen gebildete Gebirgsbrücke passirt, hielten wir vor der Stinne (übliche Bezeichnung für eine siebenbürgische Sennhütte) des greisen Oberhirten Pasku an.

Lautes Freudengeschrei empfing uns. Der alte Hirt und seine Gehülfen kamen uns ehrerbietig entgegen und der Alte half mir rasch vom Pferde, indem er mich in der melodischen Sprache der Walachen willkommen hieß. Seine Gehülfen, stramme, schlanke Gestalten, echte Gebirgssöhne, standen in bescheidener Entfernung, beeilten sich aber, als ich die Stinne betreten, mir Milch und Käse vorzusetzen und einen weichen Sitz aus Schaffellen zu bereiten.

Inzwischen war es Nacht geworden. Die Gehülfen des Alten entfernten sich, um den Hunden, die während ihrer Abwesenheit die Heerden bewacht, die Hut zu erleichtern, und freudiges Gewinsel antwortete dem Rufe der die Heerden suchenden Hirten. Nun näherte sich mir der Alte.

„Herr!“ hub er an, „die Nacht ist da. Bald verläßt der Bär seine Höhle, um sich ein Schaf zum Schmause zu holen. Du bist ein erfahrener Mann, und ich wage nicht, Dir Vorschriften zu machen. Doch da Du noch keinen Bären gejagt, so verüble mir nicht, wenn ich Dir einige Winke gebe, denn ich bin ein alter Jäger und elf Bären erlagen schon meiner Kugel und meinem Messer.“

Ich nöthigte ihn zum Sitzen, und nachdem ich ihm einen Schluck aus meiner Jagdflasche gegeben, fuhr er fort: „Die Jagd des Bären ist so gefährlich nicht, wenn man kalt und bedächtig ist. Der Bär ist feige, Herr, und wenn er gut getroffen ist, sucht er das Weite. Gefährlich aber ist’s, wenn man ihn nur leicht verwundet, denn dann ist er wüthend, und flieht der Jäger, so ist dessen Tod gewiß. Gewaltigen Laufes erreicht ihn das Ungeheuer und tödtet ihn in schrecklicher Umarmung. Wenn der Schütze aber Stand hält und dem heranstürmenden Thiere in die linke Brustseite schießt, erlegt er es sicher. Hast Du etwa fehl geschossen, Herr, und verfolgt Dich der Bär und sind wir nicht in der Nähe, so erwarte ihn festen Standes, drehe Deine Büchse um und schlage ihm mit dem Kolben zwischen die Augen, da ist er sehr empfindlich und stürzt alsogleich zu Boden, worauf Du ihm mit Deinem langen Messer den Garaus machen kannst. Unser unliebsamer Gast hier ist ein dunkler Bär, ein alter, großer Geselle, der mir manch’ guten Hund getödtet. Nächtlich erscheint er bei den Schafen und jedesmal schleppt er das feisteste davon. Schießen konnten wir bisher nicht auf ihn, weil kein Mondlicht war; da nun aber heute der Vollmond beginnt, soll sein Pelz herhalten. Nur kaltes Blut und sicherer Schuß, und die Jagd bleibt, trotz aller Gefahr, ziemlich gefahrlos.“

„Lege Dich aber,“ fügte er aufstehend hinzu, „ein wenig zur Ruhe, da Du ermüdet bist, damit Du dann nach Mitternacht, wo sich der ,Dunkle‘ einzufinden pflegt, bei Kräften bist. Für Dein Werken laß mich Sorge tragen.“ An seine hohe Pelzmütze greifend, entfernte er sich mit dem Gruße: „Und nun süße Ruhe, Herr!“

Ich mochte etwa vier Stunden geruht haben, als ich erwachte und meine Uhr repetiren ließ. Es war zwölf ein halb Uhr. Sogleich erhob ich mich vom Lager und beim flackernden Lichte eines Kienspahnes rüstete ich mich für die kommenden Dinge. Mein Herz klopfte rascher, ich war ganz fieberisch erregt. Kaum hatte ich den Hirschfänger umgürtet und wollte nun eben den Stutzen frisch laden, als sich der Stinne rasche Tritte näherten und der Alte eintrat. Sichtbar erfreut, daß ich schon ohne sein Wecken auf und gerüstet sei, begrüßte er mich freundlich und sprach: „Die Zeit ist da! Wir wollen nicht säumen. Der große Stern steht über der Felskuppe und da wird sich der Bär bald einstellen.“

Ich lud den Stutzen vollends. Der Alte besichtigte die Ladung seiner alten Büchse und nahm dann ein gewaltiges Messer, welches er in seinen Gürtel steckte.

„Komm, Herr!“ sprach er leise.

Ich folgte ihm.

Bald darauf gelangten wir zu den Schafheerden, die ruhig am Boden lagen. Die Hirten saßen um ein mächtiges Feuer, welches sie mit riesigen Scheiten unterhielten. Als wir uns genähert, erhoben sie sich und kamen uns entgegen. Jeder derselben trug eine einläufige Büchse und ein starkes Messer. Der Alte postirte seine Leute um die Heerden herum; mich stellte er bei einem dicken Baumstumpfe auf, an welchem der Bär die Beute vorbeizutragen pflegte. Er selbst verbarg sich etwa neunzig Schritte von mir in ein Gestrüpp.

Zwischen mir und dem Alten lag eine Grasfläche, die der Mond hell beschien; somit konnte ich ziemlich sicher zielen.

Etwa zwei Stunden lagen wir auf dem Anstande, doch vom Bären zeigte sich noch immer keine Spur. Schon fing ich an zu zweifeln, ob er wirklich kommen würde, als die Hunde plötzlich wüthend anschlugen und mehrere Schüsse dazwischen krachten, die das Echo lautdonnernd wiederholte. Einige Augenblicke später raschelten die Büsche in meiner Nähe, meine Pulse flogen fieberisch und ich mußte sehr an mich halten, um der Weisung des Alten gemäß mit kaltem Blute einen sichern Schuß zu thun. Da plötzlich trabte ein dunkles, unförmliches Thier, ein zappelndes Schaf im Rachen, heran. Bald kam es an die freie Stelle, ich setzte an, zielte, schoß, ein dumpfes, jammerndes Gebrumm war die Antwort auf meinen Schuß. Als sich der Rauch verzogen, war der Bär verschwunden, nur das verendende Schaf, das er fallen gelassen, lag am Boden.

Ich lud wieder. Da stand der Alte vor mir und lachte, indem er zu Boden blickte: „Gut getroffen, Herr! Der hat es. Seht nur, wie breit die Schweißspur ist!“

Inzwischen kamen auch einige Burschen eilig heran, um den Bären zu verfolgen. Doch der Alte hielt sie zurück: „Laßt ab! bald graut der Morgen, dann wollen wir ihn gemeinsam verfolgen. Bringt das getödtete Schaf zur Stinna; die fetten Keulen, am Feuer geröstet, schmecken so übel nicht.“

Beim Imbiß erzählte mir ein junger Schäfer, daß der Bär, durch den Schatten einiger Büsche gedeckt, ungesehen in die Heerde eingedrungen, dann aber, nachdem ihn die Hunde angegriffen und sie auf ihn geschossen, mit einem feisten Widder im Rachen, gemüthlich durch das Gestrüpp geeilt sei, bis er mir schußgerecht gekommen.

Der Morgen war herangebrochen, als wir uns zur Verfolgung des kranken Wildes aufmachten. Bald standen wir an der Stelle, wo ich den Bär getroffen, und eine lange Schweißspur bezeichnete die Richtung, in welcher er geflohen. Der Alte bückte sich zur Erde und betrachtete den Schweiß aufmerksam.

„Habt ihn gut getroffen, Herr! In die Leber, das Blut ist ganz schwarzbraun. Gewiß ist er schwer verwundet und nicht weit von hier.“ Der Schweißspur folgend, gingen wir eine weite Strecke vorwärts, bis wir an einen Quelllauf gelangten, wo wir die Spur gänzlich verloren. Doch der Alte wußte auch hier gleich Bescheid. „Kenne solche Finten!“ brummte er. „Er ist im Wasser den Bach entlang gelaufen, um zu seinem Lager zu kommen.“ Einige Augenblicke später hatte er den Lauf der Quelle mit Erde und Geröll verstopft, und als das Wasser abgelaufen, zeigte uns der erfahrene Alte in der schwarzen Erde deutliche Spuren von Bärenpranken. Vor uns erhoben sich einige Felsblöcke von dichtem Unterholz umwachsen. Hier stand der Alte still. Er warf rasch seine überflüssigen Kleider abseit und entblößte seine muskulösen Arme vom hindernden Hemde. Darauf faßte er, sein langes Messer zwischen die Zähne nehmend, seine Büchse und winkte mir nebst zwei rüstigen Sennen, ihm zu folgen.

Wild durcheinander geworfenes Geröll hemmte unsere Schritte. Da erblickte unser Alter, indem er uns in eine enge Schlucht führte, die in einem kleinen, freien, mit Himbeersträuchen umwachsenen Platze auslief, wieder Schweiß. Sogleich bedeutete er den beiden Sennen, hier zu bleiben und die Schlucht zu sperren. Mich selbst postirte er an einem ungeheuren Felsblocke und bat mich nochmals, ja recht kaltblütig zu sein. Während er sich umwendete, erdröhnte vom Eingange der Schlucht ein Schuß, bald darauf ein zweiter, und dann das Geräusch von brechenden, dürren Aesten.

„Er kommt!“ flüsterte der Alte, indem er die Büchse anlegte. „Steigt schnell auf den Felsen, ich will’s allein mit ihm abmachen.“

Das Himbeergebüsch theilte sich, und aus demselben trabte ein stattlicher brauner Bär, wild umherblickend, hervor. Der Alte zielte einen Moment, traf ihn aber unglücklicherweise nur in den Hinterschenkel. Laut aufbrüllend stürzte nun die zur höchsten Wuth gereizte Bestie auf den Alten los, der die Büchse weggeworfen und den Bär mit blankem Messer erwartete.

„Seht her!“ rief er mir noch kaltblütig zu, „so tödten wir unsere Heerdenverwüster.“ Alsogleich stemmte er den rechten Fuß zurück und das Messer in der Rechten schwingend, zog er mit der Linken hastig seine Pelzmütze vom Haupte. Der Bär war auf den beiden Hinterfüßen hustend und schnaubend am Alten. Ein Moment, dann faßte ihn der kräftige Alte mit der nervigen Linken, an der er die Pelzmütze hatte, am Unterkiefer und blitzesschnell fuhr ihm darauf sein Messer mehrere Male in die Seite. Der Bär brüllte gräßlich und seine Pranken krampfig ausstreckend, beugte er sich nach dem Alten.

Dieser jedoch sprang, nachdem er ihm noch einen gewaltigen Stich in die Seite versetzt, rasch zur Seite. Der todtwunde Bär taumelte noch hin und her, stürzte aber dann plötzlich, indem sich ihm Ströme Blutes aus den Wunden und dem Rachen ergossen, todt zu Boden. Ich hatte wie versteinert dem Kampfe zugesehen und nun erst kam wieder Leben in mich.

„Hoi-oi-o! Hoioiooo!“ ertönte jetzt des Alten Sammelruf, und bald umstanden Alle den erlegten Bären.

Es war ein schönes, am Widerrist drei Fuß hohes und fünf Fuß langes, ausgewachsenes Exemplar des braunen Bären. Unser Alter schätzte ihn, weil er keine gelbe Halsbinde hatte, auf neun Jahre. Mühsam wurde er auf zusammengelegten Stämmen bis zur Stinne hinabgeschleppt und hier wog ihn der Alte auf meinen Wunsch. Er war vierhundert und zwölf Pfund schwer. Bei meinem Abschiede überließ mir der wackere Alte das Fell nebst den Tatzen und bat mich nur, ihm die geringe Schußprämie zu verschaffen. Nachdem ich dieses versprochen und Alle beschenkt hatte, begleitete mich der Alte noch weit das Gebirge hinab und trennte sich erst von mir, nachdem wir alle gefährlichen Stellen passirt hatten.