Eine lustige Gerichtsverhandlung

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Franz Bonn
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Eine lustige Gerichtsverhandlung
Untertitel:
aus: Fliegende Blätter, Band 58, Nr. 1455, S. 182–183
Herausgeber: Kaspar Braun, Eduard Ille
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1873
Verlag: Braun & Schneider
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: München
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: UB Heidelberg, Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[index:|Indexseite]]
[182]
Eine lustige Gerichtsverhandlung.

Der Oederbauer von Niedersterzling war bei seinen Ortsnachbarn nicht sehr beliebt. Er war noch ziemlich gut bei Jahren, hatte einen schönen Hof von seinen Eltern geerbt und viel Geld im Kasten, aber er war ein Hagestolz geblieben, hauste für sich und lebte sehr sparsam. Man sagte, er habe nur aus Sparsamkeit es verschmäht, sich eine Hausfrau zu suchen und jetzt möge ihn keine mehr. Der Oederbauer pflegte auch nur selten sich im Wirthshaus sehen zu lassen und kam er alle heilige Zeit einmal in der Dämmerstunde dahin, dann trank er nicht viel und redete noch weniger, schlich sich vielmehr bald wieder heim, wie er gekommen war, ohne freundliches Wort und ohne Gruß und Handschlag. War er selbst den älteren Bauern, die ihn von Jugend auf kannten, ein unheimlicher Kerl, so galt er bei den jungen Burschen des Ortes als Ausbund des Geizes und der Habsucht, den man, wo man nur konnte, anthat was ihn ärgern oder verletzen mochte.

Eines schönen Abends, es war Kirchweih in Niedersterzling, da gings im untern Wirthshaus hoch her! Die Burschen sangen zur Zither und einige Musikanten spielten im Tanzsaal auf. Jung und Alt war guter Dinge und Tanz und Gesang wechselten ab, den Niedersterzlingern die Zeit zu vertreiben. Die Klänge der Tanzmusik drangen auch zum Oederbauern hinüber in seine einsame Stube, und weckten in ihm den letzten Rest menschlicher Regungen, so daß es ihn nicht länger in seinem stillen Hause litt, sondern unter die lustigen Menschen in’s Wirthshaus trieb. Spät war’s schon, als der Oederbauer in die große Zechstube trat und am Ofensitz Platz nahm. Allgemeines Staunen verursachte diese seltene Erscheinung. – Man traute seinen Augen kaum, der Oederbauer hatte bei seinem Eintreten sogar die Nächststehenden gegrüßt und sich jetzt schon das zweite Glas einschenken lassen! Als aber vollends der Oederbauer seinen grünen Zugbeutel aufthat und den Musikanten einen blanken Gulden auf den Tisch hinwarf, da verwandelte sich das Staunen in allgemeine Heiterkeit. Der Zitherspieler, ein frischer, schneidiger Stegreifdichter, war sofort bei der Hand und sang ein Schnadahüpfl auf den Oederbauern, das sofort zündend einschlug, so daß es die andern jungen Burschen gleich im Chore wiederholten. Es war ziemlich harmlos, wenn auch nicht frei von Satyre, aber der Oederbauer lachte mit, als die Anwesenden alle durch ein frohes Gelächter ihren Beifall kund gaben. Solcher Beifall reizte aber den jungen Improvisator und nach wenigen Augenblicken hatte er schon ein zweites und ein drittes G’sangl auf den seltenen Gast losgelassen.

Bald war der Oederbauer von den jungen Burschen umringt und was nun dem einen nicht einfiel, das kam einem andern in den Sinn und Schnadahüpfl folgte auf Schnadahüpfl – jede Strophe im Chore unter lautem Gelächter aller Anwesenden wiederholt. Die Anspielungen wurden dabei immer derber und zuletzt hagelte ein wahrer Schauer von beleidigenden Ausdrücken auf den Geizhals und Sonderling hernieder. Der Oederbauer hatte schon bei’m zweiten G’sangl zu lachen aufgehört und immer düsterer wurde seine Stirne, bis er endlich in voller Wuth aufsprang und die lustigen Spötter wegstoßend aus der Zechstube verschwand. Er hörte noch das schallende Lachen aus dem Wirthshause, als er wieder an seinem einsamen Hofe die Hausthüre aufmachte, die er heftig hinter sich zuschlug.

Am andern Tage war er in der Stadt beim Advokaten. Er nannte demselben die 8 Burschen, die sich am meisten hervorgethan, an der Spitze den Feldnertoni, der mit den Spottliedern den Anfang gemacht hatte. Den Inhalt der einzelnen Spottverse wußte er dem Doktor nicht anzugeben, aber einzelne Scheltworte hatte er sich gemerkt. Wenige Tage später lief bei dem betreffenden Bezirksgericht eine Klage des Oederbauern gegen Feldnertoni und Genossen wegen verläumderischer Beleidigung ein. Da es nun zur öffentlichen Verhandlung kam, waren der Oederbauer und die 8 Beklagten erschienen. Die Zeugen, auf die sich der Oederbauer berufen hatte, wußten wenig Auskunft zu geben. Der Eine hörte nicht gut, der Andere war gerade nicht in der Zechstube anwesend, der Dritte wollte gerade geschlafen haben und die Uebrigen konnten sich der einzelnen beleidigenden Ausdrücke nicht mehr erinnern; die Angeschuldigten aber stellten jede Beleidigung in Abrede. „Nun, daß Ihr Schnadahüpfeln auf den Oederbauern gesungen habt, könnt Ihr nicht leugnen,“ sagte der ungeduldig gewordene Senatsvorstand zum Feldnertoni. „Wenn Ihr bestreitet, daß diese Gesangeln, die in der Klage behaupteten beleidigenden Ausdrücke enthielten, so sagt mir, wie sie gelautet haben?“ „Ja Gnaden Herr Präsident!“ ließ sich jetzt der Feldnertoni vernehmen, „i wüßt schon noch, wie s’ g’laut hab’n, aber a Schnadahüpfl kann ma blos singa – nit sag’n!“ „Nun so singt’s, wenn Ihr’s nicht hersagen könnt“, entgegnete der Richter ärgerlich und siehe da, unser Feldnertoni begann mit frischer Stimme:

Was nützt dir a Chais’n
Wenns d’ nit damit fahrst, –

[183]
Und was thust mit dein Geld, Narr,

Wenns d’ allewei sparst.

Mit schallendem Jubel fiel der Chor der Mitangeschuldigten ein und kaum, daß er fertig war, sang der Zweite:

Bal’ d’ gar a so geizi
Willst Alles derspar’n,
Waarst g’scheidter a lederna
Geldbeutel wor’n.

Wieder fiel der Chor ein und der Feldnertoni fuhr mit noch lauterer Stimme fort:

A lederna Geldbeutel
Geht do no auf –
Aus dir bringt der Teufel
Koan Heller nit raus.

„Ja,“ rief jetzt der Oederbauer triumphirend dazwischen, „so haben s’ g’sungen. So war’s Herr Präsident! Aber das war nur der Anfang.“

Der Präsident wollte Einhalt thun, aber ehe er das Wort aussprach, hatte ein Dritter der Beklagten sich erhoben und schrie mit johlender Stimme:

Und wenns d’ ihm nit z’schmutzi waarst
Und waars d’ ihm nit z’fad,
Hätt’ scho lang dir der Teufel
’s Cravattel umdraath.

Der Chor wollte eben wieder einfallen, daß die Fenster zitterten, als der Präsident sich erhob und mit der Glocke heftig läutend Ruhe gebot.

„Genug! genug – die Sache ist genügend aufgeklärt!“ sprach der ernste Richter, obwohl er kaum das Lachen zu unterdrücken vermochte, „der Anwalt des Klägers hat das Wort!“

Der Advokat des Oederbauern räusperte sich heftig, aber er konnte kaum sprechen, ohne in helles Gelächter auszuplatzen und erst nach wiederholtem Räuspern gelang es ihm, sich soweit zu fassen, um auf Grund des Geständnisses der Beklagten deren Verurtheilung zu einer Geldstrafe zu beantragen.

Diese erfolgte auch, aber froher und heiterer war noch keine Sitzung in den heiligen Hallen der Themis verlaufen, als diese, denn die Beklagten hatten ja nochmal ihren Jux gehabt und der Kläger war nicht minder vergnügt, denn er hatte ja gewonnen.

„Nicht wahr, Herr Doktor“, sagte er zu seinem Anwalt, als sie den Gerichtssaal verließen –, „ich hatte doch Recht! Jetzt haben Sie’s selbst g’hört!“ Die Richter lachten noch manchen Tag beim Frühschoppen über diese lustige Verhandlung, der Oederbauer aber wird von nun an wohl öfter sich beim unteren Wirthe sehen lassen, denn nichts erfüllt mit gerechterem Stolze, als ein gewonnener Injurienprozeß.

v. Miris.