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Erlösung der Last und Omnibuspferde durch eherne Rosse

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Textdaten
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Autor: C. St.
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Titel: Erlösung der Last und Omnibuspferde durch eherne Rosse
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 35, S. 596
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1875
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[596] Erlösung der Last- und Omnibuspferde durch eherne Rosse. Mit keinem Dinge der Welt – es müßten denn die Kanonen sein – wird gegenwärtig mehr herumprobirt, als mit der Straßenlocomotive. Aus Nordamerika, dem Geburtslande derselben, kommen alle Wochen Nachrichten über neue Einrichtungen, aber auch in London, Edinburg und jüngst in Paris und Kopenhagen hat man bezügliche Probefahrten angestellt, die alle mehr oder weniger befriedigend ausfielen. Die meisten mit der Sache beschäftigten Erfinder sind darüber einig, daß die Straßenlocomotive keine Feuerung haben dürfe, und der Eine füllt deshalb ihren Unterleib – denn der Wagenraum dient als Omnibus – mit überhitzten Wasserdämpfen, der Andere mit zusammengepreßter Luft, ein Dritter mit zahlreichen gespannten Stahlfedern; ein Vierter will scharf erhitztes Oel und ein fünfter soeben aufgetauchter Mitbewerber (der Amerikaner Keely) sogar „kalten Dunst“ als Triebkraft anwenden. Die betreffende Kraftladung würde jedesmal an einer der beiden Endstationen aus einem dort befindlichen Dampfkessel entnommen, respective mittelst einer Dampfmaschine erzeugt, zusammengepreßt oder gespannt werden. Das geht in allen Fällen viel schneller als Umspannen, Füttern und Tränken der Pferde; die Maschine kann, da sie der Ruhe nicht bedarf, sofort ihre Stundenfahrt wieder beginnen. Die Meister des aufgespeicherten Dampfes, der comprimirten Luft und der gespannten Federn haben längst Proben von der Verwendbarkeit ihrer Erfindungen abgelegt, und Jeder von ihnen lobt natürlich sein System als das beste. Der Bändiger des überhitzten Dampfes führt an, daß er gleichzeitig im Winter die Wagen warm erhalte, der Luftverdichter, daß er im heißen Sommer kostenlos und herrlich die Wagen kühlen könne, der Federmann, daß bei ihm keine Kesselexplosionen eintreten könnten, der Entdecker des „kalten Dunstes“ verspricht einstweilen den Actionären seiner sehr heiß bezweifelten Erfindung goldene Berge. Auf alle Fälle sehr nachdenklich ist die Idee eines sechsten Erfinders, dessen Modell vor etlichen Wochen zu Paris seine ersten Probefahrten angestellt hat, des Ingenieurs Fortin Hermann, der sich nicht ohne Berechtigung gesagt hat: „Geht doch mit Eurer Unnatur! Wenn Ihr eine Zugmaschine haben wollt, so gebt ihr Füße und nicht Räder, die nur auf Schienen vorschriftsmäßig laufen und zu gleiten anfangen, sobald die angehängte Last im Verhältnisse zum Maschinengewichte nur mäßig groß wird oder sobald die Steigung des Weges ein wenig zunimmt.“ Es ist nämlich ein eigenes Ding mit der Reibung am Boden, welche die Räder bekanntlich zu vermindern bestimmt sind. Bei zu wenig Reibung geht’s schlecht, wie wir bei Glatteis merken, und bei zu vieler noch schlechter, wie wir im tiefen Sande verspüren. Herr Hermann construirte also ein ehernes Thier mit vier Gelenkfüßen, bekleidete deren Sohlen mit Guttaperchaplatten, um ihre Haftfähigkeit am Boden zu vermehren, und setzte diese Füße durch eine kleine Dampfmaschine in entsprechende Bewegung. Das eiserne Thier lief vortrefflich, konnte viel größere Lasten ziehen als eine gleichstarke Räderlocomotive, trabte auf Pflaster und Landweg gleich gut und erklomm Anhöhen, die eine Locomotive nur mit Zahnradbetrieb oder magnetischen Rädern und ähnlichen Vorrichtungen erstiegen hätte. Nur die Schnelligkeit ließ vorläufig zu wünschen übrig, denn das Dampfroß legte nicht mehr als eine Meile in der Stunde zurück, und das ist offenbar zu wenig. Inzwischen ist aber der Erfinder beschäftigt, seinen Vierfüßler in einen Sechsfüßler, vielleicht gar in ein Thier, das „hundert Gelenke zugleich regt“, zu verwandeln, und hofft von diesen Dampflaufkäfern und Dampfasseln, daß sie mindestens die dreifache Schnelligkeit erreichen werden als das Roß. Natürlich wird nichts hindern, diese Thiere ebenfalls mit überhitztem Dampf, eingepreßtem Wind, kaltem Dunst und ähnlichen Kraftextracten und comprimirten Futtersorten zu speisen, und wir sehen hier wieder einmal, daß wir mit unserem Beförderungswesen noch kaum aus den Kinderschuhen heraus sind. Wie ganz anders muß es aussehen, wenn auf so einer Zukunftsstraße eine sechsbeinige Postkutsche daher trabt und ein zwanzigbeiniger Omnibus, stolz wie eine Galeere, mit unzähligen Rudern durch die Straßen einer Großstadt rast!
C. St.