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Eine Stätte der Pietät

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: H. H.
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Titel: Eine Stätte der Pietät
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 10, S. 166–167
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1872
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[166] Eine Stätte der Pietät. Was Heinrich Heine gab und war, gehört der Welt, was sein Oheim Salomon, der noch heute unvergessene und in Wahrheit und Dichtung fortlebende, schuf und wirkte, gehört zum größten Theil der Stadt, die ihn, den Mittellosen, gastlich empfing und deren Schooß er sein Glück anvertraute, das wachsend von Tag zu Tag ihn erhob zum Reichsten der Reichen Hamburgs, der alten stolzen Hansestadt.

Er ist dahin – nur sein Wirken legt Kunde ab von dem, was er Hamburg gewesen, die Quadern des großartigen israelitischen Krankenhauses, im Andenken an seine Gattin gestiftet, die zahlreichen Pensionen, den hülfsbedürftigen Eltern bewilligt, den Kindern fortgespendet, halten seinen Namen in Erinnerung, – dahin auch der würdige Sohn und [167] Nachfolger seines Vaters, Karl Heine, dem Künste und Wissenschaften reiche Kränze der Dankbarkeit zu flechten haben, und zu dessen einsamer Grabesstätte im fernen Frankenlande, wo ihn der Tod ereilte, noch heute die Grüße und Segenswünsche der Dankbarkeit aus der Heimath eilen.

Karl Heine starb kinderlos. Die Firma erlosch – seine Wittwe[1] verließ mit den in Hamburg erworbenen Millionen ihres Gatten die Stadt, um in ihr Vaterland Frankreich zurückzukehren; leer standen die prächtigen Räume des stattlichen Hauses in Hamburgs vornehmster Straße, dem weltbekannten „Jungfernstieg“, in dessen unteren Localitäten Ströme Geldes kamen und gingen, in dessen oberen der Reichthum so oft der Bildung, Grazie und Schönheit frohen festlichen Empfang bereitet hatte.

Aber diese Frist dauerte nicht lange – eine rege Thätigkeit entfaltete sich an und in dem Gebäude, das schon der Gründer des Geschäfts bewohnt hatte. Handwerker verschiedenster Art waren Monde lang emsig beschäftigt, und als sie ihr Werk vollendet, da war aus jenem Hause, das schon eine gewisse historische Bedeutung gewonnen, ein Monument der edelsten Pietät geworden, von Kindesliebe errichtet, den Namen der Eltern zu verklären: fünfundvierzig allerliebste Wohnungen, für minder begüterte Wittwen und Jungfrauen ohne Unterschied der Confession bestimmt, waren aus den glänzenden Räumen entstanden; welch erhebender Gedanke, den Genius des Wohlthuns, der stets an dieser Stätte gewaltet, nun ewig dauernd dort zu fesseln!

Die in Dresden lebende verwittwete Frau Präsidentin Therese Halle, ebenfalls eine Tochter Salomon Heine’s, ist die Schöpferin dieser Stiftung, der sie den schönsten Namen verlieh, den die Sprache für Bedrückte und Sorgenbeschwerte erfunden, – sie nannte sie „Heine’s Asyl“! – keine prunkende Marmortafel kündet von außen dem Beschauer die Bestimmung des Gebäudes, das in seiner aristokratischen Nachbarschaft selber in ruhiger Vornehmheit daliegt, – nur eine Inschrift über dem innern Mitteleingang trägt das herzerquickende Wort: „Kommt her zu mir, die ihr mühselig und beladen seid“, und wie zu seiner Erfüllung öffnen sich einem Zug der Klingel die Thüren, – wir betreten hohe durchwärmte Corridore, freundliche Zimmer mit allen Einrichtungen der Neuzeit versehen, zum Theil die prächtigste Aussicht über das Alsterbassin bietend – und überall freudenerhellte Gesichter, überall dankbare Herzen und überall das Bild „unserer lieben Frau“ (so hörten wir selber die gütige Stifterin bezeichnen) von innigster Verehrung gehütet.

Daß eine Dame, deren Privatwohlthätigkeit mit ihren Mitteln und ihrer Herzensgüte gleichen Schritt hält, deren echt deutsches Wirken und Fühlen der jüngst geendete Krieg glänzend bewies, bemüht ist, den Insassinnen ihrer Stiftung das Dasein zu einem angenehmen zu gestalten, ist selbstverständlich. Wie sie ihnen in des Lebens Fährlichkeiten eine treue Schützerin, so hat sie wiederholt und erst kürzlich durch den Ankauf einer großen Bibliothek mit Werken verschiedenen Inhalts ein glänzendes Zeugniß eigner Bildung und hoher Fürsorge auch um das geistige Wohl ihrer Pflegebefohlenen abgelegt.

Möchten diese Zeilen den Stiftern zum Lohne, – Anderen zur Nachahmung, – ein schwacher Ausdruck der Gefühle sein, die jedes echte „Hamburger Kind“ bewegen, – wenn zu seinem Ohr der Name „Heine“ tönt – der altbewährte, gern gesprochene, gern vernommene Klang! H. H.



  1. Wohl die Nämliche, welche jüngst erst wegen ihres fanatischen Deutschenhasses von der gesammten deutschen Presse gebrandmarkt worden ist? D. Red.