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Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus Teil I Bücher VI-IX

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Textdaten
Autor: Saxo Grammaticus
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Titel: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus
Untertitel: Erster Teil, Übersetzung
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1901
Verlag: Verlag von Wilhelm Engelmann
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Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer: Paul Herrmann
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Originalherkunft:
Quelle: Scan auf Commons
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[230]

Sechstes Buch.

[172] 172Als Frotho gestorben war, glaubten die Dänen fälschlich, Fridlewus, der in Russland erzogen wurde, sei tot, und da die Herrschaft aus Mangel an einem Erben zu hinken und nicht im königlichen Stamme bleiben zu können schien, so meinten sie, der sei des Scepters am würdigsten, der zur Verherrlichung des Frotho für seinen frischen Grabhügel ein Lobgedicht verfasse und den Ruhm des verstorbenen Königs durch eine glänzende Aufschrift auf die Nachwelt fortpflanze. Da verfasste ein gewisser Hiarnus, der in dänischer Poesie sehr geschickt war, um dem berühmten Manne ein leuchtendes Denkmal in Worten zu weihen, auch angestachelt durch den grossen Preis, nach seiner Weise ein Gedicht in der Landessprache. Dessen Sinn habe ich in vier Versen ausgedrückt und folgendermassen umschrieben:

Auf ihren Schultern gebart, langhin durch die Lande die Dänen
Trugen den Frotho, wie gern sähn sie noch länger den Herrn!
Hier ruht unter dem Rasen gebettet die Leiche des Helden,
Unter des Himmels Gewölb deckt sie ein schmuckloses Grab.

Nach Abfassung dieses Gedichtes haben die Dänen seinen Verfasser mit der Krone gelohnt. So wurde von ihnen eine Grabschrift mit der Herrschaft bezahlt und das grosse Reich um einer Reihe von wenigen Buchstaben willen geschenkt. Eine so geringe Aufwendung nur beanspruchte ein so grosser Lohn. Dieser ganz unerhörte Preis für ein kleines Gedicht ging [231] noch über die überlieferte Vergeltung Cäsars[1] hinaus. Denn der hochselige Julius begnügte sich damit, einem Darsteller und Verherrlicher seiner Siege auf dem ganzen Erdkreise mit dem Bürgerrechte zu beschenken, hier aber reichte einem Bauern die verschwenderische Erkenntlichkeit eines Volkes die Herrschaft. Auch Afrikanus[1] hat in der Vergeltung der Darstellung seiner Thaten die [173] 173Dänen an Grossartigkeit nicht erreicht. Denn dort bestand der Lohn für das mühsam ausgearbeitete Werk in einfachem Golde, hier verschafften einige wenige ungelenke Verse einem Bauern ein Scepter.

Zu derselben Zeit erlag Erik, der die Verwaltung von Schweden führte, einer Krankheit. Sein Sohn Haldanus, der das Amt des Vaters übernahm, wurde durch wiederholte Angriffe von zwölf Brüdern, die aus Norwegen stammten, in Schrecken gesetzt, und da er keine Rache für die Misshandlung fand, begab er sich in der Hoffnung auf Unterstützung auf die Flucht, um zu Fridlew zu gelangen, der damals in Russland verweilte. Er ging ihn mit schutzflehender Miene an und klagte ihm, dass er von einem auswärtigen Feinde gebrochen und zerschlagen sei und trug ihm so eine traurige Klage über seine Vergewaltigung vor. Durch ihn erfuhr Fridlew erst, dass sein Vater gestorben war; er gewährte ihm seiner Bitte entsprechend Unterstützung und rückte mit einer bewaffneten Schar nach Norwegen. Zu dieser Zeit hatten die zwölf Brüder, weil ihr Anhang von ihnen abfiel, auf einer Insel, die von einem reissenden Strome umflossen wurde, einen sehr hohen Wall gebaut und eine sehr ausgedehnte Erdschanze auf dem ebenen Raume errichtet; auf diesen Rückhalt gestützt, hatten sie ihre Nachbarn mit fortgesetzten Verheerungszügen heimgesucht. Wenn sie ihre Insel verliessen, so gingen sie nach dem Festlande über eine künstliche Brücke, die sich an ein Thor der Schanze anschloss, [232] und die sie mit einer Leitung durch Seile so handhabten, dass sie bald wie mit einer beweglichen Angel sich drehend einen Weg über den Fluss bot, bald durch einen verborgenen Zug an den Seilen nach oben zurückgezogen der Thüre als Deckung diente. Es waren aber diese Männer frisch an Geist, kräftig in jugendlichem Alter, hervorragend an Leibesbeschaffenheit, berühmt durch Siege über Riesen, geschmückt mit den Trophäen überwundener Völker, reich durch Beute. Einiger Namen habe ich beigefügt, die andern hat die Zeit vergessen lassen: Gerbiorn, Gunbiorn, Armbiorn, Stenbiorn, Esbiorn, Thorbiorn und Biorn. Der Letzte soll ein riesengrosses Pferd besessen haben, schnell wie ein Vogel, so dass es, während andere nicht über den Fluss kommen konnten, allein ohne Ermüdung durch den rauschenden Strudel schwimmen konnte. Der Fluss hat eine so reissende und jähe Strömung, dass die Tiere ihre Kraft zu schwimmen verlieren, und er sie zu Grunde gehen lässt. Denn er kommt herab von hohen Berggipfeln, und während er über steilabfallende Berglehnen sich an Felsblöcken bricht, fällt er in die Thaltiefe mit vielfach vermehrtem Brausen des Wassers; jedoch obwohl er immer wieder auf seinem Laufe von Felsblöcken zurückprallt, behält er seine schnelle Strömung gleichmässig bei. Daher steigt aus dem ganzen Zuge des Flussbettes, da die Wogen gleichförmig in Aufruhr gesetzt sind, überall weisser Schaum auf. [174] 174Aber wo er, der Felsenenge entkommen, in breiterem Bette sich ausdehnt, da bildet er aus einem Felsen auf seinem Wege die Insel. Ein abschüssiger Bergzug ragt auf beiden Seiten in die Höhe, reich bestanden mit allerlei Bäumen, deren Vorbau den Fluss aus der Ferne nicht sehen lässt. Weiter hatte Biorn einen ungemein wilden Hund, ein äusserst bissiges Tier und für Menschen im Verkehre gefährlich, der oft allein zwölf Männer niedergerissen hat. Jedoch da ich nicht Erlebtes berichte, sondern nur Überliefertes, so mag der Leser selbst entscheiden, ob er das glauben will. Dieser Hund also war, wie die Sage berichtet, einst der Lieblingshund des Offotus und bewachte das Vieh des Riesen auf der Weide.

[233] Aber die Männer, die ihre Nachbarschaft mit Raubzügen heimsuchten, richteten oft grosse Verheerungen an. Sie verwüsteten die Wohnstätten, schlugen das Vieh nieder, plünderten alles, trieben grosse Beute weg, verbrannten die ausgeraubten Häuser, töteten Männer und Weiber; das alles galt ihnen als Bethätigung der Tapferkeit. Einen unvorsichtigen Ausbruch dieser Männer fing Fridlew ab und trieb sie alle fliehend auf ihre Schanze zurück, bekam auch das riesenstarke Pferd in seine Hand, das sein Reiter, kopflos vor Furcht, um rascher fliehen zu können, diesseits des Flusses zurückliess und nicht mit sich über die Brücke zu nehmen wagte. Darauf machte er bekannt, wenn jemand einen von den Brüdern erschlüge, so wolle er den Leichnam mit Gold aufwiegen. Durch diese Aussicht gelockt, kamen einige königliche Kämpen, nicht sowohl durch Habgier als durch ihre glühende Tapferkeit angefeuert, heimlich zu Fridlew, versprachen ihre Mitwirkung zu dem Werke und verwetteten ihr Leben, wenn sie ihm nicht die abgeschlagenen Köpfe der Räuber brächten. Ihr tapferes Versprechen lobte Fridlew, hiess aber seine Umgebung noch warten und machte sich, nur mit einem Begleiter sich begnügend, auf den Weg zum Flusse; damit es nicht aussehen sollte, als baue er mehr auf anderer Kraft als auf seine eigene, beschloss er eine Hilfe durch eigene Tapferkeit überflüssig zu machen. Darauf tötete er seinen Begleiter durch wiederholte Schläge mit einem Steine und warf die Leiche in den Fluss; er zog auch seine Kleidung aus und legte sie ihm an, nahm dafür jenes Kleider für sich, damit das Aussehen der Leiche den Schein erwecke, als sei der König umgekommen. Auch das Tier, auf dem er geritten, bespritzte er mit absichtlich hervorgelocktem Blute, um an seinen Tod glauben zu lassen, wenn es nach dem Lager zurücklaufe. Dann gab er dem Rosse[2] die Sporen und trieb es mitten in den Strudel, stieg ab, als es ihn über den Fluss getragen hatte und versuchte den der Schanze [234] vorgebauten Wall auf einer Leiter, die er an den Damm legte, zu übersteigen. Als er hoch gekommen die Zinnen mit der Hand fassen konnte, stieg er leise hinein und ging leichten Schrittes auf den Fussspitzen zu dem Hause, in dem die Räuber schmausend sassen, [175] 175ohne dass die Wachen ihn entdeckten. Als er den Saal des Hauses erreicht hatte, nahm er seinen Standort unter dem Schutzdache, das das Thor überragte. Die Männer verlockte das Gefühl der Sicherheit, das aus der Festigkeit der Schanze entsprang, zu einem Rausche; denn sie meinten, dass der reissende Wasserlauf, über den man weder schwimmend noch mit einem Kahne kommen konnte, ihre Festung ganz unzugänglich mache; keine Stelle im Flusse bot nämlich eine Furt zum Durchkommen. Da sagte Biorn, von der Heiterkeit des Gelages erfüllt, es sei ihm im Traume ein Tier erschienen, aus den Gewässern auftauchend, das schreckliche Flammen aus seinem Maule spie und alles in eine ununterbrochene Feuersbrunst hüllte. Deshalb meinte er, man müsse die Verstecke auf der Insel absuchen und sich nicht zu sehr auf die natürliche Beschaffenheit des Platzes verlassen: allzugrosse Voraussetzung[WS 1] von Sicherheit könne über die Unvorsichtigen das volle Verderben bringen. Denn nichts sei durch seine Lage so fest, dass ihm der einfache Schutz der Natur genüge, wenn menschliche Arbeit fehle. Man müsse sehr auf der Hut sein, dass nicht die Ankündigung seines Traumes durch leidvollen Untergang wahr gemacht würde. Daher verliessen alle die Schanze und spürten die Insel ihrem ganzen Umfange nach ab; da fanden sie das Ross und mutmassten, Fridlew sei in den Gewässern des Flusses umgekommen. Das Ross aber führten sie, weil sie glaubten, es sei durchgeschwommen, nachdem sein Reiter abgeworfen worden, gleichsam als einen Boten von dem Tode des Königs voller Freude zum Thore hinein. Biorn aber, den immer noch die Erinnerung an sein Traumbild in Schrecken hielt, mahnte sie, Wache zu halten, weil er glaubte, dass man die Vermutung einer Gefahr immer noch nicht mit Sicherheit aufgeben dürfe. Er selbst ging, um Ruhe zu suchen, in sein Schlafgemach; die Erscheinung [235] aber kam ihm nicht aus dem Sinne. Inzwischen sprengte das Pferd, das Fridlew, um den Glauben an seinen Tod zu verbreiten, nur mit Erguss des Blutes unter der Haut bespritzt hatte, mit seinen Blutflecken in das Lager seiner Leute. Sie machten sich sofort nach dem Flusse auf und hielten die Leiche des Knechtes, welche in ihrer vornehmen Kleidung der rauschende Wirbel des Flusses an das Ufer getrieben hatte, für den Körper des Königs. Ihren Irrtum unterstützte zumeist der aufgetriebene, zerschlagene Körper, da die Haut, zerrissen und mit Steinen zerklopft, die Züge des Antlitzes in blutloser Blässe formlos verwischt hatte. Wuterfüllt durch diesen Anblick schritten die Fechter, die dem Fridlew jüngst die Vernichtung der Räuber durch ihre Hand gelobt hatten, zu dem gefährlichen Wasser, um nicht ihr rühmliches Versprechen durch furchtsame Unterlassung ihres Gelöbnisses zu entstellen. Ihren Mut ahmten die andern nach und eilten in gleichem Eifer zum Flusse, entschlossen, den Tod zu erleiden, wenn sie den König nicht rächen könnten. Als Fridlew sie erblickte, verband er eiligst die Brücke mit dem Festlande, liess die Fechter ein und streckte im ersten Anlaufe die Wachen nieder. [176] 176Darauf griff er auch die andern an und erlegte sie mit dem Schwerte, Biorn ausgenommen. Diesen liess er sorgsam von den erhaltenen Wunden heilen und nahm ihn unter der Bürgschaft eines heiligen Eides in seine Gefolgschaft auf; er hielt es für geratener, dessen Kraft zu benutzen, als sich seines Falles zu rühmen; er erklärte es auch für unwürdig, dass einer solchen Tapferkeit Blüte, in der ersten Jugend abgepflückt, in unzeitigem Tode verkomme.

Als die Dänen von der Ankunft des Fridlew hörten, von dessen Tode sie früher eine falsche Kunde erhalten hatten, liessen sie ihn einholen und forderten den Hiarn auf, die Herrschaft abzugeben, weil er sie nur widerruflich und stellvertretend führe. Der aber wollte die hohe Ehre nicht fahren lassen und lieber sein Leben lassen für den Ruhm, als in das dunkle Los des grossen Haufens zurücktreten. Um also nicht genötigt zu sein, die königlichen Ehren aufzugeben und in [236] seinen früheren Stand zurückzukehren, beschloss er seine jetzige Stellung mit den Waffen zu behaupten. So wurde denn das Land zwiespältig in jähen Bewegungen des Aufruhrs hin und her getrieben. Die einen standen auf Seiten des Hiarn, die andern traten wegen der hervorragenden Verdienste des Frotho für die Erhebung des Fridlew ein, und die Stimme des Volks schwankte uneins, da die einen den gegenwärtigen Zustand, die andern die Erinnerung an die Vergangenheit hoch hielten. Schliesslich überwog doch die Rücksicht auf die Erinnerung an den Frotho, und das Bestechende derselben gewann dem Fridlew die Gunst des grösseren Teils. Denn die Mehrzahl, die ein tieferes Verständnis hatte, bildete sich doch die Ansicht, dass ein Mensch aus dem Bauernstande, da er ja nur durch ein blosses Geschenk des Glücks gegen seines Standes Recht unverhofft in die höchste Stelle des Reichs gelangt sei, aus der Herrschaft entfernt werden müsse, damit nicht den wahren Erben der Ehre ein unberechtigter Besitzer verdränge. Fridlew aber hiess die Gesandten der Dänen heimgehen und den Hiarn auffordern, entweder die Krone niederzulegen oder mit ihm zu kämpfen. Hiarn hielt es für unrühmlich, aus Liebe zum Leben die Ehre preiszugeben und sein Heil zu retten mit dem Verluste der Ruhmesstellung; er stellte sich dem Fridlew zum Kampfe, wurde aber geschlagen und entwich nach Jütland. Als er dem Sieger noch einmal mit einem neuen Heere entgegentrat, wurden alle seine Leute vom Schwerte dahingerafft, er aber gewann ohne einen Genossen die Flucht, von der noch eine Insel zeugt, die ihren Namen nach seinem erhalten hat (Hiarnö). Nachdem er so ein erniedrigendes Geschick erfahren hatte, was sein Mut eigentlich nicht verdiente, nachdem er ferner durch die zweimalige Niederlage beinahe seine ganze Mannschaft eingebüsst hatte, legte er sich auf List: er machte sein Antlitz unkennbar und ging zum Fridlew, um ihn zu töten, wenn er sich erst in sein Vertrauen eingeschlichen habe und ihn dann überfallen könne. Er wurde von ihm aufgenommen und verbarg eine Zeit lang seine Absicht unter verstelltem Diensteifer. Er gab sich für einen Salzsieder aus und verrichtete unedle Dienste mit den [237] Knechten, denen die unfeineren Verrichtungen oblagen. [177] 177Wenn es zur Mahlzeit ging, sass er als letzter am Tische. Er hütete sich ferner vor einem Bade, um nicht den Körper entblössen zu müssen und sich durch seine zahlreichen Narben zu verraten. Der König zwang ihn, um mit seinem Verdachte ins klare zu kommen, zum Bade, und als er seinen Feind an den Narben erkannte, da sagte er: „Ei, Du schurkischer Bandit, wie würdest Du mir gegenüber verfahren, wenn Du unwiderleglich erführst, dass ich dich töten wollte?“ Verblüfft entgegnete Hiarn darauf: „Ich würde Dich, wenn ich Dich auf einer solchen Absicht ertappte, zum Zweikampfe herausfordern, damit Du gute Gelegenheit erhieltest, die Beschuldigung als falsch nachzuweisen.“ Fridlew forderte ihn sofort nach Weisung seiner eignen Antwort zum Zweikampfe und streckte ihn nieder; er begrub den Leichnam in einem Grabhügel, der noch seinen Namen meldet.

Nunmehr wurde Fridlew von seiner Umgebung gemahnt, sich nach einer Frau umzusehen, um Nachkommen zu erzielen; er aber sagte nach dem Vorbilde seines Vaters, Junggesellenleben sei besser, weil dem Frotho die Untreue seiner Gemahlin einen hässlichen Schandflecken angeheftet hätte. Schliesslich gab er aber den unablässigen Bitten aller nach und liess durch Abgesandte um die Hand der Tochter des norwegischen Königs Amundus werben. Einer von den Abgesandten, Fröko[3] mit Namen, fand während der Überfahrt in den Wellen seinen Tod und gab im Sterben ein wunderbares Vorzeichen: als ihn nämlich der zusammenschlagende Wogenschwall verschlang, da stieg Blut herauf mitten aus dem Strudel und färbte die ganze Oberfläche des Meeres mit einer ihm fremden Röte derartig, dass das soeben noch schäumende und vom Sturm weiss erglänzende Meer jetzt in purpurroten Fluten aufwallend eine seiner Natur nicht zukommende Farbe erhielt. Amund aber wies das Verlangen der königlichen Werbung unerbittlich zurück; die Abgesandten behandelte er [238] unglimpflich und sagte, dass der Grund für die Abweisung der Gesandtschaft die Gewaltherrschaft Frothos sei, die einst schwer auf Norwegen gelastet habe. Frogertha aber (das war die Tochter des Amund) sah nicht allein die Abkunft Fridlews an, sondern achtete auch den Ruhm seiner Thaten hoch; daher schmälte sie auch ihren Vater, dass er einen Mann nicht zum Schwiegersohne haben wollte, dessen vollendeter Adel es nicht an Tüchtigkeit fehlen lasse und an Herkommen nicht hinke. Sie fügte auch hinzu, jene vorbedeutungsvolle Meeresfärbung, wo die Wogen sich plötzlich in Blut verwandelt hätten, was sei sie anders, wie ein Dolmetsch der Niederlage der Norweger und eine sichtliche Prophezeiung des Sieges der Dänen? Als Fridlew durch eine zweite Gesandtschaft ihre Hand forderte, weil er die Zurückweisung durch Ausdauer zu überwinden wünschte, da liess Amund vor Unwillen darüber, dass eine einmal von ihm abgewiesene Bitte hartnäckig wiederholt würde, die Gesandten zum Tode schleppen, um dem Eifer des lästigen Bittstellers mit Grausamkeit zu begegnen. Als Fridlew die Kunde von dieser Gewaltthat erhielt, berief [178] 178er den Haldan und Biorn zu sich und fuhr nach Norwegen. Dagegen brachte auch Amund, gestützt auf die Kräfte des Landes, eine Flotte in See. Frökasund heisst der Busen, in den beide Flotten einliefen. Dort verliess Fridlew bei Nacht das Lager, um auf Kundschaft auszugehen; da hörte er in seiner Nähe einen eigentümlichen Ton aus der vom Schalle bewegten Luft, und als er seinen Schritt hemmte und aufblickte, da schlug an sein Ohr folgendes Lied dreier Schwäne, die hoch oben sangen:

Während Hythin übers Meer hinfährt und die Brandung durchschneidet,
Trinket aus Golde der Knecht und schlürfet die Milch aus dem Becher.

10
Herrlich ist Knechtes Geschick, wo der Sohn ihm des Königs gehorchet,

Erbe des Reichs, wo verkehrt ist die Ordnung der menschlichen Lose.

Zuletzt nach diesen Worten der Vögel fiel ein Gürtel aus der Höhe, der Buchstaben als Deutung des Gedichts trug. Nämlich den Sohn des Königs von Thialamarchia, Hythin[4] [239] mit Namen, hatte vom kindlichen Spiele ein Riese, der das Aussehen eines gewöhnlichen Menschen angenommen hatte, weggeraubt, benutzte ihn als Ruderer, als er seinen Kahn nach dem nächsten Ufer hinüberlenkte und fuhr an Fridlew, der gerade auf Kundschaft ausgegangen war, vorüber. Der König konnte es nicht ruhig mit ansehen, dass der Riese den gefangenen Knaben für sich arbeiten liess, und strebte, dem Räuber seine Beute abzujagen. Der Knabe machte ihn darauf aufmerksam, dass er dem gegenüber zunächst scharfen Angriff in Worten anwenden müsse; er werde leichter bekämpft werden, prophezeite er, wenn er zuvor durch ein Spottgedicht gereizt würde. Da begann Fridlew so:

Du bist ein Riese, unbesiegt, drei Körper gross,

25
Dein Scheitel ragt beinahe bis zum Himmel auf,

Warum nun hängt am Bein ein winzig kleines Schwert,
Umgiebt ein Stummelspiess die grosse Seite Dir?
Was festest Du die starke Brust mit schwachem Schwert,
Hältst gar nicht auf Dein Äussres, giebst auf Sohönheit nichts,

30
Vertrauend auf das kleine Ding von kurzem Dolch?

Bald, bald nun schlag’ ich Deinen grimmen Angriff ab,
Wenn Du mit stumpfem Schwert zum Kampf Dich stellst.
Du bist ein angsterfülltes, dummes, wildes Tier,
Dem grossen Leib entspricht nicht Deine schwache Kraft;

35
Drum wirst Du wie ein flüchtger Schatten weggefegt;

Zu grossem, prächtgem Leibe hat beschieden Dir
Geschick ein feiges Herz, von Furcht umhergejagt,
[179] 179Ein Herz, das zu den starken Gliedern schlecht sich fügt.
Drum wankt bedenklich das Gefüge Deines Baus,
Weil herrliche Gestalt an schlechtem Sinne lahmt,
Weil uneins in den eignen Gliedern die Natur.

5
Drum wird Dir jeder Ruhmespreis entschwinden nun,

Nicht wirst genannt Du, wo man starke Helden nennt,
Du wirst gerechnet zu dem unbekannten Tross.

Nach diesem Liede kürzte er den Riesen um ein Bein und eine Hand und trieb ihn in die Flucht, den Gefangenen aber befreite er. Er eilte sofort nach dem Vorgebirge des Riesen, holte seinen Schatz aus der Höhle und führte [240] ihn fort. Frohlockend über diese Siegesbeute und bei der Überfahrt übers Meer den befreiten Jüngling als Ruderer verwendend, dichtete er noch mit froher Stimme dieses Lied:

Triefend von Strömen des Bluts und rot, wie von Purpur gefärbet,
Schwangen wir kühn unser Schwert bei des hurtigen Riesen Erlegung,

15
Währenddes Dich, Amund, den Stifter norwegischen Unheils,

Bleierner Schlummer umfing; weil raubend die Helle des Geistes
Blendende Nacht Dich gedrückt, entschwand Dir unmerklich die Thatkraft.
Aber wir haben dem Riesen genommen die Glieder, die Schätze,
Schlugen ihn nieder, durchforschten das Dunkel der scheusslichen Höhle;

20
Gold, das in Haufen hier lag, wir rissen es fort ohn’ Erbarmen,

Und schon peitschen wir nun mit dem Ruder die Wogen des Meeres,
Führen das Schiff, das mit Beute beladne, zurück zum Gestade
Jubelnd zum Schlage des Ruders; auf meerdurchschneidendem Fahrzeug
Laufen wir hin durch die Flut; auf! lasset das Meer uns durchfurchen,

25
Rührig, damit uns dem Feinde der kommende Tag nicht verrate.

Also im Fluge, das Ruder geschwungen von kräftigen Armen,
Fahren wir hin durchs Meer und eilen zurück zu der Flotte,
Eh’ noch sein rosiges Haupt aus den Wellen erhebet der Titan.
Wenn dann Fama die That allen Völkern verkündet, und Frogerth

30
Hört, welch’ herrliche Beute mit trefflichem Mut wir erkämpfet,

O! dann schlägt auch ihr Herz gunstvoll meiner Werbung entgegen.

Am folgenden Tage fiel unter starkem Aufeinanderprallen der Truppen eine blutige Schlacht zwischen Fridlew und Amund vor, die teils zu Lande, teils auf dem Meere ausgefochten wurde. Denn auf dem Lande wurden die Reihen entfaltet, aber auch auf die Flotte waren die Streiter gegangen. Als so unter grossem Blutverluste gekämpft wurde, liess schliesslich Biorn, als die Schlachtordnung der Seinen wankte,[180] 180seinen Hund von der Leine und hetzte ihn auf den Feind; den Sieg, den er mit dem Schwerte nicht erringen konnte, wollte er durch die Bisse des Hundes erlangen. Das schuf den Gegnern eine schmachvolle Niederlage, denn eine Schar von Tapferen floh, als sie mit Bissen angegriffen wurde. Ob ihre Flucht mehr Verlust oder mehr Schande brachte, lasse ich unentschieden. Schämen musste man sich über das Heer der Normannen, welche der Feind mit erborgter Hilfe eines Tieres niederwarf. Für Fridlew war es ein Gewinn, die wankende Tüchtigkeit seiner Mannen durch die Unterstützung [241] eines Hundes wieder aufzurichten. In dieser Schlacht fiel Amund. Sein Vasall Ano, mit Beinamen der Bogner, forderte den Fridlew zum Zweikampfe, wurde aber von Biorn, als einem Manne minderen Ranges, angegriffen; er wollte es nicht dulden, dass ein König sich einem Gemeinen zum Kampfe stellte. Als Biorn seinen Bogen krümmte und den Pfeil auf die Sehne legte, da durchbohrte ein plötzlich von Ano entsendetes Geschoss das eine Ende der Sehne; unmittelbar darauf folgte ein zweiter Pfeil, der schlug mitten durch die Gelenke der Finger; zu diesen kam noch ein dritter und traf den an die Sehne angelegten Pfeil. Ano nämlich, der ein äusserst geschickter Bogenschütze war, hatte absichtlich nur die Waffe des Gegners getroffen, um den Kämpen von seinem Vorsatze abzubringen, wenn er ihm zeige, dass er das auch an ihm thun könne. Jedoch Biorn liess deshalb nicht von seinem Entschlusse, achtete die Gefährdung des Körpers gering und schritt mit festem Sinne und Antlitze zum Kampfe, so dass er keinen Wert legte auf die Geschicklichkeit des Ano und von seiner gewohnten Tapferkeit nichts aufgab. Er liess sich also in keiner Richtung von seinem Vorsatze abbringen und vertraute sich unerschrocken der Entscheidung durch den Kampf an. Beide gingen aus diesem Kampfe verwundet hervor und fochten noch einen andern aus auf Agdarnes mit gleichem Ringen um den Preis.

Als Amund gefallen war, beugte Fridlew, da er von dem scharfen Feinde befreit war und vollständigen, sicheren Frieden erlangt hatte, seinen harten Sinn auch zur Lust, wandte seine Gedanken nunmehr auf die Liebe und setzte wieder eine Flotte in Stand, um die einst verweigerte Frau sich nun zu holen. Als er die Seefahrt angetreten hatte, die Flotte ohne Wind still lag und er in die Gehöfte einbrach, um Lebensmittel zu holen, da wurde er von einem gewissen Grubbus gastfrei aufgenommen und erlangte zuletzt die Verbindung mit dessen Tochter und zeugte mit ihr einen Sohn, Olawus. Nach einiger Zeit erhielt er auch die Frogerth; während er auf ungünstiger Seefahrt in die Heimat [242] unterwegs war, wurde er an das Ufer einer unbekannten Insel getrieben. Hier wurde er durch die Mahnung einer Traumerscheinung angewiesen, einen in der Erde verborgenen Schatz zu heben und dessen Wächter, den Drachen, um das Gift zu meiden, durch eine Stierhaut gedeckt anzufallen; er wurde auch belehrt, den Bissen der giftigen Zähne ein über den Schild gespanntes Fell vorzuhalten. [181] 181Um das Traumgesicht zu erproben, griff er die aus den Wogen auftauchende Schlange an und schleuderte lange ergebnislos seine Speere nach der schuppenbedeckten Seite; denn des Speeres spottete der schaltierharte Leib. Der Drache selbst aber wand sich vielfach und riss mit der kreisförmigen Beugung seines Schwanzes die Bäume auf seinem Wege mit der Wurzel aus; durch das Vor- und Rückwärtsschieben des Körpers wurde der Erdboden bis auf den Felsen ausgehöhlt, und er bildete auf beiden Seiten eine steile Lehne, wie wir an manchen Orten zwei Hügel gegenüber durch ein Thal dazwischen getrennt sehen. Da nun Fridlew erwog, dass dem Oberteile des Tieres nicht beizukommen war, so versuchte er das Unterteil mit dem Schwerte, durchstach eine Stelle der Weiche und liess das Eiterblut des zappelnden Drachens hoch aufspritzen. Als er tot war, hob er den Schatz aus der Höhle und liess ihn zu Schiffe heim führen.

Nachdem ein Jahr vergangen war, söhnte er Biorn und Ano, die noch öfter im Zweikampfe gekämpft hatten, durch seine eifrige Bemühung mit einander aus und bewog sie, Hass mit Freundschaft zu vertauschen; ihnen überliess er auch die Aufziehung seines drei Jahre alten Sohnes. Seine Nebenfrau Juritha aber, die Mutter des Olaw, verheiratete er mit dem in sein Gefolge aufgenommenen Ano; denn er meinte, sie würde die Scheidung ruhiger ertragen, wenn sie, mit diesem Kämpen vermählt, an Stelle eines Königs einen tüchtigen Mann umarme.

In alter Zeit herrschte die Sitte, über das zukünftige Los der Kinder die Orakel der Parcen zu befragen. Nach diesem Brauche wollte auch Fridlew das Geschick des Sohnes erkunden; er that also feierliche Gelübde und betrat unter [243] Gebet den Tempel der Götter. Dort sah er bei einem Blicke in die Kapelle auf drei Sitzen drei Nymphen sitzen. Die erste von ihnen, milden Sinnes, schenkte dem Knaben edle Gestalt und reiche Fülle der Beliebtheit bei den Menschen; die zweite schenkte ihm als ihre Gabe hervorragende Freigebigkeit; die dritte aber, ein Weib schadenfrohen Sinnes und missgünstigen Wesens, wollte von der gleichmässigen Gunst ihrer Schwestern nichts wissen, wünschte ihren Gaben zu schaden und heftete also den zukünftigen Sitten des Knaben das Laster der Sparsamkeit an. So wurden die wohlwollenden Gaben der andern durch das Gift eines böseren Loses entstellt, und die Folge war, dass dem Olaw, entsprechend der doppelten Natur der Gaben, eine mit Sparsamkeit gemischte Freigebigkeit zu einem Beinamen verhalf. So geschah es, dass die Schönheit der ersten Gunst der dem Geschenke angeheftete Schandfleck entstellte.

Als Fridlew auf seinem Rückwege von Norwegen durch Schweden zog, übernahm er freiwillig die Rolle eines Boten und gewann dem noch unbeweibten Haldan die Tochter des Hythin, die er einst einem Ungeheuer entrissen hatte. Inzwischen gebar seine Gemahlin Frogerth den Frotho, der seinen [182] 182Beinamen von seiner ausnehmenden Freigebigkeit erhielt. Deshalb wurde Frotho wegen der Erinnerung an die glückliche Natur seines Grossvaters, die er mit seinem Namen lebendig machte, von der Wiege und den ersten Anfängen der Kindheit an allen so lieb, dass man ihn nicht auf der Erde gehen oder stehen liess, sondern ihn unter Küssen hegend auf den Armen trug. So war er nicht einem Erzieher zugesprochen, sondern er war gleichsam der allgemeine Zögling der ganzen Welt. Als aber sein Vater gestorben und er zwölf Jahre alt war, da kündigten die Unterkönige von Sachsen, Swertingus und Hanewus, den Gehorsam auf und versuchten im offenen Kampfe sich zu widersetzen; er aber überwand sie in der Schlacht und legte den besiegten Stämmen die Strafe auf, als Zeichen der Abhängigkeit Kopf für Kopf ein Geld zu zahlen. Er war aber so freigebig, dass er den früheren Sold des Heeres mit noch nie dagewesener Spende verdoppelte. [244] Er gab sich nicht nach Tyrannenweise den alltäglichen Verlockungen zum Laster hin, sondern was in seinen Augen der Ehrbarkeit am nächsten stand, das erstrebte er mit glühendem Eifer, den Schatz hielt er allen zur Verfügung, er bemühte sich, die andern im Schenken zu überholen, alle in Diensten der Leutseligkeit zu überbieten und, was das Schwerste ist, die Missgunst durch Vortrefflichkeit zu bezwingen. Deshalb wurde er in kurzer Zeit in der ganzen Welt so berühmt, dass er schon in der Jugend nicht allein die Ehren seiner Vorfahren mit seinem Ruhme erreichte, sondern sogar die ältesten Denkmäler der Könige übertraf.

In denselben Zeiten wurde ein gewisser Starkatherus, der Sohn des Storwerkus, wegen seiner unglaublichen körperlichen und geistigen Vortrefflichkeit von Frotho als Gast aufgenommen; seine Gefährten waren in einem Schiffbruche umgekommen, er allein war durch seine Kraft oder durch sein Glück entkommen. Als er eine Zeitlang dem Gefolge des Frotho angehört hatte, wurde er von Tag zu Tag mit mehr Aufmerksamkeit und Ehrerbietung behandelt, zuletzt mit einem schönen Schiffe beschenkt und mit dem Auftrage bedacht, die Wache auf dem Meere zu übernehmen und Wikingerfahrten zu unternehmen. Da er von der Natur einen Körper erhalten hatte, der das gewöhnliche menschliche Mass weit überragte, erreichte er diesen an geistiger Grösse so völlig, dass er keinem Menschen an Tüchtigkeit nachstand. Sein Ruhm war so weit verbreitet, dass noch jetzt der Ruf seiner Thaten fortlebt und gefeiert wird. Denn nicht allein bei den Dänen strahlte er in hervorragenden Ruhmesthaten, sondern auch in allen Gegenden Schwedens und Sachsens hat er sich glänzende Denkmäler geschaffen. Die Sage berichtet, dass er in der Gegend seinen Ursprung genommen hat, die Schweden im Osten, einfasst und die jetzt die zahlreiche Barbarenschaft der Esthen und anderer Stämme in weitausgedehnten Sitzen inne hat. Die sagenhafte und volkstümliche Ansicht über seine Entstehung hat manches erdichtet, [183] 183das der Vernunft widerspricht und von Glaubwürdigkeit weit entfernt ist. Eine Sage erzählt nämlich, dass er von den Riesen abstamme und [245] seine Zugehörigkeit zu diesem Geschlechte durch eine unheimlich grosse Zahl von Händen bewiesen habe, und sie versichert weiter, dass der Gott Thor vier von diesen, die ungehörig infolge seiner überreichen Natur geschaffen waren, vermittels Durchschneidung der Verflechtung der Sehnen abgetrennt und von der Gesamtheit des Körpers die widernatürlichen Fingerbüschel losgerissen habe, so dass, als nur noch zwei Hände übrig waren, der Körper, der vorher zu einer Riesengrösse sich ausgebreitet hatte und deren Gestalt durch seine unförmliche Menge von Gliedmassen vergegenwärtigte, nunmehr, in die Schranken eines besseren Bildes gewiesen, sich dem kleineren Masse der menschlichen Gestalt fügte.

Vor Zeiten massten sich einige in der Magie bewanderten Leute, Thor nämlich und Othin und andere mehr, die sich auf wunderbare Zauberkunstgriffe verstanden, durch Blendung des Sinnes der einfachen Leute den hohen Rang der göttlichen Majestät an. Sie umgarnten nämlich Norwegen, Schweden und Dänemark mit den Banden der thörichsten Leichtgläubigkeit und bestimmten sie dazu, ihnen eifrig Verehrung zu zollen und befleckten diese Länder vorzugsweise mit Ansteckung ihres Gaukelspiels. So weit breitete sich nämlich die Wirksamkeit ihres Truges aus, dass in ihnen die andern Menschen göttliche Mächte verehrten, sie Götter oder Genossen der Götter nannten, den Anstiftern von Zaubereien feierliche Gelübde darbrachten und einer schändlichen Irrlehre eine nur dem Heiligen gebührende Hochachtung entgegenbrachten. Daher ist es auch gekommen, dass die herkömmliche Reihe der Wochentage bei uns mit ihren Namen benannt wird, während ihnen die alten Lateiner ihre besondere Benennung entweder nach den Namen ihrer Götter oder nach der Siebenzahl der Planeten gegeben haben. Dass aber die, welche von unsern Ahnen verehrt wurden, nicht dieselben waren, welche die ältesten Römer Juppiter und Merkur genannt, und denen Griechenland und Latium einen abergläubischen Gehorsam erwiesen haben, das ergiebt sich ganz deutlich schon aus eben dieser Benennung der Wochentage. Denn der Tag, der bei [246] uns der Tag des Thor und der Tag des Othin heisst, der hiess bei ihnen Tag des Juppiter und Tag des Merkur. Wenn wir also den Thor als Juppiter und den Othin als Merkur nach der Unterscheidung der erwähnten Übertragung auffassen, so wird erwiesen, wenn man die Ansicht unserer Landsleute bestehen lässt, dass Juppiter der Sohn des Merkur gewesen ist, da bei ihnen nach allgemeinem Glauben Thor ein Sohn des Othin ist. Da nun aber die Lateiner in entgegengesetzter Auffassung den Merkur als Sohn des Juppiter hinstellen, so bleibt nur übrig, dass, wenn ihre Behauptung als gültig betrachtet werden soll, Thor ein anderer wie Juppiter und auch Othin von Merkur verschieden sein muss. [184] 184Einige sagen, dass die Götter, die unsere Vorfahren verehrt haben, mit denen, welche Griechenland und Rom verehrte, nur die Bezeichnung gemein gehabt hätten, aber, als ihnen an Hoheit so ziemlich nahe kommend, von jenen die Verehrung und die Namen erborgt hätten. Diese Erörterung über die Götter der dänischen Vorzeit mag genügen; sie ist von mir deshalb kurz vorgetragen worden, damit meine Leser wissen, welchen Gebräuchen unser Vaterland im heidnischen Aberglauben gehuldigt hat. Jetzt kehre ich von dieser Abschweifung zu meiner Aufgabe zurück.

Die Alten erzählen, dass Starkather, dessen ich oben erwähnt habe, in der Ermordung des Wikarus, des Königs der Norweger, der Gunst der Götter die Erstlinge seiner Thaten gewidmet habe; der Verlauf dieser Sache wird in der Darstellung gewisser Leute so gegeben: Als einst Othin den Tod Wikars wünschte und das nicht offen ins Werk setzen wollte, stattete er den Starkather, der sich vorher nur durch ungewöhnliche Körpergrösse bemerkbar machte, nicht allein mit tapferem Mute, sondern auch mit der Kunst aus, Gedichte zu machen, um von ihm bereitwillige Hilfe bei der Durchführung des Untergangs des Königs zu haben; er erwartete natürlich, dass Starkather ihm für diese Würdigung Dank abstatten würde. Er beschenkte ihn auch mit drei Laufbahnen des menschlichen Alters zu dem Zwecke, dass er in ihnen ebenso viele fluchwürdige Thaten vollbringen sollte; soweit [247] beschloss er ihm die Lebenszeit zu erstrecken, wenn die (gewünschte) Schandthat erfolge. Indem Starkather darauf zu Wikar ging und einige Zeit in dessen näheren Umgebung verweilte, verbarg er seine böse Absicht hinter Dienstfertigkeit. Endlich ging er mit ihm auf einen Wikingerzug. Als sie nun an einem gewissen Orte von wilden Stürmen lange gepeinigt wurden, indem die Winde die Fahrt so unmöglich machten, dass sie den grössten Teil des Jahres still liegen mussten, so meinten sie, die Götter durch Menschenblut günstig stimmen zu müssen. Zu dem Zwecke warfen sie die Lose in den Topf, und es traf sich, dass das Opfer des Todes des Königs verlangt wurde. Da machte Starkather einen Strick aus Weidenruten und hängte darin den König auf: er sollte nur eine kurze Zeit den Schein der Strafe gewähren. Aber der starre Knoten verfolgte sein Recht und nahm dem Hangenden den letzten Atem. Als er noch zuckte, entriss ihm Starkather mit dem Schwerte den Rest von Leben, und während er ihm hätte beispringen müssen, offenbarte er seine Treulosigkeit. Denn ich denke, es ist die Ansicht nicht in Betracht zu ziehen, dass die weichen Ruten plötzlich zu einem festen Knoten verschlungen wie eine eiserne Schlinge gewirkt hätten. Er nahm Wikars Schiff und begab sich zu einem gewissen Bemonus, dem tüchtigsten Wiking in Dänemark, um Seeräuber zu sein. Der Genosse des Bemon nämlich, Frakkus mit Namen, [185] 185war aus Überdruss an den Anstrengungen des Wikingerlebens jüngst aus dem Bunde ausgeschieden gegen Zahlung einer bestimmten Geldsumme. Starkather und Bemon achteten so peinlich auf Erhaltung der Nüchternheit, dass sie niemals sich mit einem berauschenden Trunke gütlich gethan haben sollen, damit nicht das hervorragendste Band der Tapferkeit, nämlich die Masshaltung, durch die Kraft der Schwelgerei zerrissen würde. Als sie nun, nachdem sie die Länder weithin heimgesucht hatten, in ihrer Zerstörungswut auch in Russland eingedrungen waren, da begannen die Einwohner, die ihren Mauern und Waffen misstrauten, um die Schritte der Feinde zu hemmen, sehr spitze Nägel vor ihnen hinzuwerfen, damit

[248] sie den Lauf derer aufhielten, deren Angriff sie nicht zurückdrängen konnten, und damit der Erdboden heimlich deren Fusssohlen durchsteche, denen offen entgegen zu treten die Männer zagten. Jedoch auch diese Art Hemmnis erwies sich als unwirksam für die Abwehr der Feinde. Denn den Dänen fehlte es nicht an Schlauheit, die Vorkehrung der Russen zu vereiteln. Sie banden nämlich sofort Holzbedeckung unter die Füsse und konnten nun über die Stacheln, auf welche die Sohle trat, ohne Schaden hinwegschreiten. Es ist aber dieses Eisen in vier Stacheln geteilt, und diese sind so gestellt, dass es sofort auf drei gleichen Füssen aufliegt, mag es der Zufall auf diese oder auf jene Seite fallen lassen. Darauf drangen sie durch unwegsame Höhen und dichte Wälder und holten den Fürsten der Russen, Flokkus, aus seinem Bergversteck, in das er sich verkrochen hatte, heraus. Dort machten sie so grosse Beute, dass auch nicht einer war, der nicht mit einer Last von Gold und Silber zur Flotte zurückkehrte.

Als Bemon gestorben war, wurde Starkather wegen seiner Tüchtigkeit von den Biarmischen Kämpen gerufen, und nachdem er viele erwähnenswerte Thaten bei ihnen vollbracht hatte, ging er in das schwedische Land. Nachdem er dort sieben Jahre lang mit den Söhnen des Frö gefeiert hatte, begab er sich von ihnen weg zu Hako, einem Herrscher in Dänemark, weil er, wenn er zur Zeit der Opfer in Upsala blieb, die weibischen Körperbewegungen und den Bühnenlärm der Schauspieler hätte mit ansehen und das weichliche Klappern der Glocken hätte mit anhören müssen, was ihm ein Ekel war. Daraus wird klar, dass sein Sinn allem ausgelassenen Wesen feind war, denn er wollte Derartiges nicht einmal mit ansehen. So steht die Tüchtigkeit im Gegensatze zur Schwelgerei. Daher führte er mit Hako die Flotte nach Irland, damit auch die äussersten Striche auf der Welt nicht unberührt von den dänischen Waffen blieben. Zu der Zeit war Huglekus König auf der Insel. Dieser hatte eine reichgefüllte Schatzkammer, war aber so sehr ein Sklave des Geizes, dass er, als er einmal Schuhe verschenkte, die die [249] Hand eines eifrigen Handwerkers empfahl, die Bänder abnahm und durch die Wegnahme der Riemen von ihrem Platze sein Geschenk in eine Beleidigung verwandelte. [186] 186Durch diese hässliche Handlungsweise heftete er seinem Geschenke soviel Verletzendes an, dass er nicht Dank, sondern Hass erntete. Während er also keinen ehrbaren Mann mit freigebigem Sinne bedachte, überschüttete er Schauspieler und Gaukler eifrig mit reichen Gaben; denn er als schändlicher Mensch musste mit schändlichen Leuten trauten Verkehr pflegen und selbst mit schmutzigen Lastern bedeckt, die Genossen seiner Sünde mit kupplerischen Schmeicheleien im Guten erhalten. Er hatte trotz alledem noch zwei edle Genossen von erprobter Tapferkeit, Gegathus und Swibdawus, die in der Gesellschaft der Weibischen, wie Perlen unter den Mist gestreut, durch hervorragenden Glanz von Kriegsthaten eine mächtige Stellung einnahmen. Sie allein waren als Verteidiger der königlichen Macht zu betrachten. Als daher die Schlacht zwischen Huglek und Hako begann, liessen die Scharen der Schauspieler, denen leichter Sinn körperliche Beweglichkeit verlieh, durch ihr angstvolles Davonlaufen die Schlachtreihe auseinanderbrechen und vergalten die grossen Wohlthaten des Königs nur durch schimpfliche Flucht. Da führten Gegath und Swibdaw, die sich allein den zahlreichen Feinden noch gegenüber sahen, den Kampf mit übermenschlicher Tapferkeit weiter, so dass sie nicht zweier Streiter, sondern eines ganzen Heeres Aufgabe zu erfüllen schienen. Gegath schlug dem Hako, der ihm hartnäckig zusetzte, eine so tiefe Wunde, dass sie die oberen Teile der Leber blosslegte. Da erhielt auch Starkather, als er mit dem Schwerte den Gegath angriff, eine sehr heftige Kopfwunde; von dieser hat er später in einem Gedichte bemerkt, dass ihn nie sonst ein unangenehmerer Schlag getroffen habe; denn wenn auch die Teile des gespaltenen Kopfes durch die äussere ringsumlaufende Haut noch zusammengehalten wurden, so barg doch das in der Wunde steckende Quetschblut eine eingeschlossene, weitergreifende Eiterung in sich. Nachdem Huglek besiegt und erschlagen, auch die Irländer in die [250] Flucht getrieben waren, liess Starkather alle die Possenreisser, die der Zufall gefangen werden liess, auspeitschen; denn er hielt es für geratener, gegen die Scharen der Gaukler zum Schaden ihrer Haut eine spasshafte Strafe zu verhängen, als nach peinlichem Verfahren ihre Hinrichtung zu befehlen. So ging er gegen den ehrlosen Haufen der Possenreisser und Hanswurste mit entehrender Ahndung vor und begnügte sich, sie mit böser Verhöhnung durch die Peitsche zu strafen. Darauf holten die Dänen in der Stadt Dublin die Schätze des Königs aus der Schatzkammer und liessen jeden davon nehmen, was er wollte. So gross war nämlich die Summe des gefundenen Geldes, dass niemand an eine regelrechte Teilung dachte.

Nach diesem wurde Starkather mit Winus[5], dem Fürsten der Slaven, abgeschickt, um einen Abfall der Ostleute zu dämpfen. [187] 187Sie kämpften zu gleicher Zeit gegen die Kuren, Samländer, Sangaller, kurz gegen die Heere aller Ostleute und erfochten weit und breit herrliche Siege. Ein berühmter Fechter, namens Wisinnus, hatte in Russland einen Felsen, welcher Anafial heisst, zu seinem ständigen Wohnsitze erkoren und suchte Nah und Fern mit aller möglichen Gewaltthat heim. Er pflegte jede scharfe Waffe durch seinen blossen Blick stumpf zu machen. Somit war die Furcht vor Wunden ausgeschlossen, und dieser Umstand gab ihm zu seinen Kräften solche Kühnheit, dass er sogar erlauchter Männer Frauen vor den Augen der Gatten wegriss und zur Unzucht zwang. Aufgeregt durch das Gerücht von diesem Frevel ging Starkather nach Russland, um den Frevler zu beseitigen. Da ihm nichts zu schwer war zur Bezwingung, so überwand er auch den Wisinn im Zweikampfe, nachdem er ihn der Wunderwirkung seiner Kunst beraubt hatte. Er bedeckte nämlich sein Schwert mit einer ganz dünnen Haut, so dass es für den Zauberer nicht erblickbar war, und den Wisinn konnte weder seine Zauberkraft noch seine Körperstärke vor dem Tode durch Starkathers Hand bewahren. Darauf besiegte er [251] in Byzanz einen Riesen, der für unbesieglich galt, mit Namen Tanna, mit Hilfe seiner Körperkraft im Ringen und zwang ihn, als Verbannter unbekannte Striche der Erde aufzusuchen. Da also keine Ungunst des Geschicks seinen Kräften den Sieg vorenthalten konnte, so überwand er auch in Polen einen Kämpen, den unsre Leute Waske, die Deutschen aber mit verschiedenem Wortbilde Wilzke nennen, im Zweikampfe.

Inzwischen begannen die Sachsen einen Abfall vorzubereiten und ihr Augenmerk namentlich darauf zu lenken, wie sie den im Kriege unbesiegbaren Frotho ohne einen allgemeinen Kampf bezwingen könnten. Sie meinten, das liesse sich am besten durch einen Zweikampf thun und liessen den König zu einem solchen durch Boten herausfordern, weil sie wussten, dass er jeder Gefahr allezeit bereit entgegenging, und seine Geistesgrösse auch keiner Abmahnung nachgab. Sie glaubten ihn damals gerade angehen zu sollen, wo sie den Starkather, dessen Kraft allen furchtbar war, in Geschäften abwesend wussten. Als aber Frotho die Sache hinhielt und erklärte, er müsse sich erst mit seinen Räten über die zu erteilende Antwort besprechen, da kam Starkather herzu, schon von seinem Seezuge zurückgekehrt; er tadelte die ergangene Herausforderung namentlich aus dem Gesichtspunkte, dass ein König nur mit Seinesgleichen kämpfen, nicht auf einen Zweikampf mit Gemeinen sich einlassen dürfe; richtiger sei es, dass der Kampf durch ihn, als einen Mann geringeren Standes, durchgefochten würde. Daher bestürmten die Sachsen den Hama, [188] 188der bei ihnen durch Siege in Zweikämpfen berühmt war, mit vielen Versprechungen; sie verhiessen ihm, wenn er den Zweikampf übernehme, seinen Körper ganz in Gold zu begraben, verlockten ihn durch das Geld wirklich und geleiteten den Kämpen zu dem für den Kampf bestimmten Platz in kriegerischem Siegeszuge. Auf der andern Seite führten die Dänen ihren Starkather, der für den König eintreten wollte, geschmückt mit Kriegsabzeichen zum Kampfplatze. Hama sah im Vollgefühle seiner Jugendkraft auf den alten, abgemergelten Mann mit Verachtung und wollte den kraftlosen Greis lieber im Ringkampfe als [252] mit den Waffen bestehen. Er griff ihn an und hätte ihn wankend auf die Erde geworfen, wenn nicht das Geschick, das den Alten nicht besiegen liess, sich ins Mittel geschlagen hätte. Er soll nämlich so durch einen Faustschlag des Hama niedergeworfen worden sein, dass er auf die Kniee sank und mit dem Kinne den Erdboden berührte. Dieses Wanken des Körpers machte er mit trefflicher Ahndung gut: so wie er wieder auf die Beine und hoch kam, die Hand frei machen und das Schwert zücken konnte, hieb er den Hama mitten durch. Grosser Landbesitz mit 60 Hörigen war der Lohn des Sieges. Gegen die Sachsen aber wurde nach der Niederlage des Hama die Herrschaft der Dänen so streng, dass sie für jedes eine Elle lange Glied als Zeichen der Knechtschaft jährlich ein Stück Geld zahlen mussten. Das kränkte Hanef, und er dachte auf einen Krieg, um die Zahlung zu beseitigen, und da die unauslöschliche Liebe zum Vaterlande ihn von Tag zu Tag mit grösserem Erbarmen mit den Geknechteten beseelte, so gab er seine Absicht, Aufruhr zu erheben, offen kund, indem er sein Leben für die Freiheit seiner Mitbürger hinzugeben wünschte. Frotho liess seine Mannen über die Elbe setzen und erschlug den Hanef bei dem Flecken Hanöfra, der seinen Namen nach ihm führte. Swerting aber, mochte ihm auch das Unglück seiner Mitbürger eben so nahe gehen, wusste seinen Groll über die Not des Landes zu verbergen und betrieb den Plan der Befreiung nachhaltiger als Hanef. Es lässt sich zweifeln, ob der Eifer der Tugend näher stand, oder dem Laster. Ich nenne ihn rückhaltlos verbrecherisch, weil ihn das hinterlistige Trachten nach Abfall eingab. Denn mochte es auch sehr gut erscheinen, die Befreiung des Vaterlandes anzustreben, so durfte er doch zu dieser nicht durch Hinterlist und Verrat zu gelangen suchen. Da also die That des Swerting vollständig von den Geboten der Ehre sich entfernte, so war sie auch nicht nützlich. Denn es ist immer ruhmvoller offen den anzugreifen, auf den man es abgesehen hat, und seinen Hass unversteckt walten zu lassen, als seine wahre Absicht zu schaden hinter einer falschen Freundschaft zu verstecken. Jedoch was durch Verbrechen ins Werk [253] gesetzt wird, das bringt keinen Ruhm und trägt nur kurzlebige und wurmstichige Früchte. Denn wie der Sinn ohne festen Halt ist, [189] 189der seine böse Absicht zu trügen mit heimlichen Künsten verdeckt, so muss auch alles, was mit der Hinterlist zusammenhängt, vergänglich und zerbrechlich sein. Meist hat man ja erlebt, dass ein Verbrechen auf seinen Urheber zurückfällt; dass das auch dem Swerting so ergangen ist, meldet die Sage. Als er, unter dem Scheine einer Einladung zu einem Mahle, den König zu verbrennen sich vorgenommen hatte, wurde er von ihm zuerst angegriffen und erschlagen; freilich tötete er auch jenen. So kam es, dass die Schandthat des einen beider Untergang wurde. Obschon also die List gegen den Feind von Erfolg war, stellte sie doch ihren Urheber nicht vor den bösen Folgen sicher.

Auf Frotho folgte sein Sohn Ingellus. Sein Sinn war dem Ehrbaren abgekehrt, er wich von den Vorbildern seiner Ahnen und gab sich ganz den Verlockungen der ausschweifendsten Schwelgerei hin. Guter Sitte abgewandt, ergab er sich dem Laster und nicht der Tugend, zerriss die Stränge der Enthaltsamkeit, versäumte die Pflichten der königlichen Hoheit und wurde ein ehrloser Sklave des Luxus. Was einem gesetzten Leben entgegen und widersprechend war, das hegte und pflegte er. Den Ruhm des Vaters und Grossvaters befleckte er durch seine Gewöhnung an die schändlichsten Lüste, die Ruhmesthaten seiner Ahnen verdunkelte er durch schurkische Werke. So sehr war er ein Sklave des Bauches, dass ihn nicht das Verlangen beseelte, den Vater zu rächen und Angriffe der Feinde abzuwehren, dass er nicht an Mass und Selbstbeherrschung dachte, wenn er nur seinem Gaumen frönen durfte. Seinen erlauchten Namen schändete er durch feige Trägheit, und indem er ein haltloses und vergnügungssüchtiges Leben führte, freute es ihn, seinen entarteten und von den Bahnen der Väter auf Abwegen weit verschlagenen Sinn sich in die scheusslichsten Abgründe aller Bosheit stürzen zu lassen. Kapaunmäster, Köche, Backpfannen, vielfache Werkstätten der Schleckerei, recht viel Röst- und Würzkünstler beisammen zu haben, das hielt er für Ruhm. Waffen aber, Dienst, Kriege [254] wollte er weder selbst praktisch erlernen noch andere üben lassen. So warf er männliches Streben ganz ab und ahmte weibliches Thun nach; denn ihn hatte ungezähmter Gaumenkitzel für jeden Küchengeruch begeistert. Immer hauchte er einen Rausch aus und, der Nüchternheit vollständig abgesagt, rülpste er die unverdaute Bauchbrühe mit stinkendem Atem aus. Er wurde eben so hässlich an Schwelgerei, wie Frotho strahlend durch seine Kriege. So sehr hatte die übermässige Verlockung des Gaumens seinen Geist durch Wohlleben geschwächt.[6] Der Ekel über seine Unmässigkeit bestimmte den Starkather, den Umgang mit Ingell aufzugeben; er zog Thaten der Ruhe vor und begab sich in den Dienst Haldans, des Königs der Schweden. So wenig konnte er sich dazu verstehen, [190] 190dem Übermasse der Schwelgerei seinen Beifall zu zollen. Die Söhne des Swerting aber fürchteten, dass sie dem Ingell für die That ihres Vaters werden büssen müssen; deshalb gaben sie ihm ihre Schwester in die Ehe, um die Rache durch die Wohlthat abzuwenden. Die Vorzeit berichtet, dass er von ihr als Söhne Frotho, Fridlew, Ingellus und Olawus, den andere einen Sohn seiner Schwester nennen, bekommen habe[7].

Seine Schwester Helga hatte ein Goldschmied, ein Mann von niederer Herkunft, aber in schönen Redensarten bewandert und im Besitze mancher Kleinodien, durch welche vorzugsweise der begehrliche Sinn der Frauen sich fangen lässt, durch sein zierliches Liebeswerben zu Gegenliebe verlockt: [255] nach dem Hingange des Vaters war sie ohne Hut und von Beschützern verlassen, da niemand da war, der die Verdienste des Vaters in der Tochter geehrt hätte. Als das Starkather durch wiederholten Bericht von Reisenden erfuhr, da vermochte er nicht die Überhebung des Schmieds ungestraft zu lassen (denn wie er ein dankbarer Verehrer für Wohlthaten war, so war er allezeit bereit, Unverschämtheit zu züchtigen) und eilte, eine so unerhörte Anmassung zu strafen, um sich für die alten Verdienste des Frotho an dem verwaisten Mündel dankbar zu erweisen. Er durchwanderte Schweden und kam zur Behausung des Schmiedes; hier setzte er sich neben die Schwelle und verdeckte das Gesicht mit einem Hute, um nicht erkannt zu werden. Der Schmied, der noch nicht die Erfahrung gemacht hatte, dass unter einem wertlosen Mantel manchmal kräftige Hände stecken, schalt ihn aus und hiess ihn schleunigst das Gemach verlassen: unter dem Haufen der Bettler möge er sich einen elenden Rest von der Mahlzeit geben lassen. Aber der Alte, der von der ihm zur andern Natur gewordenen Masshaltung Geduld entnahm, überwandt sich trotz alledem, ruhig dort zu bleiben und die Frechheit des Wirtes nach und nach kennen zu lernen; denn ein Hervorbrechen der inneren Wut hemmte die Vernunft, die mächtiger war als die Erregung. Da machte sich der Schmied mit unverhohlener Lüsternheit an das Mädchen, legte sich in ihren Schoss und bot den Händen der Jungfrau sein Kopfhaar zum Kämmen. Er zog auch die Hose aus und verlangte ihre Mühewaltung, um ihm die Flöhe abzusuchen und erzwang es, dass die Frau aus der erlauchten Familie ihre schönen Finger in die unsaubere Hose zu stecken sich nicht schämte. Darauf erkühnte er sich in vermeintlicher Freiheit der Wollust seine gierigen und vor Aufregung zitternden Hände unter ihr Unterkleid zu stecken und ihrer Brust nahe zu bringen. Sie aber, die durch aufmerksamen Blick die Anwesenheit des ihr von langer Zeit her bekannten Alten bemerkte, wurde von Scham erfüllt, wies die mutwillige, wollüstige Betastung zurück und stiess die unkeuschen Hände von sich, ja sie sagte ihm auch, er werde die Waffen nötig [256] haben und mahnte ihn, von dem ausgelassenen Scherze abzustehen. [191] 191Als Starkather das sah, der neben der Thür mit seinem das Haupt beschattenden Hute sass, hatte er schon so viel Entrüstung geschöpft, dass er seine Hand nicht mehr meistern konnte, die Verhüllung abwarf und die Rechte ans Schwert legte. Da fuhr der Schmied, der sich nur auf Lüsternheit verstand, vor der ungeahnten Schreckerscheinung auf, als er sah, dass es zum Kampfe gekommen war, liess Hoffnung auf Verteidigung fahren und schaute sich nach Flucht um als einzige Rettung in der Not. Es war nun freilich nicht minder schwierig, durch die Thür zu brechen, deren Zugang der Feind beherrschte, als böse, im Hause den Todesstoss zu erwarten. Endlich durch die Not gezwungen machte er in seinem Herzen dem Zaudern ein Ende und gelangte zu der Ansicht, dass der gewissen und augenscheinlichen Gefahr gegenüber immer noch lieber ein Wagnis zu unternehmen sei, mit dem auch nur eine mässige Aussicht auf Rettung verknüpft sein könnte. Er suchte auch wirklich die Flucht, die zwar wegen der damit verbundenen Gefahr sehr bedenklich war, aber doch eine Hilfe zu gewähren und eher noch Rettung zu versprechen schien, indem er längeres Warten aufgab, weil das ein Übel ohne Rettung zu sein und nur unvermeidlichen Untergang in sich zu bergen schien. Jedoch als er auf die Schwelle sprang, da wurde er von dem, der die Thür hütete, mitten in den Arsch gehauen, strauchelte und fiel halbtot hin. Der den Streich führte, hatte sich wohl in acht genommen, dass er nicht seine edlen Hände dem Ende eines erbärmlichen Aschenpusters leihe und meinte, dass das unreine Liebesfeuer schwerer durch die Schande als durch den Tod bestraft sei. So wird ja von manchen das Unglück für eine grössere Strafe gehalten als der Tod. Die Folge war, dass das Mädchen, obschon ohne die Aufsicht und Sorge der Eltern, nunmehr ein fein gesittetes Leben führte und an sich gewissermassen selbst die Pflicht eines sorgsamen Vormundes ausübte. Und da Starkather bemerkte, als er sich die Hausgenossen ansah, dass sie das frische Unglück des Hausherrn sehr schmerzte, so [257] vergrösserte er die Schande des Verwundeten durch Spott und begann so zu höhnen:

30
„Sagt, warum schweigt so verstöret das Haus? was reget den Schmerz auf

Immer aufs neue? wo ruht jetzt der weibersüchtige Mann aus,
Welchen das Eisen jüngst strafte für Liebe, die nicht ihm gebührte?
Lebet auch jetzt noch in ihm sein Stolz und die eitele Prunksucht,
Hält er noch fest sein Beginnen, und glüht er noch immer in Wollust?

35
Mög’ er mit mir doch verplaudern in trautem Gespräche ein Stündlein,

Mög’ er den früheren Groll beilegen mit freundlichen Worten[8].
Zeiget ein freundlich Gesicht, nicht töne im Hause die Klage,
Nicht soll Trauer und Thräne des Harms entstellen das Antlitz.
Wer doch in Liebe entbrannt zu dem Mädchen, das wollte ich wissen,
[192] 192Wer in sein Herze genommen das mir so teuere Pflegkind;
Nahm drum den Hut, dass nicht das bekannte Gesicht mich verrate.
Da kam lüstern herein jener Schmied unzüchtigen Schrittes,
Warf bald so und bald so in studiertem Geschlenker die Beine,

5
Drehte mit gleicher Geziertheit die Augen bald hierhin, bald dorthin.

Hei! wie stand ihm so fein doch der Mantel mit Biber gebrämet,
Perlenbesät war der Schuh und das Röckchen mit Golde gesticket;
Glänzende Bänder durchwanden die zierlich geschniegelten Löckchen,
Auch eine streifige Binde umschlang ihm das wallende Haupthaar.

10
Daher erwuchs ihm der nichtige Stolz und der Hochmut des Herzens,

Reichtum erschien ihm wie edle Geburt und die Schätze wie Ahnen;
Nach dem Besitze ermass er den Stand und nicht nach dem Blute;
Daher entsprang Überhebung und Trotz in dem eitelen Wichte.
Ob seines Putzes vermeint’ er, Aschpuster, erbärmlicher Schmutzfink,

15
Gleich den Grossen zu sein und dem Adel, er, der mit den Bälgen

Jagd macht auf Luft und mit emsigem Ziehn aufreget den Windzug,
Der mit den Fingern die Asche durchwühlt, mit gezogenem Blasbalg,
Auf und nieder, einhaschet den Wind und mit dünnerem Wedel
Luftzug erregt und zur Glut anfachet das glimmende Feuer;

20
Schreitet dann hin zu dem Schosse des Mädchens, und an sie geschmieget,

„Jungfrau!“ sagt er, „nun kämm mir das Haar und fang mir die Flöhe,
Fang mir die Springer, die schnellen; entferne, was beisset die Haut mir.“
Setzet sich nieder alsdann und zeigt goldstrotzende Arme,
Lagernd auf schwellendem Polster, gestützt auf die Beuge des Armes,

25
Prunket und prahlet mit seinem Geschmeid, wie das Tier mit Gekläffe

Rasch den geschlungenen Ring des gewickelten Schwanzes entfaltet.
Als sie mich sah und erkannte, da will den Verliebten sie ducken,
Stösst die lüsternen Hände zurück und nennt mich mit Namen.

[258]

„Hüte die Finger“, so spricht sie, „ich bitte, und dämpfe die Gluten,

30
Denke darauf, zu beschwichtgen den Alten dort hart an der Thüre.

Lustiger Scherz wird gewandelt zu Schmerz; dort, glaube mir, sitzet
Starkather, langsamen Blicks überwacht er, was immer Du vornimmst.“
Aber der Schmied: „Nicht zage Dein Blick vor dem kraftlosen Raben,
Nicht vor dem Alten in Lumpen; noch nie barg jener Gewaltge,

35
Der Dich erschreckt, seinen Leib zur Schmach in gemeine Gewandung,

Nie, denn ein tapferes Herz erfreuet ein glänzender Mantel,
Herrlicher Sinn heischt herrliches Kleid.“ Ab warf ich die Hülle,
Zückte das Schwert; in den Arsch, als zur eiligen Flucht er sich wandte,
Traf ich den Schuft; auf klaffte das Fleisch und, vom Knochen geschnitten,
Legt es das Innere bloss. Auf sprang ich sodann, und dem Mädchen
[193] 193Schlug ich die Faust ins Gesicht; alsbald aus zerschundener Nase
Strömte das Blut; nun nässten die Lippen, die böses Gelächter
Immer nur kannten, die Thränen mit Blute gemenget, es büsste
Thörichte Liebe, was einst sie mit schmachtendem Auge gesündigt.

5
Aus war es nun, das Getändel der Armen, die blind vor Begierde

Stürmt wie die rasende Stute und Schönheit begräbt in der Wollust.
Ha! Du verdienst, dass um Geld man verkauft Dich ins Ausland, als Sklavin
Solltest Du drehen die Mühle; doch zeuget, dass falsch Du beschuldigt,
Blut aus den Zitzen gepresst, und es reinigt die milchlose Brust Dich

10
Jetzt noch von dieser Verschuldung. Nun wohl, ich erachte Dich

schuldlos,
Spreche Dich frei des Vergehns; doch hüte Dich wohl, des Verdachtes
Ferner zu bieten ein Mal, zu verfallen den lästernden Zungen,
Preis Dich zu geben dem nagenden Zahn des geschwätzigen Volkes.
Viele versehrt das Gerücht, und es schadet die böse Verleumdung;

15
Lenkt doch die Meinung des Volkes zu unrecht ein einziges Wörtlein.

Ehre die Ahnen, halt hoch Deine Väter, gedenke der Eltern,
Schätze die Vorfahren recht und bewahre die Ehre dem Namen.
Sag’, wie befiel Dich der Wahnwitz? und welch unselig Verhängnis
Trieb Dich, schurkischer Schmied! einen edelen Spross zu begehren?

20
Oder hat irgend ein Mensch zu der niederen Liebe verführet

Dich, der ein fürstliches Lager gebührt? Wie konntest Du, sag’ doch,
Küssen mit rosigen Lippen den Mund, der da duftet nach Asche?
Wie doch die Hand, die von Kohlen geschwärzt, an dem Busen Dir dulden?
Wie doch umfassen Dich lassen von Armen, die Feuerbrand wenden,

25
Nahen noch lassen die Hand, die die Zange in ewiger Arbeit

Deckte mit Schwielen, den rosigen Wangen? das Haupt dann umfassen
Und in den strahlenden Armen verbergen, das Asche beschmutzte?
Freilich, dass einerlei Art nicht die Schmiede, das hab’ ich gelernet,
Als sie mich klopften dereinst. Ein Name begreifet sie alle,

[259]
30
Alle umfasset dasselbe Gewerbe, doch drunter die Herzen

Scheidet verschiedener Sinn: die Besten, nach meiner Entscheidung,
Sind, die die Schwerter und Speere den Mutigen schmieden zum Kampfe,
Die mit der Kunst kund geben den Sinn, dass die Härte des Herzens
Klar wird im stahlharten Werk, die den Mut mit der Arbeit bezeugen.

35
Andere sind, die das Erz herlangen aus hohler Kapelle,

Aus dem geschmolzenen Golde die buntesten Formen zu bilden,
Welche die Stufen des Erzes zerlassen und nochmals zerschmelzen;
Diesen jedoch gab weicheren Sinn die Natur, und die Hände,
Denen sie treffliches Kunstgeschick gab, hat durch Furcht sie geschwächet;
Solche verstehen mit List, wenn die Glut, die der Windzug erreget,

1
[194] 194Schmelzet das Erz in dem Ofen, geschickt aus dem Fluss zu entwenden

Brocken des Goldes; dann schreit nach gestohlenen Stücken der Tiegel.

Nach diesen Worten ging Starkather, eben so erfreut über sein Gedicht wie über seine That, zurück zu Haldan und wurde sein nächster Vertrauter im Gefolge; nie stand er von Kriegsübung ab, so dass er seinen dem Genusse abgewandten Sinn mit beständiger Anstrengung in den Waffen in Bewegung erhielt.

Es hatte aber Ingell zwei Schwestern, Helga und Asa von denen Helga im mannbaren Alter stand, Asa aber jünger an Jahren und noch nicht reif für die Ehe war. Da ging der Norweger Helgo mit dem Wunsche, sich die Helga zur Frau zu holen, in See. Seine Meerfahrt hatte er mit solcher Pracht hergerichtet, dass er mit Gold geschmückte Segel verwandte, die an ebenfalls vergoldeten Masten hangend durch purpurfarbene Taue befestigt waren. Als er ankam, versprach Ingell ihm seinen Wunsch zu erfüllen, falls er es wage, die ihm entgegengestellten Kämpen zu bestehen, um seinen Ruf durch eine Probe wahr zu machen. Helgo liess sich durch die Bedingung nicht anfechten und versprach, sich sehr gern der Abmachung zu fügen. So wird denn in feierlichem Verlobungsakte der Verspruch des zukünftigen Ehebundes vorgenommen. Zu derselben Zeit, berichtet die Sage, waren auf der Insel Seeland neun Söhne eines Herzogs herangewachsen, ganz besonders stark und kühn, deren ältester Angaterus war. Da dieser sich ebenfalls um das Mädchen bewarb und nun sehen musste, dass die ihm verweigerte Frau dem Helgo versprochen war, so forderte er ihn zum Zweikampfe heraus, [260] um seinen Ärger mit dem Schwerte zu stillen. Helgo ging auf den vorgeschlagenen Kampf ein, und nach beider Wunsch wurde dieser auf den Hochzeitstag anberaumt; denn wer, zum Zweikampfe herausgefordert, ablehnte, der galt in aller Augen als ehrlos. Deshalb beunruhigte den Helgo auf der einen Seite die Scham, den Kampf abzulehnen, auf der andern die Furcht vor dem Kampfe. Denn er glaubte, dass er gegen das gewöhnliche Kampfrecht zu ungleicher Hand herausgefordert sei, weil er allein gegen neun in die Schranken zu treten gelobt zu haben schien. Als er so überlegte, sagte ihm seine Verlobte, er werde Hilfe nötig haben und gab ihm den Rat, einen Kampf zu meiden, bei dem er sich nur den Tod oder Unehre erwerben könne, namentlich da er die Zahl derer, gegen die er zu kämpfen haben würde, nicht durch eine bestimmte Festsetzung gebunden hätte; daher solle er der Gefahr aus dem Wege gehen und Starkather, der sich in Schweden aufhielte, ins Feld bringen, um für sein Leben zu sorgen; denn der pflege Bedürftigen beizustehen und oft unangenehme [195] 195Zufälle durch sein glückliches Eingreifen zu wenden. Der Vorschlag war dem Helgo recht. Mit kleinem Gefolge ging er nach Schweden und kam zu der vornehmsten Stadt des Landes, Upsala. Er selbst ging nicht hinein, sondern schickte einen Boten ab, der den Starkather erst durch einen Gruss versuchen und zu der Hochzeit der Tochter des Frotho einladen sollte. Starkather fasste diese Aufmerksamkeit als eine Beleidigung auf, sah den jungen Mann böse an und antwortete, er würde für eine solche alberne Botschaft büssen müssen, wenn er nicht in seinen Auftrag die Erwähnung seines teueren Frotho verflochten hätte; er habe sich wohl eingebildet, er, Starkather laufe wie ein Hanswurst oder ein Speichellecker um eines leckeren Mahles willen dem Dampfe einer fremden Küche nach. Als dem Helgo dieser Bescheid durch seinen Trabanten gebracht wurde, ging er selbst in den Königspalast, überbrachte dem Alten Grüsse von der Tochter des Frotho und bat um seinen Beistand in dem anberaumten Zweikampfe; er selbst sei nicht genug für ihn, weil die Form der Anberaumung die Zahl seiner Gegner, [261] die gegen ihn stehen sollten, unbestimmt gelassen habe. Als Starkather Ort und Zeit des Kampfes vernahm, hörte er nicht allein die Bitte gnädig an, sondern tröstete ihn durch die Zusage seiner Hilfe und hiess ihn mit seinem Gefolge nach Dänemark zurückkehren; er werde auf einem unbekannten kürzeren Wege dahin nachkommen. Helgo ging weg, Starkather begann nach einigen Tagen seinen Marsch und, wenn man der Sage glauben darf, hat er mit windschnellem Schritte so viel Raum in einer Tagereise durchmessen, wie die vorauf Gehenden in zwölf Tagen zurückgelegt hatten, so dass beide, zufällig auf ihrem Gange zusammenstossend, zu ein und derselben Zeit ihr Ziel, die Wohnung des Ingell, erreichten. Als hier Starkather wie ein Diener an den mit Gästen besetzten Tischen vorüberschritt, da stiessen die obenerwähnten Neun mit hässlichen Gebärden wilde Töne aus und sprachen sich, wie Schauspieler hin und herlaufend, gegenseitig Mut zu für den Kampf. Einige erzählen, dass sie den kommenden Kämpen wie wütende Hunde angebellt hätten. Starkather schalt sie, dass sie sich durch Entstellung ihres Antlitzes ein lächerliches Aussehen gäben und Unfug trieben mit aufgeblasenen Backen und aufgesperrten Mäulern; denn so führe liederliche Weichlichkeit von Leuten, die zu Weibern geworden wären, ihre ausschweifende Zügellosigkeit zur Schau. Als er gefragt wurde, ob er Mut habe zum Kampfe, antwortete er: nicht nur einen, sondern beliebig viele gegen ihn gepaart zu bestehen habe er die sichere Kraft. Als die Neun das hörten, begriffen sie, dass der es sei, der, wie sie vernommen, aus der Ferne dem Helgo zur Unterstützung kommen solle. Starkather übernahm freiwillig die Wache, [196] 196um das Gemach der Braut mit aufmerksamer Hut zu sichern; er verschloss die zugezogenen Thüren des Schlafgemachs anstatt des Riegels mit seinem Schwerte, um der Hochzeit durch seine Wache eine ungestörte Ruhe zu verschaffen. Als Helgo erwachte und den schweren Schlummer von sich schüttelte, da dachte er an seine Zusage und wollte sich wappnen; da er aber sah, dass das Dunkel der Nacht noch nicht ganz geschwunden war, und da er die Zeit der Dämmerung abwarten wollte, [262] übermannte ihn, während er in seinem Sinne die nahe Gefahr hin und her überlegte, unbemerkt heranschleichend der süsse Schlummer, und er sank schlaftrunken wieder auf das Lager. Als Starkather beim ersten Morgengrauen herzutretend ihn schlafend in den Armen seiner Gemahlin liegen sah, da wollte er ihn nicht durch lästiges, störendes Schütteln aus der tiefen Ruhe aufscheuchen; man sollte nicht meinen, dass er aus Feigheit das Geschäft des Weckens sich anmasse und eine so junge und süsse Verbindung störe. Er hielt es also für ruhmvoller, allein die Gefahr aufzusuchen, als sich einen Gefährten zu holen durch eine Störung des Vergnügens des andern. Schweigend also setzte er seinen Fuss rückwärts und schritt nach dem Felde, das in unserer Sprache Roliung heisst, mit Verachtung seiner Gegner; er suchte sich einen Sitz am Abhange eines Hügels und gab sich den Winden und Schneeflocken preis. Dann legte er das Kleid ab, gleichwie wenn ein Frühlingslüftchen ihn anwehe und suchte sich die Flöhe ab. Auch den purpurgefärbten Mantel, den ihm jüngst Helga geschenkt hatte, warf er über einen Dornbusch; es sollte nicht heissen, dass er gegen die aufschlagenden Hagelkörner zu dem Schutze der Kleider gegriffen habe. Da kamen die Kämpen und gingen an den Hügel an der andern Seite heran, und indem sie einen vom Winde abgekehrten Sitzplatz sich suchten, verscheuchten sie die Kälte durch ein angezündetes Feuer. Endlich, als sie den Starkather nirgends erblickten, schickten sie einen auf die Spitze des Hügels, der wie von einer Warte aus seine Ankunft deutlich sehen sollte. Als der auf dem Gipfel des hohen Hügels ankam, da sah er auf der abfallenden Seite desselben den Alten, bis zu den Schultern von dem fallenden Schnee bedeckt. Er fragte ihn, ob er der sei, der den Kampf durchzufechten sich anheischig gemacht habe, und als Starkather sagte, er wäre der, da kamen auch die andern hinzu und fragten, ob er sie alle zusammen oder jeden einzeln bestehen wolle. Er aber sagte: „Wenn mich ein Rudel Hunde zudringlich ankläfft, so pflege ich sie alle zusammen, nicht einzeln, fortzujagen.“ Indem er so zu erkennen gab, dass er lieber mit allen zusammen, als mit jedem [263] einzeln kämpfen wollte, glaubte er seine Gegner mit Worten und dann erst mit den Waffen verächtlich machen zu sollen. Als nun der Kampf begonnen, streckte er sechs von ihnen nieder, ohne selbst eine Wunde zu bekommen; auch die drei übrigen that er, wie ihre Brüder, ab, obwohl sie ihm siebzehn [197] 197schwere Wunden schlugen, so dass der grösste Teil der Eingeweide aus dem Bauche fiel. Da er so ohne Eingeweide, mit gebrochener Kraft, von heftigem Durste gequält wurde, da kroch er auf den Knieen heran in seinem Verlangen nach einem Trunke und wollte sich das Wasser eines in der Nähe fliessenden Baches nehmen. Als er ihn aber mit Blut verunreinigt sah, da erregte ihm der Anblick des Wassers Ekel, und er versagte sich den schmutzigen Trank. Anganturus nämlich lag langhingestreckt in dem Wasser des Baches und hatte das Bachbett dermassen mit seinem Blute besprengt, dass es nicht mit Wasser, sondern mit einer rosenfarbenen Flüssigkeit gefüllt schien. So hielt es denn Starkather für schöner, seine Leibeskräfte schwinden zu sehen, als sie durch einen so schnöden Trunk zu stärken. Als daher seine Kraft beinahe aufgezehrt war, schleppte er sich auf den Knieen bis zu einem Steine, der in der Nähe lag und lehnte sich ein wenig an ihn. Noch heute sieht man seine Oberfläche ausgehöhlt, als wenn sie das Gewicht des sich Anlehnenden mit einem deutlichen Eindrucke des Körpers gekennzeichnet hätte. Ich denke, diese Erscheinung ist von Menschenhand künstlich hervorgebracht; denn es übersteigt doch wohl alle Wahrscheinlichkeit, dass ein harter Stein, den man nicht schneiden kann, sich wie weiches Wachs verhalten haben sollte, so dass er nur infolge der Berührung des sich daran stützenden Mannes das Bild eines menschlichen Sitzes sehen liess und auf die Dauer eine Aushöhlung bekam.

Als nun einer, der zufällig auf einem Wagen vorbeifuhr, den Starkather fast am ganzen Körper verwundet sah, da lenkte er, von Schauder wie von Bewunderung ergriffen, sein Gefährt näher und fragte, wie er ihm lohnen würde, wenn er ihm seine Wunden heile. Jedoch Starkather wollte lieber von seinen bitteren Wunden gequält werden, als die Dienste [264] eines Menschen niederen Standes annehmen und bestand deshalb darauf, erst seine Beschäftigung und seine Herkunft zu erfahren. Als er hörte, dass er die Stellung eines Büttels[9] einnehme, da begnügte er sich nicht damit, ihn abzuweisen, sondern er schalt ihn tüchtig aus, weil er, aller Ehrbarkeit bloss, die Dienste eines Schergen übernommen und sein ganzes Leben mit schandbarem Rufe für immer bedeckt habe, die Einbusse der Armen für Gewinn hielte, niemand ungeschoren lasse, immer bereit, gegen alle eine ungerechte Anklage zu erheben, dann am frohesten, wenn andere etwas trauriges getroffen habe, während er mit seinem Dichten und Trachten darin sich abarbeite, aller Menschen Thun mit der Kunst hinterlistiger Nachforschung aufzuspüren und schuldlose Sitten mit gesuchter Gelegenheit zum schädigen zu umstricken. Als der wegging, kam ein anderer, der ihm Hilfe und Heilung versprach; als der, wie der erste, aufgefordert wurde, seinen Stand anzugeben, [198] 198da sagte er, er habe die Hörige eines gewissen Jemand zur Frau, und um sie frei zu machen, arbeite er für ihren Herrn auf dem Felde. Da sagte Starkather, er wolle seine Hilfe deshalb nicht haben, weil er in schmachvoller Ehe die Umarmungen einer Unfreien gesucht habe. Wenn er nur noch einen Funken von Ehrgefühl besitze, so solle er den vertrauten Umgang mit der Hörigen eines andern mit Abscheu von sich werfen und eine Freie zur Lagergenossin nehmen. Wie gewaltig muss doch die Seelengrösse dieses Mannes gewesen sein, der in den schlimmsten Gefahren für das Leben stehend so gross sich zeigte in der Zurückweisung der Hilfe, wie er sich gezeigt hatte in der Hinnahme von Wunden! Als jener abging, kam eine Frau zufällig an dem Alten vorüber. Als diese näher trat, um ihm seine Wunden zu waschen, da verlangte er erst zu wissen, welches Standes und welcher Stellung sie sei; sie erwiderte, sie sei eine Magd und arbeite an der Mühle. Weiter fragte Starkather, ob sie Kinder habe, und als erfuhr, dass sie eine kleine Tochter habe, hiess er sie nach Hause gehen und ihrem wimmernden Kinde die [265] anzunehmen von einem armseligen Weibe aus dem untersten Stande. Er wusste auch, dass sie zwar gut verstand, ihr eigenes Fleisch und Blut mit der nährenden Milch zu versehen, nicht aber oder nur schlecht fremde Wunden mit Heilmitteln zu beschicken. Als sie wegging, kam ein junger Mann auf einem Wagen gefahren. Als der den Alten erblickte und näher trat, um seinen Wunden Hilfe zu bringen, und gefragt wurde, wer er wäre, gab er den Bescheid, er sei der Sohn eines Bauern und an die Arbeiten des Landbaues gewöhnt. Da pries Starkather seine Abkunft, erklärte auch sein Gewerbe für das ehrwürdigste, weil Leute dieses Berufes ihren Lebensunterhalt mit ehrlicher Arbeit suchten und nur von einem solchen Gewinne wüssten, den sie mit Schweissvergiessen erwürben. Und nicht mit Unrecht meinte er, dass man das Leben eines Bauern den glänzendsten Schätzen vorziehen müsse, denn dessen Früchte werden unverdorben, gleichweit entfernt von glänzendem und von niederem Lose, aus dem Schosse des Mittelstandes erzeugt und grossgezogen. Um aber die Freundlichkeit des jungen Mannes nicht unbeschenkt zu lassen, gab er ihm den Mantel, den er auf den Dornstrauch geworfen, als Belohnung für die bezeugte Achtung. Es trat also der Bauernsohn an ihn heran, schob die losgetrennten Teile des Innern wieder an ihren Platz und band die herausgeglittene Menge der Eingeweide mit einer Schlinge aus Weidenruten fest. Dann hob er den Alten auf seinen Wagen und fuhr ihn mit hochachtungsvollem Eifer bis zu dem Hause des Königs.

Inzwischen begann Helga ihren Mann mit Worten, die eine grosse Vorsicht offenbarten, zu unterrichten: [199] 199sie sei überzeugt, dass Starkather, sobald er nach Besiegung der Kämpen zurückkehre, ihn dafür bestrafen würde, dass er nicht gekommen sei; denn er würde glauben, dass er mehr sich durch Feigheit und Wollust habe bestimmen lassen, als Wert gelegt auf das Worthalten für den ausgemachten Kampf. Er müsse ihm also scharf entgegentreten, weil er gewohnt sei, Tapfere zu schonen, Feige aber zu hassen. Ihre Voraussage erkannte Helgo als eben so richtig an, wie ihren Rat Brust reichen; für ihn wäre es eine Schande, Unterstützung [266] und machte sich körperlich und geistig stark in dem Wunsche, sich tapfer zu zeigen. Als Starkather zu dem Hause des Königs gefahren worden war, da achtete er nicht des Schmerzes seiner Wunden, sondern sprang hurtig vom Wagen, und wie ganz heil am Körper eilte er zu dem Brautgemache und schlug mit der Faust die Thüren auf. Da sprang Helgo vom Lager, wie die Gemahlin ihn belehrend angewiesen und schlug ihm sein Schwert gerade in die Stirn. Als er im Sinnen auf eine zweite Wunde wiederum mit dem Schwerte zuschlagen wollte, da sprang Helga schnell vom Lager auf und schützte den Alten vor dem drohenden Verderben durch Vorhaltung eines rasch ergriffenen Schildes; jedoch wurde dieser von Helgo mit dem gewuchtigen Schwertstreiche bis zur Mitte des Buckels durchgeschlagen. So widmete die kluge Frau dem Freunde Hilfe, rettete den mit der Hand, dem sie mit ihrem Rate geschadet hatte und schützte, wie mit ihren Mahnungen den Gatten, so mit ihrer Thaten den Alten. Dieser Umstand bewog Starkather, dem Helgo das Leben zu schenken; denn, so sagte er, man müsse den schonen, dem ein sichtlicher Beweis von Tapferkeit ein sicheres Zeugnis des Mutes gebe. Der verdiene nimmer den Tod, den der mutige Sinn mit einem so hervorragenden Kampfvertrauen geschmückt hätte.

Als seine Wunden noch nicht geheilt und noch von keiner Narbe überzogen waren, ging er nach Schweden zurück, weil Haldan von Nebenbuhlern erschlagen war, und setzte nach Niederschlagung eines Aufstandes als Erben in die väterliche Erbschaft dessen Sohn Sywardus ein. Bei ihm hielt er sich eine geraume Zeit auf; als er aber durch immer bestimmter auftretendes Gerücht von der Sache erfuhr, dass der Sohn des durch Verrat ermordeten Frotho in Sinnesverblendung den Mördern seines Vaters anstatt Ahndung Wohlwollen und Freundschaft erwiese, da nahm er ein tüchtiges Bündel Kohlen wie eine kostbare Last auf seine Schultern und machte sich auf den Weg nach Dänemark; denn ihn erregte der Stachel des Unwillens über eine so grausige Handlungsweise, und es schmerzte ihn tief, dass ein so tüchtig [267] beanlagter Jüngling ganz vergass, dass er der Sohn eines berühmten Vaters war. Als er von den ihm Begegnenden gefragt wurde, was er da für eine sonderbare Last trüge, antwortete er, er wolle mit den Kohlen den stumpfen Sinn des Königs Ingell scharf machen. Und so vollendete er auf einem kürzeren Richtwege wie in einem Atem einen reissend raschen Marsch, [200] 200und als er am Ende bei Ingell einkehrte, erstieg er nach seiner Gewohnheit den für die Vornehmen bestimmten Sitz; denn bei den Königen der früheren Zeit hatte er stets den obersten Ehrenplatz eingenommen. Als die Königin eintrat und ihn struppig in schmutzigen Bauernlappen sitzen sah, schenkte sie dem Fremden wegen seines hässlichen Aufzuges nur geringe Beachtung, und den Mann nach dem Kleide schätzend fuhr sie ihn an als einen Narren, dass er sich eher gesetzt, als die Grossen und sich einen Sitz angemasst habe, der seinem Bauernanzuge nicht zukomme; sie hiess ihn den Platz räumen, damit er nicht die Polster mit seinen über alle Begriffe schmutzigen Kleidern besudele. Denn was bei jenem Ausfluss des Selbstbewusstseins war, das legte sie als dummdreiste Unverschämtheit aus, weil sie nicht wusste, dass auf dem hohen Sitze der Sinn viel heller leuchtet als das Kleid. Es gehorchte der mutvolle Greis, obwohl ärgerlich über die Zurücksetzung und unterdrückte seine Erregung über die Schmach, die seine Tapferkeit nicht verdiente, mit vorzüglicher Selbstbeherrschung; mit keinem Worte und mit keinem Seufzer begleitete er die ihm angethane Beschimpfung. Vollständig konnte er jedoch die geheime Schärfe seines Ärgers nicht verbergen: als er aufstand und nach dem unteren Ende der Halle schritt, da erschütterte er beim Niedersitzen durch seine Wucht die starke Wand so sehr, dass die Balken stark zitterten, und er beinahe das Dach zum Einsturze brachte. So kam es, dass er, gereizt durch die Zurücksetzung nicht allein, sondern auch durch die Schmach der ihm vorgerückten Ärmlichkeit, seinem Zorne gegenüber den schmähenden Worten der Königin in unbezähmbarer Schärfe freie Bahn liess.

Als Ingell, von der Jagd zurückkommend, den Fremden [268] neugierig musterte und sah, wie er weder lustig um sich blickte, noch vor ihm ehrerbietig aufstand, da merkte er an dem finsteren Gesichtsausdrucke, dass es Starkather war. Denn als er seine von der Kriegsarbeit gehärteten Hände, die Narben auf seiner Brust und den lebendigen, durchdringenden Blick betrachtete, da wusste er, dass der Mann nicht schwächlichen Geistes sei, dessen Körper so grosse Wundenspuren durchfurcht hätten. Er schalt also seine Gemahlin und forderte sie nachdrücklich auf, sie solle ihre hochmütige Aufregung beschwichtigen und dem Manne, dem sie mit Schimpf scharf zugesetzt hatte, gute Worte gönnen und ihn durch zuvorkommende Dienstbeflissenheit versöhnlich stimmen; sie solle ihn durch Speise und Trank erquicken und durch freundliche Ansprache aufrichten; denn der Mann sei ihm einst von seinem Vater zum Vormunde bestellt gewesen und sei seiner Kindheit hingebendster Wächter gewesen. Da verkehrte sie, als sie, leider zu spät, die Bedeutung des Alten kennen lernte, ihre Strenge in Milde und ehrte nun den Mann, den sie zurückgesetzt hatte, den sie mit bitterem Schmähworte tief gekränkt hatte, mit eifriger Bedienung, und aus einer ärgerlichen Hausherrin wurde sie eine äusserst entgegenkommende Schmeichlerin; [201] 201sie wünschte ihre Aufmerksamkeit seinem Unwillen zur Abwehr entgegenzustellen, vielleicht deswegen weniger zu tadeln wegen ihres Fehlgriffes, weil sie ihn auf Zurechtweisung schnell fallen liess. Und doch büsste sie nicht leicht dafür, da sie die Räume, in denen sie den tapfern Alten durch Wegweisen von seinem Platze tief gekränkt hatte, nachher durch die Niedermetzelung ihrer Brüder blutig gefärbt sah.

Am Abend aber, als Ingell die Mahlzeit mit den Söhnen des Swerting einnahm, bestand sie auf den feinsten Speisen, liess die Tische mit einem verschwenderischen Mahle belasten und hielt den Alten mit freundschaftlicher Einladung fest, dass er sich nicht vorzeitig dem Gelage entzöge, gleich als ob die Leckereien eines mühsam bereiteten Mahles den festen Ernst der Tapferkeit untergraben könnten. Als Starkather nur seine Augen auf sie gerichtet, wies er dieser [269] lockeren Dinge Genuss barsch von sich, um der ausländischen Sitte gar nichts einzuräumen und härtete mit der ihm eignen starken Masshaltung seinen Gaumen gegen die Verlockungen der Leckerbissen, um nicht seinen Kriegsruhm durch die üppigen Genüsse bei Tische schwinden zu lassen. Seine Tapferkeit liebte das einfache Leben über alles, einem Übermass von Speise abgeneigt und einem übertriebenen Genusse bei Tische abgewandt; niemals gab sie sich dazu her, der Schwelgerei einen Wert beizumessen, sondern dachte immer nur an die Tüchtigkeit, nie an den Genuss. Da er also sah, wie die alten strengen Sitten und die ganze frühere Gewohnheit in neumodischem Prunk und Pracht unterging, da verlangte er nach einfach zugerichteter Bauernspeise und wies das kostbare Mahl zurück. Er wollte nichts von den Feinheiten der Tafel wissen, sondern nahm nur ein wenig nach Rauch und ranzig schmeckende Speise und stillte doch seinen Hunger mit Wohlgeschmack, weil einfach, damit er nicht die Kräfte der wahren Tüchtigkeit durch die Pest der ausländischen Leckereien wie durch eine gefälschte Annehmlichkeit abschwäche oder das Gesetz der alten Einfachheit durch neumodische Anbetung des Gaumens breche. Er empfand es unwillig, dass gebratenes Fleisch und auch noch gekochtes für ein kostspieliges Mahl hergegeben wurde; für Unding nahm er ein Gericht, das, in die Gerüche der Küche eingetaucht, dann noch des Kochs Geschick mit mehrfacher, unterschiedlicher Würze abrieb. Im Gegenteil hatte Ingell die Vorbilder der Ahnen seinen Augen entrückt und that sich durch Einführung neuen Brauchs bei Tische eine grössere Güte, als es das Herkommen gestattete. Nachdem er sich einmal teutonischen Sitten hingegeben, schämte er sich nicht, sich von der verweichlichenden Üppigkeit überwinden zu lassen. Aus Deutschlands Sumpfe floss in die Kanäle unseres Landes nicht geringe Nahrung der Schwelgerei. Daher sind geflossen prächtigere Tafeln, feinere Küchen, schmutzige Dienste der Köche und verschiedener Dreck von Füllungen; daher ist gekommen die [202] 202Verwendung einer üppigeren Kleidung, die von dem Herkommen der Väter abgewichen ist. [270] Und so hat unser Land, welches die Mässigkeit in sich wie ein natürliches Gut ausbildete, die Üppigkeit von den Nachbarn bezogen. Ingell hatte sich von ihren Lockungen fangen lassen und schämte sich deshalb auch nicht, Unrecht mit Wohlthaten aufzuwiegen, und der elende Tod seines Vaters entlockte ihm nie einen Seufzer des Kummers, wenn er ihm durch den[WS 2] Sinn ging.

Die Königin aber, um nicht ihren Vorsatz unerfüllt zu sehen, – sie bildete sich ein, den Zorn des Alten am besten mit Geschenken abwenden zu können – zog eine Binde von wunderbarer Arbeit von ihrem Haupte und legte sie in den Schoss des Speisenden; denn sie wünschte das Wohlwollen des Mannes zu kaufen, da sie seine Tüchtigkeit nicht hatte abstumpfen können. Jedoch Starkather hatte den Ärger über die Beleidigung noch nicht vergessen und warf der Spenderin die Binde ins Gesicht; denn er meinte, in einem solchen Geschenke liege mehr Missachtung als Hochachtung; und es war sehr klug von ihm, dass er sich auf sein von Wunden bedecktes und an den Helm gewöhntes Haupt nicht den ungewohnten Schmuck eines Weiberputzes kommen liess; ein Frauenband dürfe nicht in ein Manneshaar gewunden werden. So strafte er Abweisung mit Abweisung und machte die verächtliche Behandlung seiner Person mit Verachtung von seiner Seite wett, indem er sich beinahe so gross in der Ahndung der Beleidigung erwies, wie er sich bei der ruhigen Hinnahme derselben erwiesen hatte. Denn der Sinn des alten Kriegers, der die Verehrung des Frotho mit unauflöslichen Fesseln der Freundschaft umfasst hatte und durch viele prächtige Beweise seiner Güte zu ihm gezogen wurde, konnte durch kein schmeichelndes Entgegenkommen bewogen werden, die Absicht ihn zu rächen fallen zu lassen, nein! er wollte ihm den für die Wohlthaten gebührenden Dank auch nach der Erfüllung seines Geschicks noch abstatten und dem nach dem Tode mit Erwiderung des Wohlwollens lohnen, von dem er im Leben liebenden Sinn und freigebige Freundschaft erfahren hatte. So tief führte er das Jammerbild der Ermordung des Frotho in seinem Herzen eingegraben, dass aus dem innersten Grunde seines [271] Gemütes das Andenken an seinen erlauchten Herren nicht losgerissen werden konnte, und dass er aus diesem Grunde keinen Augenblick schwankte, das frühere Freundschaftsverhältnis der jetzt ihm entgegengebrachten Güte vorzuziehen. Übrigens wusste er, der früheren Beschimpfung eingedenk, der nachfolgenden Gefälligkeit keinen Dank; denn er konnte den Ärger über den Angriff auf sein Ehrgefühl nicht los werden. Die Bilder von Kränkungen und von Wohlthaten haften eben fester in dem Herzen der Helden als der Weichlinge. Er war nicht ein Charakter wie solche, die an den Freunden im Glücke hängen, im Unglücke sie verlassen und die mehr dem Glücke als der Freundschaft ihren Kult weihen, denen der Sinn mehr steht auf den eigenen [203] 203Vorteil als auf Wohlwollen gegen andere. Als aber die Frau, hartnäckig in ihrem Vorsatze, sah, dass sie auch so nicht aus dem Greise eine gastliche Heiterkeit herauslocken konnte, da wies sie einen Pfeifer an zu spielen, um den Versuch ihm zu schmeicheln mit einer noch feineren Huldigung zu begleiten und dem Gaste noch grössere Ehre zu erweisen; sie befahl eine Weise, mit der sie seinen hartnäckigen Unwillen zu beugen gedachte; mit Hilfe des kunstvollen Tonstücks wollte sie die natürliche Stärke seiner Ungnade brechen. Jedoch der Pfeife und der Saiten Lockruf blieb wirkungslos bei dem Versuche, den harten Sinn des Mannes zu erweichen; denn der Hörer fühlte aus dem ihm gewidmeten Kult mehr die versteckte Nebenabsicht als wirkliche Zuneigung heraus. Daher kam es, dass der in seiner Erwartung getäuschte Tonkünstler mehr für eine Statue als für einen Menschen zu spielen schien und die Lehre erhielt, dass der schwere Ernst vergebens durch Possenreisser-Künste angegriffen wird, und dass durch den wesenlosen Hauch des Mundes eine grosse Masse nicht aus dem Gleichgewichte gebracht werden kann. Denn Starkather behielt steif und fest den Ausdruck des Unwillens in seiner Miene, so dass sein Gesichtsausdruck in keiner Beziehung weicher als sonst erschien: die seinen Gelübden gebührende Festigkeit, die sich weder durch die Töne der Pfeife, noch durch die Verlockung des Gaumens ködern liess, glaubte [272] mehr Nachdruck legen zu sollen auf das tüchtige und männliche Vorhaben, als auf die Lockungen des Ohren- und des Tafelschmauses. Er schleuderte also einen Knochen, von dem er das Fleisch abgegessen hatte, in das Gesicht des Musikanten und trieb mit gewaltsamem Schlage die Luft aus seinen aufgeblasenen Backen heraus, sodass sie zusammenklappten. Damit zeigte er, dass der sittliche Ernst keine Lust hat, Schauspielern Beifall zu spenden. Die durch den Zorn verschlossenen Ohren öffneten sich für keinen Genuss. Ein des Schauspielers würdiges Geschenk strafte mit bösem Lohne die unschöne Gefälligkeit: als ein Mann, der Verdienste sehr gut zu schätzen weiss, überwies er dem Pfeifer als Geschenk die Knochenröhre und widmete dem weichen Dienste einen harten Lohn. Hat nun der Künstler lauter gespielt oder lauter geheult? Ich weiss es nicht, auf jeden Fall hat er durch Vergiessen bitterer Thränen gezeigt, dass in einer liederlichen Brust mutiger Sinn wenig Platz einnimmt; denn er, der sich vollständig zum Untergebenen der Lust gemacht, hatte nicht gelernt, auch einmal ein hereinbrechendes Unglück still hinzunehmen. Seine böse Behandlung war eine Vorbedeutung für das nachkommende Blutbad bei der Mahlzeit. Sehr richtig entlohnte der Sinn, der den Ernst liebte, der mit festem Willen die Rache stets im Auge behielt, der aus dem Saitenspiel soviel Widerwillen, wie andere Wohlgefallen zog, den widerwärtigen Dienst mit dem schmählichen Wurfe eines Knochens; damit zeigte er deutlich, dass er grössere Verpflichtung fühle gegen die ruhmvolle Asche seines heldenhaften Freundes, als gegen die bösen Sitten seines schändlichen Pflegesohns. Darauf dichtete er zu grösserer Schmähung des Musikkünstlers noch ein derartiges Gedicht:[10]

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*

Die Königin aber staunte ob der Charakterstärke des Mannes, [204] 204die sie nicht hatte ausser Fassung bringen können und wurde eine Bewunderin dessen, den sie vergebens mit Ehrenerweisungen umschmeichelte.

[273] Da aber Starkather sehen musste, dass die Leute, die den Frotho erschlagen hatten, bei Ingell in hoher Gunst standen, zeigte er die grosse Wut, die in ihm kochte, mit dem scharfen Feuer seiner Blicke und verriet seine innere Bewegung durch die Erregung, die sich auf seinem Antlitze widerspiegelte, indem er den verborgenen Sturm in seinem Innern durch die unverdeckte Wildheit seiner Augen in die Erscheinung treten liess. Als schliesslich Ingell ihn mit Speisen von dem Tische des Königs beschwichtigen wollte, da wies er das Essen zurück, weil er, mit gewöhnlicher einfacher Kost zufrieden, die fremdländischen Gerichte verschmähte und, an alltägliche Speisen gewöhnt, seinen Gaumen nicht durch feinen Wohlgeschmack kitzelte. Als er gefragt wurde, weshalb er mit so finsterer Stirn die Gnade des freigebigen Königs zurückweise, sagte er, er sei nach Dänemark gekommen, um den Sohn des Frotho zu finden, nicht einen Menschen, der seinen verwöhnten und gierigen Magen mit einem feinzubereiteten reichlichen Mahle vollstopfe. Denn das hatte die deutsche dem Könige vertraut gewordene Üppigkeit bewirkt, dass er die in Wasser gekochten Fleischstücke in seinem Trachten nach üppiger Sättigung noch einmal am Feuer rösten liess. Darauf liess er die Aufführung des Ingell nicht unangegriffen vorbei, sondern ergoss über sein Haupt bitteren Tadel, klagte ihn der Ruchlosigkeit an, weil er, das Maul aufsperrend vor Übersättigung, den beim Essen erworbenen Rausch mit unanständigem Rülpsen ausströmen lasse und in Nachahmung der sächsischen Schwelgerei weit ab von der Nüchternheit auf Abwegen irre, so bar aller Tugend, dass er auch nicht dem geringsten Schatten derselben nachgehe. Am meisten aber, sagte er, müsse ihn alle Schmach treffen, weil er im Beginne seiner Laufbahn uneingedenk der Rache für seinen Vater mit Versäumung des Naturgebots die Henker desselben mit Wohlwollen und Aufmerksamkeiten überhäufe, die Leute, die sich am bösesten um ihn verdient gemacht, lieb und wert halte und die, gegen die er am schärfsten hätte vorgehen müssen, nicht allein straflos gelassen, sondern sogar seines Verkehrs und der Ehre seines Tisches gewürdigt hätte, an [274] denen er viel richtiger die Todesstrafe hätte vollstrecken müssen. Ausserdem soll er dieses Lied verwendet haben:

Ehren soll den Greis die unreife Jugend

35
Und der Jahre Zahl an dem Alten achten,

An dem tapfern Mann seine langen Zeiten
     Niemand darf schelten.

Mag vor Alter weiss auch das Haar erglänzen,
[205] 205Bleibt doch tapfrer Sinn immer frisch den Greisen;
Nimmer kann die Zeit in dem Strom der Jahre
     Mannesbrust brechen.

Aber mich stösst arg mit dem Arm der Nachbar,

5
Guter Sitten Brauch will er roh entweihen,

Giert nach leckrem Mahl, denn als Knecht des Gaumens
     Kennt er nichts Höh’res.

Als ich war ein Mann im Gefolg des Frotho,
Sass ich jederzeit in der Helden Mitte

10
Auf des Saals Hochsitz, und als Haupt der Edlen

     Führt’ ich die Tafel;

Aus ist jetzt der Brauch jener bessern Zeiten:
Jetzt sitz’ ich im Eck und bin gleich dem Fische,
Der bald hier bald dort sich ein Plätzchen ausspürt

15
     Drunten im Meere.


Ich, der zweifellos in den alten Zeiten
Pflegt’ auf feinrem Stuhl an dem Tisch zu sitzen,
Hock’ in letzter Reih’, aus der vollen Halle
     Werd’ ich gedränget.

20
Rücklings würd’ ich gar vor die Thür geworfen,

Würfe nicht die Wand den Gedrängten rückwärts,
Machte nicht das Brett dem gestossnen Manne
     Schwierig den Ausgang.

Auch des Hofvolks Tross mich verfolgt mit Lachen,

25
Keiner beut mir Gruss, der dem Gast gebühret,

Scharfes Witzwort höhnt, und ich fühl’ die Zähne
     Schwatzhafter Frechheit.

Was mit schneller Zung’ das Gerücht vermeldet,
Wie der Lauf der Welt, wie der Stand des Landes,

30
Eures Thuns Hergang – denn ich komm als Fremdling –

     Wünsch’ ich zu hören.

Sag’! warum, Ingell, Du in Sünd’ begrabner,
Nahmst Du nicht längst schon für den Vater Rache?
Willst mit Gleichmut Du Deines wackren Vaters
     Untergang tragen?

[275]

[206] 206Was sorgst thatlos Du für das Mahl und stützest
Müssig Dir den Bauch, wie die faulen Huren?
Gilt dem einzgen Sohn des erschlagnen Vaters
     Rache so wenig?

5
Als zuletzt, Frotho, ich von Dir geschieden,

Wusst’ ich ahnungsvoll, dass das Schwert des Feindes
Unabwendbar Dich zu dem Tode führte,
     Grösster der Fürsten!

Da in fernem Land ich als Wandrer weilte.

10
Füllte oft mein Herz sich mit bangen Seufzern,

Weil es ahnend sah Dich entrückt auf ewig
     Nun meinen Augen.

Weh! dass fern ich war, dass so fern ich kämpfte
Mit dem letzten Volk auf dem ganzen Erdkreis,

15
Als des Königs Haupt voller Arglist suchten

     Treulose Wirte!

Sonst stünd heut’ ich hier als des Herren Rächer,
Oder teilt’ sein Los und das herbe Schicksal,
Wär’ gefolgt dem Herrn, dem geliebten Führer,

20
     Freudig im Tode.


Nicht kam ich hierher, dass den Gaumen kitzle
Dessen Mahl, an dem ich die Fehler strafe,
Will nicht Rast noch Ruh’, noch zu grössrer Freude
     Füllen den Magen.

25
Nie hat mir vordem ein berühmter König

Dort bestimmt den Sitz, wo die Fremden sitzen,
Nein, ich sass allzeit auf den ersten Stühlen
     Unter den Freunden.

Langen Weg kam ich aus der Schweden Lande,

30
Meinte, Lohn sei mir für des Laufes Mühen,

Wenn des Frothos Spross ich, des teuren, fänd’ und
     Möchte geniessen.

Tapfern Mann sucht’ ich, doch ich traf den Schlemmer,
Der dem Bauch nur frönt und dem argen Laster,
[207] 207Dem den Sinn hinkehrt zu dem lockren Leben
     Schnöde Genusssucht.

Wahr ist Haldans Wort jetzt in aller Augen:
Dass wir bald anschaun, hat er uns verkündet,

5
Wie den Narr’n zum Sohn das Geschick bescherte

     Wackerem Vater.

[276]

Als entartet gilt, und mit Recht, der Erbe;
Doch des Frothos Schatz, des gewaltgen Königs,
Soll nicht fremder Gier zum Gewinne werden

10
     Gleich einem Raube.

Nach diesem Gesange nahm die Königin erschrocken ein Band von ihrem Haupte, mit dem sie nach Weiberart ihr Haar schmückte und reichte es dem aufgeregten Alten, als könne sie mit der Gnade seinen Ärger abwenden. Aber Starkather warf das Band mit Entrüstung recht schimpflich der Spenderin zurück ins Gesicht und sang weiter mit lauter Stimme[11]:

Schaffe flugs mir fort das Geschenk für Weiber,
Lass das Band zum Schmuck Deinem eignen Haupte;
Binden, die der Göttin der Liebe ziemen,
     Nimmt nicht der Tapfre.

20
Thöricht ist’s fürwahr, dass den Waffenkundgen

Goldnes Band das Haar mit dem Knoten binde;
Nur der schwachen Frau und den zarten Mägdlein
     Ziemt dieser Kopfputz.

Nein doch! bring dahin Deinem Mann die Gabe,

25
Ihm gefällt solch Tand, und der Finger juckt ihm,

Wenn den Steiss er dreht des gebräunten Vogels
     Gleich wie das Brustfleisch.

Frech und unbedacht die Gemahlin Ingells
Wünscht des Hofs Haushalt nach dem Brauch der Deutschen;

30
Prunk nur sucht ihr Herz, und gefälschte Bissen

     Lässt sie bereiten.

Denn den Gaumen pflegt sie mit neuen Speisen,
Hascht nach Wohlschmacksreiz, den man nie gekannt hat,
[208] 208Müht sich Gang auf Gang zu besetzen immer
     Feiner die Tische;

Schenkt den Weintrank ein ihrem Mann in Schalen,
Stets bedacht auf Pracht mit dem grössten Eifer;

5
Lässt Gekochtes rösten und überweist es

     Nochmals dem Feuer.

[277]

Wie ein Mastschwein stopft sie den Mann in Geilheit,
Reizt, ein schamlos Weib ohne Zucht, wie Huren
Keck und frech den Mann zu dem Liebeswerke,

10
     Frevelnd in Unzucht.


Brät das Kochfleisch auf und zerkocht den Braten,
Mit Verschwendung sinnt sie auf üpp’ge Mahlzeit,
Guter Sitten Brauch übertritt sie sträflich,
     Hegt nur das Laster.

15
Sie, in Hochmut stolz und der Liebe Solddirn’,

Greift nach leckrem Mahl, und die altgeehrten
Bräuche stösst sie fort, dafür hegt sie böse
     Künste des Gaumens.

Auf der blanken Schüssel gesottne Rübchen

20
Wünscht sie, leckern Kuchen in feiner Brühe

Für den gier’gen Magen, das feiste Schaltier
     Jeglicher Gattung.

Nie sah ich vordem, dass der grosse Frotho
Streckte seine Hand nach dem Fleisch des Vogels,

25
Nie den Steiss des Hahns mit dem kurzen Daumen

     Hat er zerrissen.

Hat ein König je als ein Knecht des Gaumens
Wohl gekonnt den Schmutz des Gescheides umdrehn,
Wühlend mit der Hand in dem halbverwesten

30
     Steisschen des Vogels?


Roh und ohn’ Zuthat ist das Mahl der Helden;
Wem das Herz nur strebt nach dem tapfren Kampfe,
Der, so denkt mein Sinn, hat nicht not die reichen
     Prunkvollen Tische.

[209] 209Schöner mochtest Du in den straffen Bart Dich
Beissen grimmerfüllt mit dem scharfen Zahne,
Als mit weitem Mund voller Gier zu schlürfen
     Milch aus dem Kübel.

5
Feiner Küch’ Unfug haben wir gemieden,

Füllten stets den Bauch mit dem ranz’gen Specke;
Wen’ger Beifall fand die gekochte Brühe
     Einst in der Vorzeit.

Ohne Feingeschmack von Gewürz und Kräutern

10
Gab uns Fleisch vom Schaf und vom Schwein die Schüssel;

Mäss’ger Sinn hielt uns bei dem Mahl und Anstand
     Alle in Schranken.

[278]

Der Du jetzt das Fett von der Kuhmilch einschlürfst,
Nimm, so fleh ich laut, doch den Sinn des Helden!

15
Denk an Frothos Tod und die falschen Mörder,

     Denke der Rache!

Sterben muss einmal, auch wer feig und furchtsam,
Nicht des Schicksals Schlag’ kann entgehn der Flücht’ge,
Mag er auch im Thal oder in den dunklen

20
     Höhlen sich bergen.


Elfe war’n wir einst in dem ersten Range,
König Hakons Dienst voller Treu ergeben;
Hier nahm Platz beim Mahl nach der Ordnung Begath[12]
     Über dem Helgus.[13].

25
Hier mocht’ Mann für Mann seinen ersten Hunger

Mit dem trocknem Fleisch von dem Schinken stillen,
Harten Brotes fand auf dem Tisch die Fülle
     Bellender Magen.

Nie verlangt’ ein Mann seinen Bissen dampfend,

30
Jeder ass sein Fleisch, wie der andr’ es auch ass,

Auch der Fürsten Mahl, wie der Männer, war stets
     Schlicht nur und einfach.

[210] 210Fremde Speisen mied der gemeine Krieger,
Fremd war leckres Mahl auch den ersten Führern,
Selbst der Königs Sinn mochte nur erfreuen
     Mässiges Leben,

5
Schätzte nicht den Trank aus dem süssen Honig,

Schlürfte gern das Bier, aus dem Malz bereitet.
Ohne Wank nahm er von dem schlicht Gekochten,
     Braten verachtend.

Mit bescheidner Pracht war der Tisch gerichtet,

10
Einsam prunkt auf ihm das geringe Salzfass;

Weiser Vorfahrn Brauch sollte nicht verändern
     Mode des Auslands.

Humpen setzt’ niemand oder Schalen einstmals
Auf den Tisch vor sich: aus dem Fass den Becher

15
Füllte stets ein Schenk, und bemalte Schüsseln

     Fehlten der Tafel.

[279]

Keiner, der aufrichtig die Vorzeit ehrte,
Stellte je zum Krug den geschliffnen Römer,
Und nicht türmten hoch die geputzten Diener

20
     Speisen auf Platten.


Nicht mit Schälchen fein, noch mit blankem Becher
Schmückte einst sein Mahl wie ein Narr der Hausherr;
Jetzt hat neuer Brauch in verruchter Frechheit
     Alles vernichtet.

25
Hat vermocht ein Mann zu ertragen jemals,

Dass man Geld ihm bot für ein Glied der Sippe?
Heischte je ein Held für den Tod des Vaters
     Geld von dem Mörder?

Wer als mächt’ger Erb’ oder tücht’ger Sprössling

30
Möchte Seit’ an Seit’ wohl mit Solchen sitzen?

Nähme doch dem Mann seine besten Kräfte
     Böse Gesellschaft.

Also: wo man singt von der Kön’ge Thaten,
Wo das Lied laut tönt von der Fürsten Siegen,
[211] 211Berg’ ich mir voll Scham mit dem Kleid das Antlitz,
     Traurig im Herzen,

Weil von Dir kein Werk sich den Augen bietet,
Was des Sängers Mund möcht’ im Liede preisen;

5
Drum wird niemand kund als des Frotho Erbe

     Unter den Helden.

Was verzehrst Du mich mit den scheelen Augen,
Der den Feind Du ehrst, der erschlug den Vater?
Nur allein für Brot und für warme Brühe

10
     Giltst Du als Rächer.


Wo der Preis laut schallt von der Blutschuld Rächern,
Wünsche taub zu sein Du auf beiden Ohren,
Sonst muss tief in Scham Dir der Sinn versinken,
     Wenn Dich ein Ton trifft.

15
Pflegt doch fremder Ruhm zu zerfleischen oftmals

Die der eignen Schuld sich bewussten Herzen,
Und des Guten Preis wird zu Pein und Plage
     Schändlichem Sinne.

Magst Du gehn zum Ost, oder magst entfernt Du

20
Weit im Abendland Dir das Heim bereiten,

Oder magst hinziehn nach der Länder Mitte
     Rasch Du von dannen,

[280]

Magst den kalten Strich Du der Erde wählen,
Wo des Himmels Pol sich erstreckt und umschwingt

25
Schnell das Firmament und den Bären anblickt

     Ganz in der Nähe,

Überall wird Scham Dir zur Seite bleiben,
Wird mit dunklem Rot Dir das Antlitz färben,
Wenn der Fürsten Schar zu dem Mahl vereinet

30
     Scherzet in Kurzweil.


Weil in Ewigkeit Dich die Schande drücket,
Darfst Du niemals wagen Dich einzudrängen
In der Helden Reihn, ein Verworfener bist Du,
     Wo Du auch weilest.

[212] 212Frotho hat sein Los einen Sohn gegeben,
Der ans Weltlicht kam ohne Gunst der Götter,
Dessen Herz einnahm, mit der Sünd’ gesellet,
     Schmutzige Wollust

5
Wie im Schiff wir schaun, dass der ganze Unrat

Nach dem schmutzgen Bauch seines Kieles hinstrebt,
So der Laster Flut hat sich hin ergossen
     Gänzlich auf Ingell.

Also musst aus Furcht vor der offnen Schande

10
Einsam liegen Du in des Landes Winkeln,

Schlaff im bösen Haus, im berühmten Haufen
     Nimmer zu schauen.

Dann wirst elend Du Deinen Bart Dir raufen,
Wenn der Huren Zank Dir den Kopf beschweret,

15
Wenn das Kebsweib Dir mit den läst’gen Klagen

     Peinigt die Ohren.

Da die kalte Furcht Dir den Mut erschlaffet,
Da Du zagst zu sein Deines Vaters Rächer,
Bist entartet Du, in der Sitte völlig

20
     Gleich einem Knechte.


Schon ein schlecht Rüstzeug hätte Dich gefället,
Wie ein Mann den Bock, den er griff, erwürget,
Oder ein schwach Schaf mit dem Messer absticht,
     Schneidend die Kehle.

25
Sieh! des Swerting Sohn, des verruchten Mörders,

Wird der Dänen Reich als Dein Erbe nehmen,
Denn zu bösem Bund, der den Mut Dir tilget,
     Hast Du die Schwester.

[281]

Während Du Dich freust Deine Frau zu schmücken

30
Schön mit Perlenschnur und mit goldnem Zierat,

Quält uns bittrer Schmerz mit der Scham gesellet,
     Klagen wir traurig.

Während Dich die Lust in Verblendung jaget,
Ist das Herz uns schwer, und die alten Zeiten
[213] 213Lässt es uns aufstehn, und zu lauten Klagen
     Mahnet es schmerzvoll.

Wie erschien uns doch unsrer Feinde Schandthat
Anders ganz wie Dir, der Du hoch sie ehrest;

5
Wer die Vorzeit sah, mag der heut’gen Zeit Bild

     Nimmer gefallen.

Nicht nach grössrem Glück soll mein Herz verlangen,
Wenn ich, Frotho! säh’ Deines Todes Schuldge
Büssen nach Gebühr, für den grossen Frevel
     Zahlen die Strafe.

Er erreichte aber durch den Sporn seiner Mahnung so viel, dass er aus dem energielosen und kalten Sinne mit seinem Tadel wie mit einem Kieselsteine das brennendste Feuer der Tapferkeit herausschlug. Zunächst freilich hatte der König für das Lied nur taube Ohren, dann aber, angefeuert durch die dringende Mahnung seines Erziehers, schöpfte er in seinem Herzen späte Glut der Rache; er vergass den Wirt und wandelte sich in den Feind. Zuletzt sprang er von seinem Sitze auf und ergoss den vollen Ausbruch seiner Wut über seine Tischgenossen, so dass er das Schwert gegen die Söhne des Swerting in blutgieriger Grausamkeit entblösste und mit gezückter Waffe nach dem Nacken derer zielte, deren Gaumen er so eben noch mit den Feinheiten seines Tisches gekitzelt hatte. Indem er diese sofort niederstreckte, begoss er den heiligen Tisch mit Blut, zerriss das schwache Band der Genossenschaft, wandelte das beschämende Gelage in löbliche Grausamkeit um und wurde aus einem Wirte ein Feind, aus dem verworfensten Sklaven der Üppigkeit der blutdürstigste Vollstrecker der Rache. Die treffliche Rede des Mahners pflanzte in der Brust der weichen und haltlosen Jugend den Geist der Beherztheit, kräftigte die aus ihrem Verstecke hervorgezogene Kühnheit und erreichte es, dass den Urhebern des argen Mordes die ihren Thaten gebührende Strafe heimgezahlt wurde. Der tüchtige [282] Sinn des Jünglings war auf Wanderschaft in der Fremde gewesen, nicht erstorben; durch die Handreichung des Alten ans Licht geführt vollbrachte er ein spätes, aber um so schöneres Werk, er tauchte die Becher herrlicher in Blut als in Wein. Welch gewaltiger Mensch muss doch der Alte gewesen sein, dass er durch seine beredte Mahnung die grosse Verkehrtheit des Sinnes des Königs bezwang, das Schloss der Schlechtigkeit aufbrach und an ihrer Stelle die wirkungsvolle Saat der Tüchtigkeit einpflanzte! Er selbst folgte der Hand des Königs mit gleicher That und leistete nicht allein an sich vollendete Tapferkeit, sondern rief auch die zurück, die aus einer fremden Brust herausgerissen war. Darauf hub er also an:

[214] 214Heil, Ingell, Dir als König! nun hat ein mutvolles Wagnis
Dir ja gefördert die Brust. Dir herrschet im Körper Besinnung,
Kund jetzt gethan in dem ersten Beginn; nicht fehlte dem Herzen
Tiefer Verstand, ob schweigend Du auch bis zur Stunde geblieben.

5
Denn was die Säumnis gefehlt, macht wett Deine tapfere Rechte,

Und die Erschlaffung des Sinns gleichst aus Du durch mächtige Bravheit.
Auf nun, lass schlagen uns alle und keiner entrinne dem Tode,
Denn ohn’ Unterschied alle sie haben verdienet das Ende.
Falle die That auf den Thäter zurück, und ihren Ersinner

10
Drücke zu Boden die Schuld zur Vergeltung. Die Körper der Toten

Ladet, ihr Diener, auf Wagen und traget, ihr Schergen, die Leichen
Rasch aus dem Hause, sie solln nach Gebühr entbehren die letzten
Dienste; sie sind es nicht werth, dass ein Hügel sie decke; nicht spende
Trauergefolge, nicht Brand auch die heilige Ehre des Grabes.

15
Werft sie aufs Feld zum Verfaulen, dort mag sie der Vogel zerfleischen,

Mögen sie mit der verpestenden Fäulnis die Felder beschmutzen.
Du aber, König, sei klug und meide die grause Gemahlin,
Dass nicht die Wölfin gebäre die Brut, die ihr gleichet, und aus Dir
Wachse ein böses Getier, das da schade dem eignen Erzeuger.

20
Sag’, Rotho! die[14] Du verhöhnest den Feigen ohn’ Unterlass, meinst Du,

Dass wir den Frotho nun sattsam gerächt, da der Rache des einen
Sieben wir haben gebracht zu dem Tod? – Sieh dort sie getragen
Leblos, die mit der That niemals, nein! nur mit den Worten
Deinem Gebot sich gebeugt und stets auf Verrat nur gesonnen

25
Mit ihrem Dienst. Doch mir ist stets jene Hoffnung geblieben,

Dass doch den edelen Vätern im Bilde muss gleichen der Nachwuchs,

[283]

Dass mit den Thaten er folget dem Los, das Geburt ihm geschenket.
Jetzt nun mit besserem Recht, Ingell, als in früheren Zeiten,
Jetzt erst verdienst Du zu heissen zu Dänemark Herr und zu Lethra.

 1.

30
Als ich, ein bartloser Mann, Dir diente in Deinem Gefolge,

Hako, mein König! als Knappe, da hasste ich lockre Genüsse,
Hasste die zuchtlosen Geister und dachte an nichts dann an Kämpfe,
Übte den Geist mit dem Körper und hielt unheilge Gedanken
Fern meinem Sinn; was dem Magen behagte, das mied ich mit Abscheu,

35
Tapfre Gedanken erfüllten mein Herz; die das Waffenwerk wählten,

Hatten vor Zeiten nur rauhes Gewand und ärmliche Kleidung;
Selten war ihnen die Ruhe, der Schlaf kurz, Arbeit verscheuchte
Weit weg die Musse, die Zeiten verflossen in spärlichem Aufwand;
Nicht, wie jetzt manch Mann, dem nimmer gesättigte Fresslust
Leider den Blick der Vernunft mit blinder Gefrässigkeit blendet.

 2.
[215] 215Mancher von ihnen, geputzt mit dem Röckchen von kunstvoller Arbeit,
Lenket den Renner verweichlicht und löset des flatternden Haupthaars
Knoten und lässet mit Fleiss das Gelock lang wallen im Winde.

 3.
Streite zu führn im Gericht und nach bösem Gewinne zu trachten

5
Ist ihm Genuss, und er tröstet damit sein erbärmliches Dasein,

Fremder Geschäfte geschäftig mit käuflicher Zunge betreibend,
Bricht das Gesetz mit Gewalt und sehret mit Eisen die Rechte,
Tritt mit den Füssen die Schwachen und nährt sich von anderer Gelde

 4.
Unzucht liebt er und Frass, und mit bissigem Witze verfolgt er

10
Freunde beim Mahle, er suchet die Hur’n, wie die Hacke das Unkraut.


 5.
Einmal muss sterben der Feige, mag rosten das Schwert auch im Frieden,
Nähm er auch mitten im Thale sein Lager, durch Zinnen und Schutzdach
Wird er nicht sicher, wer fürchtet den Tod; wer da lebet, das Schicksal
Raffet ihn endlich dahin, kein Unterschlupf schützt vor dem Tode.

[284]

 6.

15
Ich nun, der ich mit Kämpfen erschüttert den Umkreis der Länder,

Soll ich verscheiden in schmerzlosem Tod? soll ich ruhigen Endes
Fahren dahin und der Krankheit Gewalt ohne Wunde erliegen[15]?

[287]

Siebentes Buch.

[216] 216Die sachkundige Überlieferung aus der Vorzeit berichtet, dass Ingell vier Söhne gehabt hat, dass aber drei im Kriege geblieben und allein Olawus nach dem Vater regiert hat; nach unbegründeter und willkürlicher Annahme soll dieser der Sohn einer Schwester Ingells gewesen sein. Von seinen Thaten hat die spätere Zeit keine rechte Kenntnis erhalten, sie sind im Dunkel der Vorzeit begraben; nur die letzte Mahnung seiner Weisheit hat die Erinnerung gerettet. Nämlich als er den festen, schnürenden Griff des Todes fühlte, da ordnete er in Fürsorge für seine Söhne Frotho und Haraldus an, dass der eine auf dem Lande und der andere auf dem Meere König sein solle, und dass sie die in dieser Form geteilte Macht nicht im beständigem Besitze haben, sondern im jährlichen Wechsel umgehen lassen sollten. Indem auf diese Weise der Anteil an der Regierungsgewalt für beide gleich gemacht wurde, erhielt Frotho für das erste Jahr die Herrschaft zu See, erntete aber nur Schimpf infolge seiner vielen Verluste auf dem Wikingzuge. Der Grund seines Misserfolgs waren die frischen Ehen seiner Schiffsleute, die die Freuden des Lagers zu Hause den Mühen des Krieges im Auslande vorzogen. Nach Ablauf der Zeit erhielt der jüngere Bruder Harald die Herrschaft zur See und wählte unverheiratete Krieger, weil er sich den Misserfolg seines Bruders als Warnung dienen liess. Das Glück war mit seiner Wahl, denn er wurde als Wiking so berühmt, wie sein Bruder ruhmlos. Dieser Umstand trug ihm den Neid des Bruders [288] ein. Auch haderten ihre Frauen Sygne und Ulwilda, von denen die eine die Tochter des Schwedenkönigs Sywardus, die andere die Tochter des Karolus, des Statthalters von Götland war, um den Vorrang der edleren Geburt und störten dadurch das Zusammenleben ihrer Gatten. So kam es, dass Harald und Frotho den gemeinsamen Haushalt abbrachen, [217] 217den Hausrat teilten und sich mehr durch den Zwist des Frauenhaders, als durch die Pflichten der Bruderliebe bestimmen liessen.

Frotho gewann aber auch die Ansicht, dass er durch den Ruhm seines Bruders an Ansehen einbüsse und ihm Missachtung erwachse; deshalb liess er ihn durch einen seiner Diener heimlich töten, weil er von dem an Tüchtigkeit übertroffen werde, dem er an Alter vorgehe. Damit aber sein Verbrechen nicht von dem Eingeweihten verraten würde, liess er nach vollbrachter That das Werkzeug der Heimtücke auch unbemerkt aus dem Wege räumen. Um ferner an seine Unschuld glauben zu machen und jeder Anschuldigung zu entgehen, liess er des weiteren nachforschen, welcher Umstand denn in aller Welt dem Bruder ein so unerwartetes Ende bereitet hätte. Jedoch konnte er durch diese mannigfachen Kunstgriffe nicht erreichen, dass ihn nicht im Stillen die Ansicht des Volkes als den Mörder bezeichnete. Als er später auch an Karl die Frage richtete, wer wohl den Harald erschlagen hätte, antwortete dieser, er frage da mit Verstellung nach einer ihm wohlbekannten Sache. Durch diese Worte bereitete er sich die Todesursache; denn Frotho schloss ganz richtig, dass ihm versteckt Brudermord vorgeworfen wurde.

Als darauf Haraldus und Haldanus, die Söhne des Harald von der Sygne, der Tochter Karls, von ihrem Oheime zum Tode geschleppt werden sollten, da wurde von ihren Behütern ein schlaues Mittel ausgedacht, ihre Pflegebefohlenen zu retten. Sie banden sich nämlich abgehauene Wolfsklauen unter ihre Sohlen und durchfurchten den Lehmboden rings um ihr Haus und die schneebedeckte Fläche hin und herlaufend, um den Schein zu erwecken, als seien da Raubtiere eingebrochen. Darauf schlachteten sie Kinder von Mägden ab, zerrissen die Körper in Stücke und streuten die Fetzen der Glieder [289] hierhin und dorthin. Als nun die Kleinen geholt werden sollten und nicht gefunden wurden, da wurden die hingestreuten Gliedmassen entdeckt, die Spuren der wilden Tiere aufgewiesen und die Erde mit Blut gedrängt in Augenschein genommen. Es wurde geglaubt, dass die Knaben von gierigen Wölfen gefressen wären, und niemand durfte einen so klaren Nachweis der Zerreissung anzweifeln. Die Überzeugungskraft dieses Schaustücks rettete die Pflegebefohlenen. Sie wurden darauf von ihren Hütern in eine hohle Eiche eingeschlossen und lange wie Hunde aufgezogen, damit kein Anzeichen von ihrem Leben gegeben würde; es wurden ihnen auch Hundenamen gegeben, damit kein Gerücht davon entstehe, dass sie versteckt gehalten wurden. Nur Frotho glaubte nicht an ihren Tod und machte sich daran, den Ort ihres Verstecks von einer zauberkundigen Frau zu erfahren. Ihre Zaubersprüche waren so kräftig, dass sie jedes Ding, mochte es auch noch so fest hinter Schloss und Riegel verborgen gehalten werden, aus der Ferne, ihr allein sichtbar, sich vor die Hände herbeizaubern konnte. Sie gab den Bescheid, dass ein gewisser Regno sich der Mühe unterzogen habe, sie heimlich aufzuziehen und zur Verheimlichung der Sache sie mit Hundenamen benannt habe. Als diese sahen, das sie durch die überaus kräftigen [218] 218Zaubersprüche aus ihrem Verstecke geholt und vor die Augen der Zauberin gezogen wurden, da schütteten sie, um nicht durch den Bann des Höllenzwanges verraten zu werden, ihr den Schoss voll Gold, das sie von ihren Hütern erhalten hatten. Sobald sie das Geschenk erhielt, fiel sie, gleich als wäre sie plötzlich von Krämpfen befallen, wie tot zu Boden. Als die Diener sie fragten, weshalb sie so plötzlich zusammengebrochen sei, da sagte sie, der Schlupfwinkel der Söhne des Harald sei nicht zu erforschen: denn ihre Wunderkraft mache auch ihre kräftigsten Zaubersprüche unwirksam. So begnügte sie sich mit dem kleinem Vorteil und wollte nicht auf eine grössere Belohnung von seiten des Königs warten. Als darauf Regno merkte, dass man immer mehr im Volke von ihm und seinen Pfleglingen redete, da brachte er sie beide nach Fünen. Dort wurde er von Frotho [290] gefangen, gestand, dass er die Kinder in seine Hut genommen habe und bat den König, er solle die Waisen, denen er den Vater genommen, verschonen und es nicht für einen Gewinn halten, sich mit einem doppelten Morde zu belasten. Durch diese Vorstellung verwandelte er seine Wut in Beschämung und versprach dem Könige Anzeige zu machen, wenn sie im Lande etwas Bedenkliches vornähmen. So schuf er seinen Waisen Rettung vor dem Tode und verlebte viele Jahre frei von Furcht.

Als nun die Söhne herangewachsen nach Seeland gingen, wurden sie von den Freunden ihres Vaters gemahnt, ihn zu rächen und schwuren, dass sie und ihr Oheim zusammen nicht ein Jahr noch leben sollten. Als Regno das erfuhr, ging er, eingedenk seiner Abmachung, bei Nacht zur Königsburg und sagte, er komme heimlich als Bote in einer verabredeten Sache. Er wollte aber nicht den schlafenden König zu der Wache herausrufen lassen, weil Frotho eine Störung seiner Nachtruhe mit dem Schwerte zu strafen pflegte. Für so schlimm wurde es in der Vorzeit erachtet, den Schlaf des Königs durch aufdringliche Störung zu unterbrechen. Als das Frotho am Morgen von den Wachtposten erfuhr und verstand, dass Regno ihm die Botschaft von einem Anschlage auf sein Leben gebracht hatte, da zog er seine Mannen zusammen und beschloss der Hinterlist durch Anwendung von Gewalt zuvorzukommen. Den Söhnen des Harald konnte nichts weiter helfen, als dass sie sich wahnsinnig stellten: als sie sahen, dass sie unversehens überrumpelt wurden, begannen sie, wie von Furien gepeitscht, sich wie sinngestört zu benehmen. Da Frotho sie für wirklich besessen hielt, so gab er seine Absicht auf; denn er hielt es für ehrlos, auf die mit dem Schwerte loszugehen, die das Schwert gegen sich selbst zu wenden schienen. In der nächsten Nacht aber wurde er von ihnen durch Brand ums Leben gebracht und büsste so die gebührende Strafe für den Mord. Sie überfielen nämlich die Königsburg und begruben zunächst die Königin unter einem Berge von Steinen; darauf warfen sie den Brand in das Haus und nötigten den Frotho, sich in [291] eine längst ausgehauene Grotte und in dunkle, versteckte und unterirdische Gänge zu verkriechen. Während er sich hier eingeschlossen verborgen hielt, kam er von Hitze und Rauch erstickt um.

Nachdem Frotho umgebracht war, [219] 219und Haldan ungefähr drei Jahre im Lande regiert hatte, übergab er seinem Bruder Harald die Regierung als Stellvertreter und plünderte auf einem Seezuge Öland und die benachbarten Inseln, welche ein gewundener Sund von Schweden trennt. Dort verwandte er drei Jahre auf den Zug, indem er im Winter die Schiffe ans Land zog und mit einem Schutzwalle umgab. Darauf liess er Schweden seine Hand fühlen und erschlug seinen König im Kampfe. Als er dann dessen Neffen Ericus, den Sohn seines Oheims Frotho, angreifen wollte und erfuhr, dass dessen Kämpe Haquinus das Eisen durch Zaubersprüche stumpf zu machen verstehe, da liess er sich eine grosse mit eisernen Knoten beschlagene Keule anfertigen, passend für Hiebe, um die Kraft der Zauberei mit dem festen Holze niederzukämpfen. Darauf alle sichtlich an Tapferkeit überragend schwang er im schärfsten Ansturme der Feinde, das Haupt mit einem Helme bedeckt, aber ohne Schild mit beiden Händen seine Keule und liess sie auf die entgegengehaltenen schützenden Schilde niedersausen. Kein Hemmnis besass so grosse Festigkeit, dass es nicht vor dem Schlage der massigen Keule in Stücke zersprang. So kam es, dass er den im Kampfe mit ihm zusammentreffenden Kämpen mit einem scharfen Schlage seiner Waffe zu Boden streckte. Trotzdem besiegt und nach Helsingia flüchtend entkommen, ging er zu einem gewissen Vitolfus, der einst unter dem (älteren) Harald gedient hatte, um Pflege für seinen verwundeten Leib zu finden. Der hatte den grössten Teil seines Lebens im Feldlager verlebt, hatte sich endlich nach dem traurigen Geschicke seines Herrn in die Einsamkeit dieses Landes zurückgezogen und ruhte hier von dem hergebrachten Betriebe des Krieges im stillen Leben eines Bauern aus. Weil er häufig das Ziel feindlicher Geschosse gewesen war, hatte er bei der immer nötigen Heilung seiner Wunden schöne Kenntnisse in der Heilkunde sich [292] angeeignet. Wenn aber jemand seine Bemühung unter Schmeichelworten in Anspruch nahm, dann pflegte er statt der Heilung mit heimlich wirkender Schadenstiftung zu dienen; denn er meinte, dass Wohlthaten viel rühmlicher mit Drohungen als mit Schmeicheleien geheischt würden. Als Leute des Erik in dem Bestreben, den Haldan einzufangen, seinem Hause bedrohlich nahe kamen, beraubte er sie so der Sehkraft, dass sie das Haus trotz seiner Nähe weder mit dem Blicke erfassen, noch an sicheren Spuren ausfindig machen konnten. So sehr hatte ihrer Augen Licht ein irreführender Nebel geblendet.

Mit seiner Hilfe erhielt Haldan seine volle Kraft wieder, nahm den Thoro, einen geschickten und angesehenen Kämpen, zu sich[16] und kündigte Erik den Krieg an. Als dieser seinerseits die Truppen aufmarschieren liess, sah Haldan, dass Erik ihm an Zahl der Leute überlegen war und wies einen Teil seiner Mannen an, sich im Gebüsche neben dem Wege zu verbergen: er wollte den Feind, während er auf einem näheren engeren Pfade vorrückte, [220] 220durch einen Hinterhalt aufreiben. Erik aber hatte derartiges vorausgesehen, hatte erst die Thunlichkeit des Vorrückens untersuchen lassen und entschloss sich nun, einen Umweg zu nehmen, um nicht durch eine List des Feindes zwischen den steilabschüssigen Windungen der Berge in Bedrängnis zu kommen, wenn er auf dem in Aussicht genommenen Pfade weiter marschiere. So kam es denn zum Kampfe zwischen den beiderseitigen Truppen in einem Thalkessel, der auf beiden Seiten von steilen Bergzügen eingefasst war. Als Haldan in dieser Schlacht die Reihe der Seinen wanken sah, bestieg er mit Thoro einen steinreichen Felsen, riss da die Felsmassen los und liess sie auf den Feind drunten hinabrollen, und mit ihrem Gewicht in ihrem Falle schmetterte er die Schlachtreihe, die auf dem abschüssigen Boden stand, nieder. So kam es, dass er den Sieg, den er mit den Waffen verloren hatte, mit Felsblöcken wieder gewann. Wegen dieser tüchtigen That erhielt er den Beinamen Biar(g)grammus, welcher Name aus den Worten für „Berg“ und [293] „Wildheit“ zusammengesetzt zu sein scheint[17]. Er war dadurch bei den Schweden so geachtet, dass er für einen Sohn des grossen Thor galt, und dass er vom Volke mit göttlichen Ehren beschenkt und eines öffentlichen Opfers für würdig erachtet wurde.

Da sich jedoch der Sinn von Besiegten nur schwer zur Ruhe versteht, und die böse Gesinnung Unterworfener immer nach dem Versagten ringt, so begab es sich, dass Erik die dem Haldan unterstehenden Länder angriff, um sich für seine Flucht schadlos zu halten. Jedoch auch Dänemark liess er nicht verschont von dieser bösen Behandlung und hielt es gerade für sehr angemessen, das Heimatland dessen zu bedrängen, durch den er aus dem seinigen verjagt war. Indem er also lieber Unbill bringen als abwehren wollte, befreite er Schweden von Feindeswaffen. Als nämlich Haldan erfuhr, dass sein Bruder Harald, in drei Schlachten von Erik besiegt, in der vierten erschlagen worden war, wich er von Schwedens Boden, aus Furcht, sein eigenes Reich zu verlieren und ging notgedrungen nach der Heimat zurück. So erhielt Erik sein schwedisches Reich, das er jählings verloren, ebenso schnell zurück. Wenn ihm das Glück bei der Behauptung seines Reiches ebenso wie bei der Wiedererlangung hätte zur Seite stehen wollen, so würde es ihn nicht dem Haldan in die Hand geliefert haben. Seine Gefangennehmung ging folgendermassen von statten: Haldan kam nach Schweden zurück, versteckte hinterlistig seine Flotte und ging nur mit zwei Schiffen dem Erik entgegen. Als er von diesem mit zehn Schiffen angegriffen wurde, fiel er allmählich in vielfach gewundener Fahrt auf die versteckte Hauptmacht seiner Leute zurück. Als ihm Erik zu weit nachsetzte, tauchte die dänische Flotte auf dem Meere auf. Erik wurde umzingelt und wies das unter der Bedingung der Abhängigkeit angebotene Leben zurück; er wollte nicht das Lebenslicht der [294] Freiheit vorziehen und lieber sterben, denn dienen, damit er nicht aus Liebe zum Leben aus einem Freien ein Knecht zu werden schiene oder den mit neuem Lehnsdienst ehren müsse, dem er soeben noch an Rang gleichgestellt gewesen wäre. [221] 221So wenig versteht sich die Tüchtigkeit dazu, das Leben mit Einbusse an Ehre zu erkaufen. Er wurde also gebunden und an einen Ort geschafft, wo die wilden Tiere ihren Wechsel hatten; dort fand er ein Ende, das so grosser Sinneshoheit nicht gebührte.

So war Haldan Herr zweier Reiche geworden und zierte seinen hohen Ruhm mit drei Stufen der Ehre: er war gewandt in der Dichtung von Liedern nach heimischer Weise, er ragte hervor als tüchtiger Kämpfer und ragte hervor als mächtiger König. Als er hörte, dass zwei thatkräftige Wikinger, Toko und Anundus, die umliegenden Länder bedrängten, griff er sie in einem Seekampfe an und besiegte sie. Denn nach nichts meinten die Alten mehr streben zu müssen, als nach einer Berühmtheit, die nicht glänzende Schätze, sondern tüchtige Waffenthat verschafft. Daher richteten einst die vornehmsten Männer ihren Sinn darauf, Unruhe zu stiften, Streit anzurichten, Ruhe zu verschmähen, dem Frieden eine Kriegsfahrt vorzuziehen, nach der Tapferkeit, nicht nach dem Besitze geschätzt zu werden, ihr grösstes Vergnügen am Kampfe, geringes in Schmausereien zu suchen.

Jedoch nicht lange liess ein Nebenbuhler für Haldan auf sich warten. Ein gewisser Sywaldus nämlich, aus vornehmem Hause stammend, erinnerte in einer Volksversammlung der Schweden in kläglicher Rede an das Ende des Frotho und seiner Gemahlin[18] und erweckte in fast allen einen solchen Hass gegen Haldan, dass ihm durch die Stimmen der Mehrzahl die Macht übertragen wurde, einen Abfall ins Werk zu setzen. Und nicht zufrieden mit dem Beifall durch blosse Worte, gewann er den Sinn des Volkes durch die Künste der Bewerbung derartig, dass er beinahe aller Hände dazu bestimmte, ihm die Königskrone aufs Haupt zu setzen. Er [295] hatte sieben Söhne, die sich dermassen auf Zauberei verstanden, dass sie oft in plötzlichen Wutanfällen schrecklich zu brüllen anfingen, in die Schilde bissen, glühende Kohlen verschluckten, durch alle möglichen noch so hohen Feuer schritten, und dass ihre Wahnsinnserregung durch kein anderes Mittel gestillt werden konnte, als durch scharfe Fesseln oder durch Menschenblut als Sühne. Eine solche Wut hauchte ihnen entweder ihr wilder Sinn ein oder die rasenden Furien. Als Haldan davon Kunde erhielt, sagte er, wie er gerade auf einem Raubzuge begriffen war, es sei für seine Leute, die bisher gegen Ausländer gewütet hätten, ganz gut, dass sie ihr Schwert auch einmal gegen die Brust von Inländern richteten, und dass dieselben die ungerechte Entziehung seiner Herrschaft abwehrten, die bisher darauf bedacht gewesen wären, sie zu erweitern. Als er heranzog, schickte Siwald zu ihm Boten; wenn er seinen Ruf durch Thaten wahr machen wolle, und wenn er so gross in Wahrheit wäre, wie ihn das Gerede mache, so solle er allein mit ihm und seiner Nachkommenschaft kämpfen und durch seine eigene Gefahr die des Staates loskaufen. Als er darauf erwiderte, die Gestaltung eines gesetzlichen Kampfes dürfe nicht über die Zweizahl hinausgehen, da liess ihm Siwald sagen, es sei nicht zu verwundern, dass ein unbeweibter und kinderloser Mann den ihm angebotenen Kampf zurückweise, [222] 222da ja seine der Wärme entbehrende Natur ihm eine entstellende Kälte des Leibes und der Seele aufgedrungen habe. Kinder dürfe man nicht als etwas anderes betrachten wie den, dem sie ihr Leben und ihre Entstehung verdankten, denn sie hätten von ihm den gemeinsamen Ursprung ihrer Geburt genommen. So müsse er und seine Söhne als ein Mensch betrachtet werden, da ihnen ja gleichsam ein Leib von der Natur zuerteilt sei. Ärgerlich über diese beleidigenden Worte ging Haldan auf die Herausforderung ein, um eine so schimpfliche Vorrückung seines Hagestolzlebens durch tüchtige Thaten der Tapferkeit auszuwetzen. Als er durch das dunkle Dickicht eines Waldes zog, da riss er im Vorübergehen eine in der Erde haftende Eiche mit den Wurzeln aus, trennte nur die [296] Äste ab und wandelte sie so in eine handfeste Keule um. Auf diese Waffe gestützt, verfasste er folgendes kurze Gedicht:

Sieh! der unförmliche Stamm, den gestemmt auf dem Kopfe ich trage,
     Bald wird mannigem Kopf Wunden er bringen und Tod.
Nie eine Keule, genommen vom Baume mit Laube geschmücket,

20
     Wird auf das gotische Volk fallen mit bösrem Geschick.

Ragende, knochige Nacken, die kräftigen, soll sie zerschmettern,
     Soll mit der Wucht aus dem Wald brechen die Schläfe am Haupt.
Sie, die die trotz’ge Verblendung des Landes soll dämpfen, die Keule,
     Wird, so wie keine noch je, Schweden verhängnisvoll sein.

25
Knochen zerschlagend, geschwenkt über zuckende Glieder der Männer,

     Soll sie der Ruchlosen Haupt treffen mit wuchtigem Hieb,
Schlagen in Trümmer das Haus von Verwandten, vergiessen Mitbürgers
     Blut und verderbliche Pest sein für der Heimat Gebiet.

Nach diesen Worten fiel er den Siwald mit seinen sieben Söhnen an, brach ihre scharfen Kräfte mit der vorzüglichen Masse der Keule und überlieferte sie dem Verhängnis.

Zu der Zeit kam ein gewisser Harthbenus aus Helsingia, raubte die Töchter von Königen und hielt es für eine Ruhmesthat, sie zu entehren; er erschlug jeden, der ihm in seinem Liebesgenusse hindernd in den Weg trat; erlauchte Beute nahm er lieber als niedrige und erachtete sich für um so berühmter, je glänzenderen Beischlaf er durch Gewalt erlangen konnte. Keiner entging der Strafe, der sich herausnahm, sich in der Tapferkeit mit ihm zu messen. So gross war sein Körper, dass seine Länge sich über das Maass von neun Ellen ausdehnte. [223] 223Seine Genossen waren zwölf Kämpen, deren Aufgabe es war, mit Hilfe von Fesseln dem Antriebe seiner Raserei zu wehren, wenn ihn die Wut, die Vorläuferin des Kampfes, befiel. Von ihnen wurde Haldan aufgefordert, den Harthben und seine Kämpen Mann für Mann zu bestehen; er sagte nicht nur den Kampf zu, sondern verhiess sich auch mit grossem Selbstvertrauen in seinen Worten den Sieg. Als Harthben das vernahm, befiel ihn plötzlich ein Anfall von Raserei; er zerriss mit scharfen Bissen den Rand seines Schildes, sandte fortwährend feurige Kohlen in seinen Magen, liess brennende Funken, die er in den Mund steckte, sich tief in den Leib senken, lief durch prasselnde, gefahrdrohende [297] Feuer, zuletzt wandte er in voller Wut besinnungslos sein Schwert mit rasender Hand gegen sechs von seinen Kämpen. Ob diese Raserei seine Kampfgier oder seine wilde Natur verursacht hat, vermag ich nicht zu sagen. Den Haldan griff er darauf mit der übrig gebliebenen Schar seiner Kämpen an. Er wurde aber von diesem mit einem gewaltig grossen Hammer niedergeklopft, verlor Leben und Sieg und büsste sowohl dem Haldan, den er herausgefordert hatte, als auch den Königen, deren Töchter er mit Gewalt genommen hatte.

Jedoch, da das Geschick dem Haldan immer neuen unerwarteten Anlass zum Kampfe gab, gleich als ob ihm die Proben seiner Kräfte nie genug wären, so begab es sich, dass der Finne Egtherus Schweden mit räuberischem Einbruche zur See peinigte. Haldan griff ihn mit drei Schiffen an (denn er hatte erfahren, dass jener so viele besass) und als er, weil die Nacht dem Kampfe ein Ende machte, ihn nicht vollständig besiegen konnte, so erlegte er ihn, als er sich am folgenden Tage zum Zweikampfe stellte. Als er ferner erfuhr, dass die Tochter des Unterkönigs Hatherus Thorilda von Grimmo, einem starken Kämpen, unter Androhung des Zweikampfes zur Frau begehrt wurde, und der Vater bekannt gemacht hatte, der solle sie erhalten, der ihm den Kämpen vom Halse schaffe, so ging er nach Norwegen; obwohl er unbeweibt schon zu höherem Alter gelangt war, lockte ihn doch das Versprechen des Königs nicht minder als die Frechheit des Kämpen. Als er in das Land kam, verdeckte er alle seine besonderen Kennzeichen durch künstliche Beschmierung des Gesichts; als er dann den Kampfplatz betrat, zog er zuerst das Schwert. Da er aber wusste, dass dieses vor den Blicken des Gegners stumpf wurde, warf er es zu Boden, zog ein anderes aus der Scheide, fiel den Grimmo damit an und durchschlug ihm die letzten Maschen seines Kettenpanzers und den unteren Teil des Schildes. Das schaute Grimmo mit hoher Verwunderung und sagte: „Eines grimmiger kämpfenden Alten erinnere ich mich nicht“, und sofort zog er sein Schwert und durchschlug den ihm entgegengehaltenen Schild [298] mit einem durchschneidenden Hiebe. Als sich aber seine Rechte noch mit dem Schlage aufhielt, schlug sie ihm Haldan ohne Zaudern blitzschnell mit seinem Schwerte ab. Jener fasste sein Schwert noch mit der Linken [224] 224und durchschlug den Schenkel seines Gegners, erreichte also nur mit einer geringfügigen Wunde Rache für seine Verstümmelung. Der siegende Haldan erlaubte ihm, den Rest seines Lebens mit Geld loszukaufen, um nicht mit Schande einem kampfunfähigen, handlosen Manne das arme noch übrige Lebenslicht auszublasen. Damit erwies er sich in der Schonung des Feindes beinahe ebenso gross, wie er sich bei seiner Besiegung erwiesen hatte. Als Lohn des Sieges erhielt er die Thorild zur Frau und zeugte mit ihr den Asmundus, von dem zu stammen die norwegischen Könige mit Stolz vermelden, indem sie bis auf Haldan ihren Stammbaum in ununterbrochener Weise zurückführen.

Nach diesen Geschichten verlangte Ebbo, ein Wiking von gemeiner Herkunft, durch sein Selbstbewusstsein angestachelt, nach einer vornehmen Ehe zu streben, die Sygrutha, des Gotenkönigs Ungwinus Tochter zur Frau und dazu die Hälfte des gotischen Königreiches als Mitgift. Haldan wurde über die Gewährung der Ehe befragt und gab die Weisung, man sollte zum Scheine Zustimmung geloben: er werde den Vollzug der Heirat verhindern. Auch ordnete er an, dass ihm ein Platz unter den Sitzen der Gäste angewiesen würde. Ungwin hiess den Plan gut; da zerstörte Haldan die Erscheinung seiner königlichen Würde vollständig durch äusserliche Verunstaltung des Körpers, kam zur Nachtzeit zu der Hochzeit und schreckte alle, die ihm aufstiessen; denn sie wunderten sich, dass da ein Mann, grösser als andere Menschen, gekommen sei. Als er die Königsburg betrat, sah er sich nach allen um und fragte, wer den Platz neben dem Könige eingenommen habe? Als Ebbo entgegnete, an der Seite des Königs sitze sein zukünftiger Schwiegersohn, da fragte er in scharfen, heftigen Worten, durch welchen Wahnwitz oder welche Furien er zu solcher Frechheit verleitet worden sei, dass er sich erkühne, seine verächtliche, ehrlose Herkunft [299] mit dem Glanze des höchsten Adels vermischen zu wollen und Bauernhände in den königlichen Stamm einzuführen wage, ja, mit diesem Verlangen nicht zufrieden, auch nach der Mitherrschaft im Reiche eines andern greife. Dann forderte er ihn auf, mit ihm zu kämpfen: seinen Wunsch würde er nur durch einen Sieg erreichen. Als jener antwortete, Kampf bei Nacht komme Riesen zu, Menschen nur ein Kampf bei Tag, da sagte er, damit nicht der Kampf mit Berufung auf die Tageszeit verweigert werden könnte, das helle Mondlicht mache die Nacht zum Tage. So wurde Ebbo zum Kampfe gezwungen, das Gastmahl in einen Zuschauerkreis verwandelt; Haldan streckte den Ebbo nieder und machte aus der Hochzeitsfeier ein Leichenbegängnis. Nach Verlauf von Jahren schied er und kehrte in sein Heimatsland zurück; da er (hier) keine Kinder hatte, so vermachte er durch Testament den königlichen Schatz dem Ungwin und bestellte ihn zum Könige. Dieser wurde später von einem Nebenbuhler, der Regnaldus hiess, im Kampfe erschlagen und hinterliess einen Sohn Sywaldus.

[225] 225Dessen Tochter Syritha war so keusch und schamhaft, dass sie nicht bestimmt werden konnte, einen ihrer Freier, deren sich wegen ihrer grossen Schönheit eine grosse Zahl meldete, auch nur anzusehen. Im Vertrauen auf diese Selbstbeherrschung verlangte sie von ihrem Vater den zum Gemahle, der durch süsse Vorstellungen einen Blick von ihrer Seite ihr abschmeicheln könne. In der Vorzeit pflegte bei uns die Schüchternheit der Mädchen sehr die freien Blicke im Zaume zu halten, damit nicht die Keuschheit des Sinnes durch Ungebundenheit der Augen verdorben würde, und es wurde danach gestrebt, dass die Reinheit des Herzens in der Bescheidenheit des Blickes zum Ausdruck käme. Da erglühte ein gewisser Otharus, der Sohn eines Ebbo, in dem heissen Liebesverlangen, um die Jungfrau zu werben: Mut dazu gab ihm das Vertrauen auf seine grossen Thaten und auch auf seine feine Bildung und seine Redegewandtheit. Er suchte mit allen Kräften seiner Kunst ihren starren Blick zu erweichen, aber er vermochte durch kein Geschick ihre niedergeschlagenen [300] Augen zu einem Aufblicke zu bewegen; da schied er voller Verwunderung ob der unbesieglichen Strenge. Ein Riese, der dasselbe versuchte, musste auch sehen, dass er nichts erzielte; der stellte aber eine Frau an; die spielte eine geraume Zeit die Magd bei der Jungfrau, schlich sich in ihr Vertrauen ein und führte sie einmal unter schlau erdachtem Vorwande für die Entfernung weit weg von dem Hause des Vaters; da überfiel sie der Riese und schleppte sie in eine enge Verzäunung im Waldgebirge. Andere stellen die Sache so dar, dass er selbst sich in eine Frau verwandelt, das Mädchen listig weggelockt, weit von dem Vaterhause weggeführt und so den Raub vollbracht habe. Als Othar das erfuhr, durchforschte er die Schluchten des Gebirges, um die Jungfrau auszuspüren, fand sie, erschlug den Riesen und führte sie mit sich weg. So eigentümlich aber hatte aufdringlich der Riese das Haar des Mädchens mit fester Verflechtung zusammengebunden, dass die verworrene Masse des Haares mit einer Art geschürzten Gekräusels festgehalten wurde, und man nicht leicht, ausser durch das Eisen, die enge Verschlingung des Gelocks entwirren konnte. Wiederum versuchte er durch mancherlei Lockmittel den Blick des Mädchens auf sich zu lenken, aber er versuchte seine Kunst vergebens an den unbeweglichen Augen und gab endlich, da sein Vorhaben nicht nach Wunsch von statten ging, sein Bemühen auf. Schänden aber wollte er die Jungfrau nicht: er konnte sich nicht dazu entschliessen, den Spross eines erlauchten Geschlechts durch Beischlaf, der das Licht der Öffentlichkeit scheute, zu beflecken. Als sie mannigfache gewundene Pfade in der Einöde lange irrend durchlief, begab es sich, dass sie zu der Hütte einer schrecklichen Waldfrau geriet. Von dieser wurde sie dazu verwandt, die Herde ihrer Ziegen zu hüten, und als sie wiederum durch Othars Hilfe die Freiheit erlangt hatte, wurde sie von ihm mit folgender Anrede versucht:

[226] 226Willst Du meinen Worten Gehör nun schenken
Und mit gleicher Lieb’ meine Lieb’ erwidern,
Lieber als hier stehn zu der Hut der Herde
     Stinkender Ziegen?

[301]
5
Stoss zurück die Hand Deiner bösen Herrin,

Fliehe schnellen Laufs von der wilden Hexe,
Komm zurück mit mir zu den lieben Schiffen,
     Lebe als Freie!
Wirf die Hut von Dir des befohlnen Zweizahns,

10
Lenke nicht den Schritt und den Weg der Ziegen,

Schenke als mein Weib meinem heissen Sehnen
     Süsse Erfüllung!
Die so lang und heiss durch das Land ich suchte,
Heb doch hoch zu mir die gesenkten Sterne,

15
Richte kurz nur auf Deine keuschen Augen,

     Leicht ist der Aufschlag.
Zu des Vaters Haus will ich Dich geleiten,
Froh zurück Dich bringen der lieben Mutter,
Wenn nur einmal Du meiner Bitte folgend

20
     Öffnest die Augen.

Die so oft[19] ich riss aus der Haft der Riesen,
Schenke doch huldvoll meiner Mühen Lohn mir,
Lass in Mitleid nun mit dem heissen Streben
     Schmelzen die Strenge.

„Weshalb hast Du denn tollwütig so thöricht zu handeln begonnen, dass Du lieber fremdes Vieh hüten und in der Dienerschaft von ungeschlachten Wesen[19] aufgeführt werden willst, als durch Zustimmung zu dem Bunde mit einem Gleichstehenden den Abschluss unserer Ehe zu fördern?“ Sie aber hielt trotz alledem ihre Augen mit unveränderter Starre der Augenlider geschlossen, damit nicht ihr standhafter, keuscher Sinn beim Anblicke der Aussenwelt wankend werde. Wie keusch und züchtig müssen die Frauen jener Zeit gewesen sein, die nicht einmal zu einem flüchtigen Augenaufschlage durch die stärksten Anreize des Liebenden bewogen werden konnten! Da also Othar auch durch die Verdienste einer zweiten Wohlthat den Blick der Jungfrau nicht hatte wecken und auf sich lenken können, so ging er, von Beschämung und Kummer gequält, zu seiner Flotte zurück. Als Syrith wie früher weithin die Felsen durchstreifte, [227] 227kam sie auf ihrer Irrfahrt zu den Sitzen des Ebbo; hier gab sie sich aus Scham über ihre Nacktheit und Bedürftigkeit für [302] eine Tochter von Bettlern aus. Da aber die Mutter des Othar es ihr ansah, dass sie, trotzdem sie blass und abgehungert erschien und mit einem ärmlichen Mantel bekleidet war, von edlen Eltern abstammte, führte sie die Fremde auf den Ehrenplatz und behielt sie in hochachtungsvoller Freundlichkeit bei sich. Denn den Adel der Jungfrau verriet als Kündiger die schöne Gestalt und aus den Gesichtszügen als Dolmetsch ergab sich ihre hohe Abkunft. Als Othar sie sah, fragte er, weshalb sie ihr Antlitz mit dem Kleide verhülle[20].

* * * Um ihre Gesinnung sicher zu erforschen, that er so, als solle eine Frau ihn heiraten; er bestieg mit ihr das Lager und liess Syrith den Leuchter halten. Als die Lichter beinahe heruntergebrannt waren, und sie durch die näher rückende Flamme belästigt wurde, so gab sie ein solches Beispiel von Geduld, dass sie die Hand unbeweglich hielt und keine Qual durch die Hitze zu empfinden schien. Denn die äussere Glut wurde gedämpft durch die innere, und die Hitze des verlangenden Innern mässigte den Brand der versengten Haut. Erst als sie von Othar gemahnt wurde, acht auf ihre Hand zu geben, wendete sie ihre ruhigen Blicke mit schamhaftem Augenaufschlagen auf ihn; sofort wurde das Gaukelspiel der erdichteten Hochzeit beiseite gestossen, und sie bestieg das Ehebett zur Vermählung. Als später Siwald den Othar gefangen nahm und ihn wegen Schändung seiner Tochter aufhängen lassen wollte, da erzählte Syrith sofort die Wechselfälle ihres Raubes und gewann ihm nicht nur die Huld des Königs, sondern bewog auch den Vater, sich mit Othars Schwester zu verheiraten.

Nunmehr erfolgte zwischen Siwald und Regnald eine Schlacht auf Seeland; auf beiden Seiten waren Kämpfer von auserlesener Tapferkeit ausgewählt worden. Drei Tage wurde unter gegenseitigem argen Verluste gekämpft, und da wegen der grossen Tapferkeit beider Seiten die Entscheidung des Sieges ungewiss blieb, stürzte sich Othar, von Überdruss an dem langen Kampfe oder von Streben nach Ruhm gepackt, [303] mit Todesverachtung in den dichtesten Haufen der Feinde, hieb Regnald inmitten seiner tapfersten Mannen nieder und verschaffte dadurch unerwartet den Dänen den Sieg. Bemerkenswert ist diese Schlacht geworden durch die Feigheit des höchsten Adels. So sehr nämlich geriet die ganze Schar in Furcht, dass die tapfersten Schweden, 40 Mann stark, den Rücken zur Flucht gewandt haben sollen. Ihr Hauptmann, Starkather, der sich sonst durch keine noch so böse Lage, durch keine noch so schlimme Gefahr erschüttern liess, zog es infolge irgend einer anschleichenden Angst vor, sich der Flucht seiner Genossen anzuschliessen, als sich von ihnen zu sondern. Ich bin geneigt zu glauben, dass diese Furcht ihm durch die mächtigen Götter geschickt ist, damit er nicht glaube, [228] 228über die menschliche Tapferkeit hinaus mit Tüchtigkeit begabt zu sein. Vollkommenes Glück wird keinem Irdischen zuteil. Darauf traten diese alle in den Dienst des grossen Wiking Hako, gleichwie als Überbleibsel aus dem Kriege zu ihm verschlagen[21].

Danach folgte auf Siwald sein Sohn Sigarus, der drei Söhne hatte, Sywaldus, Alf und Algerus, und eine Tochter Sygne. Alf, der die andern an Geist und Schönheit überragte, widmete sich dem Wikingerleben. Sein schönes, lichtes Haar hatte eine solche Zierde übergossen, dass man glaubte, es strahle im Silberglanze. Zu derselben Zeit hatte der Gotenkönig Sywardus zwei Söhne, Wemundus und Ostenus, und eine Tochter Alwilda; diese liess beinahe von der Wiege an eine so feste Schamhaftigkeit sehen, dass sie fortwährend ihr Antlitz mit dem Kleide verhüllt hielt, um nicht ihre Schönheit zu einer Erregung für eine fremde Leidenschaft zu machen. Ihr Vater verwies sie in eine enge Hut und übergab ihr eine Viper und eine Schlange zum Aufziehen, um ihre Keuschheit durch die Wache der herangewachsenen Reptilien zu sichern. Denn nicht leicht konnte der Zutritt zu einem Gemache gewonnen werden, das ein so gefahrdrohender Riegel versperrte. Er bestimmte auch, wer den Zugang zu ihm vergebens [304] versucht habe, dem solle sofort der Kopf abgeschlagen und auf einen Pfahl gesteckt werden. So dämpfte das für die Keckheit aufgestellte Schreckbild die Erregung der Gemüter unter den jungen Männern. Alf aber, der Sohn des Sigar, meinte, das Wagnis werde um so mehr Ruhm bringen, als es mit grosser Gefahr verknüpft wäre und trat als Freier auf; er wurde darauf angewiesen, die neben dem Gemache der Jungfrau Wache haltenden Tiere zu besiegen, weil auf Grund des Erlasses nur ihrem Besieger die Hand der Jungfrau zukomme. Um deren Wut noch mehr gegen sich zu erregen, bedeckte er sich mit einem blutigen Felle. Als er, mit diesem angethan, an die Thür der Umzäunung kam, stiess er der Viper einen glühenden Stahl, den er mit einer Zange gefasst hatte, tief in den aufgesperrten Rachen und streckte sie leblos nieder. Dann schleuderte er der Schlange, die in Ringeln auf ihn anrückte, seinen Speer in das weitgeöffnete Maul und tötete sie. Als er nun nach der Bestimmung der Verabredung das an den Sieg geknüpfte Pfand forderte, sagte Siward: der wäre ihm als Schwiegersohn angenehm, auf den seine Tochter ihre feste Wahl nach freiem Entschlusse lenke. Da aber allein die Mutter des Mädchens die Bewerbung des Freiers heikel aufnahm, so erforschte sie den Sinn der Tochter in einem heimlichen Gespräche. Als die Tochter den Freier wegen der bewiesenen Tapferkeit eifrig lobte, da schalt sie sie in heftigen Worten scharf aus, dass sie sich unter Brechung der Kraft der Keuschheit durch den Köder von schönen Formen fangen lasse und, ohne ihre Tugend in Rechnung zu ziehen, schmeichelnden Lockungen der Schönheit einen Blick schenke, der aus einem leichtfertigen Herzen komme. So wurde Alwild bewogen, den dänischen Mann zurückzuweisen, vertauschte ihre Frauentracht mit der männlichen und wurde aus einer schamhaften Jungfrau ein wilder Wiking. Sie zog noch mehrere Jungfrauen von gleicher Sinnesart in ihre Nähe und kam zufällig an einen Ort, wo eine Schar Wikinger den Tod ihres im Kampfe gefallenen Anführers beklagten. Von diesen wurde sie wegen ihrer schönen Gestalt zur Anführerin auf dem Seezuge gewählt und vollbrachte [305] Thaten, die weit über den Mut einer Frau hinausgingen. Als Alf sie wiederholt auf mühevoller Fahrt zu erreichen suchte, traf er einmal im Winter auf eine Flotte der Blacmannen. In dieser Zeit verdichtete sich das Wasser und gerann, und eine solche Masse von Eis überraschte die Schiffe, dass keine Anstrengung sie mit dem Ruder vorwärts bringen konnte. Als der anhaltende Frost den Eingeschlossenen eine sichere Bahn versprach, hiess Alf seine Leute, mit Holzschuhen an den Füssen, den gefrorenen Meerbusen betreten, die rutschigen Lederstiefel aber ablegen, damit sie über die Eisfläche, ohne auszugleiten, laufen könnten. Die Blacmannen meinten, sie wollten mit untergebundenen Holzschlittschuhen[22] für eine schnelle Flucht sorgen, traten mit ihnen zum Kampfe, schritten aber mit sehr unsicheren Füssen einher, da ja das glatte Eis unter ihren Sohlen ihre Schritte immer gleiten liess. Die Dänen aber, die das vom Froste zu einer spiegelglatten Fläche gemachte Meer mit sicherem Schritte durchmassen, machten das unsichere Vorwärtsschreiten der Feinde wirkungslos. Nachdem die Gegner vollständig überwunden waren, lenkten Alfs Leute ihre Fahrt nach Finnland. Als sie dort in einen schmalen Busen einfuhren, entdeckten sie durch vorausgesandte Späher, dass in dem Hafen nur wenige Schiffe lagen. Alwild nämlich hatte denselben engen Sund vorher mit ihrer Flotte aufgesucht. Als sie sah, dass von weitem unbekannte Schiffe heransegelten, stürzte sie mit schnellem Ruderschlage wie ein Vogel auf sie los, indem sie es für richtiger ansah, den Feind anzufallen, anstatt ihn zu erwarten. Die Genossen widerrieten, mit ihrer geringen Anzahl von Schiffen die Übermacht anzugreifen, Alf aber entgegnete, es sei eine Schmach, wenn man der Alwild erzähle, dass das Entgegentreten weniger Schiffe ihren Eifer im Vordringen lähme und sagte, der Ruhm grosser Thaten dürfe nicht durch kleinliches Bedenken befleckt werden. Die Dänen wunderten sich nicht wenig, woher denn den Körpern ihrer Feinde eine so feine Gestalt käme und ein solches Wohlmass [306] der Glieder. Als der Seekampf begann, da sprang Alf auf das Schiff der Alwild, schlug alle nieder, die ihm in den Weg traten und drang bis zum Hinterdeck vor. Als der Alwild der Helm abgeschlagen wurde und der Genosse des Alf, Borcarus, das glatte Kinn sah, da rief er, hier seien Küsse, nicht Waffen am Platze: [230] 230man müsse die harten Geschosse aus der Hand legen und den Feind mit sanfteren Diensten angehen. Da war Alf hoch erfreut, dass ihm hier die, nach der er über Land und Meer unter so vielen Fahrnissen mit unermüdlicher Anstrengung gesucht hatte, wider Erwarten geschenkt wurde; er erfasste sie leidenschaftlich und zwang sie, ihre männliche Kleidung wieder mit Weibertracht zu vertauschen; mit ihr zeugte er später eine Tochter Gurith. Auch Borcar heiratete eine Gefährtin der Alwild, Gro mit Namen, und erhielt von ihr einen Sohn Haraldus, dem die Folgezeit den Beinamen Hyldetan gegeben hat[23].

Damit man sich nicht wundere, zu hören, dass das weibliche Geschlecht sich den Kriegsmühen unterzogen hat, so will ich einiges über die Stellung und Sitten derartiger Frauen in der Kürze einer mässigen Abschweifung vorbringen. Es gab also einst bei den Dänen Frauen, welche, ihre Gestalt in männliche Kleidung steckend, fast ihre ganze Lebenszeit auf die Pflege des Kriegsdienstes verwandten, um nicht die Kraft der Tapferkeit durch die Pest der Üppigkeit schwächen zu lassen. Eine feine Lebensweise hassend, pflegten sie Leib und Seele durch Ausdauer und Arbeit zu härten und den ganzen weichen, flüchtigen Weibersinn von sich weisend, zwangen sie ihre Frauen-Natur zu Männer-Rauheit. Jedoch auch Kenntnis des Kriegswesens eigneten sie sich mit solchem Eifer an, dass man glauben konnte, sie hätten ganz aufgehört, Frauen zu sein. Vorzüglich aber pflegten diejenigen diesen Lebensweg zu betreten, welche kräftigen Sinn oder einen schönen, schlanken Körperwuchs besassen. Diese [307] Frauen also, vollständig uneingedenk ihrer Naturanlage, kannten nur Strenge, keine Liebkosung, drohten mit Schuss, statt mit Kuss, dachten auf blutrünstige Beulen und nicht auf brünstige Mäulchen, kümmerten sich mehr um die Hiebe als um die Liebe, und die Hände, die sie dem Linnengewebe hätten weihen sollen, widmeten sie dem Waffengewerbe; nicht auf die Freuden der Ehe waren sie bedacht, sondern auf das Weh des Todes, und sie griffen die mit der Kampfeslanze an, die sie mit ihrem Schönheitsglanze hätten bezaubern können. Jedoch jetzt von dieser Abschweifung zur Sache zurück.

Im Beginn des Frühjahrs griffen Alf und Alger die Wikingerfahrten wieder auf, fuhren hierhin und dahin übers Meer und stiessen endlich mit hundert Schiffen auf die Söhne des Unterkönigs Hamundus, mit Namen Helwin, Hagbarthus und Hamundus. Es entspann sich ein Kampf; da aber die vom Morde müden Hände das Dunkel der Abenddämmerung trennte, wurden während der Nacht die Streiter genötigt, Waffenruhe zu halten. Am folgenden Tage wurde diese förmlich vertragsmässig bestätigt, da beide Teile in der Schlacht des voraufgehenden Tages so starken Verlust erlitten hatten, dass man gar nicht im stande war, den Kampf wieder aufzunehmen. So zwang die Not die zum Frieden, deren Kräfte gleiche Tapferkeit erschöpft hatte. Zu derselben Zeit warb um Sygne, die Tochter des Sigar, ein Deutscher vornehmen Standes, Hildigisleus, pochend auf seine Schönheit und seinen Adel. [231] 231Bei Sygne aber schuf ihm sein gänzlicher Mangel an Ruhm nur scharfe Verachtung, weil er, selbst der Tüchtigkeit entbehrend, sein Glück bauen zu wollen schien auf die Tapferkeit anderer. Hauptsächlich lenkte sie zur Liebe gegen Hako[24] der begründete Ruf seiner Grossthaten; denn sie achtete mehr auf tapfere Männer, denn auf Weichlinge und bewunderte nicht Glanz der Schönheit, sondern der Thaten; sie wusste, dass alles Blendwerk der schönen Gestalt vor der Tapferkeit in den Staub sinkt, und nichts als gleichwertig mit ihr zusammengestellt werden kann. Es giebt wirklich Mädchen, [308] die mehr durch die Berühmtheit ihrer Freier sich bestimmen lassen, als durch ihr Äusseres und die, da sie nicht der Erscheinung, sondern des Geistes Wert abschätzen, zu einem Ehebunde allein die Rücksicht auf das Innere treibt. Hagbarth aber kam mit den Söhnen des Sigar nach Dänemark, erlangte ohne deren Vorwissen ein Gespräch mit ihrer Schwester und bewog sie schliesslich dazu, ihm die Verheissung eines geheimen Beilagers durch einen feierlichen Eid zu bekräftigen. Als später ihre Mägde die hervorragenden Ruhmesthaten der Fürsten unter einander verglichen, stellte sie den Hako über Hildegisel, denn an diesem fände sich nichts Rühmenswertes wie die schöne Gestalt, an jenem aber werde der Mangel an Schönheit durch die Blume des Mutes aufgewogen; und sie begnügte sich nicht, ihn mit schlichten Worten zu feiern, sondern sang noch folgendes Lied:

20
Fehlt ihm auch schöne Gestalt, so erglänzt er in herrlichem Mute,

     Die Kraft giebt seinem Antlitz Wert.
Denn das Gebrechen unschöner Gestalt wiegt männlicher Sinn auf
     Und tilgt des Körpers Mangel aus.
Glanz giebt das Herz dem Gesicht, durch die Tapferkeit strahlet das Antlitz,

25
Durch seine Strenge schon geschmückt.

Nicht nach dem Glanz preisst selig das Herz, nur den Glanz nach dem Herzen,
     Wer richtet Menschen Sitten recht.
Diesem verleiht nicht Wert die Gestalt, nein! tapferer Wagmut
     Und Ruhm, erlangt durch Waffenthat.

30
Jenen empfiehlt nur die Zierde des Haupts und das glatte Gesichtchen,

     Der Scheitel, hell von blondem Haar.
Wertlos ist die Gestalt ohne Geist, bald schwindet in Trümmern
     Der trügerischen Schönheit Zier.
Schönheit und tapferer Sinn, wie ungleich ist doch ihr Ausgang!

35
     Denn jene schwindet, diese bleibt.

Schöne Gestalt trägt in sich Verfall, allmählich zerstöret
     Sie ganz der leise Schritt der Zeit;
Aber der tapfere Sinn stärkt schöneren Loses die Herzen,
     Bleibt ungeschwächt in Ewigkeit.
[232] 232Äussere Güter bestechen die Menge, sie lasset sich täuschen,
     Das Volk kennt nicht des rechten Mass;
Mir aber machet die Tugend genehm ein besseres Urteil,
     Ich achte nicht der Schönheit Schein.

[309] Dieses Lied drang so zu den Ohren der Umstehenden, dass sie verstanden, unter dem Namen Hako werde Hagbarth gefeiert. Da Hildegisel es schmerzlich empfand, dass sie ihm den Hagbarth vorzog, verleitete er den blinden Bolwisus, die Söhne des Sigar und des Hamund dahin zu bringen, dass sie ihre Freundschaft mit Hass vertauschten. Der König Sigar pflegte nämlich alles nach dem Rate zweier Greise zu thun, von denen der eine Bolwis war. Ihr Sinn war in der Weise einander widerstreitend, dass der eine immer Entzweite wieder auszusöhnen pflegte, der andere nur darauf sann, Freunde in Hass zu trennen und durch gegenseitige Entfremdung verderblichen Zwist anzufachen. Zuerst also verklatschte Bolwis die Söhne des Hamund bei den Söhnen des Sigar, indem er ihnen vorredete, sie hielten nie einen geschlossenen Bund mit festem Frieden, man müsse sie durch Krieg bei ihrem Worte erhalten, nicht durch einen Bund. So wurde der Vertrag der Männer zerrissen, und es wurden Helwin und Hamund – Hagbarth war fern –, als sie von den Sigarssöhnen Alf und Alger angegriffen wurden, in dem Hafen, welcher Hamundsfjord heisst, erschlagen. Darauf kam Hagbarth mit frischen Streitkräften über sie und erschlug sie im Kampfe zur Blutrache für die Brüder. Hildegisel entwischte, aber durch beide Arschbacken drang ihm ein Wurfgeschoss. Dieser Vorfall gab Anlass, die Deutschen auszulachen, weil die schimpfliche Wunde immer von neuem mit Hohn vorgerückt werden konnte.

Darauf legte Hagbarth Weiberkleidung an und kam, gleich als ob er die Tochter des Sigar durch die Erschlagung der Brüder nicht versehrt habe, allein zu ihr, im Vertrauen auf die erhaltene Zusage; mehr Sicherheit entnahm er aus ihrem Treuworte, als Furcht aus seiner That. So lässt Lust die Gefahr verachten. Damit er einen Grund für die Reise angeben könne, sagte er, er sei eine Kampfmagd des Hako und sei Träger einer Botschaft an Sigar. Als er zur Nacht bei den Mägden sein Lager angewiesen erhielt, und ihm von den Dienerinnen die Füsse beim Waschen abgerieben wurden, da fragten diese ihn, wie er denn so rauhe Schenkel habe, [310] und die Hände sich so wenig weich anfühlten. Er aber antwortete:

[233] 233Ist es ein Wunder, dass hart mir geworden die Höhlung des Fusses,
     Und dass das Haar mir so lang wächst auf dem struppigen Bein?
Hat doch der sandige Boden so oft mir gescheuert die Sohlen,
     Hat mich der Dornstrauch doch oft mitten im Schreiten zerzaust.

5
Jetzt durcheile ich springend den Wald, jetzt laufend die Ebne,

     Jetzt ist das Meer, jetzt Land, jetzt ist die Woge mir Weg.
Auch meine Brüste, geschlossen in eiserne Ringe der Rüstung,
     Immer an Anprall des Speers und auch der Pfeile gewöhnt,
Konnten nicht zart sich erhalten dem Griffe, wie euere Brüste,

10
     Weil sie ein Mantel bedeckt oder ein glattes Gewand.

Unserer Hände Gewerb war nimmer ein Rocken noch Wollkorb,
     Unserer Hand ist vertraut Wurfgeschoss, triefend von Blut.

Seine Angabe begleitete Sygne sofort mit entsprechender Ausrede und sagte, es sei selbstverständlich, dass die Hände, welche öfter Wunden als Wolle, öfter Kampf als den Rocken handhabten, eine ihrer Thätigkeit entsprechende Härte zeigten, und dass sie für fremde Berührung nicht mit der schmiegsamen, den Frauen eigenen Weichheit die schöne glatte Haut der Nichtsthuer darböten; denn eine Kampfmaid des Hako diene nicht Weibergeschäften, sondern sie sei gewöhnt, ihre blutbespritzte Rechte zu verwenden, um Lanzen zu werfen und Wurfgeschosse zu schwingen. Es sei also nicht zu verwundern, wenn die Fusssohlen durch die endlosen Märsche hart geworden seien, und dass sie, die das Gestade auf ihren Wegen so oft mit seinem rauhen Steinbruch gerieben habe, sich mit dicken, harten Schwielen bedeckten und sich nicht so weich anfühlten wie die derer, deren Füsse keine Ausreise kennten, sondern beständig in den Schwellen des Hofes blieben. Als Hagbarth sie, damit er ein ehrenvolleres Lager erhielte, zur Bettgenossin zugewiesen bekommen hatte, redete er sie unter dem gegenseitigen Liebesgeflüster leise mit folgenden Worten an:

Wenn Dein Vater mich jetzt ergreift,
Mich dem traurigen Tode weiht,
Wirst Du, wenn ich gefahrn dahin,
Unsres Bundes vergessen schnell,

35
Schnell Dir suchen ein andres Band?
[311]

Denn wenn so das Geschick mir fällt,
Darf ich nimmer auf Gnade baun,
Nie erbarmet Dein Vater sich:
[234] 234Er nimmt Rache für sein Geschlecht.
Schlug ich doch Deine Brüder beid’,
Schlug im Schiff ihrer Leute Schar;
Und jetzt ohne des Vaters Wort,

5
Als wenn nichts ich zuvor gethan,

Ganz entgegen dem Wunsche sein,
Halt ich fest Dich in meinem Arm.
Sag’ denn, einzig Geliebte, mir,
Was Dein Herze sich wünschen wird,

10
Ruh’ ich nicht mehr zur Seite Dir.


 Sygne:
Mit Dir, Geliebter, bin zu sterben ich bereit,
     Wenn Dein böses Geschick reisset Dich fort von mir;
Nicht will mein Leben führen ich zu längrer Frist,

15
     Wenn jetzt Todesgeschick schmerzlich ins Grab Dich senkt.

Nein, wenn zum letzten Male sich das Auge schliesst,
     Unter der Schergen Gewalt, wenn ihrer Wut Du erliegst,
Wie immer auch die Lebensluft genommen wird,
     Sei ’s Gifttrank, sei ’s Schwert, sei es zur See, auf dem Land,

20
Ich bleibe frei von frevelhafter Lieb’, ich schwör’s,

     Und dem gleichen Geschick weihe mein Leben ich.
Die hier geführt der gleiche Wunsch zum Ehebund,
     Die soll gleicher Gestalt raffen der Tod dahin.
Nie will ich den verlassen, auch in Todes Not,

25
     Den ich selbst mir erlas als meiner Liebe wert,

Der mir die ersten Küsse von den Lippen nahm
     Und den ersten Genuss raubte des zarten Leibs.
Gewiss hat kein Gelübde fürder grössre Kraft,
     Wenn das Wort einer Frau Treue noch in sich trägt.

Dieses Wort gab dem Mute Hagbarths eine so frische Kraft, dass er mehr Freude aus ihrer Verheissung entnahm, als er Gefahr bei seinem Scheiden beachtete. Er wurde von den Mägden verraten, verteidigte sich aber nachdrücklich gegen die Häscher des Sigar, die ihn überfielen und streckte viele von ihnen an der Thür nieder. Schliesslich wurde er ergriffen und vor die Volksversammlung geführt; hier gingen die Stimmen der Männer über ihn auseinander: die meisten erklärten sich dahin, dass er durch seine schwere Missethat [312] das Leben verwirkt habe; Bilwisus aber, der Bruder des Bolwisus, und andere, die Vertreter einer vorteilhafteren Ansicht, gaben die Mahnung, [235] 235man solle sich lieber seine starke Hand sichern, als grausam gegen ihn verfahren. Da trat aber Bolwis dazwischen und sagte, der Rat sei schlecht, der den König verzeihen heisse, da wo er Rache walten lassen müsse, der eine gerechte Regung des Zornes mit unangebrachtem Mitleide zurückzudrängen suche. Denn wie könne Sigar an dem Manne Schonung und Erbarmen üben, durch den er nicht allein des Trostes zweier Söhne beraubt, sondern auch noch durch die schmachvolle Entehrung der Tochter beschimpft sei? Dieser Ansicht trat bei der Abstimmung die Mehrzahl der Versammlung bei, über Hagbarth wurde das Todesurteil gesprochen, und der Galgen errichtet, an dem er hangen sollte. So kam es, dass er, der vorher fast keine verurteilende Stimme gehabt hatte[25], jetzt durch aller Strenge in Strafe verfiel. Die Königin liess ihm darauf einen Becher reichen, mit dem er seinen Durst stillen sollte, und erregte ihn mit folgenden Drohworten:

Jetzt, Hagbarth, unverschämter,

15
– Des Todes würdig hat erklärt

Dich ganz der Ring der Männer –
Um Dir zu mindern Durstes Qual
Gieb Deinem Mund zur Labe
Aus eschnem[26] Becher diesen Trank.

20
Wohlan! die Furcht verscheuchend

Im letzten Lebensaugenblick
Trink nun mit festen Lippen
Des Todes Becher, nimm ihn hin!
Wenn Du ihn ausgetrunken,

25
Dann gehst Du in das Totenreich,

Gehst zu dem Dis, dem Strengen,

[313]

In die verborgne Königsburg;
Du giebst den Leib dem Galgen,
Den Geist dem unterirdischen Reich.

Da ergriff der Jüngling den dargereichten Becher und erwiderte also:

Siehe! ich fasse mit gleicher Hand den letzten
Trank, der mir zu der Letz’ die Lippen netzet,
Mit der einst ich erschlug Dir beide Söhne.

35
Nunmehr werd’ ich nicht ungerochen eingehn

Zu Elysiens Flur, den grausen Manen:
Vor uns trieb in die dunklen Höhlen jene
Der von unserer Hand vollbrachte Todschlag.
[236] 236Sieh! von Euerem Blut mir troff die Rechte,
Nahm zwei Kinder dahin in jungen Jahren,
Die Dein Leib an das Licht der Welt gebracht hat,
Die mein tödliches Schwert nicht milde schonte.

5
Ruchlos Weib, das in Wahnsinn ist verkehret,

Unglückselige Mutter ohne Kinder,
Niemals wird, was ich nahm, zurück Dir kommen,
Und das Pfand, das des Todes Starre abrief,
Kann kein Tag, keine Zeit Dir wieder schenken.

So rächte er die Androhung des Todes durch die höhnische Erinnerung an die von ihm erschlagenen Männer, schleuderte den Becher auf die Königin zurück und begoss ihr Gesicht mit dem ausfliessenden Weine.

Inzwischen fragte Sygne ihre weinenden Mägde, ob sie ihr in ihrem Vorhaben folgen wollten. Jene gelobten, alles nach ihren Kräften zu thun, was die Herrin wünsche. Ihrer Verheissung fügten sie noch einen Eid hinzu. Darauf sagte sie, von Thränen überströmt, sie wolle dem im Tode folgen, den allein sie als Lagergenossen gehabt habe und ordnete an, dass, sowie von der Warte das Zeichen gegeben sei, Feuer an das Gemach gelegt würde, Stricke aus den Kleidern gedreht würden, und sie sich durch diese erdrosseln liessen, indem sie die Bank unter ihren Füssen wegstiessen. Sie sagten zu und, um die Furcht vor dem Tode zu mindern, liess sie ihnen Wein einschenken. Darauf wurde Hagbarth zum Tode durch den Strang auf den Berg geführt, der nachher nach ihm seinen Namen erhalten hat. Da verlangte er, [314] dass von den Schergen vorher erst sein Mantel an den Galgen gehängt würde; es würde ihm Vergnügen bereiten, wenn er ein Abbild seines nahen Todes in einer vorbildlichen Darstellung schauen könnte. Das wurde ihm gewährt, und nun meldete der Wächter auf der Warte, der natürlich glaubte, das würde an Hagbarth vorgenommen, den in der Halle eingeschlossenen Mädchen, was er erschaut. Da wurde das Haus dem Feuer überliefert, die Mädchen stiessen den Holztritt unter ihren Füssen fort und liessen sich durch den Strick die Kehle zuschnüren. Als Hagbarth die Königsburg in Brand gesteckt und das bekannte Schlafgemach in Flammen aufgehen sah, da sagte er, der nahe Tod könne ihm keinen Schmerz bringen, da ihm die Treue der Geliebten eine unaussprechliche Freude bereite. Er drängte sogar die Umstehenden zur Vollstreckung der Strafe und gab durch das folgende Gedicht kund, wie gleichgültig ihm der Tod war:

Schnell, o ihr Leute! ergreift mich und zieht mich empor in die Lüfte!
     Süss für mich ist es, mein Weib! sterben nach Deinem Geschick.
[237] 237Prasseln vernehm’ ich und sehe das Haus sich röten in Flammen,
     Und was die Liebe verhiess, lässt sie jetzt treten ans Licht.
Siehe! was Du mir gelobet, jetzt wird es erfüllet in Treue,
     Denn wie im Leben Du mir, bist Du Genossin im Tod.

5
Ein Tod nimmt uns dahin, ein Band umschlingt uns in Treue,

     Nie kann schwinden der Bund unserer Liebe dahin.
Glücklich ich, der ich verdient, eine solche Genossin zu finden,
     Nicht in das dunkele Reich böse zu gehen allein.
Nun mag hart mir der Strick und fest um die Kehle sich schlingen,

10
     Bringen ja kann mir der Tod nur, was mein Herze erfreut;

Lebt mir doch sicher die Hoffnung: ich finde im Tod die Geliebte;
     Bitter ist nicht mir das Grab, winkt mir doch Freude auch dort.
Himmel und Erde ergötzt: uns bleibet, wie hier, so im Jenseit,
     Gleichre ergebener Sinn, gleiche beständige Lieb’.

Denn siehe, ich gehe dem drohenden Verhängnis mit Freuden entgegen, da die Geliebte auch in der Unterwelt ihrem Genossen die Umarmung nicht fehlen lässt.“ Kaum war das Wort gesprochen, da nahmen ihm die Schergen mit dem Stricke das Leben. Damit man nicht meint, dass die Spuren der alten Geschichte ganz geschwunden sind, so weise ich darauf hin, dass der erzählte Vorgang noch heute seine [315] Bestätigung findet durch Zeugnisse der Örtlichkeiten: der tote Hagbarth hat einem Flecken seinen Namen gegeben, und nicht weit von der Stadt des Sigar ist ein Ort, wo ein Damm, etwas höher als das Feld, mit seinem aufragenden Erdreiche das Bild einer alten Hausstätte aufweist. Auch hat einer dem Absalon erzählt, er habe einen dort gefundenen Balken gesehen, auf den ein Bauer beim Ackern mit der Pflugschar gestossen sei.

Auf die Kunde hiervon wollte Hako, auch ein Sohn des Hamund, um seinen Bruder zu rächen, von den Irländern ablassen und einen Zug gegen Dänemark unternehmen; dabei verliessen ihn der Seeländer Hako, der Sohn des Wigerus und Starkather, die bisher nach dem Tode des Regnald ihm ihre Unterstützung geliehen hatten. Der eine wurde dazu bestimmt durch die Rücksicht auf seine Bekanntschaft, der andere auf sein Geburtsland; ein verschiedener Grund schuf in beiden den gleichen Entschluss: den Hako liess die Pietät vor einem Angriffe auf sein Vaterland zurückscheuen, weil er sich mit seinen Mitbürgern hätte schlagen müssen – die andern freilich kämpften gegen Fremde –, Starkather wollte nicht als Feind auftreten, weil er ein Gastfreund des alten Sigar gewesen war, um nicht gegen einen wohlverdienten Mann Unrecht auszuüben. Denn manche legen dankbar so grossen Wert auf die Gastfreundschaft, dass nichts sie bewegen kann, denen lästig zu werden, deren entgegenkommende Gefälligkeit je erfahren zu haben sie sich bewusst sind. [238] 238Jedoch Hako, für den der Tod des Bruders einen grösseren Verlust bedeutete, als der Abfall der beiden Kämpen, segelte nach dem Hafen, der dänisch Herwig, deutsch Heerhafen heisst, schiffte seine Leute aus, stellte seine Schar da in Schlachtordnung, wo heute die von Hesbernus erbaute Stadt[27] mit ihren festen Mauern den Umwohnern Schutz bietet und den wilden Barbaren den Zugang versperrt. Darauf teilte er seine Leute in drei Haufen und schickte zwei Drittel der Flotte mit wenigen [316] für das Ruder bestimmten Leuten zu dem Flusse Susa; dieses Schiffsgeschwader sollte die Windungen des Flussbettes entlang in bedenklicher Fahrt vorrücken und seinem Fussvolke Hilfe darbieten, wenn es die Lage erforderte. Er selbst marschierte mit den übrigen Leuten auf dem Lande vorwärts und rückte zumeist auf waldgedeckten Wegen vor, um nicht gesehen zu werden. Diese Strasse war einst mit reichlichem Walde dicht besetzt, jetzt ist das Land teilweise unter den Pflug genommen, und nur lichte Büsche bilden noch einen Saum an ihr. Damit seine Leute, wenn sie ins freie Feld vorrückten, die Deckung durch die Bäume nicht entbehrten, ordnete er an, dass sie Zweige schnitten und vor sich her trugen. Damit sie ferner auf ihrem Gewaltmarsche nichts unnütz belastete, befahl er ihnen, einen Teil ihrer Kleidung samt den Schwertscheiden abzulegen und die nackten Schwerter mitzunehmen. Zur bleibenden Erinnerung an diesen Vorgang liess er einem Berge und einer Furt einen ewigen Namen zurück. So blieb er mit seinem Nachtmarsche zwei Reihen von Posten unbemerkt; als er aber auf die dritte stiess, eilte ein Kundschafter, nachdem er das unerklärliche Ding gesehen, zum Schlafgemache des Sigar und sagte, er bringe Meldung von einem wunderbaren Vorgange: Laub und Strauch rücke heran wie Menschen. Da fragte der König, wie weit der heranrückende Wald hoch entfernt sei, und als er vernahm, dass er schon ganz nahe sei, da sagte er, diese Wundererscheinung verkünde ihm sein Ende. Daher kam es, dass der Sumpf, aus dem das Strauchwerk geschnitten war, allgemein der Todessumpf genannt wurde. Sigar fürchtete den engen Platz, verliess die Stadt und nahm seine Aufstellung auf einer Ebene mit besserem Überblick, um den Angriff der Feinde zu erwarten. Er kämpfte unglücklich bei dem Orte, der Walbrunna, zu Deutsch Leichen- oder Mordbrunnen heisst, und fand selbst in der Niederlage seinen Tod. Da nützte Hako seinen Sieg mit Grausamkeit und begleitete sein Glück mit solcher Schandthat, dass er in seiner Gier, alles niederzuhauen, keinen Stand und kein Geschlecht schonen liess; ja, er zeigte so wenig Mitleid und Rücksicht, [317] dass er sein Schwert sogar in Frauenblut tauchte und Mütter mit ihren Kindern in grausamem, wildem Gemetzel niederhauen liess.

Auf die Kunde hiervon sammelte Sigars Sohn Sywaldus, der bisher ruhig im Hause des Vaters geblieben war, ein Heer, um die Pflicht der Rache zu erfüllen. Erschreckt durch die zusammenströmende Menge, [239] 239ging Hako mit dem dritten Teile seines Heeres zur Flotte im Herwighafen zurück und suchte sein Heil in einem Abzuge über das Meer. Den Rest des Heeres deckte sein Genosse Hako, der Stolze mit Beinamen; denn er glaubte mehr Selbstbewusstsein aus dem frischen Siege entnehmen zu dürfen, als Bedenken aus der Abfahrt Hakos und zog auf jeden Fall den Tod einer Flucht vor. So nahm er sein Lager ein wenig zurück, wartete bei dem Flecken Axelstade eine geraume Zeit auf den Zuzug der Schiffe und schalt auf die Langsamkeit der säumig heranziehenden Genossen. Denn die in den Fluss geschickte Flotte war immer noch nicht in den ihr bestimmten Hafen eingelaufen. Der Untergang Sigars aber und die Liebe zum Siwald feuerten das ganze Volk ohne Unterschied dermassen an, dass beide Geschlechter sich dem Kriege widmeten, und der Kampf der Unterstützung durch die Frauen nicht entbehrte. Am folgenden Tage gerieten Hako der Stolze und Siwald aneinander, zwei Tage dauerte der Kampf. Es war ein scharfes Ringen und Morden, beide Anführer fielen, aber den Rest der Dänen schmückte die Siegeskrone. In der Nacht endlich, die auf die Schlacht folgte, kam die Flotte, welche in die Susa eingefahren war, in den schützenden Hafen. Das Bett der Susa, dereinst für Schiffe befahrbar, hat jetzt eine engere Erstreckung, weil es durch feste Stoffe verstopft ist, so dass selten ein Schiff hineinkommt, da es die durch die Einschnürung entstandene Versumpfung nicht gestattet. Als beim Zwielichte die Schiffsleute die Leichen ihrer Genossen erblickten, wollten sie ihren Anführer bestatten und errichteten einen Leichenhügel von stattlicher Höhe, den die Sage noch jetzt Hakons Grab nennt und hoch feiert. Jedoch ihre ganze Menge weihte Borcar, der mit der [318] schonischen Reiterei plötzlich herankam, dem Tode. Als so der Feind vernichtet war, besetzte Borcar die leeren Schiffe der Feinde mit Ruderern und setzte dem Sohne des Hamund in atemloser Eile Hals über Kopf nach. Als er ihn einholte, und es zum Kampfe kam, hatte Hako Unglück, entkam aber in hastiger, feiger Flucht in das Land der Schotten. Dort starb er nach Verlauf von zwei Jahren.

Diese wechselvollen, unheilsschweren Ereignisse und Kriege hatten den Königsstamm bei den Dänen so aufgerieben, dass er nur noch auf der Guritha, der Tochter des Alfus und Enkelin des Sigar beruhte. Als die Dänen sich ohne die Leitung des angestammten Königsadels sahen, übertrugen sie die Herrschaft an Gemeinfreie, wählten aus ihrer Zahl Fürsten und wiesen die Verwaltung von Schonen dem Ostmarus, die von Seeland dem Hundingus zu; dem Hano übertrugen sie die Regierung in Fünen, in die Hand des Roricus und Haterus legten sie die Leitung von Jütland mit getrennter Gewalt. Damit man weiss, von welchem Ahnherrn das spätere Königshaus stammt, muss ich einiges in notwendiger Abschweifung kurz besprechen.

Man erzählt, dass Gunnarus, ein tapferer Schwede, dereinst aus gewichtigen Gründen mit Norwegen verfeindet, [240] 240auf seine Bitten die Erlaubnis erhalten habe, jenes Land anzufallen, dass er diese Erlaubnis zu harten Schlägen benutzt und seine beabsichtigten Streifzüge gegen das Land Jather gerichtet habe; er brannte und mordete in diesem Striche, um Raub kümmerte er sich nicht, und es machte ihm nur Freude, auf Wegen mit Leichen besäet und auf Pfaden mit Blut getränkt einherzuschreiten. Während andere (Wikinger) nicht auf Mord sinnen, sondern mehr auf Beute als auf Todschlag ausgehen, stand ihm die Grausamkeit über dem Raube, und er stillte den unheilvollen Drang seines Herzens hauptsächlich durch Menschenmord. Durch seine Grausamkeit bewogen, kamen die Einwohner der nahenden Gefahr durch allgemeine Unterwerfung zuvor. Der greise König aber der Normannen, Regnaldus, verschloss, als er von dem leidenschaftlichen Wüterich hörte, seine Tochter Drota in eine künstliche [319] Höhle und überwies ihr eine entsprechende Dienerschaft mit Mundvorrat für lange Zeit. Auch Schwerter, von kunstfertigen Schmieden geschmiedet, barg er zusammen mit dem königlichen Hausrat in der Höhle; ein Schwert, das er selbst nicht mehr führen konnte, wollte er nicht dem Feinde zur Benutzung überlassen. Damit die Höhle sich nicht sichtbar über den Erdboden erhübe, liess er die ausgegrabene Erde dem festen Boden gleichmachen. Darauf zog er in den Krieg, und da er mit den altersschwachen Gliedern nicht mehr in die Schlacht gehen konnte, so arbeitete er sich mühsam vorwärts, gestützt auf die Schultern seiner Begleiter. Er kämpfte zwar mit Eifer, aber nicht mit Glück; er fiel, und sein Tod wurde seinem Lande Anlass zu einer schweren Schmach.

Um nämlich die Feigheit des besiegten Volkes durch eine schmachvolle Behandlung ohne gleichen zu bestrafen, setzte Gunnar als Regenten über sie einen Hund. Damit hat er offenbar nichts anderes bezweckt, als dass das hochmütige Volk seine Überhebung recht sichtlich bestraft sehen sollte, wenn es seinen steifen Nacken vor dem Beller beugen musste. Um die Schmach voll zu machen, bestellte er Statthalter, die in des Hunden Namen alle öffentlichen und besonderen Angelegenheiten besorgen sollten. Auch bestimmte er den Adel in fester Reihenfolge zu beständigem und dauerndem Hofdienste bei dem Hunde. Er bestimmte ferner: wenn einer von den Höflingen sich widerwillig zeige im Dienste seines Herzogs und nicht seinen Sprüngen hin und her mit hochachtungsvoller Ergebenheit nachlaufe, der solle mit Verlust von Gliedern büssen. Er legte dem Volke auch eine zwiefache Abgabe auf, die eine aus den Herbstvorräten, die andere im Frühjahre zu zahlen. So wurde den Norwegern der Hochmut ausgetrieben, und sie mussten deutlich die Schäden ihres Stolzes sehen, da er zum Gehorsam gegen einen Hund gezwungen war.

[241] 241Als aber Gunnar erfuhr, dass die Tochter des Königs in einem weit entlegenen Verstecke geborgen war, strengte er sich mit allen Geisteskräften an, sie auszuspüren. So kam [320] es, während er selbst an der Suche teilnahm, dass er von weitem undeutlich ein Gemurmel unter der Erdoberfläche vernahm. Dem ging er Schritt für Schritt nach und hörte nun deutlich den Ton menschlicher Stimmen. Er liess die Erde unter seinen Füssen bis auf den gewachsenen Boden aufgraben; da trat plötzlich ein hohler Raum zu Tage, und er bemerkte gewundene Gänge. Die Diener wurden niedergehauen, als sie den blossgelegten Zugang zur Höhle schützen wollten, und das Mädchen wurde zusammen mit den dort geborgenen Schätzen heraufgeholt. Nur die Schwerter hatte sie in weiser Vorsicht dem Schutze eines abgetrennten Verstecks anvertraut. Sie wurde von Gunnar zum Beischlafe gezwungen und gebar einen Sohn, Hildigerus. Der eiferte der Grausamkeit seines Vaters dermassen nach, dass er, immer gierig nach Mord und allein auf Menschentod erpicht, der stäten Lust lebte, Blut zu vergiessen. Er wurde also wegen seines unerträglichen wilden Sinnes von seinem Vater Landes verwiesen, erhielt dann von Alwerus (dem König von Schweden) eine Herrschaft, brachte seine Lebenszeit in den Waffen zu, indem er seine Nachbarn mit Krieg und Mord heimsuchte; er änderte nicht seinen Sinn mit der Veränderung des Ortes und liess im Stande der Landesverweisung nicht ab von seiner gewohnten Grausamkeit.

Inzwischen erfuhr Borkar, dass die Tochter des Regnald Drota von Gunnar mit Gewalt zur Ehe gezwungen war; er nahm ihm Frau und Leben und heiratete die Drot selbst. Sie willigte unschwierig in die Verbindung mit Borkar, weil sie den Rächer des Vaters mit vollem Rechte zu umarmen glaubte. Denn einer Tochter, die ihren Vater betrauerte, konnte doch den Mörder desselben nicht mit Freuden zum Manne haben. Ihr und des Borkar Sohn war Haldan; die ersten Jahre seiner Kindheit waren mit dem Verdachte der Dummheit belastet, aber das folgende Alter wurde leuchtend in herrlichen Ruhmesthaten, und er erstrahlte in glänzenden Zierden des Lebens. Als Junge griff er einen hochberühmten Kämpen, von dem er beim kindlichen Scherzen eine Ohrfeige erhielt, mit dem Stocke an, den er in der Hand hatte und streckte ihn zu [321] Boden. Mit dieser That weihte er seine zukünftigen Ruhmesthaten ein und wandelte die Verachtung seines vergangenen Lebens zu dem hellsten Glanze des folgenden um. Dieser Vorgang liess die Grösse seiner zukünftigen Kriegsthaten ahnen.

Zu dieser Zeit suchte Rötho, ein russischer Wiking, unser Vaterland mit Raub und grausamer Verwüstung heim. Seine Wildheit war so einzig, dass er, während doch andere die Gefangenen nicht ganz auszogen, [242] 242auch die Teile des Körpers, die sonst sorgfältig verdeckt werden, der Bekleidung zu berauben, nicht für schimpflich hielt. Daher pflegen wir noch jetzt rücksichtslose und grausame Räubereien Röthoran zu benennen. Bisweilen wandte er auch diese Art von Folterung an, dass er den rechten Fuss des zum Tode Bestimmten fest auf die Erde befestigen, den linken an Äste, die zu diesem Zwecke krumm gebogen wurden, anbinden liess; wenn diese dann zurückschnellten, rissen sie die Menschen mitten auseinander. Ihn griff Hano, der König von Fünen, mit Seekräften an, aber während er glänzende Ruhmestitel sich zu erwerben gedachte, musste er nur mit einem Begleiter die Flucht ergreifen. Zu seiner Verhöhnung gewann das Sprichwort Verbreitung: Auf seinem Miste ist der Hahn Meister. Darauf warf sich Borcar dem Rötho entgegen, weil er eine weitere Quälerei seiner Mitbürger nicht mit ansehen konnte. Der Kampf beider brachte beiden das Verhängnis. In derselben Schlacht wurde auch, wie die Sage berichtet, Haldan schwer verwundet und war lange an den erhaltenen Wunden siech; eine war ihm sichtbar in den Mund geschlagen worden, und diese fiel durch ihre Narbe sehr ins Auge: während alle andern unter ärztlicher Behandlung heilten, blieb sie als ein grosses Mal. Den verletzten Teil der Lippe liess nämlich ein hässlicher Auswuchs immer schwären, so dass der eiternde Riss nicht durch Nachwachsen des Fleisches ausgefüllt wurde. Dieser Umstand verhalf ihm zu einem hohnvollen Beinamen, während doch sonst Wunden vorn am Körper nicht Schande, sondern Ruhm bringen. Ein so schlechter Dolmetsch tüchtiger Thaten ist bisweilen der Volksmund.

[322] Inzwischen legte Guritha, die Tochter des Alfus, die Gelübde ewiger Keuschheit ab, weil sie allein von dem königlichen Stamme noch übrig war, und keiner ihr an Adel gleich stand, den sie hätte heiraten können; sie hielt es darum für geratener, ehelos zu bleiben, als einen Gemahl aus den Gemeinfreien zu nehmen. Um sich vor Unbill zu schützen, liess sie ihr Schlafgemach von einer auserlesenen Schar Fechter bewachen. Als einmal Haldan zu ihr kam, und die Kämpen, denen er in seiner Jugend einen Kameraden erschlagen hatte, zufällig nicht da waren, sagte er, sie müsse den Gürtel der Jungfräulichkeit lösen und eheliche Liebe an die Stelle der spröden Keuschheit treten lassen; sie solle nicht so dem Wunsche nach einem ehelosen Leben nachgeben, dass sie es verschmähe, das gebrochene Steuer des Reiches durch ihre Vermählung zu heilen. Er müsse also wegen seines hervorleuchtenden Adels von ihr bei einer Vermählung berücksichtigt werden, weil sie aus dem erwähnten Grunde sich doch zur Liebe würde verstehen müssen. Gurith erwiderte ihm, sie könne sich nicht dazu entschliessen, die einzige Vertreterin des königlichen Geschlechts sich mit einem Manne geringeren Standes verbinden zu lassen. [243] 243Und nicht allein, dass sie ihm seinen niederen Adel vorwarf, sie schmähte auch die Entstellung seines Gesichts. Haldan erwiderte, es werde ihm ein doppelter Makel von ihr vorgeworfen, einmal, dass er nicht vornehm genug wäre und dann, dass er den Schaden des zerspaltenen Mundes immer mit ungeschlossener Wunde sehen lasse; so werde er denn nicht eher wiederkommen, um ihre Hand zu fordern, als bis er beide Mängel durch glänzenden Waffenruhm getilgt habe. Er beschwor sie aber, sie sollte niemand ihre Lagergenossenschaft vergönnen, bevor sie durch sichere Nachricht wisse, entweder dass er zurückgekehrt, oder dass er gefallen sei. Die Kämpen, die er vor Zeiten eines Kameraden beraubt hatte, waren ärgerlich darüber, dass er mit Gurith gesprochen hatte und setzten ihm zu Ross nach. Als er das sah, hiess er sein Gefolge ein Versteck aufsuchen: er würde allein die Kämpen bestehen. Als seine Leute zögerten und es für schimpflich erklärten, seinem Gebote zu gehorchen, [323] trieb er sie mit Drohungen fort: Gurith solle nie von ihm hören, dass er einen Kampf aus Furcht verweigere. Dann schnitt er eine Eiche ab und gestaltete sie zu einer Keule; so schritt er allein zum Kampfe mit zwölfen und nahm ihnen allen das Leben. Nachdem sie erschlagen waren, begnügte er sich nicht mit dem Ruhme einer so hervorragenden That, sondern liess sich von der Mutter[28], um noch viel grössere zu vollbringen, die Schwerter des Grossvaters[29] aushändigen, von denen das eine Lyusingus, das andere Hwytingus hiess, nach dem Glanze der schön geschliffenen Schneide. Als er hörte, dass zwischen Alwerus, dem Schwedenkönige und den Russen ein Krieg wüte, eilte er sofort nach Russland, brachte den Einwohnern des Landes Hilfe und wurde von allen mit hohen Ehren aufgenommen. Jedoch auch Alwer hatte nicht fern sein Wesen, das Durchschreiten einer kurzen Strecke überbrückte den geringen Abstand beider von einander. Sein Gefolgsmann Hildigerus, der Sohn des Gunnar, forderte die Kämpen der Russen zum Zweikampfe heraus; als er sah, dass sich Haldan darbot, und da er wusste, dass er dessen Bruder (von der Mutter her) war, so stellte er die Bruderliebe über den Ruhm der Tapferkeit und sagte: er, der 70 Kämpen ruhmvoll überwunden habe, werde nicht mit einem wenig erprobten Manne kämpfen. Er hiess den Haldan also sich zunächst in geringeren Proben messen und fortan Dinge unternehmen, die seinen Kräften entsprächen. Das sagte er aber nicht aus Misstrauen gegen seine Kraft, sondern um sein Gewissen rein zu erhalten; denn er war nicht nur ein tüchtiger Streiter, sondern verstand sich auch darauf, Schwerter durch Zaubersprüche stumpf zu machen. Da er sich nämlich daran erinnerte, dass sein Vater (Gunnar) von Haldans Vater (Borcar) erschlagen war, und er unter dem Eindrucke einer doppelten Gemütserregung stand, einmal des Wunsches, seinen Vater zu rächen und dann der Liebe zum Bruder, so hielt er es für geratener, die Herausforderung zurückzuweisen, als [324] möglicherweise ein grosses Verbrechen auf sich zu laden. An seiner statt forderte Haldan einen anderen Kämpen, und als der ihm gegenübergestellt wurde, nahm er ihm das Leben, und nun wurde ihm auch durch der Feinde Stimme der Preis der Tapferkeit zuerkannt, [244] 244und durch allgemeinen Zuruf wurde er für den Allertapfersten erklärt. Am folgenden Tage forderte er zweie zum Kampfe und erschlug sie alle beide. Am dritten Tage überwand er drei, am vierten vier, am fünften aber forderte er fünf. Auch diese streckte er nieder, und als man so in ähnlichem Anwachsen des Kampfes und des Sieges bis zum achten Tage gelangt war, da streckte er elf zu gleicher Zeit mit ihm zum Kampfe Antretende nieder. Als nun Hildiger, weil er den Ruhm seiner Thaten durch seines Bruders Grossthaten erreicht sah, den Kampf nicht länger versagen konnte, von ihm aber, da er sein Schwert mit dünnem Zeuge überzog, eine tötliche Wunde empfing, da warf er die Waffen weg, liess sich auf den Boden gleiten und redete den Bruder mit folgenden Worten an:

Lass uns in trautem Geplauder zusammen ein Stündlein verbringen,
Mag uns das Eisen jetzt ruhn, wir mögen uns hin auf den Boden

15
Setzen, vertreiben die Zeit und Erholung uns gönnen mit Worten.

Zeit bleibt noch für das Werk; denn ein gänzlich verschiedenes Schicksal
Bietet für zweie das Los: den einen unrettbar zum Tode
Jagt das Geschick, doch den andern erwartet in schöneren Jahren
Ehre und Ruhm, und es blüht ihm ein langes und glückliches Leben.

20
So hat verschiednes Geschick sich selber die Rollen geteilet.

Dich hat das dänische Land, mich schwedische Erde geboren,
Drot hat als Mutter Dir einst, ihrem Kinde, die Brüste geboten,
Sie war Mutter auch mir, auch mir hat die Milch sie gespendet.
Siehe! hier schwindet ein hehres Geschlecht, das mit trotzigen Waffen

25
Trat zu dem Kampf; zwei Brüder[30], entsprossen erlauchtestem Blute,

Bringen einander den Tod; nach dem Gipfel des Ruhmes verlangend
Kürzen sie selbst sich das Leben, sie schufen im Streben nach Herrschaft
Selbst sich das Ende und sehn im gemeinsamen Tode den Orkus.

[325]

Mir steht zu Häupten der schwedische Schild in den Boden geheftet,

30
Ihn schmückt strahlende Fläche, gezeichnet mit reichlichem Bildwerk,

Krönt auch Getäfel der Lagen, das aller Bewundrung erreget.
Dort die erlauchten Besiegten und niedergeworfene Kämpen,
Kriege dazu, auch jegliche That meiner Rechten, die rühmlich,
Zeigt vielfarbiges Malwerk; inmitten der Fläche erblickst Du

35
Stehend, in herrlicher Arbeit gegraben, das Bild meines Sohnes,

Dem meine eigene Hand die Bahn seines Lebens verkürzte.
Er war uns einziger Erbe, des Vaters alleinige Sorge,
Einziger Trost seiner Mutter, gespendet von gnädigen Göttern.
Bös ist das Los, das an fröhliche Zeit unglückliche heftet,
[245] 245Lachen mit Trauer vertreibt und trübet die Tage der Menschen.
Traurig ja ist es und elend ein Leben zu führen in Wehmut,
Düstere Tage zu tragen und stets sein Schicksal zu klagen.
Aber was immer bestimmt vorwissend die Ordnung der Parcen,

5
Was der verborgne Beschluss in dem Rate der Götter verhänget,

Was in der Reihe des Schicksals von Ewigkeit her ist versehen –
Das kann nimmer verändern ein Umschwung der irdischen Dinge.

Als er nach diesen Worten von Haldan wegen der späten Entdeckung des brüderlichen Bandes gescholten wurde, sagte er, er habe deshalb stillgeschwiegen, damit er nicht entweder, wenn er den Kampf verweigere, als feig oder, wenn er ihn aufnähme, als ruchlos betrachtet werden könne. Auf solche Worte der Entschuldigung bedacht, gab er den Geist auf.

Bei den Dänen aber hatte sich das Gerücht verbreitet, dass Haldan von Hildiger erschlagen sei. Da nun Gurith, die allein von dem königlichen Hause in Dänemark noch übrig war, von Siwarus, einem vornehmen Sachsen, umworben wurde, stellte sie ihrem Freier die Bedingung, dass er nicht eher ihre Hand verlange, als bis er das in Stücke zerschnittene dänische Reich vereinigt und es ihr, der es zu Unrecht entrissen, mit den Waffen zurückgestellt hätte. Das versuchte zwar Sivar ohne Erfolg, trotzdem aber wurde sie ihm schliesslich verlobt, weil er alle Räte bestochen hatte. Als Haldan in Russland das durch Kaufleute erfuhr, stürzte er sich mit solchem Eifer auf die Fahrt, dass er noch vor der Zeit der Hochzeit ankam. Als er am ersten Tage der Feier nach dem Königspalaste gehen wollte, gab er den Befehl, dass sein Gefolge sich nicht früher von dem ihm angewiesenen Platze [326] rühren solle, als bis es den Klang seines Schwertes von ferne höre. Als er nun, von den Gästen nicht erkannt, vor der Jungfrau stand, da dichtete er, um nicht in nackter und gewöhnlicher Rede Worte zu sprechen, die vielen verständlich wären, ein Gedicht mit dunkler Umschreibung in dieser Art:

30
Niemals fürchtet’ ich Kniffe,

Vaters Reiche verlassend,
Nicht von Plänen der Weiber,
Nicht von Listen der Frauen,
Als ich einen und zweie,

35
Drei und vier und darauf noch

Fünf und dann sogar sechse,
Dann noch sieben und achte,
Elf noch ohne Gehülfen
[246] 246Schlug als Sieger im Kampfe.
Nicht meint’ ich, dass mich träfe
Schimpf und hässliche Schande
Durch leichtfertig Versprechen,

5
Durch irrführend Gelöbnis.


 Dagegen Gurith:

In dem schwanken Bestande der Herrschaft
War das Herz ohne Halt und Vertrauen,
In der Angst ohne Zuversicht irrend;

10
Denn die Kunde von Dir war so flüchtig,

War so wechselnd im Munde der Boten,
Sie versenkte in Zweifel das Herz mir;
Dass das Schwert mir in frühesten Jahren
Dich entrissen, so bangte der Sinn mir.

15
Wie vermochte allein ich zu stehen

Gegen Alte und gegen die Meister,
Die mir wehrten mich noch zu versagen,
Die mich drängten zum Bunde der Ehe?
Doch ist glühende Liebe geblieben,

25
Und sie wird immer gleichen der Deinen,

Noch besteht das Gelübde in Ordnung,
Darum darf ich in Treue Dir nahen.

Denn bisher habe ich Dir keine Zusage gebrochen, obwohl ich in meiner Einsamkeit nicht vermochte, die von allen Seiten auf mich eindringenden Zureden zurückzuweisen und in betreff des Eingehens eines Ehebündnisses den strengen [327] Mahnungen entgegenzutreten. Noch war die Jungfrau mit ihrer Antwort nicht zu Ende, da durchbohrte schon Haldan den Bräutigam mit dem Schwerte. Und nicht zufrieden, einen Mann erlegt zu haben, streckte er den grössten Teil der Tischgenossenschaft nieder. Als die Sachsen, vor Trunkenheit schwankend, mit geknickten Beinen auf ihn einstürmten, da wurden sie von seinen hinzukommenden Leuten niedergehauen. Darauf heiratete Haldan die Gurith. Als er sie mit dem Fehler der Unfruchtbarkeit behaftet sah und doch den innigsten Wunsch hegte, Kinder zu erhalten, ging er, um ihr Fruchtbarkeit zu verschaffen, nach Upsala; er erhielt den Bescheid: um sich Nachkommenschaft zu erwecken, müsse er erst den brüderlichen Manen das Totenopfer bringen; und als er dem Spruche gehorchte, empfing er den Trost der Erfüllung seines Wunsches: er erhielt von der Gurith einen Sohn, dem er den Namen Harald gab. Als er für diesen das dänische Reich, das durch die unberechtigten Fürsten in Stücke zerrissen war, zur früheren Form der Alleinherrschaft zurückbringen wollte, da fiel er, als er in einer Schlacht auf Seeland den Wesetus, [247] 247 einen berühmten Kämpen, angriff. Als das Gurith sah, die aus Liebe zu ihrem Sohne in Mannestracht bei der Schlacht zugegen war, trug sie ihren Sohn, als er trotz der Flucht der Genossen eifrig weiterkämpfte, auf ihren Schultern in einen nahen Wald. Von seiner Verfolgung hielt die Feinde hauptsächlich ihre Ermüdung zurück, einer aber durchbohrte den Hintern des Hangenden mit einem Pfeile. Deshalb meinte Harald, dass ihm durch die Mutter zwar sorgliche Hilfe, aber auch grosse Schmach gebracht sei.

Während er schon sehr schön und sehr gross war, auch alle seine Altersgenossen an Kraft und Wuchs überragte, erfuhr er von Othin, durch dessen Orakel er zur Welt gekommen zu sein schien, noch die Gnade, dass er nicht durch Eisen verwundet werden konnte. Daher kam es, dass Geschosse, die anderen Wunden schlugen, nicht imstande waren, ihm eine Verletzung beizubringen. Und die Wohlthat fand ihren Lohn: er soll nämlich dem Othin alle Seelen versprochen haben, die er mit seinem Schwerte von dem Körper schiede. [328] Er hat zum Gedächtnisse seines Vaters dessen Thaten in den Felsen in Blekingen, dessen ich Erwähnung gethan habe[31], durch Steinmetzen eingraben lassen. Als er darauf hörte, dass Wesetus in Schonen Hochzeit feiern wollte, ging er zu dieser als Bettler verkleidet; als der Schmaus der Nächte zu Ende war, und alle in Weinrausch und Schlaf versunken waren, da stiess er mit einem Balken gegen das Brautgemach. Da traf ihn Wesetus, ohne ihm ein Wunde beizubringen, mit einem Prügel so gegen die Backe, dass er ihm zwei Zähne ausschlug. Diesen Verlust ersetzte später das unverhoffte Hervorbrechen von Backzähnen; diese Geschichte brachte ihm den Beinamen Hyldetand, während andere sagen, er habe ihn bekommen wegen seiner hervorstehenden Zähne. Dort erlangte er nach Erlegung des Wesetus die Herrschaft über Schonen. Darauf griff er Hather in Jütland an und tötete ihn; dessen Fall meldet noch jetzt der Name einer Stadt[32]. Darauf besetzte er nach der Besiegung des Hunding und Rorik auch Lethra und brachte das zerrissene dänische Reich wieder zu seiner alten Einheit.

Als er dann erfuhr, dass Asmundus, der König der Wikarer[33], von seiner älteren Schwester des Thrones beraubt sei, brachte ihn die freche Anmassung der Frau sehr auf, und er ging, während der Krieg noch nicht entschieden war, mit einem Schiffe nach Norwegen, um dem Asmund Hilfe zu bringen. In der Schlacht rückte er gegen den Feind, mit einem Purpurmantel bekleidet, das Haar umschlungen mit einem goldgestickten Bande und vertraute nicht auf Waffen, sondern auf das stille Bewusstsein seines Glücks dermassen, dass er nicht zum Kampfe, sondern zum Gastmahle geschmückt erschien. Jedoch dem glänzenden Aufzuge entsprach nicht der Geist: [248] 248obwohl ohne Rüstung und nur mit dem Abzeichen eines Königs geschmückt, schritt er voraus vor den waffentragenden Scharen und warf den heissesten Gefahren der Schlacht eine stäte Kampfbereitschaft entgegen. Die auf ihn gezielten Geschosse büssten ihre [329] schädliche Wirkung ein, gleich als hätten sie stumpfe Schneiden. Als die andern ihn unbewaffnet kämpfen sahen, machten sie einen Vorstoss und wurden durch ihr Schamgefühl getrieben, ihm scharf zuzusetzen. Harald aber, selbst unversehrt, schlug sie entweder mit dem Schwerte oder trieb sie in die Flucht, und so verschaffte er dem Asmund das Reich wieder, nachdem seine Schwester besiegt worden war. Als ihm von Asmund Belohnungen für den Sieg angeboten wurden, sagte er, ihm genüge schon als Lohn der Ruhm und zeigte sich so gross in der Zurückweisung der Geschenke, wie er sich gross gezeigt hatte im Verdienen derselben. Dadurch flösste er allen eine nicht geringere Achtung von seiner Uneigennützigkeit als vor seiner Tapferkeit ein, indem er kund that, dass er Berühmtheit, nicht Geld aus einem Siege gewinnen wolle.

Inzwischen verstarb der Schwedenkönig Alwer und hinterliess drei Söhne: Olawus, Ingo und Ingeldus. Ingo war mit dem Besitze der väterlichen Erbschaft nicht zufrieden und kündigte den Dänen Krieg an, um seine Herrschaft zu vergrössern. Als Harald den Ausgang dieses Krieges durch Orakel zu erforschen wünschte, begegnete ihm ein alter Mann, aussergewöhnlich gross, aber einäugig, in einen rauhen Mantel gehüllt, der da sagte, er sei Othin und verstehe sich auf die Kriegskunst; dieser erteilte ihm eine sehr nützliche Unterweisung in der Aufstellung seines Heeres in Schlachtordnung. Er wies ihn nämlich an, er solle, wenn er zu einer Schlacht auf dem Lande schritte, das ganze Heer in drei Geschwader teilen; ein jedes von ihnen solle er nach dem Prinzip der Zwanzigzahl in Reihen setzen – das mittlere jedoch solle er sich um zwanzig Mann weiter nach vorn erstrecken lassen, als die andern – und indem er sie zur Spitze eines Kegels oder einer Pyramide ordne, solle er die beiden Flanken nach rückwärts auf beiden Seiten schräg verlaufen lassen, so dass die Umfassungslinien immer weiter auseinandergingen. Die ganze Reihe aber eines jeden Geschwaders solle er so entstehen lassen, dass die Front, mit zwei Mann beginnend, in den folgenden Reihen einen Zuwachs von nur je einem Manne erhalte; im einzelnen also solle er in die zweite Linie drei, [330] in dritte vier stellen und in derselben Weise solle er die dahinter anzuordnenden (unter Beibehaltung des Zuwachses?) aufstellen, und so solle dasselbe Verhältnis fortlaufend die folgenden Reihen entstehen lassen, bis die letzte Reihe der (keilförmigen) Aufstellung bis zu den Flanken (des Soutiens) reiche; ein jedes Soutien aber solle er in zehn Reihen formieren. Hinter diese Geschwader solle er die mit Wurfgeschossen ausgerüstete junge Mannschaft stellen; hinter deren Rücken solle er einen Heerhaufen von Alten stellen, welche die wankenden Kräfte der Leute mit ihrer erfahrenen Tüchtigkeit stärken solle; dann solle er mit geschickter Abschätzung der räumlichen [249] 249Entfernung als Flügel die Schleuderer anschliessen, welche, hinter den Zügen ihrer Kameraden stehend, den Feind aus der Ferne mit ihren Schiesswerkzeugen angreifen sollten. Hinter diesen solle er Leute jedes Alters und Standes ohne Abschätzung ihrer Eigentümlichkeit, wie es gerade käme, hinzunehmen. Auch das Hintertreffen solle er, wie das Vordertreffen, in drei Gruppen unterschieden, in gleichem Verhältnis der Rotten anordnend, sich bilden lassen. Dessen Rücken, an den Rücken des oben geschilderten Heerhaufens sich anschliessend, sollte diesen durch das Hemmnis seiner nach der andern Seite gerichteten Front decken[34] [331] Wenn aber eine Seeschlacht vorfiele, so solle er einen Teil seiner Flotte abtrennen und dieser Teil sollte, während [332] er die beabsichtigten Kämpfe beginne, die feindlichen Schiffe in vielfachen Windungen umkreisen.

Auf diese Belehrungen in der Kriegskunst gestützt, kam er den Kriegsrüstungen des Ingo und Olaw in Schweden zuvor und schlug sie. Ihrem Bruder Ingeld, der unter dem Vorwande von Unpässlichkeit durch Gesandte um einen Waffenstillstand nachsuchte, erfüllte er das Verlangen, damit nicht sein Heldensinn, der doch traurige Lage zu schonen gelernt hätte, einem Gebeugten und zu Boden Liegenden höhnisch auf den Kopf trete. Obschon er von diesem später durch den Raub einer Schwester schwer gekränkt war und ihn lange in Kämpfen mit unentschiedenem Ausgange umhergejagt hatte, schloss er doch mit ihm Freundschaft und hielt es für geratener, ihn zum Bundesgenossen als zum Gegner zu haben.

Als er darauf hörte, dass es zwischen Olawus, dem König der Thronder, und den Kampfmaiden Sticla[35] und Rusila zu einem über die Herrschaft entscheidenden Kampfe kommen werde, regte ihn die Anmassung der Frauen sehr auf; er ging unbemerkt zu Olaw, und indem er eine Verkleidung anlegte, mit der er seine hervorstehenden Zähne verbarg, kämpfte er mit den Jungfrauen. Beide wurden niedergestreckt und hinterliessen für zwei Häfen eine Benennung, nach ihrem Namen gebildet. Damals lieferte er den sichtlichsten Beweis seines tapferen Sinnes; denn er bot die Brust schutzlos den Waffen dar, nur auf einen Leibrock vertrauend. Als Olaw ihm eine Belohnung für den Sieg anbot, wies er das Geschenk zurück und liess es unentschieden, ob er eine grössere Probe von Tapferkeit oder von Uneigennützigkeit geliefert hat. [333]  Darauf griff er einen friesischen Kämpen namens Ubbo an, der das Gebiet von Jütlaud unter Ermordung der Bauern verwüstete, und als er ihn mit den Waffen nicht niederkämpfen konnte, liess er seine Leute ihn mit den Händen greifen, warf ihn zu Boden und legte den Überwundenen in Fesseln. So überwand er den, von dem er kurz vorher annahm, dass er ihm einen empfindlichen Schlag beibringen würde, mit einer schimpflichen Art der Bezwingung. Er gab ihm aber eine Schwester zur Gemahlin und nahm ihn in sein Gefolge auf. Nun zwang er die dem Rheine benachbarten Völker zu Zins und wählte sich Leute aus den tapfersten Männern dieses Volksstammes. Auf diese Streitmacht gestützt, überzog er das Slavenland mit Krieg und liess dessen Fürsten Duk und Dal [Dag] wegen ihrer Tapferkeit nicht erschlagen, [250] 250sondern gefangen nehmen. Auch sie nahm er in sein Gefolge und bezwang nun Aquitanien[36], dann ging er nach Britannien, erschlug den König der Humbrer und nahm die kräftigsten Leute aus der jungen Mannschaft der Besiegten in sein Heer. Für den tüchtigsten galt Orm, mit dem Beinamen der Britanne. Die Kunde von diesen Thaten lockte Kämpen aus den verschiedensten Teilen des Erdkreises herbei, und er bildete aus ihnen ein Söldnerheer. Umgeben von einer grossen Schar Söldner hielt er durch den Schrecken seines Namens die Bewegungen in allen Reichen nieder und nahm ihren Regenten den Mut, unter einander Krieg zu führen. Jedoch auch die Herrschaft auf dem Meere wagte niemand ohne seinen Wink sich anzumassen: vor Zeiten war nämlich im dänischen Staate die Herrschaft über das Land und über das Meer geteilt.

Inzwischen starb in Schweden Ingeld und hinterliess einen kleinen Sohn, den ihm die Schwester des Harald geboren hatte, Ringo; ihn setzte Harald über das väterliche Reich und bestellte ihm Vormünder. Nachdem er so Länder und Fürsten zur Unterwerfung gebracht, verlebte er 50 Jahre in Ruhe. Damit er durch diese thatenlose Zeit nicht den [334] Mut der Leute sich in Trägheit verflüchtigen lasse, bestimmte er, dass sie fleissig die Kunst, Hieb zu meiden und zu schlagen, von den Fechtern erlernen sollten. Einige unter ihnen, die ganz besonders geschickt in der Fechtkunst waren, schlugen mit nie fehlendem Hiebe die Augenbraue von der Stirn eines andern weg. Wenn jemand den Hieb kommen sah und aus Furcht mit dem Augenlide zwinkerte, der wurde vom Hofe verwiesen und hörte auf, Dienste zu thun.

Zu derselben Zeit führte den Olo, den Sohn des Sywardus von einer Schwester des Harald, der Wunsch, seinen Oheim zu sehen, aus Norwegen nach Dänemark. Da dieser zunächst in der Gefolgschaft des Harald gewesen, nach dem schwedischen Kriege aber Herr in Dänemark geworden ist, so entspricht es dem Plane meines Werkes, mitzuteilen, was über seine Thaten überliefert ist. Olo also verlebte die ersten 15 Jahre seines Lebens bei seinem Vater und wurde in unglaublicher Weise berühmt durch seine körperlichen und geistigen Gaben. Ausserdem war sein Blick so feurig, dass er mit den Augen an dem Feinde vollbrachte, was andere mit den Waffen vollbringen, und auch den Mutigsten durch den funkelnden Glanz seiner Augen schreckte. Als er erfahren hatte, dass Gunno, ein Jarl aus Thelemarken, mit seinem Sohne Grimo den Wald Ethascoug, der ein dichtes Unterholz und dunkle Schluchten besass, als Räuber besetzt hielt, da forderte er in Empörung über die Schandthat mit Hund und Ross eine gewöhnliche Rüstung von seinem Vater, indem er die Jugend verdammte, welche die der Tapferkeit gebührende Zeit in Unthätigkeit verstreichen lasse. Er erhielt die Waffen, untersuchte den obengenannten Wald [251] 251sehr genau und bemerkte Fussspuren von Menschen, die tief in den Schnee eingedrückt waren: den Lauf des Räubers verriet der Reif, den sein Fuss verstört hatte. Den Spuren im Schnee folgte er, stieg über eine Berghöhe und traf einen gewaltig grossen Fluss. Hier hörte natürlich die Spur auf und er beschloss, ihn zu überschreiten. Jedoch die Wassermenge, die in reissender Strömung schnell ihre Wogen dahinrollen liess, schien den Übergang schwierig oder sogar unmöglich zu machen. [335] Denn reich an unsichtbaren Steinblöcken liess sie den ganzen Verlauf des Flussbettes in schäumendem Strudel erscheinen. Aber dem Sinne Olos benahm der Wunsch vorwärts zu kommen die Furcht vor der Gefahr. Er erachtete also nichts, was dem Herzen beliebte, für schwierig auszuführen, wo die Furcht durch den tapferen Sinn ausgetrieben und die Gefahr durch den Wagmut verachtet sei und überwand den brausenden Strudel. Als er ihn durchschwommen, traf er auf eine Thalenge, die auf allen Seiten von Sümpfen umgeben war, deren Inneres aber das Hindernis eines vorgezogenen Dammes nicht leicht erreichen liess. Er liess sein Ross darüber springen und bemerkte ein Gehege mit vielen Ställen. Er trieb eine Herde Pferde heraus und wollte sein Ross einstellen, da wurde er von einem Toko (es war ein Knecht des Gunno), der das anmassende Verfahren des Fremden übel nahm, scharf angegriffen, warf aber den Angreifer durch einen blossen Stoss mit dem Schilde zurück. Da er es für schmachvoll erachtete, ihn mit dem Schwerte zu töten, so fasste er ihn, zerbrach ihm die Glieder und warf ihn querüber in das Haus, aus dem er eilend herausgekommen war. Durch diese schmähliche Behandlung des Knechtes wurden Gunno und Grimo in Bewegung gesetzt, kamen schnell aus verschiedenen Thüren und stürzten sich zusammen auf Olo mit Geringschätzung seines Alters und seiner Kräfte. Sie wurden von ihm tötlich verwundet, und als schon die Kräfte sie verliessen, dichtete Grimo, obwohl kaum des letzten Atemzuges noch mächtig und beinahe ganz von der Körperwärme verlassen, mit dem letzten gebrochenen Laute seiner Stimme dieses Lied :

30
Sind wir auch immerhin körperlich schwach und matt,

Mag auch nehmen die Kraft uns der Verlust des Bluts,
Selbst wo kaum noch das Herz in der zerfleischten Brust
Merkbar klopfet, gelähmt unter der Wunden Wucht,
Doch soll, mahne ich laut, unsere letzte Zeit

35
Durch nie zagenden Mut strahlen in Ruhmesglanz;

Nie soll sagen ein Mann, tapferer sei gekämpft
Sonst von anderer Hand, noch auch in längerm Streit;
Und ein bitterer Kampf, weil wir das Schwert noch führn,

[336]

– Wenn im Grabe das Fleisch findet die müde Ruh’, –
[252] 252Soll uns geben den Lohn ewig lebend’gen Ruhms.
Nun soll Schultern des Feinds schneiden der erste Hieb,
Weg ihm mähen das Schwert rechte und linke Hand;
Wenn uns Pluto empfängt dort an dem styg’schen Fluss,

5
Führ’ auch Olo dahin gleichen Geschickes Los,

Und ein schauriges Grab öffne uns dreien sich,
Dreier Asche zugleich decke die Urne dann.

Soweit Grimo. Seinem unbezwinglichen Sinne strebte der Vater nach und hub so an, um die unerschrockenen Worte seines Sohnes mit einer Mahnung seinerseits zu begleiten:

Mögen die Adern uns sein schon ganz vom Blute verlassen,
     Mag auch im sterbenden Leib kurz nur das Leben noch glühn,
Doch soll so sich noch rühren im letzten Kampfe die rechte,
     Dass ihr Ruhm in der Welt dürfe nicht flüchtig vergehn.
Also es strebe die Waffe zunächst nach den Armen des Feindes,
     Auch nach den Schultern; der Hand werde geschwächet das Werk.
Dann wird nach dem Geschick ein Grab uns Dreien geschenket,
     Dann wird die Urne zugleich bergen die Asche uns drei’n.

Mit diesen Worten stemmten sich beide auf den Knien empor (denn die Nähe des Todes hatte ihre Kräfte gebrochen) und mühten sich angestrengt in der Nähe mit Olo zu kämpfen, um noch im Todesnahen den Feind auch mit in den Tod zu ziehen; sie achteten ihr Geschick nicht, wenn sie nur dem, von dem sie getötet wurden, ein gemeinsames Grab bereiten könnten. Den einen von ihnen tötete Olo mit dem Schwerte, den andern durch den Hund. Aber auch er hatte keinen unblutigen Sieg, da er, bis dahin unverletzt, endlich eine Wunde vorn am Körper erhalten hatte. Er wurde von seinem Hunde eifrig geleckt und erholte sich dadurch; darauf brachte er die Leichen der Räuber, um seinen Sieg offenkundig zu bezeugen, an einen Galgen und stellte sie so auf, dass man sie weithin sehen konnte. Er bemächtigte sich der Befestigung und barg für spätere Verwendung all den Raub, den er dort fand, in einem verborgenen Verstecke.

In dieser Zeit ging die unverschämte Gier der Brüder Scatus und Hiallus soweit in der Frechheit, dass sie schöne Jungfrauen [337]  ihren Eltern raubten und schändeten. So kam es, dass sie auch die Esa, die Tochter des Jarls der Wermier, Olawus, als Beute sich wählten und ihrem Vater sagen liessen, wenn er sie nicht fremder Wollust dienen lassen wolle, so solle er selbst oder einer von seinen Leuten zum Schutze für sein Kind kämpfen. [253] 253Als Olo davon Kunde erhielt, freute er sich über die Gelegenheit zu einem Kampfe und ging zu der Wohnung des Olaw in erborgter Bauerntracht. Als er hier unter den Letzten seinen Sitz bei Tische gefunden hatte und die Hausgenossenschaft des Königs traurig sah, da liess er dessen Sohn mit Fleiss näher zu sich entbieten und fragte ihn, weshalb denn die andern ein so trauriges Gesicht machten. Als der sagte, die Keuschheit seiner Schwester würde in nächster Zeit durch die scharfen Kämpen entweiht werden, wenn nicht jemandes Verteidigung schnell dazwischen trete, da fragte er weiter, welchen Lohn der empfangen würde, der sein Leben für die Jungfrau einsetze. Nachdem Olaw von dem Sohne darüber befragt war, sagte er, dem Schützer werde die Tochter zu teil werden. Dieses Wort weckte in Olo ein gewaltiges Verlangen, die Gefahr zu bestehen. Die Jungfrau aber pflegte ganz nahe an die Fremden heranzutreten und ihre Gesichtszüge unter Vortragung eines Lichtes prüfend zu betrachten, um den Charakter und die Art der Gäste deutlich zu erkennen. Man glaubte, dass sie aus den Kennzeichen und Zügen des Gesichts die Abkunft der gemusterten Männer erschliesse und allein mit ihrem scharfsichtigen Blicke jegliches Blut unterscheide. Als sie nun mit forschenden Augen vor dem Olo stand, da wurde sie vor dem erstaunlichen scharfen Glanze seiner Blicke ganz verwirrt und brach beinahe bewusstlos zusammen. Als die Besinnung allmählich wiederkehrte, und der Atem freier zu gehen begann, da versuchte sie noch einmal dem Manne fest ins Auge zu sehen, stürzte aber in plötzlichem Zusammenbruche des Körpers wie besinnungslos nieder. Als sie zum drittenmale sich bemühte, ihre geschlossenen und niedergeschlagenen Augen zu erheben, da konnte sie nicht allein die Augen nicht bewegen, sondern sich auch nicht auf den Füssen erhalten und fiel in plötzlichem [338] Sturze nieder; so lähmt Bestürzung die Kraft. Als Olaw das sah, fragte er sie, was sie so oft zu Falle gebracht hätte; sie sagte, sie sei durch den trotzigen Blick des Fremden zu Boden geschmettert; er sei ein Königssohn und verdiene unbedingt ihre Hand, wenn er die Absichten der Räuber zu nichte mache. Da wurde Olo – er hatte nämlich sein Haupt durch einen Hut verdeckt – von allen gebeten, die Umhüllung zu lösen und sein Gesicht sehen zu lassen. Da hiess Olo sie ihre Trauer ablegen und allen Schmerz aus dem Herzen verbannen, entblösste die Stirn und zog aller Augen in Bewunderung seiner einzig gearteten Schönheit auf sich. Denn sein Haar war blond und glänzend. Die Augensterne aber liess er durch die Lider fest bedecken, damit sie nicht die ihn Ansehenden in Schrecken versetzen sollten. Man konnte glauben, die Tischgäste jubelten plötzlich, da ihr Herz durch Hoffnung auf Besseres aufgerichtet war, die Hofleute tanzten, und die grosse Betrübnis wurde von ausgelassener Heiterkeit abgelöst. Da also die Hoffnung die Furcht aufhob, [254] 254so sah nunmehr das Mahl ganz anders aus und war dem Anfange gar nicht gleich oder auch nur ähnlich. So verjagte das gütige Versprechen eines Fremden den allgemeinen Schrecken aller. Inzwischen erschienen Hiallus und Skatus mit zehn Dienern, gleich als ob sie das Mädchen sofort abführen würden und brachten durch ihr lärmendes Geschrei allgemeine Bestürzung hervor, indem sie den König zum Kampfe aufriefen, wenn er ihnen nicht die Tochter herausgäbe. Ihrem Wüten trat sofort Olo mit der Kampferbietung entgegen, stellte aber noch die Bedingung, dass keiner verstohlen den Kämpfenden im Rücken anfalle, sondern dass der Kampf nur in Angriffen von vorn vor sich gehen sollte. Darauf streckte er allein mit dem Schwerte, das Lögthi hiess, alle zwölf zu Boden und vollbrachte damit eine That, die über die Kräfte eines Jünglings hinausging. Den Kampfplatz übrigens bot eine Insel, die mitten in einem stehenden Gewässer liegt; nicht weit von diesem findet sich ein Flecken, der eine Erinnerung an dieses Gemetzel weckt, weil er die Namen der Brüder Hiallus und Skatus vereinigt trägt.

[339]  Nun erhielt er das Mädchen als Siegespreis; nachdem sie ihm einen Sohn Omundus geboren hatte, bekam er von seinem Schwiegervater Urlaub, um zu seinem Vater zu gehen; als er erfuhr, dass sein Heimatsland von dem Unterkönige Thoro vermittelst des Tosto, des Opfermanns, und des Leotarus mit Beinamen * * * bekriegt würde, ging er dahin, um mit ihnen zu kämpfen, nur mit einem Trabanten in Weibertracht sich begnügend. Als er nicht mehr weit von der Wohnung des Thoro entfernt war, barg er sein und seines Begleiters Schwert in ausgehöhlte Stöcke. Als er die Königsburg betrat, stellte er sich wie ein von den Jahren gebeugter Mann, indem er seinen wahren Gesichtsausdruck durch Schminke unterdrückte. Er gab an, er sei bei Siward der Bettlerkönig gewesen und baue jetzt das Elend, von dessen Sohne Olo mit hartnäckigem Hasse verfolgt. Die Hofleute begrüssten ihn nun zahlreich als König, sanken auf die Knie und boten ihm aus Ulk ihre Hände dar zur Huldigung. Er hiess sie das wahr machen, was sie im Scherze gethan hatten, riss das Schwert heraus, was er und sein Begleiter in den Stöcken trugen und fiel den König an. Ein Teil unterstützte den Olo; sie betrachteten den Scherz als Ernst und wollten ihren Eid, wenn auch zum Spott geleistet, nicht brechen; die meisten aber zerrissen die eitle Verpflichtung und traten zu Thoro. So entstand denn ein Kampf unter den Dienstleuten selbst. Als schliesslich Thoro ebenso gut den Waffen der Seinen wie der Fremden erlegen war, beschenkte der tödlich verwundete Liotarus, weil er schloss, dass Olo der Sieger ebenso lebendig an Geist wie scharf in Thaten sei, ihn mit dem Beinamen der Frische und prophezeite ihm, er würde durch einen ähnlichen Betrug, wie er ihn an Thoro verübt, umkommen; denn zweifellos werde er durch Hinterlist in seinem Hause fallen; und kaum hatte er geendet, da verschied er. So kündete das letzte Wort des Sterbenden mit scharfsehender [255] 255Prophezeiung den künftigen Ausgang des Siegers. Durch diese That brachte Olo mit seiner Ankunft bei dem Vater zugleich seinem Hause den Frieden. Er erhielt von ihm die Herrschaft zur See und erlegte siebzig Seekönige im Seekampfe. Unter diesen waren [340] besonders Birwillus und Hwirwillus, auch Thorwillus, Nef und Onef, Redwarthus, Randus und Erandus bekannt. Durch den Ruf und Ruhm dieser That bewog er Kämpen, deren ganzer Sinn auf die Tapferkeit gerichtet war, in grosser Menge, mit ihm eine feste Genossenschaft einzugehen. Auch Männer wilden Sinnes, die von Begierde nach Ruhm getrieben wurden, gewann er für seine Leibwache. Unter diesen nahm er auch den Starkather mit grosser Hochachtung auf und ehrte ihn mit seinem Vertrauen, aber nicht zu seinem Nutzen[37]. Auf solche Streitkräfte gestützt, dämpfte er die Frechheit der benachbarten Könige durch die Grösse seines Ruhmes, dass er ihnen die Kräfte, die Sorge und den Mut nahm, unter einander Krieg zu führen.

Hierauf ging er zu Harald und wurde von ihm mit der Herrschaft zur See bedacht, schliesslich wurde er dem Gefolge des Ring überwiesen. Zu derselben Zeit war ein gewisser Bruno Haralds Vertrauter und eingeweiht in alle Angelegenheiten; ihm pflegten er und Ring ihre Aufträge anzuvertrauen, wenn sie einen geheimen Boten nötig hatten. Diese Stufe der Vertrautheit hatte er erlangt, weil er mit ihm gemeinsam als Kind aufgewachsen war. Als dieser auf[WS 3] einer seiner häufigen beschwerlichen Reisen durch die Gewässer eines Flusses umgekommen war, brachte Othinus, indem er seinen Namen und seine Gestalt annahm, durch heimtückische Botschaft die enge Eintracht der Könige ins Wanken und säte mit so wirksamem Truge Feindschaft, dass er in den Männern, die durch Freundschaft und Verwandtschaft eng verbunden waren, einen starken Hass aufwachsen liess, der ohne Krieg nicht gestillt werden zu können schien. Zuerst keimte in ihnen verhehlter Zwist, bis beider Gesinnung ans Licht trat, und die stille Entfremdung offen hervorbrach. Die Freundschaft wurde nun aufgekündigt, und sieben Jahre vergingen unter den Vorbereitungen zu einem Kriege. Einige sagen, Harald habe nicht unter der Einwirkung des Hasses, auch nicht aus Streben nach Herrschaft, sondern in [341]  absichtlicher und freiwilliger Bemühung versteckten Anlass zu seinem Tode gesucht. Da er nämlich wegen seines hohen Alters und seiner Strenge seinen Unterthanen eine Last wurde, wollte er, das Schwert den Qualen einer Krankheit vorziehend, seinen Geist lieber in einer Schlacht, als auf dem Bette aufgeben: denn dann würde er ein Ende haben, das mit den Thaten seines vergangenen Lebens in Einklang stünde. Um also sein Ende berühmter zu machen und mit grossem Gefolge in das Totenreich einzuziehen, trachtete er danach, viele Genossen des [256] 256Geschickes zu sich zu nehmen und holte den Stoff zu dem künftigen Gemetzel durch freiwillige Kriegsveranstaltung herbei. Aus diesen Gründen trachtete er sowohl nach dem eigenen Tode, als auch nach dem Tode anderer, und damit das kommende Gemetzel auf beiden Seiten gleich sei, brachte er auf beiden Seiten gleiche Streitkräfte ins Feld; die grössere Stärke und Tapferkeit aber wies er dem Ring zu, denn der sollte nach seinem Wunsche siegen und ihn überleben.

[342]

Achtes Buch.

[257] 257Die Geschichte des schwedischen Krieges hat zuerst Starkather, der auch die Hauptsäule der Schlacht gewesen ist, in dänischer Sprache verfasst, doch ist sie mehr mündlich als schriftlich überliefert. Indem ich den Verlauf der Schlacht, die er nach Väter Sitte in der Volkssprache vermeldet und in eine Ordnung gebracht hat, lateinisch darstellen will, werde ich hauptsächlich die hervorragendsten Häupter auf beiden Seiten aufzählen; denn ich habe nicht die Absicht, die ganze Menge vorzuführen, da diese auch bei kurzer Fassung sich gar nicht zählen lässt. Und zuerst werde ich die angeben, die auf Haralds Seite gestanden haben und dann die, welche unter Rings Fahnen gefochten haben.

Haralds Mannen.

Unter den Heerführern also, die sich um Harald sammelten, sind die hervorragendsten[38]:

I,a:(12) Dänen von den Inseln und aus Schonen: Swen und Sambar, Ambar und Elli, Rati von Fünen, [343] Salgarthus und Roe, dem der lange Bart zu einem auszeichnenden Beinamen verholfen hat. Dazu kommen; Skalk aus Schonen und Alf, der Sohn des Aggi; ferner Olwir der Breite und Gnepia der Alte; dazu noch Gardh, der Einwohner der Stadt Stang. An ihn schliessen sich[39]:

b:(6)Isländische Skalden: Getreue Haralds: Blend, ein Bewohner des äussersten Thule, Brand mit dem Beinamen Brotkrume, Torvy mit Tyrwingus, Tatar und Hialto. Diese waren zu Schiff nach Lethra gekommen; sie waren körperlich tüchtig für Kämpfe, besassen aber auch geistige Tüchtigkeit: ihrer hohen Statur suchten sie es durch Übung des Geistes gleich zu thun; denn sie verstanden sich darauf, Pfeile mit Bogen und Armbrust zu schiessen und auch Mann gegen Mann mit dem Feinde zu kämpfen, aber auch Gedichte in der Landessprache kunstgemäss abzufassen; mit so eifrigem Bemühen hatten sie den Geist zusammen mit dem Körper ausgebildet.

c:(6)258von der Hausmannschaft des Königs: Aus Lethra aber kamen: Hortar[40] und Borgi, Belgi mit Begathus, Bari und Toli.

II. Drei Heerhaufen aus den Ländern ausserhalb des eigentlichen Dänemarks, ein jeder unter einer Kampfmaid, und zwar:

a) unter der Webiorg kamen aus Schleswig Hako mit der geschlitzten Wange und sein Segelmeister Tummi; ferner zogen mit ihr in Kriegslust Bo, der Sohn des Bramus, und Brat der Jüte; zu diesen kommen Orm der Angle, Ubbo der Friese, Ary der Einäugige, Alf und Goter. Hinter ihnen werden Dal der Dicke und Duk der Slave aufgezählt.

b) unter der Wisna[B 2]: Diese, eine strenge und kriegserfahrene Frau, umgab slavische Mannschaft. Ihre [344] Hauptanführer waren Barri und Gnizli. Die andern aber aus diesem Heerhaufen, gedeckt mit kleinen Schilden, hatten sehr lange Degen und broncefarbene (blaue?) Tartschen; diese warfen sie zur Zeit der Schlacht entweder auf den Rücken oder übergaben sie den Gepäckträgern und kämpften mit gezückten Schwertern ohne Schutz für die Brust, so dass ihr Körper jeder Gefahr bloss ausgesetzt war. Aus diesen waren die angesehensten Tolkar und Imi. Nach ihnen erscheint als hervorragend Toki, geboren im jumischen[41] Lande, mit Otrikus, der den Beinamen der Junge führte.

c) unter der Hetha: Sie führte, umgeben von schlagfertigen Begleitern, ihren Haufen in voller Rüstung zur Schlacht. Die ersten darin waren Grimar und Grenzli; nach ihnen werden erwähnt Ger aus Livland, Hama und Hunger, Humbli und Biari, die tapfersten der Könige. Diese haben sehr häufig glückliche Kriege geführt und weithin berühmte Siege erfochten.

So führten die erwähnten Jungfrauen, nicht für den Hof geschmückt, sondern für den Kampf, die Landtruppen zur Schlacht. So strömte das dänische Heer abteilungsweise zusammen. [(Die?) Sieben Könige von gleichem Sinn, aber von ungleicher Gesinnung unterstützten teils Harald, teils Ring.[42]]

III. Aus Norwegen: Ausserdem waren dem Harald zugefallen: Hömi und Hösathul, Hun, Hastinus und Hythinus der Schlanke, Dahar auch mit dem Beinamen der Grenländer, auch Haraldus, der Sohn des Olawus[43]. Aus dem halischen Lande aber dienten Har und Herlewar mit Hothbroddus, der den Beinamen der Tolle hatte, im dänischen Lager. [345]  Aus dem Imischen Lande aber kommen Hunki und Haraldus. An diese werden angeschlossen, aus dem Norden heranziehend, Haki und die Söhne des Bemonus, Sigmundus und Serker. Diese alle hatte der König in seiner Gefolgschaft mit Freigebigkeit und Leutseligkeit gehegt: von ihm hoch in Ehren gehalten, empfingen sie goldgeschmückte Schwerter und reiche Belohnung für die Schlachten. [259] 259Gekommen waren auch die Söhne Gandals des Alten, welche alte Gefolgschaft zu Haralds Vertrauten gemacht hatte.

Und so schien das Meer, bedeckt von der dänischen Flotte, Seeland mit Schonen wie mit einer dazwischenliegenden Brücke zu verbinden: wer aus dem einen dieser Länder in das andere gehen wollte, dem bot das Meer mit dem dichtgedrängten Knäuel der Schiffe einen Richtweg zu Fusse. Damit jedoch die Schweden über die Vorbereitung zum Kriege nicht in Unkenntnis blieben, wurden von Harald Boten geschickt, die dem Ring offen Fehde ansagen und die Aufkündigung des Friedens[44] bekannt geben sollten. Sie erhielten auch den Auftrag, einen Ort für die Schlacht im voraus zu verabreden. Die also unter Harald gestritten haben, sind die gewesen, die ich aufgezählt habe.
(– In dem Schlachtberichte ist noch erwähnt: der Vater des Skalkus 26222.)

Rings Mannen.

I. Aus Schweden und Götland:

Ulf, Aggi, Windar, Eyil der Einäugige – die Götländer –; Hildi, Guti, der Sohn des Alf, Stur der Starke, Sten, der da am Wienischen[45] See wohnt. An diese werden angeschlossen Gerth der Frische, Glumer aus Wermland. Nach diesen werden die Nachbarn der nördlichen Elbe[46] [346] aufgezählt, Saxi Fletir und Sali der Gote, Thord der Wackler, Throndar mit der grossen Nase, Grundi, Othi, Grinder, Tofi, Coll, Biarki, Hogni der Kluge, Rokar der Schwarze. Diese hielten sich von der Vermengung mit der Menge fern und hatten sich zu einer besonderen Schar von der übrigen Abteilung getrennt[47]. Ausser diesen werden aufgezählt Rani, dessen Vater Hild war, und Lyuth Guthi[48], Swen auch, der Hochgeschorne, «Soknarsoti», Rethyr der Habicht und Rolf der Weiberfreund.

II. Aus Norwegen:
Mit diesen werden zusammengestellt: Ring, der Sohn des Athyla, und Harald aus dem Bezirke Thotni stammend. An diese werden angeschlossen Walsten aus Wik, Thorulf der Dicke, Thengil der Lange, Hun, Solwe, Birwil der Blasse, Borgar und Scumbar. Aber aus Thelemarken waren die Tapfersten gekommen, die am meisten Mut und am wenigsten Stolz besassen, Thorlewar der Hartnäckige, Thorkill der Götländer[49], Gretir der Böse und nach Raubzügen Gierige. Auf diese folgen Haddir[50] der Harte und Roldar die Zehe (?). Aus Norwegen aber werden erwähnt Thronder aus Drontheim, Thori aus Moerir, Rafn der Weisse, Hafwar, Biarni; Blihar mit dem Beinamen Stülpnase, Biorn aus dem Bezirk Sogn, Findar vom Fjord, auch Bersi, in der Stadt Fjalir geboren, Sywardus der Eberkopf, Ericus der Geschichtenerzähler,

[347]  Hallsten der Weisse, Ruthar der Stammler, Erlingar mit dem Beinamen die Natter. Jedoch aus der Landschaft Jather kamen Od der Angle, Alf der Weitgewanderte, Enar der Dickbauch und Ywarus mit dem Beinamen Thruwar.

III. Aus Island:
Aus Thule aber kamen Mar der Rothe, in dem Bezirk, welcher Mithfirthi heisst, geboren und erzogen, Glumer der Bejahrte, Gram Brundelucus, Grim aus der Stadt Skierum, geboren in dem Bezirk Skaha Fyrthi. Darauf bemerkt man den Skalden Berhgar, dem Brahi und Rafnkil als Begleiter gegeben werden.

IV. Aus der Hausmannschaft des Königs (?).
Aber die Tapfersten der Schweden sind gewesen: Arwacki[51], Keklu Karl, Krok der Bauer, Guthfast, Gummi aus der Gislamark. Diese waren Nachkommen des Gottes Frö und treue Diener der Götter. Auch Ingvi und Oly, Alwer und Folki, die Söhne des Elricus, gehörten zum Kriegsvolke des Ring, Männer rasch zur That und rüstig im Rat, die nächsten Vertrauten des Ring. Auch sie führten den Ursprung ihres Geschlechts auf den Gott Frö zurück. Unter ihnen war auch Sigmundus aus der Stadt Sigtun, ein Advokaten-Kämpe, der sich auf Kauf- und Verkauf-Verträge verstand. Diesem wird beigegeben Frosty mit dem Beinamen Becherle(?); zu ihm wird gesellt Alf der Stolze, aus dem Flecken Upsala. Dieser war ein tüchtiger Speerwerfer und pflegte in der Schlachtreihe voranzugehen.

V. (Sieben) Könige und unabhängige Herren.
Aber den Olo umgaben sieben Könige, thatkräftig mit Rat und mit That. nämlich: Holty und Hendill, Holmar, Laesi und Hama[52]; ihnen wird beigesellt Regnaldus der Russe, der Enkel des Rathbarthus; ausserdem durchfurcht [348] Sywaldus mit elf Schiffen das Meer. Laesi, der Besieger der Pannonier, besetzt mit Segel[53] seinen mit Goldblech beschlagenen Schnellfahrer. Thririkar[54] aber kam mit Schiffen, deren Vorderteile wie ein Drache gewunden waren. Thrygvir auch und Torwill führten, getrennt fahrend, zwölf Schiffe.
(– In dem Schlachtberichte sind ausserdem erwähnt: Wiwillus 26039, Ungo 2611, Soth 26229.)

In der ganzen Flotte des Ring fanden sich 2500 Schiffe. Die götländische Flotte erwartete die schwedische in dem Hafen, der Garnum[55] heisst. Ring führte nun das Landheer, der Befehl über die Schiffe wurde dem Olo übertragen. Den Götländern wurde ein Ort zwischen Wik und Werundia bestimmt, wo sie zu den Schweden stossen sollten, und zugleich auch die Zeit. Man konnte damals weithin das Meer von Bugen durchfurcht sehen, und den Ausblick auf das Wasser verbauten die an den Raaen aufgesetzten Segel. Und schon hatte die schwedische Flotte in glücklicher Fahrt frühzeitig den Schlachtort erreicht, während die Dänen noch mit widrigem Winde zu kämpfen hatten. Dort liess Ring die Truppen an Land gehen und schickte sich an, sie zusammen mit denen, die er auf dem Landwege herangeführt hatte, abteilungsweise in Schlachtordnung aufzustellen. Als diese sich locker auf den Feldern entwickelt hatten, zog sich der eine Flügel bis nach Werundia hinein. Diese Masse, die noch nicht nach Ort und Aufstellung geordnet war, umritt nun der König und stellte ins Vordertreffen alle Schlagfertigsten und Bestbewaffneten unter der Führung des Olo, Regnald und Wiwill; darauf stellte er den Rest des Heeres wie in einer Art Kurve auf die zwei Flügel. [261] 261Den Befehl über den rechten Flügel erhielten Ungo mit den Söhnen des Elrik und Trigo, über den linken aber Laeso. Die Flanken und die losen Haufen bildete hauptsächlich eine gedrängte Abteilung [349]  Kuren und Esthen. Zuletzt stand die Abteilung der Schleuderer.

Unterdessen segelte die dänische Flotte, nachdem sie günstigen Fahrwind erhalten hatte, sieben Tage ununterbrochen und näherte sich der Stadt Calmarna. Mit Bewunderung sah man weithin auf dem Meere die windgeblähten Segel; die an den Raaen ausgespannte Leinwand benahm den Blick auf den Himmel, denn Slaven und Liven und siebentausend Sachsen waren zu der Flotte gestossen. Für die, welche durch das Land marschierten, wurden die Leute aus Schonen als Spitze und Wegweiser bestimmt, weil sie ortskundig waren. Als nun das dänische Heer an die harrenden Schweden herankam, hiess Ringo seine Mannen sich ruhig auf dem Platze halten, bis Harald seine Schlachtordnung aufgestellt habe; die Hörner sollten nicht früher geblasen werden, als bis der König neben den Feldzeichen auf seinem Wagen sitze, indem er sagte, er hoffe, dass ein Schlachtheer leicht zusammenbrechen könne, welches einen Blinden zum Führer habe. Harald zeige sich ebenso geistig blind wie leiblich, wenn er sich in der letzten Spanne seines Lebens noch von der Begierde nach einem fremden Reiche hinreissen lasse und an Schätzen nicht genug bekommen könne, während er doch, wenn er seine Jahre ansehe, mit einem Grabe recht zufrieden sein müsse. Den Schweden also liege es unausweichlich ob, für die Freiheit, für das Vaterland und für ihre Kinder zu kämpfen, der Feind habe den Krieg leichtfertig und frevelhaft heraufbeschworen. Zudem stünden auf der Seite der Gegner nur sehr wenig Dänen, meist sähe man Sachsen und andere verweichlichte Stämme in ihrer Reihe. Daher müssten sie als Schweden und Norweger daran denken, dass doch immer Nordlands Schar die Germanen und Slaven weit hinter sich gelassen hätte. Verachten also müsse man ein Heer, das sich nicht zusammensetze aus einer festen, kräftigen Mannschaft, sondern aus kraftlosen, zusammengelaufenen Menschen. Mit dieser Rede feuerte er den Mut seiner Mannen tüchtig an.

Auf der andern Seite erhielt Bruno den Auftrag, an Haralds statt die Schlachtordnung aufzustellen; er bildete [350] das Vordertreffen zu einem Keile, stellte die Hetha auf die rechte Seite, den Hako als Befehlshaber auf die linke, die Wisna machte er zur Bannerträgerin. Dann erhob Harald, weit sichtbar auf seinem Wagen, mit so lauter Stimme, wie er vermochte, Klagen, dass seine Wohlthaten von Ring mit Übelthaten gelohnt würden. Der fange Krieg gegen ihn an der das Reich von ihm zum Geschenk erhalten habe. Ring fühle kein Mitleid mit dem Greise, kenne keine Schonung für den Oheim; seine eigenen leidenschaftlichen Triebe liessen ihn die Rücksicht auf Verwandtschaft und Wohlthaten aus den Augen setzen. Die Dänen sollten sich also erinnern, wie sie immer durch Siege im Auslande Ruhm gewonnen hätten, wie sie immer gewohnt gewesen wären, ihren Nachbarn zu gebieten, nicht zu gehorchen; [262] 262er ermahnte sie, sie sollten nicht die Zierde eines solchen Ruhmes durch die Überhebung eines besiegten Volkes in Frage stellen lassen und nicht verschulden, dass das Reich, das sie ihm in der Blüte seiner Jugend erkämpft hätten, ihm nun in seinem Greisenalter genommen würde.

Darauf bliesen die Hörner, und der Kampf begann mit grösster Kraftentfaltung auf beiden Seiten. Man konnte glauben, dass der Himmel auf die Erde stürze, dass Wälder und Felder sich senkten, dass alles sich durcheinander wirrte, das alte Chaos zurückgekommen sei, dass Himmel und Erde zusammen in brausendem Unwetter untergingen, und die ganze Welt in die Vernichtung gerissen würde. Denn als es zum Schleudern der Geschosse kam, da erfüllte ein unerträglicher Waffenlärm alles mit unglaublichem Geprassel. Der aus den Wunden aufsteigende Dampf spannte plötzlich über den Himmel einen Nebel, der Tag wurde durch den dichten Hagel der Geschosse verdunkelt. Das Werk der Schleuderer entwickelte auch grosse Kraft in der Schlacht. Aber als die Geschosse mit der Hand oder mit den Wurfmaschinen verschossen waren, da wurde im Nahekampfe mit Schwertern und eisenbeschlagenen Keulen gestritten. Jetzt wurde das meiste Blut vergossen. So rann denn den Ermüdeten der Schweiss vom Körper, und das Krachen der Schwerter [351] wurde weithin gehört. Dort hat Starkather, welcher zuerst den Verlauf dieser Schlacht in der Landessprache geschildert hat, zu vorderst in der Schlachtreihe kämpfend, wie er selbst erwähnt, die Edlen des Harald Hun und Elli, Hort und Burgha niedergestreckt und der Wisna die rechte Hand abgeschlagen. Ferner sagt er, dass Roa mit zwei andern, Gnepia und Garthar von ihm im Kampfe verwundet und niedergestreckt sind; diesen fügt er den Vater des Skalk mit Verschweigung des Namens hinzu. Weiter berichtet er, dass der tapferste der Dänen, Hako, von ihm zu Boden geworfen sei, dass aber auch er von jenem eine solche Wunde erhalten habe, dass er die Schlacht verliess, indem die Lunge aus der Brust gefallen und sein Schädel halb durchgeschlagen war, auch eine Hand einen Finger verloren hatte; lange wollte die klaffende Wunde nicht vernarben und sich nicht heilen lassen. Nach seinem Zeugnis kämpfte die Schildmaid Wegthbiorg[56] gegen den Feind mit und streckte im Kampfe den Fechter Soth nieder. Als sie noch weitere Kämpen niederzuhauen drohte, entsandte Thorkillus aus Thelemarken einen Pfeil von seiner Sehne und durchbohrte sie. Denn mit solcher Kraft spannten die bogenkundigen Götländer die Sehnen, dass sie auch Schilde mit ihren Pfeilen durchbohrten: das war die wirksamste Ursache des Gemetzels. Auch Panzer und Helme durchschlugen die spitzen Pfeile wie nackte Leiber. Inzwischen tötete Ubbo der Friese, der tüchtigste Streiter Haralds und vor andern durch seine Körperlänge hervorragend, ausser elf, die er in der Schlacht verwundet hatte, fünfundzwanzig auserlesene Kämpen. Die waren dem Blute nach alle Schweden oder Götländer. Darauf griff er das Vordertreffen an, sprang in die dichtgedrängten Feinde hinein und jagte die vor Furcht auseinander laufenden Schweden mit der Lanze und dem Schwerte hierhin und dorthin. [263] 263Die Flucht wäre allgemein geworden, wenn nicht Hagder, Rolder und Gretir sich entschlossen hätten, in Nacheiferung seiner Tüchtigkeit den Kämpen anzugreifen und das allgemeine Verderben durch Gefährdung [352] ihres Lebens abzuwenden. Im Nahkampfe freilich scheuten sie sich, ihn zu bestehen, aber aus der Ferne wirkten sie mit Pfeilen, und so wurde Ubbo von rasch aufeinander folgenden Pfeilen aus der Ferne durchbohrt; Mann gegen Mann mit ihm handgemein zu werden nahm sich niemand heraus. 144 Pfeile mussten dem Streiter erst in die Brust sich heften, ehe die Kräfte ihm schwanden, und er das Knie zur Erde senkte. Nunmehr wurde durch die Drontheimer und die Bewohner der Landschaft Dala ein grosses Blutbad unter den Dänen angerichtet. Denn durch die gewaltige Kraft der Bogenschützen forderte der Kampf von neuem Blut, und nichts hat unseren Leuten mehr Verderben gebracht.

Als nun der alte, blinde Harald das traurige Gemurmel seiner Leute hörte, begriff er, dass das Kriegsglück dem Feinde lächle. Er wies also, wie er auf seinem Sichelwagen fuhr, den Bruno, der in heimtückischer Absicht das Amt des Wagenlenkers übernommen hatte, an, zuzusehen, welche Regel Ring in der Aufstellung des Heeres befolgt habe. Dieser verzog sein Gesicht zu einem leisen Lächeln und antwortete, er kämpfe mit der Flügelaufstellung. Als der König das hörte, begann er im Herzen zu beben und in hohem Erstaunen zu forschen, von wem Ring Unterweisung in einer solchen Heeresaufstellung empfangen habe, da doch Othin diese Taktik erfunden und weiter gegeben, und niemand weiter als er selbst von Othin diese neue Lehre im Kriegswesen erhalten habe. Als Bruno darauf schwieg, kam dem Könige der Gedanke, dass er Othin sei, und dass der ihm einst so vertraute Gott jetzt sich unter einer veränderten Gestalt berge, entweder um ihm Unterstützung zu bringen oder zu entziehen. Er flehte ihn nun inbrünstig an, er möge den Dänen, denen er bisher gnädig beigestanden, jetzt auch zuletzt noch den Sieg verleihen und sich ihnen zuletzt so wohlthätig erweisen, wie im Anfange; er versprach, er wolle ihm die Seelen der Erschlagenen als Geschenk darbringen. Jedoch Bruno liess sich durch seine dringenden Bitten nicht rühren; er stürzte den König plötzlich aus dem Wagen, schleuderte ihn auf den Boden, entriss dem Fallenden die [353] Keule, liess sie auf sein Haupt niedersausen und tötete ihn so mit seiner eigenen Waffe. Um den Wagen des Königs lagen ungezählte Leichen, und der Haufe der Erschlagenen reichte bis über den Kranz der Räder; so hoch wie die Deichsel lagen die Toten im Haufen. Denn in dem Heere des Ring sind gegen 12000 Edle erschlagen. Aber auf Haralds Seite fielen gegen 30000 Edle, ganz abgesehen von dem gemeinen Tross.

[264] 264Als Ring die Nachricht von Haralds Ende erhielt, gab er das Zeichen, die Reihen zu lockern und inne zu halten mit dem Kampfe. Dann schloss er einen Friedensvertrag mit den Feinden, denen er vorstellte, dass sie ohne den Führer den Kampf nutzlos noch länger hinzögen. Darauf wies er die Schweden an, den Leichnam des Harald überall unter den wirr durcheinander liegenden Haufen der Erschlagenen zu suchen; der tote König sollte der gebührenden Bestattungsfeier nicht entbehren. So begann denn die Menge eifrig die Leichen umzuwenden; einen halben Tag verwandte man auf diese Thätigkeit, endlich wurde die Leiche mit der Keule gefunden. Harald wollte der Seele des Harald die letzte Ehre erweisen: er liess das Ross, auf dem er ritt, vor den Wagen des Königs spannen, mit goldgestickten Decken zum Schmuck belegen und weihte es seiner Ehre. Dann sprach er Gelübde aus und fügte die Bitte an, dass Harald auf diesem Rosse an der Spitze seiner Genossen im Tode in die Unterwelt einreite und bei Pluto, dem Herrscher im Orkus, für Freund und Feind ruhige Wohnung auswirke. Darauf lässt er den Scheiterhaufen errichten und fordert die Dänen auf, das goldbeschlagene Schiff ihres Königs zur Nahrung für die Flamme darauf zu bringen. Und während das Feuer den Leichnam auf dem Holze verzehrte, schritt er umher bei dem trauernden Adel und mahnte alle eindringlich, sie sollten Waffen, Gold und alles, was kostbar sei, freigebig als Nahrung auf den Scheiterhaufen werfen zur Verehrung für einen so grossen und um alle so wohlverdienten König. Auch die Asche des verbrannten Körpers liess er in eine Urne bergen, nach Lethra schaffen und dort mit Ross und Rüstung nach Königssitte [354] beisetzen. Indem er so sorgsam alle Pflichten der Bestattung an dem Oheime erfüllte, gewann er sich die Gunst der Dänen und lenkte den Hass der Feinde zum Wohlwollen. Darauf wurde er von den Dänen ersucht, er möge die Hetha über die Überbleibsel des Reiches setzen; er wünschte aber nicht, dass die Kräfte der Feinde sich bald wieder ersetzten und erstarkten, deshalb trennte er vom Ganzen Dänemarks Schonen und bildete daraus eine besondere Herrschaft für Olo; nur Seeland und die andern Striche des Reichs stellte er unter Hetha. So brachte der Wechsel des Glücks das dänische Reich unter die Gewalt der Schweden. Das war das Ende der Brawallaschlacht.

Aber die Seeländer, welche Harald noch als König gehabt hatten, denen noch das Bild ihrer früheren Lage vor Augen schwebte, hielten es für schimpflich, den Befehlen einer Frau zu gehorchen und wandten sich an Olo mit dem Verlangen, er solle die, welche an den Kriegsdienst eines erlauchten Königs gewöhnt gewesen wären, nicht unter dem Joche eines Weibes lassen. Sie versprachen zu ihm abzufallen, sowie er für ihre Befreiung von der schimpflichen Dienstbarkeit die Waffen ergriffe. Olo gewährte unverzüglich ihre Bitte, bewogen durch die Erinnerung an die Machtstellung seines Grossvaters und durch die Ergebenheit der Vasallen. Darauf entbot er die Hetha zu sich [265] 265und zwang sie nicht durch Waffengewalt, sondern durch blosse Drohungen, auf alle Teile ihrer Herrschaft zu verzichten ausser auf Jütland, und auch für Jütland legte er ihr einen Zins auf, um nicht einer Frau freie Verfügung über ein Reich zu lassen. Auch einen Sohn zeugte er, den er Omundus nannte. Übrigens war er bei seinem Hange zur Grausamkeit ein so ruchloser König, dass später alle die Verschmähung der Königin (Hetha) bereuten, in deren Augen ihre Herrschaft eine Schmach gewesen war. Zwölf Herzöge, teils durch die böse Lage des Vaterlandes bewogen, teils dem Olo wegen einer älteren Sache feindlich gesinnt, bereiteten einen Anschlag auf sein Leben vor. Zu diesen gehörten Lennius, Atyla, Thottus und Vithnus; der letztere war zwar Landvogt bei den Slaven, gehörte aber seinem [355] Herkommen nach zu den Dänen. Da sie ihren Kräften und ihrem Geschicke nicht recht trauten zur Ausführung des Vorhabens, so bewogen sie den Starkather durch Geld zum Beitritt. Er liess sich überreden, die That mit dem Schwerte auszuführen, und da er nun einmal die Rolle des blutigen Mörders auf sich genommen, so nahm er sich vor, den König anzufallen, wenn er im Bade sässe. Als er zum badenden Könige hineingegangen war, wurde er geblendet durch dessen scharfen Blick und durch den Glanz der ruhelos rollenden Augen; durch versteckte Furcht wurden seine Glieder gelähmt, er hemmte seinen Schritt, trat zurück, liess die Hand sinken und schob das Vorhaben auf: der Mann, der so vieler Führer und Kämpfer Waffen niedergestreckt hatte, vermochte den Blick eines einzigen unbewaffneten Mannes nicht auszuhalten. Olo kannte die Wirkung seines Blickes, bedeckte deshalb sein Antlitz und hiess ihn dann näher treten und sagen, was er bringe; denn lange Lebensgemeinschaft und eingehende Erprobung liessen gegen ihn den Verdacht eines Verrates nicht aufkommen. Er aber sprang mit gezücktem Schwerte auf den König los, durchbohrte ihn, und als er aufstehen wollte, versetzte er ihm einen tödlichen Hieb in den Nacken. 120 Pfund Gold waren als Belohnung gesetzt. Später betrauerte er von Reue und Scham ergriffen die vollbrachte Schandthat so schmerzlich, dass er den Thränen nicht wehren konnte, wenn zufällig auf sie die Rede kam; so sehr schämte er sich, zur Besinnung gekommen, der wilden Frevelthat. Er erschlug sogar einige von denen, die ihn verleitet hatten, zur Ahndung des von ihm begangenen Verbrechens und rächte die That, der er den Arm geliehen.

Die Dänen wählten nun Omund, den Sohn des Olo, zum Könige; denn sie meinten, mehr den Adel seines Vaters als seine Thaten berücksichtigen zu sollen. Nachdem dieser herangereift war, blieb er in keinem Stücke hinter seinem Vater zurück; die Thaten des Olo hatte er sich vorgesetzt zu erreichen oder noch zu überholen. Zu der Zeit herrschte über einen ansehnlichen Stamm in Norwegen Ringo, dessen Tochter Esa dem Omund, [266] 266als er sich nach einer Frau umsah, das [356] Gerücht ausnehmend empfohlen hatte. Aber die Aussicht, ihre Hand zu erhalten, minderte eine persönliche Ansicht des Ring: er wollte nämlich nur einen Schwiegersohn haben, der schon Beweise seiner Tapferkeit gegeben hätte; denn nach seiner Meinung lag in Waffenthaten so viel Ruhm, wie nach der Ansicht anderer in Schätzen. Um nun auf diese Art berühmt zu werden und sich das Lob der Tapferkeit zu verdienen, unternahm es Omund, die Erfüllung seines Wunsches mit Waffengewalt zu erzwingen, ging mit einer Flotte nach Norwegen und erhob Anspruch auf das Reich Rings als seine Erbschaft[57]. Ihn empfing als Freund der Unterkönig von Jathria Oddo, der sich dahin aussprach, dass Ring ganz zweifellos als Eindringling in das Erbe Omunds zu betrachten sei und bittere Klage darüber führte, dass er von ihm schon vieles Böses habe erdulden müssen. So griff er denn das Land an, das keinen Verteidiger hatte, denn Ring war auf einem Wikingszuge nach Irland gegangen; er liess den Besitz der Unterthanen unangetastet, raubte nur die Privatgüter des Ring aus und erschlug seine Leute; Oddo hatte eine Schar zu dem Omund stossen lassen. Bei all seinen mannigfachen Thaten aber hier und anderswo gewann er es nie über sich, über die herzufallen, die an Zahl der Streitkräfte schwächer waren als er; er vergass nie, dass er als Sohn eines Heldenvaters mit Tapferkeit, nicht mit der Zahl die Kriege führen müsse. Inzwischen kehrte Ring von seinem Seezuge zurück und kam nach Hause. Als er dessen Rückkunft erfuhr, erbaute er ein sehr grosses Schiff, um von dem, wie von einer Schanze aus, den Feind aus der Höhe zu beschiessen. Für dieses Schiff liess er Omothus und Thola, die Söhne des Atylo aus Schonen als Lenker kommen; der eine sollte Steuermann sein, der andere sollte auf dem Vorderdeck kommandieren. Jedoch auch Ring fehlte es nicht an List und Geschick, ihrem Angriffe entgegen zu treten: er zeigte nur einen geringen Teil seiner Streitkräfte und liess den Feind im Rücken anfallen. Omund erfuhr von seinem Kunstgriffe durch Oddo und schickte Truppen ab, die [357] die Leute im Hinterhalte überfallen sollten, während dem Atylo von Schonen die Aufgabe zufiel, gegen Ring zu kämpfen. Dieser kam der Weisung mit Eifer nach, aber nicht mit Glück: er wurde im Kampfe überwunden, verlor viel Leute und floh nach seiner Niederlage nach Schonen zurück. Omund ergänzte mit Unterstützung des Oddo seine Streitkräfte und stellte seine Flotte zu einer Seeschlacht auf. Zu dieser Zeit machte sich Atylo, der durch Traumgesichter eine zuverlässige Kundschaft von dem Kriege in Norwegen gewonnen hatte, eilends wieder auf die Fahrt, um seine Flucht wieder gut zu machen und stiess zu Omunds grosser Freude im letzten Augenblicke vor der Schlacht zu diesem. Auf dessen Hilfe gestützt ging nun Omund zuversichtlich in den Kampf und kämpfte mit Glück: wo er selbst focht, gewann er den Sieg, den er verloren hatte, wo nur seine Leute fochten. Zum Tode verwundet betrachtete ihn Ring mit glanzlosen Augen, winkte ihn, was er noch konnte [267] 267(denn die Stimme versagte ihm) durch eine Handbewegung zu sich und bat ihn, sein Schwiegersohn zu sein: er ginge gerne in den Tod, wenn er seine Tochter einem solchen Gemahle zurücklasse. Ehe er noch eine Antwort erhalten konnte, verschied er. Seinem Tode widmete Omund heisse Thränen und gab die eine Tochter des Ring dem Omoth, von dem er treue Mitwirkung im Kampfe gehabt hatte, in die Ehe, die andere nahm er selbst zur Frau.

Zu derselben Zeit hatte die Schildmaid Rusla, die mit tüchtigen Kriegsthaten über Weibermut hinausging, in Norwegen mit ihrem Bruder Throndus viele blutige Zusammenstösse um die Herrschaft gehabt. Diese Jungfrau mochte es nicht mit ansehen, dass Omund über Norweger herrsche, und sie hatte sich Krieg vorgesetzt gegen alle Unterthanen der Dänen. Als Omund davon Kunde erhielt, bestellte er seine tüchtigsten Leute zur Unterdrückung dieses Kriegslärms. Rusla überwand sie, ihr Sieg machte sie übermütig, und von massloser Hoffnung ergriffen verstieg sie sich dazu, an die Erwerbung der Herrschaft in Dänemark zu denken. Sie griff zunächst die Landschaft Halland an, wurde aber von Omoth [358] und Thola, die der König hinüberschickte, gestellt, im Kampfe besiegt und wich fliehend zurück auf ihre Flotte. Nur 30 Schiffe von ihr gewannen die Flucht aufs hohe Meer, die anderen wurden vom Feinde genommen. Als sie vor den Dänen wich, trat Thrond seiner Schwester entgegen, wurde aber von ihr geschlagen, büsste sein ganzes Heer ein und eilte über das Dovrefjeld, ohne auch nur einen Begleiter zu haben. So wandelte sie, die kurz vorher den Dänen gewichen war, durch die Überwindung des Bruders die Flucht in einen Sieg. Als Omund das erfuhr, ging er wieder nach Norwegen mit einer grossen Flotte und brachte zunächst die Bevölkerung der Thelemark durch Omoth und Thola, die er heimlich auf einem Richtwege dahin sandte, gegen die Herrschaft der Rusla in Bewegung. Die Folge war, dass Rusla, aus ihrem Reiche durch ihre Unterthanen verjagt, bei den Inseln, zu denen sie in Hoffnung auf Rettung gewichen war, vor den ansegelnden Dänen ohne einen Kampf sich zur Flucht wandte. Der König verfolgte sie hitzig, vernichtete ihre auf der hohen See abgefangene Flotte vollständig und gewann unter grossem Verluste auf seiten der Feinde einen unblutigen Sieg und herrliche Beute. Rusla aber war wieder mit wenigen Schiffen entwischt und durchfurchte mit raschem Ruderschlage die Fluten; während sie aber den Dänen auswich, stiess sie auf ihren Bruder und wurde erschlagen. Unvermutete Gefahren haben grössere Macht zu schaden, und Übel, die nicht besonders gefürchtet werden, macht ein Zufall oft schlimmer, als die für bedrohlich angesehen werden. Dem Thrond schenkte der König wegen der Erschlagung der Schwester eine Herrschaft, die anderen aber blieben unter Zins; darauf ging er nach der Heimat zurück.

Zu dieser Zeit trieben Thorias und Bero, die tüchtigsten Streiter der Rusla, an Irlands Küsten Seeraub. [268] 268Als diese den Tod ihrer Herrin erfuhren, der sie einst unter Eid die Blutrache zugesagt hatten, eilten sie zu Omund und forderten ihn zum Zweikampfe heraus. Eine Ablehnung galt einst für Könige als ein Schimpf; denn der alten Fürsten Ansehen wurde mehr nach ihren Waffenthaten als nach ihrem Schatze gemessen. [359] Als demnach Omoth und Thola auftraten und sich erboten mit den Herausforderern des Königs zu kämpfen, lobte sie zwar Omund sehr, lehnte aber zunächst ihr Eintreten ab, um den Schimpf zu meiden. Zuletzt liess er sich aber doch durch die unausgesetzten Bitten seiner Leute erweichen und verstand sich dazu, sein Glück durch fremde Hand zu versuchen. In diesem Zweikampfe ist Bero, wie die Sage erzählt, geblieben, Thorias aber verliess den Platz schwer verwundet. Der König liess ihn zunächst von seinen Wunden heilen, nahm ihn dann in seinen Dienst und bestellte ihn zum Herzoge in Norwegen. Als er darauf bei den Slaven den gewohnten Tribut durch Beamte eintreiben liess, wurden nicht nur seine Vögte erschlagen, sondern er wurde auch durch eine slavische Kriegsmacht in Jütland angegriffen; da überwand er aber sieben Könige auf einmal in der Schlacht und sicherte durch seinen Sieg das herkömmliche Anrecht auf Zins.

Inzwischen war Starkather alt und lebensmüde geworden, zu Kriegsfahrten und Kämpendienst taugte er nicht mehr; da wünschte er nicht seinen alten Ruhmesglanz durch das leidige Greisenalter zerstört zu sehen und hielt es für allein richtig, wenn er sich ein freiwilliges Ende bereite und seinen Tod nach eigenem Ermessen beschleunige. Er, der so oft mit hohem Ruhme gekämpft, hielt es für gemein, einen Strohtod zu sterben; er wollte lieber von einem edlen Manne getötet werden, um durch einen schönen Hingang sein vergangenes Leben mit einem Strahlenkranze zu schmücken, als auf den spätkommenden Todesstreich der Natur zu warten: so schimpflich galt es einst denen, die sich dem Kriegsleben ergeben, an einer Krankheit zu sterben[58]. Da er also schwach an Körper und das Licht seiner Augen erloschen, ein weiteres Leben ihm eine Last war, so trug er das Gold, das [360] er mit der Ermordung des Olo verdient, bei sich in einem Beutel am Halse, um damit den zu kaufen, der ihm den Todesstreich schlage; nicht besser könne er, so meinte er, den Frevel der verletzten Majestät sühnen, als wenn er dieselbe Belohnung für seinen Tod aussetze, die für den Tod des Olo ausgesetzt gewesen war und das Gold, welches er für den Mord an einem anderen erhalten hatte, zur Vernichtung seines eigenen Lebens verwende; diese Verwendung des verbrecherischen Gewinnes hielt er für die schönste. Also mit zwei Schwertern umgürtet stützte er seine kraftlosen Tritte mit zwei Stöcken. Ein gemeiner Mann, der ihn so sah, meinte, an zwei Schwertern habe doch der Alte zu viel und bat ihn im Spotte, er sollte ihm eins davon schenken. Starkather machte ihm Hoffnung auf die [269] 269Erfüllung seiner Bitte und hiess ihn näher kommen; da aber zog er ein Schwert von seiner Hüfte und durchbohrte ihn. Das sah Hatherus, dessen Vater Lenno Starkather vordem in Reue über seinen argen Mord erschlagen hatte[59] während er Wild mit Hunden hetzte, unterbrach sein Waidwerk und wies zwei Leute aus seinem Gefolge an, rasch im Galopp auf den Alten einzureiten, um ihn zu erschrecken. Als sie gegen ihn angesprengt waren und wieder zurückreiten wollten, da wurden sie von Starkathers Stöcken abgefangen und büssten mit dem Tode. Bei diesem Anblicke wird Hather ganz bestürzt, reitet rasch näher, erkennt den Alten, ohne von ihm erkannt zu werden und fragt ihn, ob er nicht sein Schwert gegen einen Wagen umtauschen wolle. Starkather antwortete, einst habe er stets die bestraft, die ihn verhöhnt hätten, und niemals hätten ihn mutwillige Buben ungestraft verspottet; aber sein lichtloses Auge konnte nicht einmal den Jüngling an seinen Kennzeichen unterscheiden. Deshalb schloss er, um seinem grossen Unwillen einen Ausdruck zu geben, folgendes Lied an:

Wie seine Wellen der Fluss ohn’ Rückkehr wälzet zum Meere,
So ohn’ Rückkehr dahin in dem raschen Verlaufe der Jahre

20
Fliesst auch das Leben der Menschen; jäh rollet das Rad des Geschickes
[361]

Welches das Alter uns baut, das ein Ende der Dinge uns bringet.
Augen und Füsse der Menschen macht schwach und müde das Alter,
Raubet den Helden den Blick und den Mut, drückt mählich ins Dunkel
Glänzende Strahlen des Ruhms, wischt uns ihre leuchtenden Thaten,

25
Lässt mit Gewalt hinsterben die Glieder und machet die Stimme

Keuchen und nimmt seine Frische dem regsamen Geiste des Menschen.
Dann stellt Husten sich ein, dann juckt uns die Haut von der Krätze,
Dann stockt hohl uns der Zahn, und der Magen erzeuget uns Ekel,
Schönheit der Jugend muss schwinden, die schneeige Frische der Glieder

30
Welket dahin, und die dunkele Haut überzieht sich mit Runzeln.

Treffliche Gaben zermalmet das Alter, Denkmäler der Thaten
Stürzt es und löschet mit sengendem Hauche die Zeiten des Ruhms aus;
Kräfte des Körpers zerstört es, der Tapferkeit Kern und Verwendung
Frisst es mit Gier, und alles verkehrt es und wirret die Ordnung.

35
Ich auch habe erfahren die Macht und die Schäden des Alters,

Blöd ist das Auge, und rauh ist die Brust mit den Lauten der Stimme;
Alles, was einst mich erfreut, hat in trauriges Los sich verkehret.
Aufrecht hält sich der Körper nicht selbst, er bedarf nun der Stütze,
Mühsam lehn’ ich die schlotternden Glieder auf haltende Stöcke,
[270] 270Lenke, des Lichts beraubt, meine Schritte mit zwiefachem Stecken,
Folge der kürzenden Windung des Steigs, wie der Stab sie mir zeiget,
Traue der Weisung des Stocks jetzt mehr als dem Lichte der Augen.
Keiner erbarmet sich mein, und keiner will trösten den Alten,

5
Keiner im Haufen des Volks, es sei denn, dass Hather erscheinet,

Dass er mich stützet und Hilfe gewährt dem gebrochenen Freunde:
Denn wen jener einmal seiner redlichen Liebe gewürdigt,
Dem weiht, ohne zu wanken, er stets seine gleiche Verehrung,
Wie im Beginn, und er scheut zu zerreissen die früheren Bande.

10
Jener erteilet auch allen, die Dienste im Kriege geleistet,

Würdigen Lohn und achtet den Mut, stets schenkt er den Helden
Ehre und zeigt seinen Dank mit Geschenken den tapferen Freunden.
Fort schenkt jener den Schatz und müht sich den Glanz seines Ruhmes
Eifrig zu mehren durch offene Hand vor vielen Gebietern.

15
Gleich gross ist er im Krieg, und die Streitkraft gleichet der Milde.

Fertig zu schreiten zum Kampf, doch zur Flucht faul, zücket das Schwert er
Hurtig, dem drängenden Feind weiss nie er den Rücken zu bieten.
Mir aber, acht’ ich, bei meiner Geburt hat beschieden das Schicksal
Kriege zu suchen, im Kriege zu sterben, den Kampf zu erwecken,

20
Stets in den Waffen zu wachen, ein Leben im Blute zu führen.

Ruhelos hab’ ich im Lager gelebt; stets hasst’ ich den Frieden;
Unter den Fahnen des Mars, mit steter Gefahr für das Leben[60],

[362]

Bin ich ins Alter gedrungen; ich kannte die Furcht nicht; zu kämpfen
War mir ein Ruhm und zu feiern ein Schimpf; im Gemetzel zu stehen

25
Galt mir für treffliches Werk und von Kampfe zu Kampfe zu schreiten.

Oft hab’ ich tapfere Fürsten gesehen sich treffen im Kampfe,
Sah, wie die Schilde und Helme zerbarsten, die Felder sich färbten
Rot vom Blut, und wie Panzer zerbrachen, getroffen vom Speere,
Wie dem geschwungenen Schwert Raum boten die Platten der Rüstung,

30
Und wie das wilde Getier an den Leichen der Kämpfer sich feist frass.

Oft hat dort, wenn ein Mann[61] in dem Streben nach herrlichem Kriegsruhm
Stark und mutig im Kampf, in den dichtesten Haufen der Feinde
Vordrang, plötzlich ein andrer zerschlagen die Deckung des Hauptes,
Ganz durchschlagen den Helm und das Schwert in den Scheitel gesenket:

35
Dort aber hat auch dies Schwert, von der Rechten des Kämpfers geschwungen,

Decken zerschlagen und tief in den Schädel des Feinds sich gebohret.

 Hather:
Sag’! woher kommst Du, der oft Du besungen die Heimat in Liedern,
Stützend den wankenden Schritt mit dem Stecken, der Halt nicht gewähret?
[271] 271Sag’! wohin willst Du, Du Seher und Priester der dänischen Muse?
Hin ist geschwunden, verloren der Glanz Deiner trefflichen Stärke,
Dir hat verlassen die Farbe das Antlitz, die Freude die Seele,
Treulos versaget die Stimme dem Munde, sie tönet nur heiser;

5
Auch ist die alte Erscheinung des Körpers gewichen, Entstellung

Hat ihn gepackt und vernichtet die Kraft und die schöne Gestaltung.
Wie von beständigen Fluten geschüttelt ein Fahrzeug zerlechzet,
So bringt Alter, erzeugt durch langes Verstreichen der Jahre,
Endlich den bitteren Tod; wenn das Leben die Kräfte verbraucht hat,

10
Sinkt es zusammen und leidet den Schwund seines früheren Loses.

Wer hat verboten Dir, kundiger Greis! noch die Scherze der Jugend
Rührig zu pflegen, zu treiben den Ball und den Nusskern zu speisen?
Besser schon ist es für Dich, so denk’ ich, das Schwert zu verkaufen;
Kauf eine Kutsche dafür für die Fahrten, ein lammfrommes Rösslein,

15
Oder mit selbigem Gelde erwirb Dir ein Wäglein, ein leichtes.

Besser ja ist’s, dass der kraftlose Greis, dem die Füsse versagen,
Suchet die Dienste des lastbaren Tieres; dem nützen die Räder,
Rollend im Kreis, wem zittert der Fuss, von den Kräften verlassen.
Scheust Du jedoch zu verkaufen das Schwert, das Dich nutzlos belastet,

20
Wird ’s Dir entrissen und bringt Dir den Tod, wenn nicht es verkauft wird.

[363]

 Starkather[62]:
Schurke! mit flüchtiger Lippe sprichst Worte Du ohne Besinnung,
Redlichen Ohren ein Gräul, Du verlangst für die Führung Belohnung,
Forderst Geschenke für das, was umsonst und gern war zu leisten?

25
Wahrlich ich schreite zu Fuss, und ich gebe nicht schimpflich das Schwert hin,

Kaufe nicht Hilfe von andern; es gab auf das Gehen ein Anrecht
Mir die Natur und hiess mich den eigenen Füssen vertrauen.
Warum verfolgst Du mit Spott und mit Hohn mutwilliger Worte,
Dem Du als Führer des Wegs freiwillig Dich musstest erbieten?

30
Warum bewirfst Du mit Kot, was einst ich gethan, was verdienet

Unauslöschlichen Preis, und lohnst das Verdienst mit Verleumdung?
Warum verfolgst Du mit Lachen den Greis, der doch mächtig im Kampf war,
Und meinen Ruhm, dem nichts sich vergleicht, meine glänzenden Thaten
Lästerst Du frech, Ruhmvolles verkleinernd und Tapfres benagend?

35
Bist Du so tapfer, mein Schwert zu verlangen? nicht ziemt’s Deinen Kräften;

Nein! es gehört nicht der kraftlosen Hüfte, den Händen des Hirten,
Der da gewöhnt auf dem Rohr sein bäurisches Liedchen zu pfeifen,
Obacht zu haben auf’s Vieh auf dem Feld und die Herde zu hüten.
Sicherlich unter den Knechten im Haus, hübsch nahe dem Fetttopf
[272] 272 Tauchst Du die Krumme des Brots in die Blasen der briezelnden Pfanne,
Lässt dann die trockenen Schnitte sich saugen voll öligen Schmeeres,
Leckst mit dem dürstenden Finger verstohlen die siedende Brühe;
Besser verstehst Du den Mantel zu breiten hübsch neben die Asche,

5
Hart an dem Herde zu schlafen, zu schlafen am helllichten Tage,

Eifrig den Diensten der duftigen Küche Dich gänzlich zu widmen,
Als mit dem Speere im Kampf Blut fliessen zu lassen der Helden.
Scheuend das Licht wie die Pest, Liebhaber des schmutzigen Winkels
Bist Du ein elender Sklave des Bauchs, bist gleich Du dem Hündlein,

10
Das mit dem Schrot und der Kleie das schmutzige Grobmehl hineinlappt.

Wahrlich nicht hättest Du wohl mich des Schwerts zu berauben versuchet,
Als dreimal ich als Kämpe mit steter Gefahr für das Leben
Diente dem Sohne des Olo; denn stracks in der Schar seiner Mannen
Schlug meine Hand jeden Schild in Stücke, wenn nicht sie das Schwert brach;

15
So stark war und wuchtig ihr Hieb[63] Wie? als ich der Kuren
[364]

Strand und Stein, der bestreut mit unzähligen stehenden Spitzen,
Mit holztragenden Sohlen als erster sie lehrte betreten?

[365]

Als ich mich fand vor dem Feld, das besäet mit eisernen Angeln,
Schuf ich den Füssen unschädlichen Tritt mit dem Schutze des Holzschuhs.

20
Darauf erschlug ich den Hama, obschon er vortreffliche Kräfte

Zeigte im Kampf, dann hab’ ich mit Rinus, dem Sohne des Flebax,
Niedergeworfen die Kuren, die Stämme, die Esthland ernähret,
Auch das Semgallische Volk; auch gegen der Thelemark Leute
Rückt’ ich zum Kampf, dort holte mein Kopf sich blutige Beulen,

25
Tüchtig mit Hämmern geklopft und mit Schmiedegeräten zerschlagen;

Hier hab' zuerst ich erfahren, wie wuchtig die Eisengeräte,
Sonst auf dem Ambos verwandt, und dass auch in Bauern ein Mut lebt.
Auch ist mein das Verdienst[WS 4], dass die Deutschen gebührend gebüsset,
Als ich die Söhne des Swerting, des Frothos schändliche Mörder,

30
Mitten im lustigen Zechen als Rächer des Herren erlegte.

Minder ist nicht jene That, als ich für die teuere Jungfrau
Sieben gewaltige Brüder zusammen im Kampfe getötet;
Noch jetzt zeuget der Ort, denn von meinen Gedärmen versenget,
Welkte das Gras, und nimmer erspross dort wieder ein Hälmlein.

35
Als darauf stellte zur Schlacht auf dem Meere sich Kerr uns, der Wiking,
[366]

Nahmen wir siegend das Schiff, das mit trefflichem Volke besetzt war;
Waze erschlug ich sodann im Kampf, und den Schmied auch, den frechen,
Strafte ich scharf mit dem Hieb in den Arsch und erlegte den Wisinn,
Der stumpf machte die Waffen mit Zauber vom schneeigen Fels aus.
Dann vier Söhne des Ler und Kampen im Lande Biarma
[273] 273Hab’ ich besiegt. Als ich fing den Fürsten des Volkes von Irland,
Führte ich weg Dublins Reichtum, und immer wird bleiben
Strahlend der Ruhm meiner tapferen Hand in Brawallas Trophäen.
Doch wozu mehr? Nicht fasset die Zahl meine tapferen Thaten;

5
Will ich die Werke der Hand auszählen, dass keins ich verschweige,

Fehlt mir die Kraft, denn die Zahl bleibt grösser als meine Erzählung;
Kleiner ist stets das Gerücht, als die That, und das Wort, als die Werke.

Soweit Starkather. Endlich, als er im Wechselgespräche erfahren, dass er den Hather, den Sohn des Lenno, vor sich habe und dieses ein Jüngling von hohem Adel war, bot er ihm seinen Nacken zum Todesstreiche und mahnte ihn, an dem Mörder seines Vaters unverzüglich die Blutrache auszuüben. Wenn er das thäte, würde er auch, so verhiess er ihm, das Gold bekommen, das er von Lenno erhalten hatte. Und um seinen Sinn noch heftiger gegen sich zu entflammen, schloss er noch diese Mahnung an:

Nun noch ein Wort, o Held! Dir hab’ ich den Vater erschlagen!
Thue das Gleiche an mir, so fleh’ ich, und töte den Alten,
Der nach dem Ende sich sehnt; nimm mir nun zur Rache das Leben!
Wünsch’ ich doch sehnlich zu finden den Tod von der Hand eines Helden,

20
Grauenvoll ist’s meiner Seele den Tod zu erbitten vom Feigling.

Recht ist es eher zu sterben nach Wahl, als das Schicksal gesetzt hat.
Wem Du entweichen nicht kannst, das darfst Du, eh’s kommt, schon Dir nehmen.
Düngen ja muss man den Baum, wenn er jung, wenn er alt aber, abhaun.
Der unterstützt die Natur, der da schlägt, was dem Tode schon nah ist,

25
Der umwirft, was zu stehn nicht vermag. Am besten der Tod ist,

Wenn er gewünscht, wenn das Leben zur Last, wenn das Grab ist ersehnet
und mühseliges Alter nicht mag seine Leiden noch hinziehn.

Indem er so sprach, holte er das Geld aus dem Beutel heraus und hielt es ihm hin. Den Hather aber trieb sowohl der Wunsch das Geld zu erhalten, als auch den Vater zu rächen, und er gelobte seiner Bitte zu willfahren und auch [367] die Belohnung nicht zurückzuweisen. Da reichte ihm Starkather eifrig sein Schwert und hielt ihm tief gebeugt den Nacken hin; er solle nicht zaghaft den Todesstreich führen und nicht wie eine Frau mit dem Schwerte umgehen, er solle aber auch nach dem Todesstreiche, bevor die Leiche umfiele, schnell zwischen Kopf und Rumpf durchspringen, dann könne ihn keine Waffe fürder verwunden. Es ist nicht recht klar, ob er das gesagt hat, um seinen Mörder diese Gabe zu verschaffen oder ihn zu strafen; [274] 274es konnte nämlich kommen, dass, wenn er sprang, die Wucht des gewaltigen Körpers auf ihn fiel und ihn erdrückte. Hather also versetzte ihm einen kräftigen Hieb und schlug dem Alten den Kopf ab. Als der vom Rumpfe getrennt wurde und zur Erde fiel, biss er noch in eine Scholle, indem er die Wildheit des Sinnes in der Wut des sterbenden Mundes zu Tage treten liess. Den Sprung aber liess Hather vorsichtig sein, denn er fürchtete hinter der Verheissung eine böse List. Wenn er unbedacht gesprungen wäre, so hätte er vielleicht, von dem fallenden Rumpfe erdrückt, mit seinem eigenen Tode für die Erschlagung des Alten gebüsst. Jedoch ein so grosser Kämpe durfte nicht unbegraben auf dem Wege liegen: er liess die Leiche auf der Haide, die gemeinlich Roelung heisst, beisetzen.

Omund verschied, wie die Überlieferung berichtet, in ungestörtem Frieden und in tiefer Ruhe, mit Hinterlassung von zwei Söhnen und zwei Töchtern. Der älteste von ihnen, Sywardus, erbte das Reich, da der Bruder Buthlus noch sehr jung war. Zu dieser Zeit verliebte sich Götarus, der König von Schweden, sterblich in eine der Töchter Omunds auf das Gerücht von ihrer hervorragenden Schönheit hin und betraute den Ebbo, den Sohn des Sibbo mit einer Botschaft, um die Hand der Jungfrau zu erbitten. Dieser führte seinen Auftrag geschickt aus und brachte die angenehme Nachricht von ihrer Einwilligung zurück. Nun fehlte der Erfüllung des Wunsches nur noch die Hochzeit; diese wollte Götar nicht in der Fremde feiern und verlangte durch denselben Ebbo, den er schon vorher als Boten verwandt hatte, dass ihm die Verlobte herübergeschickt würde.

[368] Als nun Ebbo mit sehr kleinem Gefolge Halland durchzog, begab er sich eines Tages zu einem Bauernhofe, um da zu übernachten, wo zwei gegenüberliegende Behausungen zweier Brüder ein Fluss von einander schied. Diese Brüder hatten die Gewohnheit, die zu ermorden, denen sie bei sich Herberge gewährt hatten, indem sie ihr Räuberwesen schlau unter dem Deckmantel der Gastfreiheit zu verbergen verstanden. Sie hatten nämlich einen Balken, lang wie ein Kelterbaum und mit einem scharfen Eisen beschlagen, mit unbemerkbaren Schlingen oben an der Hausdecke aufgehängt; diesen Balken liessen sie zur Nachtzeit durch Lösung der Schlingen herabfallen und schnitten damit den darunterliegenden die Köpfe ab. Auf diese Weise hatten sie schon manchen Kopf mit ihrem Fallbeile abgetrennt. So richteten nun auch für Ebbo und seine Leute nach reichlich gebotenem Mahle die Diener das Lager bei dem Herde zu, um die dem Feuer zugekehrten Häupter durch den losgelassenen Balken heimtückisch abzusicheln. Als sie weggegangen waren, wies Ebbo, der die über ihren Häuptern hangende Vorrichtung bemerkt hatte, seine Leute an, sich schlafend zu stellen, aber die Körper in eine andere Lage zu bringen, indem er ihnen sagte, die Ortsveränderung würde ihnen sehr frommen. Es waren aber bei ihnen einige, [275] 275die nicht zu dem Gefolge des Ebbo gehörten; diese verachteten die Weisung, der die andern folgten und blieben ruhig liegen, wie sie gerade zu liegen gekommen waren. Aber im Dunkel der Nacht wurde nun die gewuchtige hangende Vorrichtung von den Handlangern der Tücke losgelassen. Aus den Schlingen, in denen es hing, losgemacht und mit grosser Wucht auf den Fussboden stürzend brachte es die darunter Liegenden zum Tode. Als nun die, welche die Aufgabe hatten die Schandthat auszuführen, Licht hereinbrachten, um sich von dem Verlaufe der Sache zu überzeugen, sahen sie, dass Ebbo, auf den hauptsächlich es abgesehen gewesen war, klug der Gefahr begegnet sei. Sie wurden sofort von ihm angefallen und büssten mit ihrem Blute. Auch Ebbo verlor seine Leute im Gemetzel, überschritt aber auf einem zufällig vorgefundenen Kahne den mit Eis [369] treibenden Fluss und konnte dem Götar nicht Erfolg seiner Botschaft, sondern nur den Verlauf seines Missgeschicks berichten.

Götar vermutete, dass diese That von Siward angeregt sei und schickte sich an, Rache für die Unbill mit den Waffen zu nehmen. Siward wurde von ihm in Halland besiegt, seine Schwester fiel den Feinden in die Hände, er selbst wich nach Jütland. Dort überwand er eine Schar Slaven, die ohne Führer einen Kampf wagte, in der Schlacht und gewann durch den Sieg so viel Ruhm, wie er durch seine Flucht Schande auf sich geladen hatte. Jedoch denselben Slaven, die er führerlos niedergekämpft hatte, musste er, als sie einen Führer bekommen hatten, in einer Schlacht auf Fünen weichen. Er kämpfte zwar mit ihnen noch zu verschiedenen Malen in Jütland, aber das Kriegsglück war ihm nicht hold. Deshalb verlor er Schonen und Jütland, nur die Mitte des Reichs behielt er wie Glieder eines angefressenen Körpers ohne Kopf. Sein Sohn Jarmericus wurde mit zwei kleinen Schwestern eine Beute der Feinde; die eine Schwester wurde an Norweger, die andere an Deutsche verkauft, weil die Ehen damals in der Form des Kaufes abgeschlossen wurden. So fiel das dänische Reich, das so tapfer erweitert, durch so grosse Ehrenthaten der Vorfahren verherrlicht, durch so viele Siege gehoben war, infolge der Schwäche eines Mannes aus dem höchsten Glanze des Glücks und der schönsten Blüte schmählicherweise so tief, dass es Zins zahlen musste, den es früher eintrieb. Siward aber, oft sieglos und oft schmachvoll gewichen, wollte nach den grossen Heldenthaten der Ahnen in einem so beschämenden Zustande des Vaterlandes das in Unordnung gebrachte Steuer des Reichs nicht länger lenken und suchte noch rechtzeitig sich ein glanzvolles Todesgeschick im Kampfe zu schaffen, damit nicht ein längeres Leben zum völligen Verluste der Ehre führe. Sein Herz, das die Erinnerung an sein Missgeschick nicht bannen konnte, quälte der Wunsch, seinen Kummer los zu werden durch Hingabe des Lebens; [276] 276ganz verhasst hatte ihm die Sehnsucht, seine Schande zu tilgen, das Licht gemacht. Und so zog er Truppen [370] zu einer Schlacht zusammen und kündete dem Simon, der als Unterkönig unter Götar Schonen verwaltete, Krieg an. Diesen führte er mit dem Mute der Verzweiflung, erschlug zwar den Simon, beschloss aber unter starkem Verluste der Feinde sein Leben. Das Vaterland jedoch vermochte er nicht von dem auf ihm lastenden Zinse zu erlösen.

Inzwischen lebte Jarmerik bei dem Könige der Slaven Ismarus mit seinem Altersgenossen und Milchbruder Gunno in Haft gehalten als Kriegsgefangener. Endlich wurde er aus dem Kerker genommen, im Landbau beschäftigt und verrichtete Bauernwerk. Wegen der geschickten Ausübung dieses Dienstes wurde er zur Aufsicht über die Sklaven des Königs versetzt. Da er auch dieses Amt ehrlich verwaltete, wurde er unter die Leibwache des Königs aufgenommen. Da er sich hier durch ein feines Wesen nach dem Hofbrauche zu empfehlen wusste, so wurde er binnen kurzem unter die Räte versetzt und wurde der erste Vertraute des Königs; wie auf einer Leiter der Verdienste gelangte er aus der niedrigsten Stellung auf den höchsten, angesehensten Ehrenplatz. Und damit er nicht ein träges und entkräftendes Leben in seiner Jugend führe, gewöhnte er sich an kriegerische Übungen und brachte die Gaben der Natur mit Sorgsamkeit zur Entfaltung. Lieb war allen die Begabung des Jarmerik, nur der Königin war der kluge, junge Mann verdächtig. Da kam plötzlich die Nachricht, dass der Bruder des Königs sein Geschick erfüllt habe. Seine Leiche wollte Ismar mit prächtigem Begängnisse bestatten, und um den Prunk der Leichenfeier zu vergrössern, richtete er mit königlicher Freigebigkeit ein Mahl zu. Aber Jarmerik, dem schon bei anderer Gelegenheit zusammen mit der Königin die Sorge für das Hauswesen übertragen worden war, machte sich daran, eine Flucht vorzubereiten; die Möglichkeit dazu schien eben die Abwesenheit des Königs zu verheissen. Es war ihm klar, dass er trotz seiner Machtstellung nur ein elender Sklave des Königs bleiben werde und sein Leben immer unsicher und abhängig von fremdem Belieben. Ausserdem meinte er, obschon er die erste Ehrenstelle bei dem Könige inne hatte, dass die Freiheit wertvoller [371] sei als ein behagliches Sklavenleben und war von dem brennenden Wunsche beseelt, sein Vaterland zu sehen und seine Sippe kennen zu lernen. Da er aber wusste, dass die Königin durch ausreichende Überwachung dafür gesorgt hatte, dass kein Gefangener entwischen konnte, suchte er einen Weg, dahin mit List zu gelangen, wohin er mit Anwendung von Gewalt nicht gelangen konnte. So steckte er in einen aus Binsen und Weidenruten geflochtenen Korb, den die Bauern wie einen Menschen aufputzen, um damit die Vögel zu verscheuchen, einen lebendigen Hund; dem Korbe legte er seine eigenen abgezogenen Kleider an, damit er ganz täuschend wie ein Mensch aussähe. Darauf erbrach er den Privatschatz des Königs und verbarg das ihm entnommene Geld an nur ihm bekannten Orten. [277] 277Inzwischen schaffte Gunno, der die Abwesenheit seines Genossen vertuschen sollte, den Korb in den Königspalast, brachte den Hund zum Bellen, und als die Königin fragte, was das wäre, sagte er, Jarmerik sei verrückt geworden und belle so. Die Königin liess sich wirklich beim Anblicke der Puppe durch die Ähnlichkeit täuschen und hiess den Verrückten aus dem Hause werfen. Darauf legte Gunno die hinausgetragene Puppe ins Bett, gleich als ob sie der wahnsinnig gewordene Genosse sei. In der Nacht aber heiterte er die Wachen an durch fröhliches Mahl und reichlich gespendeten Wein und schlug den Schlafenden die Köpfe ab; diese legte er an die Scham, um ihren Tod noch schimpflicher zu gestalten. Aufgescheucht durch den Lärm eilte die Königin raschen Schrittes an die Thür, um zu sehen, was da wäre. Während sie aber den Kopf unvorsichtig hinaussteckte, wurde sie unversehens vom Schwerte des Gunno durchbohrt. Als sie die Todeswunde fühlend zusammenbrach, wandte sie ihre Augen ihrem Mörder zu und sagte: „Mit keines Truges Schutz würdest Du ungestraft dieses Land verlassen, wenn ich heil hätte leben können“. So ergoss sie sterbend wiederholt Drohungen gegen den Mörder. Darauf steckte Jarmerik mit Gunno, dem Gehilfen bei der herrlichen That, die Zelthalle, in welcher der König das Begängnis des Bruders mit einem Schmause feierte, unbemerkt in Brand, [372] da alle von Trunkenheit überwältigt waren. Als der Brand sich weiter ausdehnte, schüttelten einige die lähmende Trunkenheit ab und verfolgten zu Pferde im Galopp die entdeckten Urheber der Gefahr. Aber die Jünglinge entrannen, zunächst reitend auf den Tieren, die sie genommen hatten, zuletzt, als diese durch den langen Lauf ermüdet waren, zu Fusse. Als sie beinahe eingeholt waren, rettete sie ein Fluss. Die Brücke nämlich, die sie vorher, um Verfolger aufzuhalten, durch Anschneiden der Balken bis zur Mitte nicht bloss für Lasten untauglich gemacht, sondern sogar dem Zusammenbruche nahe gebracht hatten, überschritten sie und begaben sich mit Vorsicht in eine Erdvertiefung im dichten Gebüsche. Ihnen nacheilend wurden die Slaven, als sie ohne eine Ahnung von der Gefahr unvorsichtig die Brücke mit ihren Rossen belasteten, von dem Zusammenbruche des Balkenwerks aus dem Sattel geschleudert und stürzten in den Fluss. Sie suchten zwar schwimmend das Ufer zu erreichen, wurden aber von Gunno und Jarmerik, die ihnen entgegentraten, gehindert, in den Fluss zurückgestossen oder getötet. So vollbrachten Jünglinge mit vorzüglicher Schlauheit nicht wie flüchtige Sklaven, sondern wie erfahrene Greise ein Werk, das über ihr Alter ging, indem sie das, was sie scharfsinnig ausgedacht hatten, mit der That erfüllten. Aber als sie an den Strand kamen, nahmen sie ein Schiff, das ihnen der Zufall bot und fuhren aufs hohe Meer. Als die Barbaren, die ihnen folgten, sie fahren sahen, versuchten sie es, durch Schreien sie zurückzurufen; sie gelobten ihnen, sie sollten ihre Könige sein, wenn sie zurückkehrten, weil durch allgemeingültige Satzung ihrer [278] 278Vorfahren dem die Nachfolge im Reiche bestimmt sei, der den König erschlüge. Noch lange betäubte ihre Ohren, als sie sich vom Lande immer weiter entfernten, der hartnäckige Zuruf der Slaven mit seinen verführerischen Verheissungen.

Damals regierte Buthlus, der Bruder des Siward, als Stellvertreter über Dänemark; bei der Heimkehr des Jarmerik wurde er von den Dänen genötigt, diesem das Reich abzutreten und wurde aus einem Könige ein Privatmann. Zu derselben Zeit liess Götar den Sibbo töten unter der [373] Anschuldigung, seine Schwester entehrt zu haben. Aufgebracht über seinen Tod eilten die Verwandten wehklagend zu Jarmerik und versprachen, zur Rache für ihren Vetter den Götar mit ihm zu bekämpfen. Auch erfüllten sie ihr Versprechen. Als mit ihrer Hilfe Götar niedergeworfen war, wurde Jarmerik Herr auch über Schweden. Da er nun die Herrschaft über zwei Völker hatte, griff er im Vertrauen auf seine vermehrte Macht die Slaven an. 40 Gefangene liess er mit ebensoviel Wölfen zusammenbinden und aufhängen. Diese Art der Todesstrafe, einst für Vatermörder bestimmt, wollte er deshalb bei den Feinden anwenden, damit denen, die das sähen, aus dieser Zusammenkoppelung mit den blutgierigen Bestien deutlich würde, wie räuberisch diese gegen die Dänen aufgetreten seien. Als er das Land unterworfen, legte er in geeignete[64] Plätze Besatzungen. Dann zog er gegen die Samländer und Kurländer und viele Stämme des Ostens zu Felde und fügte ihnen grossen Verlust zu. Durch diese anderweitige Beschäftigung des Königs, meinten die Slaven, sei ihnen eine schöne Gelegenheit zum Abfalle gegeben; sie erschlugen die von ihm eingesetzten Landvögte und plünderten in Dänemark. Ihre Flotte fing Jarmerik ab, als er von seinem Wikingerzuge heimkehrte, vernichtete sie und erhöhte durch diese That den Ruhm seiner Siege. Ihren Fürsten liess er Riemen durch die Schienbeine ziehen und sie dann an die Hufe grosser Stiere binden; darauf wurden schwere Hunde auf die Stiere gehetzt, so dass sie die Angebundenen durch Kot und Morast schleiften; so fanden diese in jämmerlichem Schauspiele ihr Ende. Dadurch entmutigt beugten sich die Slaven mit Zittern der Herrschaft des Königs.

Durch die Beute so vieler Völker bereichert, erbaute Jarmerik auf einer hohen Klippe ein Haus von bewundernswerter Arbeit, um für seine Schätze einen sicheren Platz zu schaffen. Er baute einen Damm aus zusammengekarrter Erde, legte den Grund mit vielen Steinen, den unteren Teil umgab er mit einem Pfahlwerke, die Mitte mit Erkern, die [374] Spitze mit Zinnen. Ringsum stellte er Wachen ohne eine Lücke auf. Vier gewaltig grosse Thore gewährten auf den vier Seiten ungehinderten Zugang. In diesem prächtigen Bauwerke häufte er den ganzen Vorrat seiner Schätze an. Nachdem er so sein Haus bestellt hatte, wandte er seinen Sinn wieder den äusseren Angelegenheiten zu. Er unternahm eine Seefahrt und griff unverzüglich die vier hellespontischen Brüder an, die ihm auf dem Meere begegneten, tüchtige und geübte Wikinger. [279] 279Drei Tage wurde die Schlacht geschlagen, darauf erhielt er durch einen Vertrag ihre Schwester mit der Hälfte des Tributs, den sie ihren Besiegten auferlegt hatten und brach den Kampf ab.

Nach diesen Ereignissen entkam Bikko, ein Sohn des Livenkönigs, der Gefangenschaft, die er unter den erwähnten Brüdern erlitt, und ging zu Jarmerik, der ihm vor Zeiten die Brüder erschlagen hatte, aber er hatte die Unbill noch nicht vergessen. Er wurde von Jarmerik gütig behandelt und bald einflussreicher Ratgeber in allen geheimen Angelegenheiten. Als er merkte, dass dieser durch seine Ratschläge in allem sich lenken liess, verführte er ihn, wenn er Rat suchte, zu ganz abscheulichen Dingen und verleitete ihn zum Begehen von allerlei Schandthaten. Die Mittel zu schaden suchte er durch scheinbare Willfährigkeit. Hauptsächlich hetzte er ihn gegen die, die ihm dem Blute nach am nächsten standen. So bestrebte er sich die Rache für seine Brüder, zu der seine Kräfte nicht zureichten, durch List ins Werk zu setzen. So kam es, dass der König, der an Stelle der Tugenden sich schmutzigen Sünden ergeben hatte, ob seiner grausamen Thaten auf Antrieb des treulosen Rates allgemeinem Hasse gegen sich Grund gab. Gegen ihn erhob sich ein Aufstand der Slaven. Um diesen zu dämpfen, liess er den gefangenen Fürsten Stricke durch die Schienbeine ziehen und sie durch Pferde, die sie nach entgegengesetzten Richtungen rissen, zerfleischen. Auf die Weise hingeschlachtet, büssten die Fürsten für ihren halsstarrigen Sinn mit der Zerreissung ihres Körpers. Diese That sicherte den Gehorsam der Slaven und erhielt sie in fester, ununterbrochener Unterwerfung.

[375] Inzwischen ergriffen die Söhne der Schwester des Jarmerik, die in Deutschland geboren und erzogen waren, vertrauend auf den Namen des Grossvaters, die Waffen gegen ihren Oheim; denn ihnen gebühre, so sagten sie, das Reich eben so gut, wie ihm. Ihre Schanzen in Deutschland warf der König durch Kriegsmaschinen nieder, belagerte einige Städte, eroberte andere, einige machte er auch dem Erdboden gleich und brachte einen unblutigen Sieg nach Hause. Es begegneten ihm die Hellespontier, die ihre Schwester zur ausbedungenen Hochzeit brachten. Nachdem diese gefeiert war, ging Jarmerik auf Antrieb des Bikko nochmals nach Deutschland, nahm im Kriege die Söhne seiner Schwester gefangen und nahm ihnen ohne Erbarmen das Leben durch den Strang. Auch die Vornehmen versammelte er unter dem Vorwande eines Gastmahls um sich und liess sie auf dieselbe Weise ums Leben bringen.

Broderus, der Sohn des Königs aus einer früheren Ehe, erfüllte die ihm übertragene Sorge für die Stiefmutter mit unsträflicher Überwachung. Ihn schuldigte Bikko bei dem Vater der Blutschande an und verfolgte ihn mit dem Zeugnisse dazu angestifteter Leute, damit er ihn nicht grundlos angeschuldigt zu haben scheine. Da Broder, während die Anklage vollständig erbracht wurde, [280] 280zur Verteidigung nichts beibringen konnte, liess der Vater durch seine Räte den Spruch über ihn als überwiesen fällen; als nicht so lieblos würde es, meinte er, betrachtet werden, wenn er die zu vollstreckende Strafe anderen als Richtern überlasse, wie wenn er selbst richte. Die anderen Richter sprachen ihn der Acht schuldig, Bikko aber fällte unbedenklich einen härteren Spruch über sein Leben und erklärte: wer sündhafte Unzucht getrieben, der müsste mit dem Strange büssen. Damit man nicht sagen könne, dass diese Strafe der Grausamkeit des Vaters entspringe, müsse er an dem Stricke hangend von Dienern mit einem daruntergelegten Balken hochgehalten werden; diese würden, wenn sie die ermüdeten Hände dem Werke entzögen, gleichsam den Tod des Jünglings verschulden und durch ihr Vergehen den König frei machen von dem [376] Vorwurfe des Kindesmordes. Ausserdem fügte er hinzu, dass der Sohn dem Vater nach dem Leben trachten würde, wenn nicht die Strafe auf die Anklage folgte. Die Ehebrecherin Swanilda aber müsse von Viehhufen zertreten werden, damit sie schimpflich aus dem Leben schiede. Der König folgte dem Bikko und liess den Sohn mit der Schlinge um den Hals von Umstehenden mit Hilfe eines Gerüstes hochhalten, damit er nicht erdrosselt werden könnte. So bot der unschädliche Knoten, da die Kehle nicht zusammengepresst wurde, nur den Schein der Strafe. Die Königin aber wurde fest auf den Erdboden gebunden und sollte durch die Hufe von Rossen zertreten werden. Sie war aber, erzählt die Sage, so schön, dass sogar die Tiere schauderten, die herrlichen Glieder mit ihren schmutzigen Hufen zu zertreten. Der König schloss, dass das ein Beweis sei, der die Unschuld der Königin darthue und beeilte sich, da noch die Reue wegen der Übereilung hinzutrat, die fälschlich mit dem Makel Belegte losbinden zu lassen. Da eilte Bikko hinzu und behauptete, auf dem Rücken liegend verscheuche sie die Tiere durch Zaubersprüche und könne nur zertreten werden, wenn man ihr Antlitz zur Erde wende. Er wusste aber sehr wohl, dass ihre Schönheit sie rettete. Als nun der Körper der Königin auf diese Weise hingelegt war, und man die Schar der Rosse herantrieb, zertraten diese den Leib mit ihren gewuchtigen Hufen. Das war das Ende der Swanild. Inzwischen ging der Leibhund des Broder den König wie mit Klagen an und schien den Tod seines Herrn zu beweinen, und sein hereingebrachter Habicht fing an, sich die Bauchfedern mit dem Schnabel auszurupfen. Seine Nacktheit deutete der König auf seine Verwaistheit, und um dem bösen Omen die Kraft zu nehmen, schickte er eiligst hin und liess den Sohn vom Stricke los machen. An dem federlosen Vogel entnahm er, dass er ohne Kinder sein würde, wenn er nicht vorbeuge. Da so Broder vom Tode erlöst war, eilte Bikko, der für seine Angeberei büssen zu müssen fürchtete, zu den Hellespontiern, um ihnen zu berichten, dass Swanild von ihrem Manne ruchlos getötet sei. Als diese ausfuhren, [377] um ihre Schwester zu rächen, [281] 281eilte er zu Jarmerik zurück und verriet ihm, dass die Hellespontier ihn angreifen wollten. Der König hielt es für sicherer, sich hinter Mauern zu bergen, als in einer Schlacht zu kämpfen und floh in die Burg, die er sich erbaut hatte. Um eine Belagerung aushalten zu können, füllte er ihre inneren Räume mit Lebensmitteln, die Bollwerke mit Streitern an. Goldglänzende Rund- und Langschilde ringsum aufgehängt schmückten den obersten Umgang des Gebäudes. Es traf sich aber, dass die Hellespontier, als sie die Teilung der Beute vornehmen wollten, eine grosse Menge ihrer Leute des Unterschleifs beschuldigten und niedermetzelten. Weil sie also einen bedeutenden Teil ihrer Mannschaft in innerem Zwiste aufgerieben hatten, meinten sie, die Erstürmung der Königsburg ginge über ihre Kräfte und wandten sich an eine Zauberin, welche Guthruna hiess. Durch ihren Zauber wurden die Vorkämpfer auf der Seite des Königs plötzlich mit Blindheit geschlagen und wandten ihre Waffen gegen sich selbst. Als die Hellespontier das sahen, brachten sie ein Schirmdach heran und besetzten zuerst die Zugänge zu den Thoren. Darauf brachen sie die Pforten auf, drangen in die Burg und hieben auf die Reihen der geblendeten Feinde ein. Bei diesem Kampflärme erschien Othin, eilte mitten in den Knäuel der Kämpfenden und gab den Dänen, die er immer mit der Liebe eines Vaters begünstigt hatte, das durch den Zauber genommene Gesicht in seiner früheren Kraft zurück. Er belehrte sie, dass die Hellespontier, die ihre Leiber gegen Waffen mit Zaubersprüchen fest zu machen pflegten, mit Kieselsteinen geschlagen werden müssten. So wurden beide Heerhaufen in wechselseitigem Blutbade aufgerieben. Jarmerik, beider Hände und Füsse beraubt, wälzte sich verstümmelten Leibes unter den Leichen. Ihm folgte Broder, wenig tüchtig, in der Herrschaft.

Nach ihm regierte Siwaldus. Dessen Sohn Snio warf sich, während der Vater sich schwach erwies, mit Eifer auf die Wikingerfahrten und erhielt nicht nur den Bestand des Landes, sondern schuf auch für die erlittenen Einbussen reichlichen Ersatz. Als er König wurde, dämpfte er den Übermut der [378] Kämpen Eskillus und Alkillus und führte Schonen, das der vollen dänischen Herrschaft entrückt war, durch einen Sieg zur Verbindung mit dem Hauptlande zurück. Schliesslich in Liebe entbrannt zu der Tochter des Königs der Götländer, wie sie zu ihm, suchte er durch heimliche Boten die Möglichkeit, mit ihr zusammenzukommen. Die Boten wurden von dem Vater des Mädchens erwischt und büssten für die ungeschickte Ausführung ihres Auftrages mit dem Strange. Snio wünschte sie zu rächen: als er Götland feindlich angegriffen hatte, und dessen König ihm mit seiner Mannschaft entgegen treten wollte, wurde er von den obenerwähnten Kämpen mit einer Herausforderung angegangen: er sollte die Sache durch Fechter entscheiden lassen; er bestimmte als Bedingung des Zweikampfes, dass die Könige je nach dem Glücke ihrer Kämpfer entweder das eigene Reich verlieren, oder das fremde gewinnen sollten, dass also das Reich des Besiegten als Siegespreis gelten sollte. [282] 282So kam es, dass der König der Götländer, weil durch das Missgeschick seiner Kämpfer überwunden, genötigt wurde, sein Reich den Dänen abzutreten. Als Snio aber nun erfahren musste, dass die Tochter auf Anordnung des Vaters zur Ehe mit dem Könige der Schweden weggeführt war, schickte er einen Bettler, der in verschlissener Kleidung auf den Landstrassen Almosen zu heischen gewohnt war, zu ihr hinüber, um ihren Sinn zu erforschen. Als dieser sich, wie die Bettler pflegen, in der Nähe der Schwelle seinen Platz gesucht hatte und die Königin zu Gesicht bekam, murmelte er mit leiser Stimme: „Es liebt dich Snio“. Die Königin vernahm den Ton, der schwach an ihr Ohr drang, liess das aber nicht merken, sondern schritt, ohne Blick oder Fuss zurückzuwenden, weiter in den Palast; jedoch sofort zurückkommend, sagte sie mit unauffälligem, kaum das Ohr erreichendem Geflüster: „Der mich liebt, den liebe ich wieder“. Mit diesen Worten schritt sie hinaus. Der Bettler freute sich, dass sie ein Wort der Gegenliebe gesprochen, sass am folgenden Tage wieder an der Thüre, und als die Königin kam, sagte er mit schon gewohnter Redekürze: „Zusage will einen Ort haben“. Sie ihrerseits erfasste den Sinn des klugen Wortes und entfernte [379] sich, ohne sich das geringste merken zu lassen. Kurz darauf, als sie an dem Frager wieder vorüberging, sagte sie, sie werde bald nach Böcherör kommen; nach diesem Orte nämlich nahm sie sich vor zu fliehen. Als er das erfahren hatte, forschte der Bettler in gewohnter listiger Fragestellung nach der für die Ausführung des Versprechens bestimmten Zeit. Sie aber, ebenso schlau und ebenso dunkel im Ausdrucke, nannte, so kurz sie nur konnte, Wintersanfang. Ihre Begleitung aber, welche das leise Geflüster des Liebeswortes vernommen hatte, hielt den schlauen Kunstgriff für ein Wahnwort der ausgesprochenen Thorheit. Als Snio den Bericht des Bettlers empfangen hatte, liess er die Königin, die unter Mitnahme des Schatzes ihres Gemahls, angeblich um zu baden, sich entfernt hatte, mit einem Schiffe heim holen. Später ist häufig zwischen ihm und dem Schwedenkönige, da der eine die rechtmässige Frau wieder haben, der andere die unrechtmässige nicht herausgeben wollte, mit schwankendem Erfolge und wechselndem Siege gekämpft worden.

Zu dieser Zeit wurde durch anhaltend böse Witterung die Fruchtbarkeit des Ackers vernichtet, und es entstand eine grosse Teuerung. Da infolge der Seltenheit der Lebensmittel schwerer Hunger das gemeine Volk heftig plagte, so wollte der König, in seiner Fürsorge der Not der schweren Zeit zu begegnen, das Volk zu einem mässigen Leben nötigen, und da er sah, dass die Trinker weit mehr verbrauchten als die Esser, so schaffte er die üblichen Trinkgelage ab und erliess das Gebot, dass aus der Brotfrucht kein Trank bereitet werden sollte: der bittere Hunger müsse durch das Verbot des übermässigen Trinkens gelindert und der Durst zu einer Quelle reichlicher Speise gemacht werden.

[283] 283Da geriet ein Mann mit ewig durstiger Kehle, der das Verbot des gewohnten Trinkens aus Herzensgrund beklagte, auf ein tiefsinniges, schlaues Auskunftsmittel, entdeckte für den (verbotenen) Genuss einen neuen Weg und brach das allgemeine Gebot der Enthaltsamkeit für seine Person durch seine Unmässigkeit. Seinen geliebten Genuss musste ihm ein schlaues, spasshaftes Verfahren möglich machen: das [380] verbotene Nass leckte er Tropfen für Tropfen und genügte so seinem Drange nach einem tüchtigen Rausche. Deshalb vom Könige zur Rede gestellt, behauptete er, er habe die Vorschrift der Mässigkeit genau beobachtet, da er ja seine Gier zu trinken durch seine Erfindung des gemässigten Zusichnehmens unterdrückt habe und beharrte dabei, das ihm beigelegte Vergehen zu bestreiten: er habe ja nur geleckt und geschlürft. Obschon ihm nun unter schwerer Bedrohung nicht allein zu trinken, sondern auch leckend zu schlürfen verboten wurde, konnte er doch seine Gewohnheit nicht meistern. Um den verbotenen Genuss sich in scheinbar erlaubter Weise zu verschaffen und seine Kehle nicht unter das Joch eines fremden Ermessens zu beugen, machte er kleine Stücke von Brotrinde mit Bier nass, ass die Bissen, wenn sie die Flüssigkeit tüchtig eingesogen hatten, und erzeugte so den gewünschten Rausch durch zäh ausdauerndes Zusichnehmen: so versetzte er sich in den Zustand der Völligkeit, ohne gegen den Wortlaut des Verbotes zu fehlen. Der unwiderstehliche Durst der Kehle, der ihn das Leben für die Schwelgerei einsetzen und selbst durch die Drohung des Königs sich nicht abschrecken liess, trieb das sinnlose Verlangen dahin, jede Gefahr kühn zu verachten. Wiederum wurde er von dem Könige zur Rede gestellt wegen der Verletzung des Gebotes. Aber auch jetzt verzichtete er nicht auf eine Verteidigung: er behauptete, er habe keineswegs gegen die königliche Verordnung gefehlt, noch sei die durch den Erlass vorgeschriebene Masshaltung durch Genusssucht von seiner Seite verletzt: das gegebene Mässigkeitsgesetz habe die Form der Enthaltung in einer Weise vorgeschrieben, dass zwar offenbar die Erlaubnis die Flüssigkeit zu trinken entzogen werde, nicht aber, sie zu essen. Da schwur der König unter Anrufung der Götter bei dem allgemeinen Wohle, er werde es mit dem Leben büssen, wenn er sich weiter Ähnliches herausnähme. Aber der Mann mit der durstigen Kehle hielt den Tod für ein geringeres Übel als die Nüchternheit, und das Leben zu lassen für noch erträglicher als sich den Genuss zu versagen; er kochte die Frucht wieder ohne Hehl in Wasser und liess es gären. Da [381] er nicht hoffen konnte, noch weiter eine Verteidigung für seine Leidenschaft in der Anklage vorzubringen, so wandte er sich offen wieder mit frecher Stirne zum Becher und zechte wacker; List in Trotz verkehrend wollte er lieber die königliche Ahndung erwarten, als enthaltsam werden. Als ihn der König fragte, warum er sich wieder unterfange zu thun, was ihm so oft untersagt sei, da sagte er: „Diesen Drang, o König, erzeugte nicht meine Trunksucht, sondern Wohlwollen gegen Dich; denn ich dachte daran, dass beim Leichenbegängnisse eines Königs das Totenopfer mit einem Schmause dargebracht werden muss. Damit nun der Schmaus, mit dem Deine Bestattung gefeiert wird, [284] 284 nicht wegen Mangels an Hefe des festlichen Trunkes entbehren müsse, habe ich, nicht also durch meine Trunksucht, sondern durch weise Fürsorge geleitet, für die Möglichkeit der Herstellung des verbotenen Trankes gesorgt. Dass Du aber früher als andere an Hunger sterben und der Bestattung bedürfen wirst, das ist mir gewiss; denn deswegen, denke ich, hast Du das neuartige Gesetz der Sparsamkeit erlassen, weil Du fürchtetest, dass Dir zuerst es an Nahrung fehlen würde. Für Dich, nicht für andere sorgend, hast Du es über Dich gewonnen, gegen königliche Sitte den Geiz einzuführen.“ Da verwandelte der feine Spott des Mannes den Zorn des Königs in Beschämung. Da er sah, dass der dem öffentlichen Wohle geltende Erlass nur zu einer Verspottung seiner Person ausgeschlagen war, liess er die Sorge für den allgemeinen Nutzen sein und widerrief seine Verordnung: er wollte lieber seine Satzung aufheben, als den Unwillen des Volkes auf sich laden.

Da also, wie ich erwähnt habe, sei es, weil der Boden zu wenig Regen empfing, sei es, weil er zu sehr durchglüht wurde, die Saaten nicht aufwuchsen, und die Felder nur spärlich Frucht gaben, da entkräftendes Entziehen der Nahrung das der Speise entbehrende Land schwächte, und infolge des Mangels an Lebensmitteln der Hunger nicht mehr gestillt werden konnte, so wurde auf Vorschlag des Aggo und Ebbo durch Volksbeschluss bestimmt, dass die Greise und Kinder erschlagen, alle Schwachen aus dem Lande gejagt, und nur [382] den Kräftigen der Aufenthalt in der Heimat gestattet würde; nur die sollten den heimischen Sitz und die ererbte Wohnstätte behalten, die zur Führung der Waffen oder zum Ackerbau tauglich wären. Als die Antragsteller ihrer Mutter Gamburuk[65] Mitteilung von dem Geschehenen machten, verdammte sie diese Satzung, weil die Urheber dieses frevelhaften Beschlusses Hilfe durch ein Verbrechen gesucht hätten: Befreiung von der Not dürfe nicht durch Mord der Verwandten erkauft werden; es gäbe einen sündlosen Weg, der geistig und körperlich tüchtigen Männern lieber sein müsse: man solle die Männer, die das Vaterland verlassen müssten, durch das Los bestimmen lassen; dann würde man sich nicht gegen die Liebe zu Eltern und Kindern vergehen. Wenn das Los kraftlose Greise träfe, so sollten sich an ihrer Statt kräftigere Männer zum Auszuge erbieten und dessen Last freiwillig anstatt der Schwachen zu tragen auf sich nehmen; die verdienten das Leben nicht, die es sich durch Verbrechen und Frevel erhalten wollten, die es über sich gewönnen, über Eltern und Kinder einen so unbilligen Spruch zu fällen, die nicht Werke der Liebe, sondern der Grausamkeit verüben wollten; alle sündigten gegen das Vaterland, bei denen die Liebe zum eigenen Leben schwerer wiege, als die Liebe zu den Eltern und zu den Kindern. Als dieser Ausspruch vor die Volksversammlung gebracht wurde, da fielen ihm die Meisten mit ihrer Stimme zu. So wurde das Los über aller Geschick geworfen, und, die es traf, wurden aus dem Lande gewiesen. So kam es, dass die, welche freiwillig der Not nicht hatten weichen wollen, nun der Bestimmung des Loses gehorchen mussten. Sie fuhren zunächst nach Blekingen, [285] 285dann an Moringien vorbei und landeten auf der Insel Gotland, wo sie, wie auch Paulus (Diaconus) bezeugt[66], auf Geheiss der Göttin Frig den Namen Langobarden annahmen, welches Volk sie später gebildet haben. Schliesslich wandten sie sich gen Rügen, betraten unter Preisgebung ihrer Schiffe das Festland zur Wanderung, und [383] nachdem sie einen guten Teil des Erdkreises durchzogen und ausgeplündert, weit und breit Verheerung gebracht hatten, suchten sie sich endlich in Italien feste Wohnsitze und setzten an Stelle der alten Bezeichnung des Volkes nun ihren Namen.

Inzwischen erhielt das dänische Land, da die Zahl der Bebauer geringer wurde, und die Spuren der Furchen sich mit Wildwuchs überzogen, allmählich das Aussehen eines Urwaldes; gleich als ob es den schönen, natürlichen Rasen absichtlich aufgegeben habe, bedeckte es sich mit rauhen, dichten nachwachsenden Wäldern. Das zeigt noch das gegenwärtige Aussehen seiner Felder: das, was einst fruchtbare Joche gewesen waren, das ist jetzt bestanden mit Bäumen, und wo einst Bauern den Boden tief umpflügten und die grossen Schollen zerkleinerten, da umfängt jetzt aufgewachsener Wald die Felder, die noch jetzt eine Spur der alten Bearbeitung bewahren. Wenn nicht diese Felder, wenn auch ohne Bebauer und in langer Vernachlässigung wüst, sich erhalten hätten, so hätten sie auch nicht eines Landstücks Scholle zwischen den vom Pfluge gezogenen Furchen und den zähhaftenden Wurzeln der Bäume teilen können[67]. Auch die Hügel, welche die Arbeit der Alten in Sorge für die Bestattung der Leichen auf dem ebenen Boden aufgeschüttet hatte, bedeckt jetzt dichter Wald. Man kann auch hier und da Haufen von Steinen mitten in den Wäldern sehen, welche Steine, dereinst über das ganze Ackerland zerstreut liegend, sorgliche Bauern auflasen und zu einzelnen Haufen zusammenwarfen, damit sie nicht dem Pflüger hinderlich sein sollten; sie wollten eben lieber ein kleines Stück Ackerland einbüssen, als das ganze Land schwierig für die Bearbeitung bleiben lassen. Daher lässt sich aus dem, was damals die Mühe der Bauern um der leichteren Bearbeitung der Felder willen geschaffen hat, der Schluss ziehen, dass die Bevölkerung in der älteren Zeit zahlreicher gewesen ist, als sie es später war; diese letztere, mit kleinen Ackerflächen zufrieden, lässt nun die Landarbeit weniger weit sich erstrecken, als nach den [384] Spuren die ältere Bodenbearbeitung ging. Und so ist die jetzige Generation erstaunt, zu sehen, dass sie für einen Boden, der einst Ähren bringen konnte, einen Boden eingetauscht hat, der nur noch Eicheln hervorzubringen vermag, dass, wo einst die Pflugschar ging, und Getreidehalme aufwuchsen, jetzt nur Bäume die Erdoberfläche dicht bedecken.

Dieses über Snio möge genügen, es ist so wahr wie möglich berichtet. Diesem folgte Biornus, und weiter nach ihm übernahm Haraldus die Herrschaft.

Dessen Sohne Gormo erteilt der Ruhm tüchtiger Thaten einen hervorragenden [286] 286Platz in der Reihe der alten Dänenkönige. Er wandte nämlich seine Neigung einem bisher unbekannten Streben zu: er wollte lieber den ererbten Sinn für Rührigkeit in Erforschung der Natur sich bethätigen lassen, als in Kriegsfahrten, und wie andere Könige der Drang zum Kriege, so trieb ihn das Verlangen seines Herzens nach Erkenntnis des Wunderbaren, alles dessen, was durch Versuch gefunden oder durch die Sage verbreitet war. Da nun seine Neigung vorzugsweise daraufging, fremder Länder Wunder zu sehen, so beschloss er vor allem, die von Männern aus Thule gehörte Mär von den Wohnsitzen eines gewissen Geruthus zu ergründen. Unglaubliches erzählten die Isländer über die Menge der dort angehäuften Schätze, der Weg dahin aber sollte mit allen möglichen Gefahren besetzt und für Menschen fast ungangbar sein; denn man müsse das die Erde umschliessende Weltmeer befahren, dann Sonne und Sterne hinter sich lassen, durch die Unterwelt wandern und zu lichtlosen, in ewiges Dunkel gehüllten Orten hinüberschreiten, so stand nach der Behauptung der Kundigen fest. Aber in dem jugendfrischen Sinne des Königs trat die Furcht vor der mit der Unternehmung verbundenen Gefährlichkeit die Begierde nicht sowohl nach Beute, als nach Ruhm nieder: denn grosser Glanz würde ihm ganz sicher zuwachsen, wenn er als erster das kühne Wagnis unternehme. Da 300 denselben Wunsch aussprachen wie der König, so beschloss man den Mann, der die Wundermär berichtet hatte, nämlich den Thorkillus, als Wegweiser mitzunehmen; denn er wisse den Ort [385] und kenne das Land, das man erforschen wolle. Er wies die Aufgabe nicht zurück, hiess gegen die ungemeine Wildheit des zu befahrenden Meeres tüchtige Schiffe bauen, die mit einer festeren Bauart, mehr Bändern und mehr Reihen von Nägeln, als gewöhnlich, hergerichtet werden müssten, sie dann mit reichlichem Mundvorrate anfüllen, oben aber mit Rindshäuten decken, welche die inneren Schiffsräume vor einer Durchnässung durch die einschlagenden Wogen schützen sollten. Dann wurde die Fahrt auf nur drei Schiffen unternommen; jedes fasste 100 auserlesene Mannen.

Als sie nun nach Halogia kamen, wurden sie vom günstigen Winde im Stiche gelassen und von der wechselnden Meeresströmung in stets ungewisser Seefahrt umhergetrieben. Schliesslich mussten sie, bei vollständigem Mangel an Lebensmitteln sogar des Brotes entbehrend, ihren Hunger mit ein wenig Mehlbrei stillen. Nach einigen Tagen hörten sie aus der Ferne das heulende Brausen eines Sturmwindes, wie wenn er die See über Klippen jagt. Sie schlossen auf die Nähe eines Landes, ein behender Mann musste als Ausguck die Spitze des Mastes erklimmen und meldete, dass eine Insel mit steilen Ufern in Sicht sei. Froh blickten alle nach der Richtung, die von ihm angedeutet wurde, mit erwartungsvollen Augen, sehnsüchtig ausschauend nach der Hilfe des verheissenen Gestades. Als sie endlich Zugang zu ihm gewannen, [287] 287arbeiteten sie sich auf steilen Pfaden durch die entgegentretenden Hügel hindurch auf den höher gelegenen Teil des Bodens. Da sagte Thorkill, von den Rindern, die auf dem Gestade in grosser Zahl umherliefen, dürfe man nicht mehr nehmen, als was für einmal zur Stillung des Hungers hinreiche; sonst würden die Landesgottheiten sie nicht wieder abfahren lassen. Aber die Seeleute, nur bedacht auf weitere Sättigung, hörten nicht auf das Geheiss, liessen den heilsamen Rat vor der Gier des Magens zurücktreten und befrachteten die geleerten Schiffsbäuche mit den Körpern von massenhaft geschlachteten Rindern. Diese waren deshalb sehr leicht zu fangen, weil sie bei dem ungewohnten Anblicke von Menschen ohne Scheu neugierig zusammengelaufen waren. In der folgenden [386] Nacht aber kamen Gespenster auf das Gestade geflogen, machten im ganzen Walde grossen Lärm und umschwärmten die geschlossenen Schiffe. Eins von ihnen, grösser als die anderen, mit einem gewaltigen Knüppel bewaffnet, schritt durch das Meer; als es näher kam, begann es zu rufen: sie würden nicht eher abfahren, als bis sie den mit der Abschlachtung der Herde begangenen Frevel dadurch gesühnt hätten, dass sie den an dem Viehe der Gottheiten angerichteten Schaden durch Auslieferung je eines Mannes für jedes Schiff gutgemacht hätten. Seinen Drohungen gehorchend reichte ihm Thorkill drei durch das Los bestimmte Männer dar, um das Leben aller durch die Preisgabe weniger zu retten.

Nunmehr füllte ein günstiger Wind ihre Segel, und sie fuhren nach dem jenseitigen Biarmien. Die Gegend hat stets strenge Kälte, ist mit hohen Schneemassen bedeckt, empfindet sogar die Kraft der Sommerhitze nicht, ist reich an unwegsamen Wäldern, bringt keine Feldfrucht und hat viele anderswo unbekannte Tiere. Zahlreiche Flüsse strömen hier wegen der in den Flussbetten liegenden Felsblöcke mit rauschendem und schäumendem Laufe. Dort wies Thorkill seine Begleiter an, die Schiffe ans Land zu ziehen und auf dem Strande die Zelte aufzuschlagen; der Ort sei nun erreicht, von dem aus nur noch ein kurzer Weg zu Geruth sei. Er verbot ihnen mit dem Begegnenden irgend ein Gespräch anzufangen, denn die Gespenster nähmen aus keinem Anlasse mehr die Gelegenheit zu schaden, denn aus Worten der Fremden, die nicht freundlich genug gesprochen seien, und deshalb seien die Genossen nur sicher, wenn sie schwiegen; er allein könne ohne Gefahr sprechen, da er früher schon des Volkes Sitte und Brauch kennen gelernt habe. Als die Dämmerung hereinbrach, kam ein Mann von ungemeiner Grösse und begrüsste die Seefahrer mit ihrem Namen. Als alle staunten, mahnte sie Thorkill, den Kommenden mit Freuden zu empfangen; es sei Guthmundus, der Bruder des Geruth, der alle, die dort landeten, gütig in Gefahren beschütze. Als Guthmund fragte, weshalb die anderen so hartnäckig schwiegen, [387] sagte Thorkill, [288] 288sie schämten sich der unverstandenen Rede, weil sie in seiner Sprache nicht bewandert seien. Da lud sie Guthmund zur Herberge ein und setzte sie auf Wagen. Auf ihrem Wege liess sich ein Fluss sehen, über den eine goldene Brücke führte. Sie wünschten sie zu betreten; da wehrte er ihrem Beginnen: mit diesem Flusse habe die Natur das Menschenreich von dem Gespensterreiche geschieden, und Menschenfuss dürfe nicht darüber hinaus gehen. Darauf kamen sie zu dem Hause ihres Führers. Dort nahm Thorkill seine Leute beiseite und ermahnte sie, sie möchten den mannigfachen Verlockungen gegenüber, die im weiteren Verlaufe der Dinge an sie herantreten würden, sich als wackere Männer erweisen, der fremden Speise sich enthalten, nur von ihrer eigenen, mitgebrachten sich nähren, möchten sich Sitze von den Eingeborenen getrennt wählen und sich nicht nahe zu einem bei Tische setzen. Denn wer von ihrer Speise esse, der verliere die Erinnerung an sein früheres Leben und müsse immer in schmutziger Gemeinschaft unter den schrecklichen Scharen der Unholde leben. Ebenso müssten sie sich von den Dienern und ihren Bechern fernhalten. Zwölf herrliche Söhne des Guthmund und zwölf schöne Töchter umstanden die Tische. Als Guthmund sah, dass der König nur das von seinen Leuten Mitgebrachte ass, beschwerte er sich über die Zurückweisung seines guten Willens und klagte, dass das eine schwere Beleidigung für einen Wirt sei. Thorkill war um eine passende Entschuldigung der Handlungsweise nicht verlegen: er entgegnete, wer eine ungewohnte Speise ässe, würde meist schwer krank, und der König habe nicht undankbar gegen eine fremde Gefälligkeit, sondern nur für seine Gesundheit besorgt, indem er sich nach gewohnter Weise verpflege, sein Mahl mit heimischer Kost herrichten lassen. Es dürfe ihm also das nicht als Hochmut ausgelegt werden, was er aus wohl bedachter Sorge um die Vermeidung eines Übels thue. Als aber Guthmund sah, dass die böse Absicht bei seiner prächtigen Bewirtung durch die Mässigkeit der Gäste vereitelt sei, da er also ihre Enthaltsamkeit nicht wankend zu machen vermochte, beschloss er ihre Keuschheit zu Falle [388] zu bringen, denn er trachtete mit allen Kräften seines Witzes danach, ihre Selbstbeherrschung zu brechen. Dem Könige bot er eine Tochter zur Frau an, den andern versprach er zu überlassen, welche von den Dienerinnen sie haben wollten. Die meisten waren mit dem Vorschlage einverstanden, aber Thorkill behütete sie, wie in den anderen Fällen, durch seine heilsame Mahnung davor, in die Falle zu gehen; in vortrefflicher Verteilung seiner Thätigkeit zeigte er sich bald als vorsichtigen Gast, bald als heiteren Tischgenossen. Vier der Dänen nahmen das Anerbieten an, die schnöde Lust überwand in ihnen die Sorge für ihr Wohl. Die unreine Berührung machte sie wahnwitzig und vernunftlos und raubte ihnen die Erinnerung an ihr früheres Leben; sofort nach der That sollen sie nicht mehr bei Sinnen gewesen sein. Wenn sie ihre Aufführung in den gebührenden Grenzen der Besonnenheit gehalten hätten, so würden sie den Ruhm des Herkules erreicht, die Stärke der Riesen durch ihre Standhaftigkeit überragt und für immer im Vaterlande die hohe [289] 289Ehre genossen haben, wunderbare Thaten vollbracht zu haben. Guthmund, der auch jetzt noch sein Ziel unverrückt im Auge behielt und sie mit List versuchte, pries die Genüsse seines Gartens und bemühte sich, den König dahin zu locken, damit er von den Früchten koste; denn durch den verführerischen Anblick und den schönen, verlockenden Geschmack wünschte er die standhafte Vorsicht zu nichte zu machen. Gegen diese Hinterlist durch Thorkill, wie früher, gefestigt, ging der König auf das höfliche, aber unehrliche Anerbieten nicht ein; er entschuldigte seine Ablehnung mit der Notwendigkeit, die Reise schleunigst fortzusetzen. Da Guthmund sah, dass seine List in allen Stücken der Klugheit des Fremden unterlegen war, so gab er die Hoffnung auf, mit seinem Truge etwas zu erreichen, schaffte alle auf das andere Ufer des Flusses und liess sie ihren Weg weiterziehen.

Auf ihrem ferneren Wege sahen sie eine schwarze, wüste Stadt nahe vor sich, ähnlich einer dampfenden Wolke. Pfähle, zwischen die Bollwerke eingestreut, trugen abgeschnittene Menschenköpfe. Hunde erblickte man, ungemein wild, wie [389] sie den Zugang hütend vor den Thoren Wache lagen. Ihnen warf Thorkill ein mit Fett bestrichenes Horn zum Ablecken hin und stillte ihre rasende Wut durch geringe Aufwendung. Oben stand der Zugang zu den Thoren offen; sie stiegen zu ihm auf mit Leitern und gewannen den hochgelegenen Eingang. Schwarze, hässliche Gespenster erfüllten die Stadt; diese lärmenden Erscheinungen anzusehen war vielleicht noch schreckvoller, als sie zu hören; alles war ekelerregend, faulender Kot peinigte beim Herantreten die Nasen mit unerträglicher Ausdünstung. Weiter fanden sie ein Felsgelass, welches der Sage nach dem Geruth als Königsburg diente. Obgleich sie sich vornahmen, den engen und abstossenden Steinbau zu besehen, hemmten sie doch, als sie schon am Eingange waren, ihren Schritt und blieben vor Furcht stehen. Da zerstreute Thorkill, der sie schwanken sah, das Bedenken einzutreten mit mannhafter Mahnung: sie sollten nur sich selbst beherrschen, dass sie kein Gerät in dem Hause, das sie betreten wollten, anrührten, möchte es auch noch so schön für den Besitz oder noch so lieblich für das Auge scheinen; sie sollten sich nicht von der Habgier bezwingen lassen, aber auch nicht von der Furcht, nicht das die Sinne Reizende zu haben wünschen, aber auch das durch sein Aussehen Schreckende nicht fürchten, obgleich sie sich zwischen einer grossen Menge von Gegenständen beider Arten bewegen würden. Denn die Hand, die habgierig etwas anfasse, werde sofort an dem berührten Gegenstande fest haften und nicht von ihm losgerissen werden können, würde wie mit einem unauflöslichem Bande mit ihm verknotet sein. Sie sollten zu vieren in Reihen gesetzt eintreten. Zuerst wagten den Eintritt Broderas und Buchi, diesen folgten der König und Thorkill; die anderen schritten in geordneten Reihen hinein. Drinnen sahen sie ein Gemach, gänzlich verwahrlost und mit einer Menge ekelhaften Dampfes erfüllt, ausgestattet mit allem, [290] 290was das Auge oder den Sinn beleidigen kann. Die Thüren von langjährigem Rauche geschwärzt, die Wand mit Unflat überzogen, das Dach aus Spiessen gefügt, der Estrich mit Schlangen bedeckt und mit allerlei Schmutz bespritzt, alles das schreckte die Fremden [390] durch seine ungewohnte Erscheinung. Mehr als alles quälte der scharfe, fortwährende Gestank die gepeinigten Nasen. Blutlose Bilder von Ungeheuern hatten auf eisernen Sitzen sich plump hingelagert, die Sitzplätze schieden bleierne Schranken, vor den Schwellen hielten grauenvolle Pförtner Wache; einige von ihnen machten Lärm mit Knütteln, die sie aneinander schlugen, andere trieben ein hässliches Spiel mit wechselwendigem Schütteln eines Ziegenfelles. Hier erhob Thorkill zum zweiten Male seine warnende Stimme: sie sollten nicht die gierigen Hände nach Unerlaubtem ausstrecken. Als sie weiter schritten, erblickten sie einen Riss in der Felswand[68] und unfern davon sahen sie auf einem erhabenen Aufbau einen Greis sitzen mit durchbohrtem Körper gegenüber von dem Loche im Felsen; ausserdem drei Frauen mit grossen Kröpfen an ihrem Leibe ohne festes Rückgrat hart neben ihm sitzen. Die Gefährten wünschten zu wissen, was das sei, und Thorkill, der das Wesen der Erscheinungen kannte, belehrte sie, der Gott Thor habe einst, gereizt durch die Frechheit der Riesen einen glühenden Stahl durch das Herz des Geruth getrieben, der ihm zum Kampfe entgegen getreten sei, und mit diesem Stahle, der noch weiter gedrungen, habe er die Seite des erbebenden Felsens durchstossen; die Frauen aber hätten, von gewaltigen Blitzen getroffen, mit dem Bruche des Rückgrats gebüsst für einen Angriff auf denselben Gott. Als sie von da weiter gingen, zeigten sich ihnen sieben Fässer von goldenen Reifen umspannt, an denen eine Menge silberne Ringe verschlungen hingen. Neben ihnen befand sich der Zahn eines Wundertieres, an den Enden vergoldet. Neben diesem lag das grosse Horn eines Wildochsen, mühsam geschmückt mit auserlesenen Edelsteinen, auch mit kunstvoll eingegrabenen Bildern. Neben ihm liess sich ein schweres Armband sehen. Ein Mann, der die Gier, es zu besitzen, nicht meistern konnte, legte habsüchtig seine Hände an das Gold; er wusste nicht, dass hinter [391] dem Glanze des strahlenden Metalles der Tod lauerte, und dass unter dem glänzenden Beutestücke das lebenvernichtende Verderben verborgen liege. Ein zweiter, der auch seine Habgier nicht bändigen konnte, streckte die begehrliche Hand nach dem Horne aus. Ein dritter, der anderen Kühnheit nachahmend, der auch seine Finger nicht zügeln konnte, erfrechte, sich seine Schultern mit dem Zahne zu belasten. Wie diese Beutestücke schön ihrem Aussehen nach, so zeigten sie sich in ihrer Bestimmung tadellos: verführerische Formen bot der den Augen gewährte Anblick, die Armspange aber wurde nun zur Schlange, die mit scharfem, giftigem Zahne den biss, der sie trug; [291] 291das Horn, zu einem Drachen sich ausdehnend, nahm seinem Träger das Leben; der Zahn, die Gestalt eines Schwertes annehmend, tauchte seine Schneide in das Herz dessen, der es auf seinen Schultern hatte. Die andern fürchteten ein gleiches böses Geschick und meinten, die Unschuldigen würden mit den Schuldigen umkommen; sie wagten nicht einmal zu hoffen, dass wenigstens den Unschuldigen das Leben gelassen werde. Da dann eine Thür eines anderen Raumes auf ein enges, abgeschiedenes Gemach hindeutete, fand sich eine Geheimkammer mit noch reicherem Schatze; in dieser zeigten sich Rüstungen, grösser als für menschliche Körper. Zwischen ihnen liess sich ein Königsmantel mit einem schönen Hute und ein Wehrgehänge von prachtvoller Arbeit sehen. Voller Entzücken darüber liess Thorkill der Gier die Zügel locker, setzte die Besonnenheit, die er sich vorgenommen, aus den Augen, und er, der so oft andere belehrt hatte, konnte die eigene Leidenschaft nicht mehr bändigen. Er legte seine Hand an den Mantel und machte mit seinem unbedachten Beispiele auch den andern Mut zu einem kühnen Griffe. Da fing das Gemach an, in seinen tiefsten Grundlagen zu erbeben und in unvermutetem Schwanken zu zittern. Die Frauen schrieen sofort, länger als billig dulde man die verruchten Räuber. Was nun früher halbtot und leblose Bilder geschienen, das gehorchte gleichsam den Worten der Frauen, sprang plötzlich von seinem Sitze auf und griff die Fremden mit heftigem Ansturm an; das andere erhub [392] ein rauhes Brüllen. Da griffen Broder und Buchi zu der ihnen von je vertrauten Kunst, gingen auf die gegen sie anstürmenden Gespenster mit einem Pfeilregen los und streckten die Ungeheuer haufenweis mit den Geschossen des Bogens und der Schleuder nieder. Keine andere Kraft war wirksamer sie zurückzutreiben. Zwanzig allein aus der ganzen Schar des Königs rettete das Eingreifen der Kunst der Bogenschützen, die anderen verfielen der Zerfleischung durch die Gespenster.

Als die übrig Gebliebenen an den Fluss zurückkamen, setzte sie Guthmund mit einem Fahrzeuge über, bewirtete sie in seinem Hause, konnte sie aber trotz vieler und inständiger Bitten nicht festhalten und liess sie endlich reich beschenkt abziehen.

Jetzt zeigte sich Buchi als schlechter Hüter seiner selbst, die Kraft seiner Selbstbeherrschung lockerte sich, und er gab die Geistesstärke, die er bisher bewiesen hatte, preis, weil er von unwiderstehlicher Liebe zu einer der Töchter des Guthmund ergriffen wurde; er erlangte die Vermählung mit ihr, aber sie trug seinen Untergang in sich; er wurde sofort in plötzlichem Schwindel umhergetrieben und verlor die Erinnerung an die Vergangenheit. So wurde er, der so trefflich viele Ungeheuer bezwungen, viele Gefahren niedergetreten hatte, von der Liebe zu einem Mädchen überwunden und beugte sich, aller Selbstbeherrschung bar, unter das elende Joch der Sinnenlust. Als er dem abziehenden Könige zur Ehrung das Geleite gab und eine Furt mit dem Wagen durchfahren wollte, sanken die Räder tief ein, er geriet in die Gewalt des Strudels und kam um. [292] 292Der König beklagte zwar das Missgeschick seines Freundes, schied aber in beschleunigter Fahrt. Zunächst ging diese glücklich von statten, dann aber wurde er von einem starken Sturme umhergeworfen, und als nun die Gefährten unter dem Hunger hinsanken, und nur wenige noch am Leben waren, da wandte er seinen Sinn zum Bedenken und nahm seine Zuflucht zu Gelübden an die Götter; er meinte, dass ein Schutz gegen die grosse Not nur in der Hilfe der Götter liege. Während der eine [393] den, der andere jenen mächtigen Gott anrief und sie verschiedener Gottheiten Hohheit Opfer darzubringen für nötig erachteten, wandte Gorm sich mit Gelübden und Versöhnungsgaben an den Ugarthilocus und erhielt das gewünschte helle und gute Wetter.

Als er nach Hause kam und sich klar machte, dass er viele Meere und viele Mühen durchmessen habe, meinte er, er könne sich nach der Anstrengung Ruhe von Geschäften gönnen, nahm eine Frau aus Schweden, und an die Stelle der Vielgeschäftigkeit trat nun bei ihm beschauliche Musse. Als er sein Leben in ungestörtem Genusse des Friedens hoch gebracht und beinahe bis zur letzten Grenze seiner Tage gekommen war, da erwog er bei sich in mannigfachem Nachdenken die Frage, an welchen Ort er wohl kommen werde, wenn die Seele vom Körper frei geworden sei, und welche Belohnung seine eifrige Verehrung der Götter verdiene; denn dass die Seele unsterblich sei, davon war er durch die Wahrscheinlichkeitsgründe gewisser Leute überzeugt worden.

Als er sich mit diesen Gedanken beschäftigte, machten sich an ihn gewisse Leute, die dem Thorkill nicht wohl wollten, mit dem Hinweise, es bedürfe hier einer Befragung der Götter, und die Gewissheit in einer so wichtigen Sache, die menschlichen Witz übersteige und für die Erkenntnis der Sterblichen nicht leicht sei, müsse aus göttlicher Weisung gewonnen werden. Deshalb müsse Utgarthiloki gnädig gestimmt werden, und das könne niemand geschickter als Thorkill durchführen. Andere beschuldigten ihn auch, dem Könige feindlich gesinnt zu sein und ihm nach dem Leben zu trachten. Als Thorkill sah, dass er sich dem gefährlichen Wagnisse nicht entziehen könne, verlangte er seine Ankläger zu Begleitern auf der Fahrt. Da suchten die, welche einen Unschuldigen angegeben hatten, den Beschluss rückgängig zu machen, als sie sahen, dass die einem fremden Leben zugedachte Gefahr auf sie selbst zurückfalle. Aber sie lagen dem Könige vergeblich in den Ohren, wurden sogar der Feigheit geziehen und mussten schliesslich mit Thorkill fahren. So muss meist das zum Verderben eines anderen ausgedachte Böse den [394] Anstifter selbst treffen. Als sie begriffen, dass sie sich auf keine Weise von dem gefährlichen Unternehmen los machen konnten, füllten sie das mit Rindshäuten gedeckte Schiff mit reichlichem Mundvorrate an.

Nach ihrer Abfahrt kamen sie dahin, wo das Land keine Sonne hat, keinen Stern kennt, kein Tageslicht erhält, sondern in Dunkel, wie in dauernde Nacht, gehüllt ist. Als sie lange unter dem ungewohnten Anblicke des Himmels gefahren waren, trat endlich Mangel an Holz ein; [293] 293die Nahrungsmittel, wie sie der Herd liefert, gingen ihnen aus, kein Abkochen war möglich; deshalb stillten sie den Hunger mit rohen Speisen. Jedoch die meisten, welche davon assen, brachte die Sättigung durch unverdauliche Speise in eine böse Lage. Zuerst nämlich beschlich eine durch die ungewohnte Speise erzeugte Schlaffheit nach und nach den Magen, dann ergriff die Krankheit, immer weiter sich verbreitend, auch die Lebensteile. Und so machten die bösen Folgen beider Übertreibung das Fasten lästig, aber auch das Essen verdächtig, da das Essen nicht ohne schädliche Folgen, die Enthaltung von der Speise aber höchst unerquicklich war. Als sie daher schon alle Hoffnung auf Rettung aufgaben – wie die Sehne dann gewöhnlich zerreisst, wenn sie zu straff gespannt wird – da leuchtete ihnen die Hoffnung auf Linderung der Not, die sie gar nicht mehr erwartet hatten. Man sah nämlich plötzlich ein Feuer ganz nahe schimmern, das den erschöpften Männern das Vertrauen einflösste, ihr Leben zu fristen. Da Thorkill sich vornahm, dieses Feuer als ein von den Göttern geschenktes Rettungsmittel zu holen, machte er die Spitze des Mastes durch das Leuchten eines angehefteten Edelsteins kenntlich, um sich eine sichere Rückkehr zu seinen Leuten zu verschaffen. Als er dann auf das Gestade kam, trat vor seine Augen eine Höhle mit engem Zugange und schmaler Thüröffnung. Seine Begleiter hiess er draussen warten, er selbst trat hinein und erblickte zwei ungemein grosse Schwarze, mit Hornnasen, die einem Feuer Nahrung zuführten, zusammengerafft, wie sie der Zufall bot. Der Eingang war ungestalt, die Pfosten verfault, die Wand schwarz von Moder, schmutzig das Dach, [395] übersät mit Schlangen der Estrich, alles beleidigte Sinn und Auge. Darauf begrüsste ihn einer der Riesen und sagte, er habe sich in seinem brennenden Verlangen, eine ungewöhnliche Gottheit aufzusuchen und Kenntnis von einem ausserweltlichen Striche durch eine Entdeckungsreise sich zu erwerben, auf ein Unternehmen eingelassen, das schwer durchzuführen sei. Von ihm könne er die Wege der beabsichtigten Reise erfahren, wenn er drei wahre Gedanken, in ebensoviel Sätze gefasst, ihm sage. Darauf Thorkill: „Ich erinnere mich wahrlich nicht, eine Familie mit so hässlichen Nasen gesehen zu haben. Aber ich habe auch keinen Ort je betreten, wo ich mich weniger gern aufgehalten. Drittens: der Fuss ist mir der liebste, der zuerst den Ausgang nehmen kann.“ Der Riese war ergötzt durch die Klugheit des Thorkill, lobte die Wahrheit der Sätze und belehrte ihn, dass er zunächst zu einem Boden ziehen müsse, der kein Gras habe und mit tiefer Finsternis bedeckt sei. Bevor aber der bestimmte Ort erreicht werden könne, müsse er vier Tage lang unausgesetzt tüchtig weiter rudern. An jenem Orte werde dann Utgarthiloki zu sehen sein, der in hässlichen und grauenerweckenden Höhlen in schmutzbedeckter Wohnung hause. Thorkill war unangenehm überrascht[69], dass ihm noch eine lange und gefahrvolle Seefahrt anbefohlen wurde, [294] 294überwand aber mit allerdings unfester Hoffnung die aufsteigende Furcht und schritt auf das Feuer zu. Da sagte der Riese: „Wenn Du Feuer haben willst, musst Du andere drei Gedanken in entsprechenden Sätzen sagen.“ Darauf Thorkill: „Einem Rate muss man folgen, wenn ihn auch ein schwacher Mann erteilt.“ Dann: „Ich bin nun soweit in der Unüberlegtheit gegangen, dass ich meine Rettung nur meinen Füssen verdanke, wenn ich überhaupt zurückkommen kann“. Dann „Wenn ich jetzt freie Rückkehr hätte, würde ich mich wohl hüten, je wieder zu kommen“.

Nun brachte er das Feuer zu seinen Gefährten, erhielt [396] günstigen Fahrwind, landete am vierten Tage in dem gesuchten Hafen, und als er mit seinen Genossen an das Land gegangen war, in welchem die Erscheinung beständiger Nacht den Wechsel von Licht und Dunkel ausschloss, wo die Augen nur mit Mühe vor sich hin sehen konnten, da erblickte er eine ungemein grosse Felsmasse. Die wollte er erforschen und befahl seinen Genossen, die draussen Wache halten sollten, Feuer aus Kieselsteinen zu schlagen und als ein gutes Schutzmittel gegen die bösen Geister am Eingange brennen zu lassen. Andere trugen ihm Licht vorauf, er trat gebückt in den engen Gang zu einem Hohlraume und erblickte überall eine Menge eiserner Sitze; Schlangen glitten ihm beständig um die Füsse. Darauf bot sich dem Auge ein ruhiges und auf Sandgrunde sanft fliessendes Wasser dar; das überschritt er und kam zu einer sich etwas tiefer senkenden Höhle; hinter ihr öffnete sich dem Besucher wiederum ein schwarzes, unsauberes Gemach. Hier erblickten sie den Utgarthiloki, Hände und Füsse waren mit ungeheuren, schweren Ketten belastet; seine stinkenden Haare waren so lang und so straff, dass sie Speerschäften glichen. Eins dieser Haare zog Thorkill mit angestrengter Hilfe seiner Gefährten aus dem Kinne des Utgarthiloki, ohne dass dieser es wehrte und bewahrte es auf, damit seine Thaten leichter Glauben fänden; sofort strömte ein so durchdringender Gestank auf die Umstehenden ein, dass sie nur atmen konnten, wenn sie sich die Nase mit dem Mantel zuhielten. Kaum hatten sie den Ausgang wieder erreicht, als sie von Schlangen, die von allen Seiten auf sie zuflogen, bespieen wurden. Nur fünf von den Leuten des Thorkill bestiegen das Schiff mit ihrem Führer, die andern wurden durch das Gift getötet. Es setzten ihnen aus der Luft wilde Geister zu und spieen ohn Unterlass auf sie giftigen Geifer. Aber die Schiffer hielten sich die Häute als Schirm vor und fingen den fallenden Giftsaft auf. Einer wollte hervorsehen, da wurde sein Kopf von dem Gifte getroffen und flog vom Nacken, wie vom Schwerte abgeschnitten. Ein anderer steckte seine Augen aus den Schirmen heraus und brachte die Höhlungen ohne Augensterne zurück; noch ein [397] anderer, der die Decke mit hinausgestreckter Hand ausbreitete, brachte infolge der Kraft desselben Geifers den Arm als Stumpf zurück.

[295] 295Während die andern also ihnen geneigtere Gottheiten anriefen, vergebens, wandte sich Thorkill mit Gelübden an den Gott des Weltalls, spendete ihm mit Gebet Trankopfer und kam bald in glücklicher Seefahrt wieder dahin, wo das Himmelslicht strahlt und alle Dinge deutlich erkennen lässt.

Und schon meinten sie einen andern Erdkreis und den Weg zu menschlicher Gesinnung zu schauen. Zuletzt landete er in Deutschland, das damals gerade zum Christentum bekehrt worden war und lernte von seinen Bewohnern die Anfangsgründe der Verehrung Gottes. Dort wurde die Schar seiner Begleiter infolge der Einatmung der ungewohnten Luft beinahe aufgerieben[70]; nur begleitet von zweien, die das Todesgeschick verschont hatte, kehrte er in das Vaterland zurück. Aber die auf seinem Gesichte festhaftende Schmutzdecke hatte sein Aussehen und seine Züge so entstellt, dass er selbst von seinen Freunden nicht erkannt werden konnte. Als er aber die Schmiere abgewaschen und sich den Blicken wieder kenntlich gemacht hatte, da flösste er dem Könige das brennende Verlangen ein, die Erlebnisse auf der Fahrt zu hören. Aber der Neid der Nebenbuhler war noch nicht zur Ruhe gebracht; deshalb fehlte es nicht an Leuten, die da sagten, der König werde sterben, wenn er den Bericht des Thorkill anhöre. Diese Behauptung liess der Umstand beachtenswert erscheinen, dass den König eine falsche Voraussagung eines Traumes desselben Inhaltes geneigt gemacht hatte, derartiges zu glauben. Es wurden also auf Befehl des Königs Leute angestellt, die bei Nacht den Thorkill niedermachen sollten. Da ihm aber das Vorhaben irgendwie verraten wurde, so legte er unbemerkt [398] von allen in das von ihm verlassene Lager ein schweres Stück Holz; dadurch vereitelte er den heimtückischen Plan des Königs, denn die gedungenen Mörder hieben nun auf den Holzstumpf ein. Am folgenden Tage ging er zum Könige, als er beim Mahle sass, und sagte: „Ich verzeihe Dir Deine Grausamkeit und will Deiner Verirrung nicht gedenken, der Du Strafe anstatt Dank für den Verkünder glücklichen Erfolgs der Reise bestimmt hast; und so habe ich von Dir, für den ich mein Leben so vielen Mühsalen ausgesetzt und durch viele Gefahren elend gemacht habe, von dem ich die dankbarste Vergeltung meiner Thaten erhofft habe, nur schärfste Strafe für meine Aufopferung gefunden. Jedoch ich will mich nicht rächen und will die Strafe für meine Kränkung Deinem eigenen Gewissen überlassen, wenn anders die Undankbaren Gewissensbisse rühren. Und nicht grundlos schliesse ich, dass Du alle Wut der bösen Geister und alle Wildheit der Tiere hinter Dir lässt; denn während ich den Nachstellungen vieler Gespenster glücklich entkommen bin, habe ich nicht unangefochten von Nachstellungen von Deiner Seite bleiben können.“

Der König, der alles von ihm zu erfahren wünschte und es für unmöglich erkannte, wider das Geschick zu kämpfen, hiess ihn jetzt die Erlebnisse der Reihe nach kund geben, und während er sonst dem Berichte neugierig lauschte, konnte er es am Ende nicht ertragen, dass die Schilderung seiner Gottheit bei den Zuhörern eine ungünstige Vorstellung von ihr erwecke. [296] 296Er vermochte die schmähende Ausmalung der Scheusslichkeit des Utgarthiloki nicht mit anzuhören und betrübte sich so sehr über die Herabwürdigung seines Gottes, dass er mitten in dem Berichte des erzählenden Thorkill, unfähig weiter zuzuhören, seinen Geist aufgab; während er für die Verehrung eines falschen Gottes sich ereiferte, erfuhr er also, wo der wahre Elendskerker ist. Auch der Geruch des Haares, das Thorkill dem Barte des Riesen ausgezogen hatte, um für seine gewaltigen Thaten einen Beweis zu haben, brachte manchem den Tod, als er auf die Umstehenden ausströmte.

[399] Nach dem Abscheiden Gorms kam sein Sohn Gotricus zur Regierung. Er ragte nicht allein durch seine Kriegsthaten hervor, sondern auch durch edle Gesinnung; man wusste nicht, sollte man mehr seine Tapferkeit, oder seine Güte rühmen, und Strenge läuterte er so durch Milde, dass er die eine durch die andere aufzuwiegen schien.

Zu dieser Zeit kamen die Isländer Bero und Refo an den Hof Gotos, des Königs von Norwegen; den Refo behandelte er zuvorkommend und vertraulich und schenkte ihm einen schweren Armring. Als das einer aus den Höflingen sah, erging er sich in überschwenglichem Lobe des Geschenks und behauptete, dass es niemand in der Milde dem Goto gleichthue. Refo war zwar dankbar für das Geschenk, wollte aber das übermässig lobhudelnde, aufgeblasene Wort nicht gelten lassen, sondern stellte Götrik über Goto. Um die eitle Behauptung eines Schmeichlers anzufechten, wollte er lieber einem Abwesenden das Zeugnis der Milde gebührend geben, als dem Gabenspender ins Gesicht unberechtigt schmeicheln. Auch wollte er lieber als undankbar gescholten werden, denn einem eitlen, nichtigen Lobe seinen Beifall spenden und hielt es für wertvoller, den König durch den Ernst der Wahrheit aufzurütteln, als durch die Schmeichelei der Lüge zu hintergehen. Aber Ulwo wollte das dem Könige gespendete Lob nicht nur hartnäckig aufrecht erhalten, sondern auch durch eine Probe bewähren und ging mit seinem Widerpart eine Wette ein. Mit seiner Zustimmung ging Refo nach Dänemark und fand den König, wie er beim Appell dem Gefolge den Sold austeilte. Gefragt, wer er sei, antwortete er, er heisse der Fuchs. Die einen lachten über seine Antwort, die andern schüttelten den Kopf, der König aber sagte: „Auch der Fuchs muss eine Beute aufschnappen“ und sofort streifte er eine Spange von seinem Arme, hiess den Refo näher treten und steckte sie ihm zwischen die Lippen. Schleunigst streifte sie Refo über einen Arm und zeigte diesen allen mit Gold geschmückt; den andern aber hielt er hinter dem Rücken versteckt, weil er keinen Schmuck aufweisen könne; infolge dieser Schlauheit erhielt er von der unerschöpflich freigebigen [400] Hand noch, ein zweites, gleiches Geschenk. Nicht die Höhe des Wertes machte ihm dieses Geschenk besonders angenehm, sondern der Sieg in der eingegangenen Wette. Als er dem Könige von der Pfandsetzung sagte, freute sich dieser, ohne Kenntnis von der Sache [297] 297aus eigenem Antriebe gegen ihn mildthätig gewesen zu sein: ihm mache das Schenken mehr Vergnügen, als dem Beschenkten die Gabe machen könne. So kam Refo nach Norwegen zurück, sein Partner weigerte sich sein Pfand zu lösen; deshalb erschlug ihn Refo, raubte die Tochter des Goto und brachte sie dem Götrik als Geschenk.

Nachdem Gotricus, der auch Godfridus genannt wird, in auswärtigen Kriegsunternehmungen seinen Ruhm und seine Herrschaft mit grossem Glücke vermehrt hatte, legte er, was unter seinen Thaten besonders hervorzuheben ist, den Sachsen einen Tribut in der Form auf, dass ihre Herzöge, so oft bei den Dänen ein Regierungswechsel eintrat, dem neuen Könige bei der Thronbesteigung hundert schneeweisse Rosse darbringen mussten, und dass, wenn der Wechsel der Dinge den Sachsen einen neuen Herzog brachte, auch dieser bei seinem Regierungsantritte durch Darbringung desselben Zinses sich vor dem Glanze der dänischen Krone beuge, damit er die Oberherrschaft unseres Volkes und seine eigene Lehensabhängigkeit in feierlicher Weise zur Anerkennung bringe. Er begnügte sich aber nicht mit der Unterwerfung Deutschlands, sondern machte auch einen Versuch, Schweden zu gewinnen und zwar vermittels des Refo, den er zu der Gesandtschaft bestimmte. Offen ihn zu töten scheuten sich die Schweden, sie unternahmen aber heimlichen Mord und räumten ihn durch den Fall eines Steines im Schlafe aus dem Wege: sie liessen nämlich einen in der Höhe aufgehängten Mühlstein durch Zerschneidung der Fesseln auf sein Haupt fallen. Zur Sühnung dieser Schuld wurde bestimmt, dass die Anstifter des Mords je zwölf Pfund Gold und ein jeder Mann aus dem Volke eine Unze desselben Metalls dem Götrik zahlen sollten. Sie nannten das den Fuchszins[71].

[401] Es begab sich inzwischen, dass Carolus, der König der Franken, das besiegte Deutschland nötigte, nicht nur das Christentum anzunehmen, sondern auch seine Herrschaft anzuerkennen. Da griff Götrik die Stämme an der Elbe an und versuchte die Sachsen, welche sich willig dem Joche Karls beugten und vom dänischen Reiche sich zum römischen gewandt hatten, wieder, wie früher, unter seine Herrschaft zu bringen. Karl war nach seinen Siegen über den Rhein zurückmarschiert und unterliess es deshalb, durch den Fluss gehindert, sofort dem eindringenden Feinde entgegenzutreten. Als er sich dann entschloss, den Fluss wieder zu überschreiten, um die Dänen niederzuwerfen, wurde er von Leo, dem Bischofe von Rom, zum Schutze der Stadt dahin gerufen; er gehorchte dem Rufe und überliess die Aufgabe, den Krieg gegen Götrik zu führen, seinem Sohne Pipinus; während er selbst gegen den Feind in der Ferne im Felde liege, sollte Pippin die gegen den Nachbar begonnene Kriegsunternehmung leiten; denn es war notwendig, dass er, [298] 298durch eine zwiefache Sorge in Anspruch genommen, durch eine Teilung der Mannschaft nach beiden Seiten hin Abhilfe schuf.

Inzwischen trug Götrik einen glänzenden Sieg über die Sachsen davon, sammelte dann von neuem seine Mannen und beschloss, mit einer bedeutend vermehrten Streitkraft den Schimpf des Verlustes der Herrschaft nicht allein an den Sachsen, sondern auch an dem ganzen Volke der Deutschen zu rächen. Zuerst besetzte er mit seiner Flotte Friesland. Dieses Land liegt sehr flach und, wenn die Deiche, welche die Fluten abwehren, durch das wütende Meer durchbrochen werden, ergiesst sich die ganze Masse der Überflutung über seine freien Felder. Den Friesen legte Götrik einen nicht eigentlich drückenden, aber ungewöhnlichen Zins auf. Dessen Art und Weise will ich kurz darlegen: zunächst wurde ein Gebäude errichtet, zweihundertvierzig Fuss lang,

  Morde erlegen musste; dass jeder Schwede für die Ermordung Refs eine Unze zahlt, ist wohl ein Zusatz Saxos (Ranisch, Die Gautrekssage [Berlin, 1900] LIV.

[402] geteilt in zwölf Räume, deren jeder eine Tiefe von zwanzig Fuss hatte; die Verwendung des ganzen Raumes ergab also die obengenannte Gesamtlänge. Am Anfange dieses Gebäudes sass nun der königliche Schatzmeister, am anderen Ende ihm gegenüber wurde ein Rundschild aufgehängt. Wenn nun die Friesen den Zins entrichten wollten, so warfen sie ihre Geldstücke einzeln in die Höhlung dieses Schildes; nur diejenigen wurden von ihm für den Königszins auserlesen und berechnet, welche aus der Entfernung mit deutlichem, lautem Tone das Ohr des Steuererhebers trafen; nur die Münzen berechnete und nahm für den königlichen Schatz der Erheber ein, deren Auffallen auf den Schild sein Ohr aus der Ferne vernommen hatte; die Münze aber, deren Schall schwächer war und nicht bis in die Hörweite des Rechners drang, die wurde zwar auch für den Schatz eingenommen, aber sie liess die Summe nicht vorrücken. Wenn also mehrere geworfene Münzen das Ohr des Erhebers nicht mit deutlich wahrnehmbarem Schalle trafen, so verbrauchten die Friesen, ehe sie die Summe ihres Zinses erreichten, inzwischen viel Gold in wirkungsloser Zahlung. Von der Last dieses Zinses sollen sie später durch Karl befreit worden sein. Als Götrik Friesland durchzogen hatte und nach der Rückkehr Karls von Rom beabsichtigte, über die entfernteren Striche Deutschlands herzufallen, wurde er von einem seiner Mannen überfallen und fand seinen Tod durch das Schwert eines untreuen Landsmanns. Sein Tod war für Karl eine grosse Freude; er gestand, dass das Glück ihn durch nichts mehr hätte erfreuen können, als durch diesen Zufall. [403]


Neuntes Buch.

[299] 299Olawus, der Sohn des Götrik, war nach dem Tode seines Vaters König. Er verwickelte, um den Vater zu rächen, das Land in innere Kämpfe und liess die Sorge für das Staatswohl hinter einem persönlichen Interesse zurücktreten. Nach seinem Tode wurde der Leichnam in einem Grabhügel geborgen, der bei Lethra errichtet wurde und als Olavhügel allbekannt ist.

Ihm folgte Hemmingus; von ihm habe ich nichts Erwähnenswertes gefunden, nur hat er mit Kaiser Ludowicus einen beschworenen Frieden geschlossen. Wahrscheinlich sind noch mehr wichtige Ereignisse seiner Zeit durch die Missgunst der Geschichte verschleiert, mögen sie auch noch so bedeutend gewesen sein.

Nach diesen war König Siwardus, mit dem Beinamen Ring, den sein gleichnamiger Vater, der Fürst von Norwegen, einst mit einer Tochter des Götrik gezeugt hatte, allerdings nur über Schonen und Seeland; denn Jütland hatte sein Vetter Ringo in der Hand, auch ein Enkel des Götrik. So war die Herrschaft über ein Reich geteilt, und da jede Hälfte wegen ihrer geringen Ausdehnung unbedeutend erschien, wurde das Land von den Nachbarn über die Schulter angesehen, ja sogar angefallen. Diese äusseren Feinde verfolgte Siward mit grösserem Hass, als seinen Mitbewerber in der Herrschaft; die auswärtigen Kriege waren ihm wichtiger als der innere, und fünf Jahre lang gewährte er unermüdlich dem Lande seinen Schutz gegen die Gefahren; um nach aussen heilend [404] aufzutreten, wollte er gern im Innern eine Wunde ertragen. Daher benutzte Ring in seinem Streben, die Herrschaft über das ganze Reich in seine Hände zu bringen, die Blösse der Herrschaft des Siward und griff den zu Hause an, der draussen Wache hielt. [300] 300Er fiel in die Reichsteile ein, die jenem gehörten, und lohnte somit dem Verteidiger des gemeinsamen Vaterlandes mit Undank. Daher riefen einige eifrige Anhänger des Siward aus Seeland, um die Treue gegen den Abwesenden lauterer zu wahren, seinen Sohn Regner zum Könige aus, obgleich dieser kaum aus den Kinderjahren heraus war; sie wussten wohl, dass er zur Regierung eigentlich noch zu jung war, sie wollten aber durch die Aufstellung des Sohnes des geliebten Königs die Lauen gegen den Ring ins Feld bringen. Da nun Ring hörte, dass Siward auf dem Rückwege von seinem Feldzuge sei, griff er die Seeländer mit grosser Macht an und drohte ihnen, er werde sie alle über die Klinge springen lassen, wenn sie sich ihm nicht beugten. Die Seeländer, so vor die Wahl zwischen Schande und Tod gestellt, erbaten einen Waffenstillstand zur näheren Überlegung; denn ihre geringe Anzahl liess sie einen erfolgreichen Widerstand nicht erhoffen. Er wurde ihnen gewährt, und sie wurden nun lange zwischen Furcht und Ehrgefühl umhergetrieben: an Siward festzuhalten erschien nicht möglich, an Ring sich anzuschliessen nicht ehrlich. Wo selbst die Alten keinen Rat fanden, da sagte Regner, der in der Versammlung anwesend war: „Ein kurzer Bogen schiesst rasch seinen Pfeil. Wenn ich auch in knabenhaftem Beginnen den Worten der Alten vorzugreifen scheine, so wage ich doch um Nachsicht gegen meine Irrtümer und um Verzeihung für meine unreifen Worte zu bitten. Ein Mahner zur Klugheit ist ja nicht zurückzuweisen, selbst wenn er verächtlich erscheint. Mit gelehrigem Sinne muss man den Nachweis des Zuträglichen hinnehmen. Als Verräter und Uberläufer bezeichnet zu werden ist schimpflich, über die Kräfte zu wagen ist unbesonnen, gleicher Tadel trifft beide Seiten; deshalb muss der Feind durch scheinbaren Übertritt in die Falle gelockt werden, aber sobald sich nur die Möglichkeit [405] bietet, muss er auch in sofortigem Abfalle im Stiche gelassen werden. Es wird geratener sein, dem Zorne des Feindes durch scheinbare Willfährigkeit vorzubeugen, als durch abschlägliche Antwort ihn zu einem schärferen Verfahren gegen uns zu reizen. Denn wenn wir das Verlangen des Stärkeren zurückweisen, so wüten wir absichtlich gegen unser eigenes Fleisch. Oft giebt Verbergen der wahren Neigung der Täuschung ungeahnte Kraft. Mit List muss man den Fuchs fangen“.

Sein heilsamer Rat beendete das Schwanken und verschaffte dem Feinde eine, freilich nur schädliche, Verstärkung. Die Versammlung bewunderte die Beredsamkeit und die Klugheit des jungen Prinzen und stimmte freudig dem vortrefflichen Vorschlage zu, den man nach seinen Jahren gar nicht hätte von ihm erwarten sollen. Auch brauchte man sich nicht zu schämen, wo die Greise keinen Rat wussten, den Mahnungen eines Knaben zu folgen; denn wenn diese auch von einem Unerwachsenen herkamen, so waren sie doch voll von gewichtiger, unsträflicher Belehrung. Den Ratgeber aber wollten sie der drohenden Gefahr nicht preisgeben, sondern schafften ihn zur Erziehung nach Norwegen. Kurz darauf stiessen Ring und [301] 301Siward in einer blutigen Schlacht aufeinander: Ring fiel, aber auch Siward wurde zum Tode getroffen und starb nach wenigen Tagen an seiner Wunde.

Ihm folgte Regner im Königtume. Zu dieser Zeit erschlug Frö, der König von Schweden, den König von Norwegen Siwardus und schickte die Frauen der Hofleute des Siward ins Hurenhaus und gab sie der öffentlichen Unzucht preis. Auf die Nachricht davon eilte Regner nach Norwegen, um seinen Grossvater zu rächen. Als er ankam, strömten viele Frauen, die teils jüngst entehrende Behandlung hatten erdulden müssen, teils in nächster Zeit für ihre Keuschheit fürchteten, in männlicher Kleidung eifrig in sein Lager zusammen; lieber wollten sie den Tod, als die Schande. Unbedenklich nahm er, der ein Rächer der den Frauen angethanen Schmach sein wollte, gegen den Vater der Schande die Hilfe derer an, deren schimpfliche Behandlung zu rächen er gekommen war. Unter diesen war auch die Lathgertha, eine kriegserfahrene Frau, die mit männlichem [406] Mute in der jungfräulichen Brust, mit ihrem auf die Schultern fallendem Haare voran unter den tüchtigsten Streitern kämpfte. Alle bewunderten ihre unvergleichliche Kampfeshilfe, – denn das bis auf den Rücken hinabwallende Haupthaar verriet sie als Frau, – Regner aber forschte nach Niederwerfung des Mörders seines Grossvaters bei seinen Kriegsgefährten viel nach dem Mädchen, das er im Kampfe in den ersten Reihen gesehen hatte; er bekannte, dass er den Sieg der Kraft einer einzigen Frau zu danken habe. Als er erfuhr, das sie einem in Norwegen als edel geltenden Geschlechte entstamme, warb er nachdrücklich um sie durch eine Gesandtschaft. Sie verachtete zwar im Herzen die Werbung, stimmte aber zum Scheine zu. Als sie durch ihre trugvolle Antwort den verliebten Freier hatte glauben lassen, dass sein Wunsch erfüllt würde, da liess sie im Vorhofe ihres Palastes einen Bären mit einem Hunde zusammen anbinden, um durch diese wilden Tiere ihr jungfräuliches Gemach gegen alles Ungestüm des Liebhabers zu schützen. Regner aber bestieg, ermutigt durch die günstige Botschaft, ein Schiff, durchfuhr das Meer, hiess sein Gefolge in Gölerdal – so heisst ein Thal – zurückbleiben und begab sich allein zum Palaste der Jungfrau. Hier wurde er von den Bestien schlimm begrüsst, aber die eine durchbohrte er mit dem Speere, die andere fasste er bei der Kehle, drehte ihr den Hals um und erwürgte sie: so wurde die Jungfrau der Preis für die überwundene Gefahr. Aus dieser Ehe erwuchsen ihm zwei Töchter, deren Namen nicht überliefert sind und ein Sohn, Fridlewus; darauf feierte er drei Jahre.

Da man annahm, er werde immer bei der jungen Frau bleiben, bewogen die Jüten, ein unbotmässiger Menschenschlag, die Schonen zu einem Bündnisse und griffen die Seeländer an, die mit grosser Liebe an Regner hingen. [302] 302Auf die Nachricht hiervon setzte Regner dreissig Schiffe in stand, und nach günstiger Fahrt überraschte und schlug er die aufständischen Schonen bei der Ortschaft Whiteby; nach Ablauf des Winters kämpfte er glücklich mit den am Limfjord wohnenden Jüten. Als er ebenso zum dritten und vierten Male Schonen und Halland [407] mit glücklichem Erfolge niedergeworfen hatte, schied er sich von der Lathgertha, weil er seine Liebe der Thora, der Tochter des Königs Herothus, zuwandte und sie zur Frau nehmen wollte. Er dachte übel von der Treue seiner Gemahlin, weil er sich erinnerte, dass sie dereinst zu seinem Verderben wilde Tiere ihm entgegengestellt hatte.

Das Gefolge des Heroth, Königs der Schweden, hatte auf einer Jagd im Walde Schlangen gefunden, und er hatte deren Pflege seiner Tochter übertragen; sie gehorchte willig dem Befehle des Vaters und zog das Otterngezücht mit ihren jungfräulichen Händen auf; sie trug auch Sorge, dass eine jede zu ihrer Sättigung jeden Tag eine ganze geschlachtete Kuh erhielt und wusste nicht, dass sie mit dieser ihrer Fütterung ein Unheil für das ganze Land gross zog. Als sie nun heranwuchsen und mit ihrem vergifteten Hauche die Nachbarschaft versengten, da überkam den König die Reue über das verkehrte Beginnen, und er versprach dem die Tochter zur Frau, der die Plage beseitige. Diesem Aufrufe zur Bewährung der Tapferkeit und dem Locken der Minne folgte die Jugend in Scharen, aber ihr gefährliches Ringen war erfolglos.

Diese Wundermär vernahm Regner von fahrenden Leuten und liess sich von seiner Nährmutter einen wollenen Mantel und recht zottige Hosen geben, um damit die Bisse der Schlangen unschädich zu machen. Zum Schutze meinte er eine recht haarige Kleidung nehmen zu müssen, sie durfte ihn aber auch nicht in rascher Bewegung hemmen. Als er zu Schiff nach Schweden kam und Kälte einfiel, legte er sich mit Fleiss ins Wasser, liess sein Kleid sich vollsaugen und dann in der Kälte steif frieren; so konnte kein Biss durchdringen. Er ermahnte beim Abschiede sein Gefolge, seinem Sohne Fridlew treu zu bleiben und zog allein in seiner Kleidung zur Königsburg. Als er sie zu Gesicht bekam, band er das Schwert an seine Seite und nahm einen Riemenspeer in seine Rechte. Als er weiter schritt, schlängelte sich eine ungeheure Schlange ihm entgegen, und eine andere, ebenso grosse, kroch ihr gleitend nach. Sie mühten sich, den Mann bald mit dem ringelnden Schwanze zu Boden zu schlagen, [408] bald mit ihrem durchdringenden, giftigen Geifer zu bespeien. Die Hofleute suchten sich ein sicheres Versteck und sahen sich wie furchtsame Mägdlein die Sache aus der Ferne an. Auch der König war in gleichem Schrecken mit wenigen Mannen in ein enges Gemach geflohen. Aber Regner vertraute auf seine hartgefrorene Kleidung, machte alles Anspringen der giftigen Tiere mit den Waffen [303] 303und mit dem Anzuge zu nichte, und er allein erwehrte sich, unermüdlich im Kampfe, des aufgesperrten Rachens der zweie, die hartnäckig das Gift gegen ihn schleuderten; denn die Bisse machte er mit dem Schilde, das Gift mit dem Kleide unschädlich. Zuletzt entsandte er den Speer aus seiner Hand und schleuderte ihn mit Kraft in den Leib der Tiere, die ihn anfielen; beider Herzen zerriss er damit, und so endete der Kampf für ihn glücklich. Der König betrachtete verwundert seinen Anzug, den er so rauh und zottig sah; vorzüglich aber erregte das steifgefrorene Unterkleid und das unschöne Aussehen der Hosen seinen Spott, und er nannte ihn im Scherze Lothbrog[72]. Er ladet ihn auch zur Erfrischung nach seiner Anstrengung mit seinen Freunden zum Mahle; er aber sagte, er wolle erst wieder zu seinen Leuten gehen, die er zurückgelassen hätte. Er ging und führte sie, wegen des bevorstehenden Festmahls zierlich gekleidet, heran. Erst nach Vollendung des Gastmahls erhielt er den ausgesetzten Siegespreis. Mit der Königstochter zeugte er zwei treffliche Söhne, Rathbartus und Dunwatus; zu diesen kamen dann noch Siwardus, Biornus, Agnerus und Iwarus als natürliche Brüder.

Inzwischen hatten die Jüten und Schonen, durch ihren unstillbaren Drang nach Aufruhr angefeuert, den Regner abgesetzt und einen gewissen Haraldus auf den Thron gehoben. Gegen sie bat Regner in Norwegen durch Boten um freundschaftliche Hilfe, und so ging Lathgertha mit Mann und Sohn zu Schiffe; die erste Liebe erfüllte ihr Herz noch zum Überströmen. Hundert und zwanzig Schiffe brachte sie dem, der sie einst verstossen hatte. Er glaubte Hilfe nehmen zu [409] müssen, wo sie sich böte, suchte Unterstützung bei jeder Altersstufe, paarte Schwache mit kräftigen Männern, reihte unbedenklich Greise und Knaben in die Keile der Helden. So kam es auf dem Felde, welches zu deutsch das Wollfeld heisst, mit den aufständischen Schonen, die er zuerst niederwerfen wollte, zu einer gewaltigen Schlacht. Iwar, erst sieben Jahre alt, kämpfte zu aller Verwunderung und zeigte, dass in seinem kleinen Körper die Kraft eines Erwachsenen wohnte. Siward aber stürzte bei seinem unerschrockenen Eindringen auf den Feind zu Boden und erhielt im Fallen eine Wunde. Dieser Umstand machte die Mannen, die es sahen, bestürzt und liess sie nach einer Flucht sich umsehen: nicht nur Siward sank zu Boden, sondern mit ihm fast aller Kampfmut von Regners Anhang. Jedoch die bestürzten und entmutigten Kämpfer richtete Regner mit mannhaftem Beispiele und Mahnworte wieder auf und trieb die aller Siegeshoffnung Baren an, den Sieg zu erzwingen. Auch Lathgertha, in deren zarten Gliedern unvergleichlicher Mut lebte, verdeckte die Neigung der zagenden Mannen durch ihr glänzendes Vorbild in der Tapferkeit. [304] 304Durch eine geschickte Schwenkung kam sie den Feinden unvermutet in den Rücken, und nun hatten nicht mehr die Freunde, sondern die Feinde zu fürchten. Schliesslich lockerte sich die Schlachtreihe des Harald, und er wurde unter ungeheuerem Verluste an seinen Leuten in die Flucht geschlagen. Als Lathgertha aus der Schlacht nach Hause kam, erstach sie mit einer Pfeilspitze, die sie im Kleide verborgen hatte, bei Nacht ihren Gemahl und übernahm an seiner Statt die Herrschaft über das Reich. Der trotzige Sinn der Frau wollte nicht das Reich mit dem Gemahle teilen, sondern ohne Mann herrschen.

Unterdessen wurde Siward in eine Stadt, die in der Nähe des Schlachtfeldes lag, geschafft, und er vertraute sich den Händen der Ärzte zur Heilung seiner Wunde an. Die Ärzte gerieten vollständig in Verzweiflung, da die Grösse der Wunde jedes Heilmittel unwirksam machte; da sah man, wie ein Mann von erstaunlicher Grösse an das Bett des Kranken trat; er versprach, ihn sofort gesund zu machen, wenn er ihm die [410] Seelen aller, die er erschlüge, überlassen wollte. Er verschwieg auch seinen Namen nicht, sondern sagte, er hiesse Rostarus. Da Siward sah, dass er sich durch ein Versprechen, was wenig koste, eine grosse Wohlthat verschaffen könnte, so sagte er hastig Erfüllung der Bedingung zu. Da strich der Alte mit seiner Hand über die missfarbene eiternde Wunde, und sofort war sie verschwunden, und eine Narbe zog sich plötzlich darüber. Beim Weggehen streute er noch Staub über seine Augen. Dieser Staub liess durch plötzlich hervortretende Flecke in den Augen, die einen starren Blick erhielten, eine ungemeine Ähnlichkeit mit kleinen Würmern entstehen. Ich denke, der dies Wunder vollbrachte, wollte durch das redende Zeugnis der Augen die zukünftige harte Gesinnung des Jünglings zur Erscheinung bringen; das scharfsichtige Glied des Körpers sollte nicht ohne eine Vorempfindung des künftigen Lebens bleiben. Als die alte Frau, die ihm die Heiltränke besorgte, ihn in seinen Augen die gesprenkelte Zeichnung tragen sah, da erschrak sie über das neue, schaudererregende Aussehen des Jünglings so, dass sie plötzlich zu Boden stürzte und ohnmächtig wurde. Daher erhielt Siward weit und breit den Beinamen Schlangenauge[73].

Inzwischen raffte eine heftige Krankheit die Thora, die Gemahlin des Regner, dahin; ihr Tod schuf dem Gemahle, der mit grosser Liebe an ihr hing, unsagbaren Kummer. Ihn meinte er am besten durch Beschäftigung zu verscheuchen und beschloss Trost in der Kriegsübung zu suchen und seinen Schmerz durch Kampfarbeit zu lindern. Da er also seine Gedanken auf Krieg gerichtet hatte, um seinen Kummer zu stillen und einen Trost zu gewinnen, bestimmte er, dass ein jeder Hausvater ihm den Sohn zum Kriegsdienste stelle, den er für den Unbedeutendsten hielte oder auch einen faulen und unzuverlässigen Knecht. [305] 305Dieser Erlass schien zwar zu dem Vorhaben schlecht zu stimmen, gab aber die Lehre, dass die schwächsten Dänen immer noch besser waren, als die [411] kräftigsten Männer anderer Völker und brachte der Jugend grosse Förderung; denn die Gestellten wetteiferten, den Makel der Schlaffheit zu tilgen. Ausserdem traf er die Einrichtung, dass jeder Rechtshandel dem Urteilsspruche von zwölf erfahrenen Männern überwiesen würde, dass weitere gerichtliche Förmlichkeiten nicht geduldet, auch Beschuldigungsrede des Anklägers und Verteidigungsrede des Angeklagten nicht gestattet werden sollten. Durch dieses wohlthätige Gesetz wurde nach seiner Ansicht das leichtfertige Anhängigmachen von Streitsachen aus der Welt geschafft, auch den Ränken der Böswilligen ausreichend entgegengetreten. Nunmehr wandte er seine Waffen gegen Britannien, verwickelte den König dieses Landes, Hama, den Vater des vortrefflichen Hella, in einen Kampf und erschlug ihn. Darauf tötete er die Herrscher von Schottland und Petland und der Inseln, die man südliche oder mittägige[74] nennt, und überwies die herrenlosen Striche seinen Söhnen Siward und Rathbart. Auch Norwegens König beseitigte er mit Gewalt und wies das Land an Fridlew; diesen machte er auch zum Herrn über die Orkaden, die ihren heimischen Fürsten verloren.

Inzwischen sann eine Gruppe unter den Dänen[75], bei denen der Hass gegen Regner besonders lebendig war, auf Abfall, wandte sich dem einst aus dem Lande geflohenen Harald zu und versuchte, ihm die verlorene Herrschaft wieder zu verschaffen. Durch dieses freche Unterfangen riefen sie die Furien eines Bürgerkrieges gegen den König wach und verwickelten ihn im Inlande in Gefahren, die er vom Auslande nicht zu fürchten hatte. Um sie niederzuwerfen, kam Regner mit einer Flotte der Inseldänen, zersprengte den Haufen der Aufständischen und nötigte den Führer des geschlagenen Heeres Harald zur Flucht nach Deutschland; so musste er sein Königtum, das er unredlich erworben hatte, mit Schanden wieder aufgeben. Die Gefangenen begnügte er sich nicht einfach zu töten, sondern liess sie erst foltern; [412] die von ihrem ruchlosen Sinne nicht hatten lassen wollen, die sollten auch das Leben nur unter martervoller Strafe aufgeben. Die Güter derer, die mit Harald ins Ausland geflohen waren, verteilte er unter seine Kriegsleute; das sollte empfindliche Strafe sein für die Väter, wenn sie sehen mussten, dass ihre Lieblingssöhne das Gut verloren, und ihre Erbschaft mit ihren Ehren an die Kinder überging, die sie selbst durch ihr Urteil verstossen hatten. Aber auch so war sein Rachedurst noch nicht gestillt: er beschloss nun, noch Sachsen anzufallen, weil da seine Feinde und Harald Aufnahme und Schutz fanden; er nahm seine Söhne zu Hilfe und stiess auf Karl, der damals in diesen Strichen seines Reiches weilte. Die vorgeschobenen Posten Karls überrumpelte er und schnitt sie ab; nun hielt er das Weitere für leicht und einfach durchzuführen; [306] 306da aber mahnte den Kaiser mit heilsamer Weissagung eine Frau, kundig der Zukunft, wie ein Orakel vom Himmel und ein Dollmetsch des göttlichen Willens, sie beugte der nahenden Gefahr glücklich durch ihren Spruch vor, indem sie verkündete, dass die Flotte des Siward in die Mündung der Seine eingelaufen sei. Der Kaiser liess die Mahnung nicht unbeachtet, deutete sie auf das Herannahen der Feinde und traf Vorkehrungen, den ihm angekündigten Ausländern in Kampfbereitschaft entgegenzutreten und sie aufzuhalten. Es kam zum Kampfe mit Regner, jedoch Karl hatte zwar die Warnung vor der Gefahr richtig aufgefasst, kämpfte aber in der Schlacht nicht mit demselben Glück. Der unermüdliche Bezwinger von fast ganz Europa musste, nachdem er in strahlendem Siegeszuge einen grossen Teil des Erdkreises durchmessen hatte, sehen, wie sein Heer, das so viele Staaten, so viele Stämme besiegt hatte, jetzt dem Kampfe den Rücken wandte, niedergeworfen von der kleinen Schar eines einzigen Ländchens.

Als Regner den Sachsen einen Zins auferlegt, sichere Nachricht aus Schweden von dem Tode des Heroth erhalten und erfahren hatte, dass dessen Kinder durch die Bosheit des neuen Königs Sorlus aus dem grossväterlichen Besitze verdrängt waren, ging er, nachdem er Biorn, Fridlew und Rathbarth [413] um ihre Beteiligung gebeten hatte – denn Regnaldus, Withsercus und Ericus, die er mit der Swanlogha erzeugt, hatten noch nicht das waffenfähige Alter erreicht – nach Schweden. Sorlus trat ihm mit einem Heere entgegen; es wurde ihm die Wahl gestellt zwischen einer allgemeinen Schlacht und einem Zweikampfe; er wählte den Zweikampf und brachte einen bewährten Kämpen heran, Skarchdhus, der mit einer Schar von sieben Söhnen eintreten sollte. Regner nahm seine drei Söhne zu Mitkämpfern, begann vor den Augen beider Heere den Kampf und schied aus ihm als Sieger. Biorn erhielt, weil er unverletzt den Feind überwunden hatte, gleichsam von der Festigkeit seiner eisernen Seite einen dauernden Beinamen. Durch diesen Sieg erhielt Regner die Zuversicht, die ganze Gefahr zu bestehen, griff den Sorlus und alle seine Truppen an, die er herangeführt hatte, und erlegte ihn. Den Biorn betraute er wegen des Verdienstes seiner hervorragenden Tapferkeit mit der Verwaltung von Schweden, er selbst ruhte einige Zeit von den Kriegen aus.

In dieser Ruhezeit verliebte er sich heftig in ein Mädchen, und um sich einen leichteren Zugang zu ihrem Genusse zu verschaffen, trachtete er eifrig mit ehrendem Entgegenkommen nach der Gunst des Vaters. Oft lud er ihn zu Tische und erwies ihm zuvorkommend alle Dienste der Höflichkeit: wenn er kam, ehrte er ihn durch Aufstehen, bei Tische durch den Sitz an seiner Seite. Oft auch erfreute er ihn durch Geschenke, bisweilen durch gütige Ansprache. [307] 307Da der Mann sich sagen musste, dass diese ausserordentliche Ehrung nicht durch ein Verdienst von seiner Seite veranlasst war und über ihren Grund hin und her nachsann, wurde ihm klar, dass diese unerklärte Freundlichkeit des Königs von der Liebe zu seiner Tochter herrühre, dass der König nur seine wolllüstige Absicht mit dem Scheine der Herablassung bemäntelte. Um die geriebene Schlauheit des Liebenden zu täuschen, liess er sie um so sorgfältiger bewachen, als er bemerkte, dass ihre Huld zwar still, aber mit Ausdauer gesucht wurde. Als aber Regner sich ihrer Zustimmung zu seiner Freude versichert hatte, begab er sich in das Dorf, in dem sie gehütet wurde [414] und suchte ohne Begleitung bei einem Bauer in der Nachbarschaft Unterkunft: die Liebe, dachte er, findet überall ihren Weg. Von Frauen entlieh er die Kleidung und half nun am Morgen in Frauenkleidung dem Liebchen beim Wollespinnen und legte listig mit Hand an bei der Frauenarbeit, von der er nichts verstand, um sich nicht zu verraten; bei Nacht aber fand er Erfüllung seines Wunsches in den Armen der Jungfrau. Als nun die Frucht reifte, und die Verletzung der Keuschheit sich an dem schwellenden Leibe des Mädchens zeigte, da bemühte sich der Vater, der ja nicht sicher war, wem sie sich hingegeben hatte, von ihr selbst den unbekannten Schwängerer zu erfahren. Als sie aber hartnäckig daran festhielt, dass niemand ausser ihrer Magd ihr Lager geteilt habe, da überwies er den Fall dem Könige zur Untersuchung. Der wollte die unschuldige Magd nicht unter der ungeheuerlichen Beschuldigung leiden lassen und war ehrlich genug, durch das Bekenntnis seines eigenen Vergehens die fremde Unschuld zu erweisen. Durch dieses anständige Eintreten mit seiner Person entzog er allem bösen Gerede der Weiber den Boden[76] und verhütete, dass ein lächerliches Gerücht noch weiter durch böswillige Ohren ging. Er erklärte, dass der zu erwartende Sohn sein Fleisch und Blut sei, und dass er wünsche, er solle Ubbo genannt werden. Als dieser etwas herangewachsen war, eignete er sich trotz seines jugendlichen Alters eine reife Unterscheidungsgabe an. Die Mutter nämlich umfasste er mit Liebe, weil sie mit einem vornehmen Manne sich eingelassen habe, den Vater aber wollte er nicht achten, weil er zu einer allzu niedrigen Verbindung herabgestiegen sei.

Darnach rüstete Regner zu einem Zuge gegen die Hellespontier, berief die Dänen zu einer Volksversammlung und versprach dem Volke heilsame Gesetze zu geben; dann erliess er den Befehl, wie früher ein jeder Vater den Sohn [415] zum Kriegsdienste gestellt hätte, den er am geringsten geschätzt hatte[77], so sollte er jetzt den kräftigsten Sohn und den treuesten Knecht bewaffnen. Darauf nahm er alle Söhne, die er mit Thora gezeugt hatte – [308] 308den Ubbo nicht – zu sich und unterwarf auf einem Kriegszuge den Hellespont und seinen König Dian, nachdem dieser durch verschiedene Schlachten gebrochen war. Schliesslich tötete er ihn, nachdem er in viele Fahrnisse verwickelt worden war. Seine Söhne Dian und Daxon, die vordem Töchter des Russenfürsten zu Frauen genommen hatten, erhielten Hilfe von ihrem Schwiegervater und gingen mit glühendem Eifer daran, ihren Vater zu rächen. Als Regner ihr zahlloses Heer sah, und seine kleine Schar ihm keine Siegeshoffnung bot, da liess er eherne Rosse auf rollende Räder[78] setzen, auf leichtbeweglichen Wagen herumfahren und rasend schnell gegen die dichtesten Reihen der Feinde treiben. Dieser Umstand wirkte so auf die Lockerung der Schlachtreihe der Feinde, dass die Hoffnung auf Sieg mehr auf dem beweglichen Kunstwerke, als auf den Mannen beruht zu haben schien; denn dessen unwiderstehliche Wucht warf alles nieder, worauf es traf. Der eine Führer fiel im Kampfe, der andere entfloh, das ganze Heer der Hellespontier wich. Auch die Skythen, die mit Daxon durch die Mutter eng verwandt waren, sollen durch dieselbe Höllenmaschine niedergeworfen worden sein. Ihr Land wurde dem Withserk überwiesen; der König der Russen, der seiner Kraft nicht traute, entrann in rechtzeitiger Flucht den schrecklichen Waffen des Regner.

[416] Regner hatte auf beinahe fünfjährigem Wikingerzuge alle anderen Länder sich rasch unterworfen, als er erfahren musste, dass die Biarmier, die jüngst vollständig besiegt waren, sich als unzuverlässige Unterthanen erwiesen und offen den Gehorsam verweigerten. Als sie von seinem Heranzuge hörten, richteten sie ihren Zauber gegen den Himmel, setzten die Wolken in heftige Bewegung und liessen unter starkem Sturme gewaltigen Regen niederströmen. Dieser Umstand hemmte für geraume Zeit die Fahrt der Dänen und liess bei ihnen Mangel an Lebensmitteln entstehen. Als dann das böse Wetter plötzlich nachliess, brieten sie unter glühendem Sonnenbrande; diese Qual war nicht minder unerträglich, als die herbeigezauberte grosse Kälte. Somit traf umschichtig die Dänen in beiden Fällen die böse Wirkung der excessiven Witterung, das übermässige Anwachsen beider Temperaturgrade liess sie gleichmässig erkranken; vielen brachte ein heftiger Durchfall den Tod. So entstand bei den Dänen, die der wechselnden Witterung preisgegeben waren, tödlicher Körperverfall, und sehr Viele starben. Als nun Regner sah, dass nicht natürliche, sondern auf Zauberei beruhende Witterung ihn hemmte, da ging er in mühseliger Fahrt, so gut es gehen wollte, in das Land der Kuren und Samländer; diese nahten seiner Hoheit mit tiefer Verehrung, gleich als käme er mit dem ehrenvollsten Siege. Diese Freundlichkeit brachte den König noch mehr gegen die unverschämten Biarmier auf, und er suchte Rache für den Ungehorsam gegen seine Hoheit in einem unvermuteten Überfalle. [309] 309Ihr König unbekannten Namens, durch den plötzlichen Einbruch der Feinde ausser Fassung gebracht und ohne Vertrauen zu einem Kampfe mit ihnen, suchte Zuflucht bei Matullus, dem Herzoge von Finnmarken. Sich stützend auf die Hilfe von dessen erfahrenen Bogenschützen that er dem Heere des Regner, der in Biarmaland Winterquartiere genommen hatte, empfindlichen Abbruch, ohne dass ihm beizukommen war. Denn da die Finnen sich auf die Kunst verstehen, ihren Lauf durch schnellgleitende Schneeschuhe zu beschleunigen, so stürmen sie mit einer Schnelligkeit, die ganz in ihrem [417] Belieben liegt, heran, und sie haben die Macht zur rechten Zeit zu erscheinen und wieder zu verschwinden. Denn sobald sie dem Feinde einen Verlust beigebracht haben, fliegen sie davon mit derselben Schnelligkeit, mit der sie gekommen sind, und ihr Rückzug vollzieht sich ebenso hurtig wie ihr Vorstoss. Also gewährt ihnen ihre und der Schneeschuhe Behendigkeit das Mittel, schnell anzugreifen und schnell zu entfliehen. Regner mag damals wohl die Schwäche seiner Lage mit Erstaunen betrachtet haben; musste er doch sehen, dass ihm, der einst über das hohe römische Reich triumphiert hatte, jetzt von einem unbewaffneten und ungeordneten Haufen die vollständige Vernichtung drohte. Er, der das hochgeachtete Kriegsvolk des römischen Reiches und die berühmten Scharen des grössten und erlauchtesten Feldherrn mit Ruhm zu Boden gestreckt hatte, zog jetzt den Kürzeren gegenüber der verächtlichen und schwachen Rüstung eines elenden Haufens; er, dessen Kriegsruhme früher die Kraft des tapfersten Volkes keinen Abbruch hatte thun können, er konnte jetzt der kleinen Schar eines ungeachteten Stammes nicht standhalten. So musste er sich dazu verstehen, mit dem Heere, mit dem er die leuchtendste Pracht des Erdkreises und das gewuchtigste Rüstzeug der Kriegskraft so tapfer niedergeworfen hatte, mit dem er das Tosen so vieler Streiter zu Fuss und zu Ross bei lichtem Tage zum Schweigen gebracht, nun ein elendes, unbekanntes Völkchen heimlich und wie ein Räuber anzufallen und durfte sich nicht schämen, seinen strahlenden Ruhm, den er in offenem Kampfe und bei Tageslichte erworben hatte, durch eine Täuschung bei Nacht zu beflecken; hinterlistigen Rückhalt musste er an die Stelle von offener Tapferkeit treten lassen. Das war zwar nicht ehrenvoll zu thun, aber nützlich in seiner Wirkung. Übrigens freute er sich über die Flucht der Finnen nicht weniger als über Karls Flucht; er gestand ein, dass er mehr Kraft in dem waffenlosen Haufen, als in den gut gerüsteten Kriegsleuten gefunden hätte; der schweren Rüstung der Römer konnte er leichter standhalten, als den leichten Pfeilen eines zerlumpten Völkchens. Nachdem dort der König der Biarmier getötet, der König der Finnen aber in die Flucht [418] getrieben war, liess Regner ein ewiges Gedächtnis seines Sieges in Steine eingraben, welche einen schriftlichen Bericht seiner Thaten zur Schau trugen und hochgestellt waren.

Inzwischen wurde Ubbo durch seinen Grossvater Hesbernus zu dem frevelhaften [310] 310Streben nach der Herrschaft verleitet, warf die kindliche Scheu vor dem Vater ab und nahm die Königskrone für sein Haupt. Als Regner von seiner Überhebung durch die schwedischen Herzöge Keltherus und Thorkillus erfuhr, richtete er seine Fahrt rasch nach Götland. Diese Herzöge bemühte sich Hesbern, der sie dem Könige Regner treu ergeben wusste, durch Bestechung zum Abfalle zu bringen. Sie liessen sich nicht von dem einmal gefassten Standpunkte abbringen und antworteten ihm, dass ihr Entschluss sich nach der Haltung Biorns richten würde; denn kein Schwede werde etwas zu thun wagen, was gegen dessen Willen ginge. Ohne Verzug suchte nun Hesbern diesen durch eine Gesandtschaft mit sehr vorteilhaften Anerbietungen zu gewinnen. Biorn aber wies einen Treubruch weit von sich und erklärte es für eine unsühnbare Frevelthat, die Gunst eines schurkischen Bruders höher zu stellen, als die Liebe eines redlichen Vaters. Die Gesandten liess er als Verführer zu der schlimmsten Schandthat an den Galgen hängen; die Schweden straften an dem Trosse der Gesandten den sträflichen Verführungsversuch mit gleichem Tode. Da also Hesbern zu der Erkenntnis kam, dass für eine versteckte und heimliche Rüstung kein glücklicher Erfolg sich biete, stellte er öffentlich Truppen auf und schritt zu offenem Kriege. Aber Iwar, der Regent von Jütland, sagte, dass beide Seiten in dem verruchten Kampfe gleich freventlich handelten und wich dem bösen Kriege durch freiwilligen Gang ins Elend aus. Regner aber traf auf Hesbern in dem Sunde, welcher zu deutsch der grüne heisst[79], tötete ihn und liess das abgeschlagene Haupt des Gefallenen auf den Schiffsbug stecken und den Aufständischen ein abschreckendes Beispiel geben. Ubbo jedoch entkam und wagte noch einmal einen Kampf [419] gegen seinen Vater auf Seeland; als hier die Reihe seiner Mannen sich lockerte, und aller Angriff sich gegen ihn allein richtete, erlegte er so viele aus dem Haufen der Gegner, dass er, durch die anwachsenden feindlichen Leichen wie von einer starken Schanze gedeckt, leicht das Herankommen der Streiter abwehrte. Als er dann zuletzt von einem dichteren Knäuel der Feinde umringt wurde, nahm man ihn gefangen, und er wurde fortgeführt, um in das Staatsgefängnis gesetzt zu werden. Zwar löste und zerriss er mit Riesenkraft die Ketten und versuchte die über ihn verhängte Einschliessung zu durchbrechen, vermochte aber auf keine Weise der Haft zu entkommen.

Als Iwar erfuhr, dass der Bürgerkrieg durch den Tod des Empörers[80] beendet war, kam er nach Dänemark zurück; Regner empfing ihn mit hohen Ehren, weil er unter den heftigsten Stürmen der hochverräterischen Bewegung unsträflich an der Pflicht gegen den Vater festgehalten hatte.

Inzwischen hatte Daxon lange vergeblich versucht, den Withserk, der Schweden[81] verwaltete, zu überwinden; endlich überlistete er ihn durch den Kunstgriff eines Friedensschlusses. [311] 311Während er mit einem Gastmahle von Withserk aufgenommen wurde, stellte er heimlich ein bewaffnetes Heer an, das unter dem Scheine von Einkäufen auf Wagen in die Stadt kommen und in nächtlichem Überfalle den Palast des Wirtes erstürmen sollte. Unter dieser Räuberschar räumte das Schwert des Withserk so gewaltig auf, dass sich ein Wall von Feindesleichen um ihn bildete, und er erst gefangen werden konnte, als man Leitern an den Haufen anlegte. Auch zwölf aus seinem Gefolge wurden in gleicher Weise von dem Feinde gefangen genommen; sie erhielten zwar die Erlaubnis angeboten, ins Vaterland zurückzukehren, wollten aber ihr Leben dem Könige weihen und lieber sein Geschick teilen als sich aus der Gefahr retten. Daxon fühlte Erbarmen mit der Heldengestalt des Withserk und wollte die schwellende Knospe [420] der herrlichen Kraft nicht zerdrücken; er bot ihm also nicht nur das Leben an, sondern auch seine Tochter und die Hälfte des Reiches als Mitgift; er wollte ihn nicht um seiner Tapferkeit willen strafen, sondern um seiner Schönheit willen vom Tode retten. Withserk jedoch verschmähte es in seiner Geistesgrösse, sein Leben fremder Gnade zu verdanken, wies die angebotene Schonung wie eine geringfügige Wohlthat zurück und wählte aus freien Stücken den Tod, indem er erklärte, Regner würde die Blutrache für seinen Sohn weniger scharf betreiben, wenn er erführe, dass man ihm in der Art seines Todes freie Wahl gelassen habe. Der Feind staunte seine Todesverachtung an und sagte ihm zu, dass er in der Weise sterben werde, die er selbst über sich verhänge. Diese Freiheit der Wahl nahm der junge Held als eine grosse Wohlthat hin und verlangte, mit seinen Gefolgsleuten gebunden und verbrannt zu werden. Daxon erfüllte unverzüglich diese todesgierige Bitte und gewährte ihnen wie eine Wohlthat die gewünschte Todesart.

Als Regner diese Kunde empfing, wollte er vor Schmerz sterben, und nicht nur Trauer erfüllte sein Herz, sondern der grosse Kummer warf ihn aufs Krankenlager, und durch Stöhnen gab er seinen Schmerz kund. Jedoch seine Gemahlin schalt ihn mit mehr als Heldenmut wegen seiner Schwäche und richtete ihn mit mannhaftem Zuspruche auf; sie wies ihn darauf hin, sich vom Harme los zu machen und lieber rührig die Waffen in die Hand zu nehmen: ein Heldenvater werde den gewaltsamen Tod seines Sohnes richtiger mit den Waffen als mit Thränen sühnen. Auch mahnte sie ihn, nicht in weibischer Trauer durch Weinen ebenso viel Schande zu verwirken, wie er vorher durch seine Tapferkeit hellleuchtenden Ruhm erworben habe. Diese Mahnung erweckte wirklich in Regner die Furcht, dass er dem früheren Ruhme seines Heldentums durch weibische Trauer Abbruch thun könne; er warf die Betrübtheit von sich und legte die Zeichen des Schmerzes ab; der Wunsch nach schleuniger Rache rüttelte den schlafenden Heldensinn wieder auf. So werden bisweilen auch von Schwachen starke Herzen gefestigt.

[421] Er übertrug also dem Iwar den Schutz des Reiches, nahm den Ubbo mit liebendem [312] 312Vaterherzen wieder zu Gnaden an, segelte nach Russland, nahm Daxon gefangen und sandte ihn in Ketten zur Haft[82] nach Utgarthia[83]. So war nicht zu bestreiten, dass Regner gegen den Mörder seines liebsten Sohnes mit grosser Selbstüberwindung die äusserste Milde hatte walten lassen; denn er wollte zur Erfüllung der gesuchten Rache nicht das Leben des Schuldigen, sondern begnügte sich mit seiner Verbannung. Infolge dieser Menschlichkeit scheuten sich die Russen, noch weiter gegen den König rücksichtslos vorzugehen, den sie selbst durch bitteres Leid nicht hatten bewegen können, die Gefangenen dem Tode zu weihen. Ja, er nahm sogar nach kurzem den Daxon wieder zu Gnaden an und liess ihn ins Vaterland zurückkommen; er musste aber versprechen, ihm jährlich mit nackten Füssen, zusammen mit zwölf ebenfalls unbeschuhten Hausvätern, demütig Zins zu bringen; er hielt es eben für richtiger, gegen einen demütigen Gefangenen mild zu verfahren, als das Beil zum Todesstreiche zu erheben, einen stolzen Nacken durch dauernden Knechtsdienst tief zu beugen, als ein für allemal zu brechen.

Als er aus Russland zurückkam, setzte er seinen Sohn Ericus mit dem Beinamen Windhut über Schweden. Hier erfuhr er, dass die Normannen und die Schotten, während Fridlew und Siward an seinem Feldzuge teil genommen, zwei andere Männer betrüglich zu Königen erhoben hatten; er [422] beseitigte zunächst den Usurpator in Norwegen und überwies das Land an Biorn. Darauf nahm er Biorn und Erik mit sich, durchzog plündernd die Orkaden, landete endlich in Schottland und rieb das Heer des Königs Murial in einer dreitägigen Schlacht auf; Murial selbst fiel. Jedoch Regners Söhne Dunwat und Rathbarth wurden nach glänzendem Kampfe vom Feinde getötet; ihr Tod machte dem Vater den Sieg zu einem blutigen. Als er nach Dänemark zurückkam, war seine Gemahlin Swanloga inzwischen von einer Krankheit dahingerafft; für seinen Kummer suchte er Trost in der Einsamkeit und schloss die Trauer seines kranken Herzens in die Mauern seines Palastes ein. Diese herbe Trauer verscheuchte die plötzliche Ankunft des Iwar, der aus dem Reiche verjagt war. Galler nämlich hatten ihn zur Flucht gezwungen und einen gewissen Hella, den Sohn des Hama, gegen das Recht auf den Thron gehoben. Unter Führung des Iwar als ortskundigen segelte Regner mit einer aufgebotenen Flotte nach dem sogenannten Norwischen Hafen[84]; hier landete er seine Mannen und jagte den Hella, trotz der Unterstützung durch tüchtige gallische Truppen, nach einer drei Tage währenden Schlacht in die Flucht; der Verlust der Anglen war sehr gross, der der Dänen nur gering. Ein Jahr blieb Regner nach diesem Siege in dem Lande, dann entbot er seine Söhne zu seiner Unterstützung und ging nach Irland; den König dieses Landes, Melbricus, erschlug er, Dublin umschloss, bestürmte, [313] 313nahm er mit den Schätzen der Iren, die darin angehäuft waren. Ein Jahr blieb er dort im Standlager, dann drang er durch das mittelländische Meer bis in das Hellespontische; die auf seinem Wege liegenden Länder durchzog er unter glänzenden Siegen, nirgends unterbrach ein Missgeschick den glücklichen Verlauf des Zuges.

Während dieser Ereignisse brachte Harald, unterstützt von einer Partei unter den Dänen, welche nur widerwillig dem Dienste des Regner sich gefügt hatte, wiederum [423] Unruhen über das Land und trat von neuem als König auf. Regner kam gerade vom Hellespont zurück und griff ihn an; Harald kämpfte unglücklich, und da seine Mittel in der Heimat erschöpft waren, wandte er sich mit der Bitte um Unterstützung an Kaiser Ludwig, der sich damals in Mainz aufhielt[85]. Ludwig stellte zwar Hilfe in Aussicht, legte aber als eifriger Verbreiter seines Glaubens dem Dänen die Bedingung auf, dass er sich dazu verstünde, das Christentum anzunehmen; denn zwischen Leuten, die verschiedenen Glauben hätten, sei[WS 5] aufrichtige Einmütigkeit unmöglich. Deshalb müsse der, der Unterstützung suche, zunächst Glaubensgemeinschaft haben, und an grossen Aufgaben könnten nicht Leute gemeinsam wirken, welche die Form der Gottesverehrung scheide. Diese Entscheidung brachte dem Gaste die gesuchte Rettung und ihm den Ruhm der Frömmigkeit. Harald nahm feierlich die Taufe und erhielt nun sächsische Mannen zu seiner Unterstützung. Auf diese gestützt erbaute er mit grossen Kosten einen Gott zu weihenden Tempel im schleswigschen Lande. Er entlieh also von den römischen Gebräuchen das Muster einer Einrichtung des Gottesdienstes, entzog dem Irrglauben seine Geltung, zerstörte die heidnischen Heiligtümer, ächtete die Opferdiener, schaffte das Priestertum ab und brachte zuerst dem in der Finsternis steckenden Vaterlande den heiligen christlichen Glauben; die Verehrung der falschen Götter rottete er aus und führte die des einen Gottes ein; kurz alles, was zum Schutze des Glaubens gehörte, das beobachtete er mit der peinlichsten Gewissenhaftigkeit. Löblich war das Beginnen, aber ihm fehlte der Erfolg. Denn Regner fiel über ihn her, entweihte den von ihm eingeführten Gottesdienst, untersagte den wahren Glauben, stellte den falschen in seine frühere Geltung wieder zurück und gab seinen Gebräuchen die alte Ehre wieder. Harald musste [424] fliehen, und sein Missgeschick machte ihn zum Gotteslästerer. Wie er nämlich zuerst ein glänzendes Muster der Bekehrung gewesen war, so hat er zuerst das Beispiel des Rückfalls gegeben; rühmlich hatte er dem heiligen Glauben Eingang verschafft, nun verriet er ihn schändlich[86].

Inzwischen war Hella nach Irland gegangen und bestrafte alle, welche sich in Treue an Regner angeschlossen hatten, mit Krieg und Mord. [314] 314Regner griff ihn mit einer Flotte an, büsste aber in gerechter Strafe des Allmächtigen ersichtlich für die Schändung des wahren Glaubens. Er wurde nämlich gefangen und in den Kerker geworfen; hier musste er seine schuldigen Glieder den Schlangen zum Frasse bieten, mit den Fasern seines Leibes den Vipern eine schreckliche Nahrung reichen. Als seine Leber schon angefressen war, als schon eine Schlange wie der totbringende Henker auf seinem Herzen sass, da zählte er mit mutvoller Stimme alle seine Thaten noch einmal auf und fügte zum Schlusse seiner Aufzählung noch folgende Worte an: „Wenn die Ferkel des Ebers Qual wüssten, so würden sie zweifellos in den Stall einbrechen und ihn aus seiner Not zu erlösen eilen“. Dieses Wort deutete Hella dahin, dass noch Söhne von ihm lebten und hiess deshalb die Henker aufhören und die Schlangen entfernen. Schon eilten die Schergen hinzu, um den Befehl auszuführen, da hatte Regner das Gebot des Königs mit seinem Tode überholt. Zwei Lebenslose haben ihn unter sich geteilt: das eine schenkte ihm glückliche Seefahrt, Erweiterung der Herrschaft, reichgesegnete Beutezüge; das andere verhängte über ihn Zusammenbruch des Ruhms, Tod der Genossen, das bitterste Lebensende; denn der Henker sah ihn, umringt von den giftigen Tieren, die Schlangen nähren mit dem Herzen, das sich furchtlos jeder Gefahr gegenüber gezeigt hatte. So lehrte sein Geschick, das ihn aus einem berühmten Sieger zu einem elenden Gefangenen machte: „Traue nicht allzusehr dem Glücke“!

[425] Die Nachricht von diesem Trauerfalle erhielt Iwar, als er gerade Spielen zusah. Jedoch er veränderte seine Miene nicht und zeigte sich ebenso fest wie sonst; die Nachricht von dem Tode des Vaters unterdrückte er durch Niederkämpfung seines Schmerzes, ja er liess nicht einmal einen Ausruf aufkommen und gab nicht zu, dass das von dem Gerüchte niedergeschmetterte Volk den Schauplatz verliess. Er legte den heiteren Gesichtsausdruck nicht ab, denn er wollte das Spiel nicht aufhören machen und die Schaustellung nicht unterbrechen; er wandte die Augen nicht ab von der allgemeinen Lust, um sein eigenes Leid zu beweinen; denn er wollte nicht aus der höchsten Freude plötzlich in die tiefste Traurigkeit verfallen und damit über dem Unglücke des Sohnes seine Aufgabe als Volksführer beim fröhlichen Spiele vergessen[87]. Als Siward dieselbe Nachricht empfing, da stiess er, weil ihm die Liebe zum Vater höher stand als Rücksicht auf eigenes Leid, die Lanze, die er gerade in der Hand hatte, sich tief in den Fuss ohne Empfindung; der düstere Schatten der Traurigkeit liess ihn den körperlichen Schmerz nicht fühlen. Absichtlich nämlich verletzte er einen Körperteil, um die seinem Herzen geschlagene Wunde geduldiger ertragen zu können. Damit bekundete er zu gleicher Zeit Mut und Trauer; was er sich anthat, zeigte ihn als den Verlust fühlenden Sohn und als standhaften Mann. [315] 315Als aber Biorn die Nachricht von dem Tode des Vaters beim Würfelspiele erhielt, presste er den Würfel, den er ergriffen, in der Hand mit solcher Kraft zusammen, dass er das Blut aus den Fingern drückte und auf das Spielbrett spritzen liess; da hat er natürlich gelernt, dass das Glück noch unberechenbarer ist, als der Fall des Würfels, den er rollen liess. Als Hella das erfuhr, gab er das Urteil ab, dass von den drei Söhnen der den Tod des Vaters mit der festesten Geistesstärke hingenommen habe, der dem Toten kein äusseres Zeichen der Liebe gewidmet habe, dass er also von dem tüchtigen Iwar am meisten [426] Gefahr fürchte. Iwar eilte auch nach England, fand aber, dass seine Flottenmannschaft nicht imstande war, einen Kampf mit dem Feinde zu wagen; deshalb griff der Mutige zur List und suchte den Hella durch Witz zu fangen, indem er als Unterpfand für den friedlichen Austrag der Sache soviel Land verlangte, wie er mit einer Rosshaut umspannen könne. Und er erreichte wirklich sein Verlangen. Der König nämlich sagte, die Erfüllung der Bitte koste ja nicht viel und freute sich, dass der Feind etwas so Geringfügiges als etwas Wertvolles verlange; er meinte natürlich, dass die kurze Haut nur wenig Land bedecken werde. Iwar aber zerschnitt die Haut in ganz dünne Riemen und zog sie zu erheblicher Länge aus und konnte nun so viel Boden umspannen, wie für die Anlage einer Stadt hinreichte. Jetzt kam dem Hella die Reue über sein leichtfertiges Schenken, und zu spät lernte er die Grösse einer Haut abschätzen; denn die ganze Haut bemass er falsch, richtig erst, als sie zerschnitten war. Er hatte gemeint, dass sie nur ein winziges Stück Land umspannen würde, jetzt musste er sehen, dass sie ausgedehnte Hufen auf eine grosse Strecke hin umschloss. Iwar aber brachte in die neugegründete Stadt Vorräte, die auch bei einer Einschliessung vorhalten konnten; seine Stadt sollte ebenso geschützt gegen den Hunger sein wie gegen den Feind.

Inzwischen kamen Siward und Biorn mit 400 Schiffen heran und sandten dem Könige eine offene Herausforderung zur Schlacht. Zur bestimmten Zeit wurde sie geschlagen, König Hella wurde gefangen, und die Sieger liessen seinen Rücken mit dem Adlerschnitt zeichnen; es freute sie, den grausamen Feind durch das Zeichen des wildesten Vogels nieder zu strecken; sie begnügten sich auch nicht damit ihm die Wunde beizubringen, sondern salzten noch das zerrissene Fleisch. Nachdem Hella auf diese grässliche Weise getötet war, gingen Biorn und Siward in ihre Reiche zurück. Iwar behielt England zwei Jahre in der Hand.

Inzwischen fielen die Dänen wiederum ab, griffen zum Bürgerkriege und übertrugen Siward und Erik, die der Königsfamilie angehörten, die Regierung des Reiches. Die Söhne [427] des Regner griffen sie gemeinsam mit einer Flotte von siebzehnhundert Schiffen bei Schleswig an und vernichteten sie in einem vierzehntägigen[88] Kampfe; noch jetzt melden die Grabhügel der Gefallenen davon; auch der Meerbusen, in dem die Schlacht geschlagen worden ist, ist berühmt geworden durch den Tod des Siward.

Nun war ausser den Söhnen des Regner der königliche Stamm fast ganz ausgerottet. [316] 316Biorn und Erich gingen darauf nach Hause, Iwar und Siward nahmen ihren Sitz in Dänemark, um die Abtrünnigen besser im Zaume zu halten; dem Agner übertrugen sie England. Diesen erbitterten die Anglen durch den Versuch ihn zurückzuweisen; er erhielt aber von Siward Hilfe und verjagte die Einwohner aus dem Lande, das ihn verschmäht hatte; lieber sollten die Äcker ohne Bebauer sich mit Wildwuchs überziehen, als ein unbotmässiges Volk ernähren; über die fetten Lande der Insel brachte er schreckliche Öde; denn er sagte, es sei besser über ein wüstes Land zu herrschen, als über ein steifnackiges. Danach wollte er den Erik rächen, der in Schweden durch die Bosheit eines gewissen Ostenus sein Leben verloren hatte, musste aber sein eigenes Blut unter den Händen des Feindes vergiessen, während er zu hitzig der Rache des andern oblag; während er allzu gierig Busse für den erschlagenen Bruder suchte, musste er um der Bruderliebe willen sein eigenes Leben lassen.

So gelangte Siward mit Zustimmung einer Versammlung von ganz Dänemark in den Besitz des väterlichen Reiches. Nach seinen Siegeszügen in die weite Ferne begnügte er sich mit erlauchter Stellung in der Heimat; nicht Krieg, sondern friedliches Schalten sollte ihm Ruhm verleihen; das Leben im Lager gab er auf; er, der frühere scharfe Streiter, begann nun ein eifriger Hüter des Friedens zu sein; früher meinte er Ruhm allein in ununterbrochenen Siegen finden zu können, jetzt suchte er ihn in der Erhaltung [428] der Ruhe und des Friedens. Das Glück begleitete den Wechsel seines Strebens mit Gunst: wie er niemand, so griff niemand ihn feindlich an. Als das Geschick ihn abrief, hatte er seinen noch sehr jungen Sohn Ericus wohl zum Erben seiner Gesinnung, aber nicht des Reiches und des Friedens. Nämlich Haralds Bruder Ericus sah in dem jungen Könige einen verächtlichen Gegner, brach mit Aufständischen in das Land ein und bemächtigte sich mit Gewalt des Thrones; er schämte sich nicht, durch seinen Angriff auf den jungen König eine Gewalt an sich zu reissen, auf die er kein Recht hatte; gerade damit bewies er sich als unwürdig der Regierung, dass er sie einem Wehrlosen entriss. Somit nahm er jenem das Scepter, sich aber die Geltung eines Biedermanns, und damit, dass er ein wehrloses Kind mit den Waffen anfiel, bannte er aus seiner Brust allen Mannessinn; wo ehrgeiziges Streben nach Macht brannte, da hatte Verwandtenliebe keinen Raum. Aber diese Rücksichtslosigkeit vergalt der Zorn der Götter; ein Krieg, der plötzlich zwischen ihm und Guthormus, dem Sohne des Haraldus ausbrach, endete mit einer so mörderischen Schlacht[89], dass beide mit unzähligen andern fielen; so beruhte das Königshaus in Dänemark, durch arge Mordthaten beinahe ausgerottet, nur noch auf dem einzigen Sohne des oben erwähnten Siward.

Erik hatte also durch den Verlust seiner Verwandten die Herrschaft erhalten, und da ihm somit der Tod seiner Nächsten mehr Glück brachte, als ihr Leben, so wandelte er, ohne ein anderes Vorbild zu beachten, [317] 317ganz in den Bahnen des Grossvaters: sofort warf er sich mit brennendem Eifer auf die Wikingerzüge. Und dass er doch nur nicht auch in der Abschaffung des christlichen Kultus sich als Erben des Frevelsinnes des Regner gezeigt hätte! Aber alle Gläubigen überlieferte er unausgesetzt den Martern oder nahm ihnen ihre Güter und trieb sie in die Verbannung. Jedoch ich schelte wohl mit Unrecht die erste Zeit seiner Regierung, denn ich muss ja ihre letzte loben. Löblicher ist ein Leben, dessen [429] bösen Anfang ein schönes Ende ablöst, als ein Leben, dessen anerkennenswerter Beginn in Sünde und Schande ausläuft. Infolge der heilsamen Ermahnungen des Ansgarius[90] bekehrte sich Erik von dem Irrtume seines Frevelsinnes, er sühnte alles, was er früher in seinem verkehrten Eifer gefehlt hatte; ebenso eifrig förderte er jetzt den Glauben, wie er ihn früher eifrig verfolgt hatte. So nahm er nicht nur die Heilslehre mit gelehrigem Sinne in sich auf, sondern er tilgte auch den Makel seiner Jugend durch die Unsträflichkeit seiner späteren Zeit. Als er starb, hinterliess er einen ihn überlebenden Sohn Kanutus von der Tochter des Guthorm, einer Enkelin des Harald.

Während der Dauer der Minderjährigkeit des Kanut sollte ein Vormund des Reiches und der Waise bestellt werden. Da aber die meisten die Verwaltung dieses Amtes als eine undankbare und heikle Sache ansahen, so beschloss man einen Mann durchs Los zu wählen. Denn die Weisesten in Dänemark wollten in dieser äusserst wichtigen Frage nicht mit einer Wahl nach ihrem Ermessen vorgehen, legten dem fremden Glücke einen höheren Einfluss bei, als ihrem eigenen Urteile und überwiesen den Ausfall lieber dem Zufalle, als einer festen Erwägung. So kam es, dass ein gewisser Ennignup, übrigens ein unbescholtener und tüchtiger Mann, das lastenreiche Amt auf seine Schultern nehmen musste, und indem er in das ihm durchs Los bestimmte Amt eintrat, nicht nur besonderer Vormund des jungen Königs, sondern Verwalter des ganzen Reichs war; daher weisen ihm einige minder kundige Geschichtsquellen seinen Platz mitten in der Regentenreihe an. Als nun Kanut im Verlaufe der Jahre aus einem Kinde ein Mann geworden war, da that er zwar die von sich, die ihm die Wohlthat der Erziehung erwiesen hatten, wurde aber aus einem beinahe aufgegebenen Jünglinge ein Mann von unerhoffter Tüchtigkeit; nur um eines willen ist er zu beklagen, dass er nämlich ohne den Schmuck der christlichen Religion vom Leben zum Tode ging.

[430] Nun kam die Regierung an seinen Sohn Frotho. Dessen kriegerische Unternehmungen waren so vom Glücke begünstigt, dass er die Länder, die vor Zeiten sich von den Dänen losgesagt hatten, wieder in die frühere Abhängigkeit zurückbrachte und mit dem alten Gehorsame band. Er liess sich auch in England, [318] 318wo man schon längst das Christentum angenommen hatte, feierlich taufen. Er wünschte nun, dass sein Heil allen im Reiche zu teil würde und erbat von Agapetus[91], dem damaligen Bischofe der Stadt Rom, Unterweisung der Dänen in der göttlichen Lehre. Jedoch er wurde dahingerafft, ehe sein Wunsch in Erfüllung ging; denn der Tod überraschte ihn, ehe die Gesandtschaft von Rom zurückkam; somit fehlte der Erfolg, aber der Wille war da, und er hat gewiss im Himmel soviel Lohn empfangen für seine fromme Absicht, wie andere für fromme Thaten erhalten.

Sein Sohn Gormo, welcher den Beinamen der Engländer erhielt, weil er in England geboren war, gelangte nach dem Tode des Vaters in England zur Regierung. Jedoch sein rasches Glück währte nicht lange: während er nämlich England verlassen hatte und zur Ordnung der Angelegenheiten von Dänemark hierher gegangen war, traf ihn für die kurze Entfernung ein dauernder Verlust. Die Anglen gewannen rasch den Mut, sich loszusagen und einen allgemeinen Abfall von den Dänen zu unternehmen, weil sie von Gorms Abwesenheit die Möglichkeit ihrer Befreiung erhofften. England sagte sich böswillig von ihm los, aber Dänemark war ihm um so treuer ergeben. Nach zwei Ländern streckte er seine Hand aus um die Herrschaft: das eine gewann er, den Besitz des andern verlor er unwiderruflich und hat auch nie ernstlich eine Zurückerwerbung versucht. Schwierig ist es, grosse Reiche zusammen zu halten.

Nach ihm trat sein Sohn Haraldus in die Regierung von Dänemark ein; die Nachwelt hat ihn fast vergessen, und seine Geschichte weist keine hervorragenden Ereignisse auf, weil [431] er die königliche Macht mehr zu erhalten, als zu erweitern strebte.

Nach ihm gelangte Gormo zur Regierung; stets ein Feind der wahren Religion wünschte er die Christen als die verworfensten Menschen ohne Gnade auszutilgen. Alle Anhänger dieses Glaubens quälte er mit mannigfachen Unbilden und wurde nicht müde, ihnen mit allen möglichen Schandthaten zuzusetzen. Um die heidnischen Tempel in ihre früheren Ehren wieder einzusetzen, zerstörte er die auf dem Grund und Boden von Schleswig von Gläubigen (Mönchen?) erbaute Kirche bis auf die Grundmauern als einen Schandsitz des Abfalls von den Göttern; die er mit seinen Martern nicht getroffen, die wollte er durch die Niederlegung ihres Tempels strafen. Er war zwar ungewöhnlich hochgewachsen, jedoch der Geist entsprach wenig dem Körper. Er begnügte sich in Selbstzufriedenheit mit der friedlichen Herrschaft und hatte seine Freude mehr an der Erhaltung als an der Vermehrung seiner Macht; [319] 319er hielt es für besser, seinen Besitz zu schützen, als fremden anzufallen, und mehr Sorge machte ihm die Bewahrung des Erworbenen, als neue Erwerbung.

Als seine Grossen ihn mahnten, sich zu vermählen, warb er um Thyra, die Tochter des englischen Königs Hedelradus. Sie war eine besonnene und kluge Frau und stellte ihrem Freier eine Bedingung: sie werde ihn nur dann heiraten, wenn sie Dänemark als Mitgift[92] erhielte. Das wurde ihr vertragsmässig zugesagt, und nun verlobte sie sich dem Gorm. In der Brautnacht aber nahte sie ihrem Manne mit den brünstigsten Bitten und verlangte, dass er sie noch drei Tage Jungfrau sein lassen sollte; sie beschloss nämlich bei sich, erst dann an liebende Umarmung zu denken, wenn sie durch ein Traumzeichen die Gewissheit erlangt hätte, dass der Ehe Kinder entspriessen würden. So unterbrach sie den Eintritt der Ehe durch Vorspiegelung der Enthaltsamkeit und gab ihrem Vorsatze, erst Gewissheit über Nachkommenschaft zu erlangen, den schönen Anschein der Keuschheit und schob [432] die eheliche Gemeinschaft hinaus, nur weil sie unter der Erdichtung von jungfräulicher Scham erkunden wollte, ob sie dem Reiche einen Nachfolger schenken würde. Andere Quellen vermuten, dass sie die Freuden des Ehebetts abgewiesen habe, um durch ihre Enthaltung den Gatten für das Christentum zu gewinnen. Jedoch, obgleich der junge Ehemann brennendes Verlangen nach ihrer Liebe trug, wollte er doch lieber ihrer Enthaltsamkeit als seinem Liebesdrange nachgeben und hielt es für rühmlicher sein Verlangen nach sinnlichem Genusse niederzudrücken, als den flehentlichen Wunsch seiner Gemahlin abzuweisen; er dachte natürlich nicht anders, als dass die einer bestimmten Absicht entstammende Bitte ihren Grund in der Keuschheit hätte. So kam es, dass er, der die Rolle des Ehemanns hätte spielen müssen, zum Wächter ihrer Keuschheit wurde, um nicht zu Beginn der Ehe den Tadel einer unzüchtigen Gesinnung auf sich zu laden, weil er mehr dem Drange der Lust gehorcht hätte, als dem Schamgefühl. Um nicht den verweigerten Liebesgenuss der Jungfrau in unkeuscher Umarmung vorwegzunehmen, berührte er nicht nur seine Nachbarin auf dem Bette nicht, sondern schied sie von sich durch ein blankes Schwert und machte so aus dem Ehebette ein getrenntes Lager für sich und seine Frau. Aber den Genuss, den er in freiwilliger Ehrenhaftigkeit aufschob, erlangte er bald durch ein freudiges Traumbild. Als er nämlich in tiefen Schlaf gesunken war, da träumte er, dass zwei Vögel dem Schosse seiner Gemahlin entstiegen, jedoch der eine grösser als der andere, sich hoch schwangen und in raschem Fluge bis zum Himmel aufstiegen; dass sie dann nach kurzer Zeit zurückkamen und sich zu beiden Seiten auf seine Hände setzten. Nochmals und zum dritten Male breiteten sie nach einer Erquickung durch kurze Ruhe ihre Flügel aus [320] 320und schwangen sich in die Luft, und endlich kam der kleinere von ihnen mit blutbesprengten Schwingen ohne den andern zurück. Durch dieses Gesicht erschreckt, machte er, in tiefem Schlafe liegend, seiner Beklemmung durch ein Stöhnen Luft, und sein lauter Schrei ging durch das ganze Haus. Als er [433] sodann den forschenden Hausgenossen sein Gesicht kundgab, da entnahm ihm Thyra, dass sie mit Nachkommenschaft gesegnet sein würde, gab nun ihren Vorsatz, die Vollziehung der Ehe zu verschieben, auf und verzichtete gern auf die Jungfrauschaft, die sie durch dringende Bitte sich hatte erhalten wollen; indem sie die eheliche Gemeinschaft eintreten liess, gewährte sie dem erfreuten Gemahle den Genuss ihrer Liebe und belohnte seine rühmliche Massigkeit durch reichliche Gewährung des Beilagers, erklärte aber, dass sie sich ihm nicht hingegeben haben würde, wenn sie nicht aus den Bildern des geschilderten Traumes die Gewissheit einer fruchtbaren Ehe gewonnen hätte. So ging das auf Grund eines schlauen, aber seltsamen Planes vorgeschützte Keuschheitsverlangen in eine Gewissheit des Kindersegens aus. Das Geschick täuschte ihre Erwartung nicht: sie wurde bald die glückliche Mutter zweier Söhne, Haraldus und Kanutus. Als diese in das männliche Alter getreten waren, demütigten sie auf einem Seezuge die masslose Frechheit der Slaven, jedoch auch England liessen sie nicht frei von Heimsuchung. Edelrad freute sich über ihren mannhaften Sinn, und ihm war die Gewaltthat, die seine Enkel an seinem Lande verübten, ein Vergnügen; als schönes Geschenk betrachtete er die abscheuliche Plünderung; denn nach seiner Ansicht konnten sie ihre Tüchtigkeit besser durch kühne Thaten darthun, als durch Beweise der Ehrfurcht. Deshalb hielt er es für rühmlicher von feindlich auftretenden Enkeln angegriffen, als von feigen geehrt zu werden, gleich als ob er in ihrem tapferen Auftreten eine Probe ihrer künftigen Mannhaftigkeit sähe. Er konnte allerdings wohl gewiss sein, dass sie fremdes Land dereinst anfallen würden, da sie ja sogar die Heimat ihrer Mutter kühn brandschatzten. Gewaltthaten standen in seinen Augen so viel höher, als kindliche Dienste, dass er ihnen mit Übergehung seiner Tochter England im Testamente vermachte und seine Eigenschaft als Vater hinter dem Grossvater zurücktreten liess; nicht unweise, denn er wusste wohl, dass Männer eine weit bessere Zierde für einen Thron sind, als Weiber; deshalb meinte er die kräftigen Enkel anders behandeln zu [434] müssen, wie die schwache Tochter. So kam es, dass Thyra trotz ihrer Enterbung mit grosser Freude in ihren Söhnen die Erben des väterlichen Reiches sah; denn sie meinte, dass deren Bevorzugung für sie keinen Schimpf, sondern eine hohe Ehre bedeute. Die Söhne gewannen reiche Beute auf ihren wiederholten Seezügen und verstiegen sich endlich in ihrem grossen Selbstvertrauen dazu, ihre Hand an Irland zu legen. Als sie Dublin, die Hauptstadt des Landes, einschlossen, betrat der König von Irland [321] 321nur mit wenigen geübten Bogenschützen den Hain, der sich unmittelbar an die Stadt anschliesst, und liess auf Kanut, der von einer grossen Menge seiner Mannen umgeben mitten im Kampfe[93] war, heimtückisch aus dem Hinterhalte den verwundenden Pfeil von fern entsenden, der den Königssohn in die Brust traf und ihm eine tödliche Wunde beibrachte. Da Kanut befürchtete, dass seine Verwundung die Feinde mit grosser Freude erfüllen würde, und er deshalb sein Todesgeschick zu verheimlichen wünschte, so befahl er den Seinen mit schon brechender Stimme, den Kampf ohne Unterbrechung fortzusetzen. Durch diesen Kunstgriff verbarg er den Iren seinen Hingang, bis die Dänen in Irland Herr waren. Wer sollte aber den Tod des Mannes nicht beklagen, der in seiner straffen Zucht durch seine Weisung den Sieg seiner Mannen noch über sein Lebensziel hinaus förderte? Denn die Dänen waren in einer bösen Lage und gaben sich bereits verloren, als sie binnen kurzem über die triumphierten, die sie fürchteten, nur weil sie dem Befehle des sterbenden Führers gehorchten. Zu dieser Zeit war Gorm schon bis zur äussersten Grenze seines Lebens gelangt; die lange Reihe der Jahre hatte ihm Blindheit gebracht, und indem er als Greis der grössten Lebenslänge, die dem Menschen beschieden ist, zuwanderte, sorgte er mehr um das Leben und das Wachsen seiner Söhne, als um den Rest seiner Lebenszeit. So sehr aber liebte er seinen ältesten Sohn, dass er den zu töten schwur, der ihm dessen Tod zuerst verkündige. Als Thyra gewisse Nachricht von [435] seinem Todesgeschicke erhielt, und niemand sie dem Gorm unverhüllt mitteilen wollte, da deckte sie sich durch eine List und deutete ihm das Missgeschick, das sie mit Worten zu künden sich scheute, durch eine Handlung an. Sie zog nämlich ihrem Gemahle das königliche Gewand aus und kleidete ihn mit einem schlechten, legte ihm auch noch andere Abzeichen des Schmerzes an, um ihm anzudeuten, dass er Grund zur Trauer habe, weil die Alten derartiges bei den Leichenbegängnissen anzulegen pflegten, um ihren bittern Schmerz durch schlechte Kleidung kund zu geben. Da sagte Gorm: „Kündest Du mir Kanuts Todesgeschick?“ Thyra entgegnete: „Das offenbart Dein vorahnendes Wort zuerst, nicht unseres.“ Mit diesem Worte brachte sie dem Gemahle den Tod und sich selbst den Witwenstand; so musste sie zu gleicher Zeit um den Mann und um den Sohn klagen; während sie also dem Lebenden das Geschick des Sohnes kund machte, gesellte sie den einen dem andern im Tode bei, und mit gleichen Thränen die Bestattung beider begleitend widmete sie diesem die Klage als Eheweib, jenem die Klage als Mutter, und doch hätte sie damals durch Tröstung aufgerichtet, nicht durch neuen Verlust gebeugt werden müssen.



  1. a b Die Quelle für beides ist nicht Cicero pro Archia, sondern Valerius Maximus (8, 14, 1 u. 3). Saxo hat irrtümlich Cäsar für Pompeius eingesetzt und denkt sich die Statue des Ennius golden; hätte er Cicero benutzt, würde er schwerlich das e marmore übersehen haben.
  2. Offenbar dem Wunderrosse, auf welchem der Knecht geritten zu sein scheint.
  3. Nach Detter-Heinzel, PBB 18559, war der ursprüngliche Name Frekasund ,Wolfssund‘, also eine Übersetzung von Wülpensand ‚Strand der Wölfin‘ [vgl. aber Schröder Z f d A 43303].
  4. Im Anschluss an die Strophe muss gelesen werden: regis quippe Thialamarchiae filium, Hythin nomine, pueriliter obludentem, gigas … abduxerat (Müller266 A7; Olrik II64; Detter-Heinzel, Paul-Braune, Beiträge 18558; Panzer, Hilde-Gudrun [Halle 1901] 294 A 1).
  5. Wahrscheinlich „Rin“, der 2722l erwähnte Sohn des Flebax.
  6. Der Satz ist nicht recht verständlich; intempestiva gulae corruptela, was unpassend erscheint, weil sie doch auch für ein höheres Alter keine Zier ist, stammt vielleicht aus Sueton. Vitell. 13. Die erste Ausgabe hat nicht animum, sondern nimium.
  7. Die Übersetzung giebt den Text Holders wieder, der an 2164-7 eine starke Stütze hat; doch scheint noch nicht alles in Ordnung zu sein, da die Worte der angeführten Stelle die „iniquitas“ der ersten Ausgabe vermissen lassen. Vielleicht wies die Sage dem Ingell ursprünglich gar keine Kinder zu, wozu die Prophezeiung Starkathers 21225 und sein Rat 21417 besser passt. Die Namen der angeblichen Söhne sind etwas verdächtig; auch von Olaf weiss Saxo nichts zu berichten. Sollte der Satz, der an ganz unpassender Stelle steht, nicht ein Einschiebsel sein?
  8. hesternus bedeutet zwar in der Regel (10511–23036–61019) „gestrig“, hier aber wohl, wie auch 9320 „voraufgehend“.
  9. So übersetzt Möllenhoff (D A 5325) praeco; gegen Olriks Übersetzung, Königsvogt’ (T.[B 1] f. F. 1901,179) sprechen doch wohl Starkads ungemein heftige Ausfälle.
  10. Das Gedicht fehlt.
  11. Diesen Zug hat Saxo aus der prosaischen Darstellung (2028) wiederholt, damit die folgenden Verse sofort verständlich werden.
  12. Holder hat für Begathus der ersten Ausgabe mit Stephanius Gegathus eingesetzt
  13. Starkather war demnach als imberbis (21430) nicht der erste sondern (wenigstens nach der Änderung Holders) Gegath, der nach der Besiegung Hugleks (18628) in den Dienst Hakons getreten sein muss. St. war vielleicht Dritter. Müllenhoff (D. A. 5305 A) fasst Gegathus Helgo als Doppelnamen; damit würde St. in die zweite Stelle rücken.
  14. Nach Müller die Walküre Rota (Rosta), nach anderen der 24138 und 24212 erwähnte Wiking.
  15. Mit den Worten: „Jetzt erst verdienst Du zu heissen zu Dänemark Herr und zu Lethra“ (21429) schliesst offenbar das Lied von Starkather und Ingell: sie führen zusammenfassend das Ergebniss von Ingells Erwachen aus dem stumpfen Hinbrüten vor und weisen sehr treffend auf den Anfang des in Hexametern abgefassten Schlussteil des Liedes (denn es ist nicht unbedingt nötig, mit Müllenhoff und Müller zwei oder drei Lieder anzunehmen) zurück, in welchem Starkather den Ingell mit Heilszuruf als König begrüsst, nachdem dieser die ersten Streiche zur Ausübung der Blutrache geführt hat. Man darf nur nicht, wie Elton thut, vale als Abschiedsruf fassen; das wäre ein eigentümlicher Abschied, hinter welchem Starkather zur Erschlagung der noch übrigen auffordert und selbst daran teilnimmt, dann die Fortschaffung der Leichen anordnet, einen Rat und einen Rückblick giebt und zuletzt noch einmal das Facit des ganzen Vorganges zieht. Die oben angeführten Worte bildeten ursprünglich auch den Schluss des 6. Buches: In markigen Worten wird noch einmal das nunc mit seinem melius dem tempus lapsum gegenüber gestellt und dem Leser der grosse Unterschied zwischen dem Schlemmer Ingell und dem König Ingell, damit auch das Verdienst Starkathers ins Gedächtnis gerufen; das, worauf das Lied in langer Vorbereitung den spannenden Hörer hingewiesen, ist erfüllt, was soll nun noch folgen? Jede weitere Zuthat konnte nur die Wirkung der packenden Schlussverse abschwächen. Jetzt finden sich allerdings noch 28 Hexameter, die scheinbar in einem, wenn auch losen Zusammenhange stehen; sieht man aber genauer zu, so ist es eine Reihe von abgerissenen Bruchstücken (6), die in der Übersetzung durch den Druck auseinander gehalten sind, damit ihre wahre Natur besser hervortritt. Sie haben allerdings etwas Gemeinsames, nämlich dass alle sich auf die Starkathersage beziehen, aber auch, dass sie alle am unrechten Platze stehen. Woher kommen sie und wie kommen sie hierher? Der Sachverhalt ist vermutlich (denn über Vermutungen kommt man nicht hinaus) folgender:

         Saxo hatte ursprünglich die Absicht, auch dieses Lied von Starkather, wie die andern, das Helgalied und das Todeslied, in Hexametern zu behandeln, wie er auch für das grosse Lied vom Ende des Hrólfr Kraki dieses Versmass gewählt hat, und hatte bereits Stücke davon bearbeitet, als ihm zum Bewusstsein kam, dass für einen grossen Teil des Inhalts der Hexameter doch nicht der geeignete Vers ist. Er sah sich daher um, wie wohl andere eine solche Klage über die Schlechtigkeit der Menschen gegeben und kam auf den auch sonst von ihm benutzten Prudentius, bei dem einige Stellen in cath. VIII an das Thema anklingen; dieses Gedicht [285] aber ist in der sapphischen Strophe abgefasst; wenn er Horatius einsah, boten ihm allerdings wohl Oden in anderen Versmassen mehr Verwandtes, immerhin fand er aber doch auch einiges in der in demselben Metrum abgefassten Ode II, 16, und gerade aus dieser stammt das nicht ganz richtige Citat tenui salino (21010). (Aus Horatius stammen vielleicht auch manche Worte dieses Gedichtes, wie: albicare, amphora, cantharus, conchylia, cyathus, cutis cura, diota, rapulum u. a. m., vielleicht hat auch I, 22 Anregung gegeben zu 21119–26). Saxo dichtete also das Lied um in der sapphischen Strophe, vielleicht auch, wie in den stilistischen Untersuchungen besprochen werden wird, um in der Verskunst über Martianus Capella hinauszugehen; nur für den Schluss behielt er den Hexameter bei in dem ganz richtigen Gefühle, dass für diesen Teil, den Höhepunkt des Liedes, der feierliche Ton geeigneter sei; von den Strophen schied er die Hexameter durch eine Darstellung in Prosa, eine Darstellung des Sinneswechsels, der in Ingell vor sich geht, nicht zum Vorteile der Sache; an Stelle seiner gewundenen Reflexionen sähe man lieber eine packende scenische Vorführung des Inhaltes von 21314–20; die Zeilen 21–35 sind überflüssig, die letzten der Seite mit ihrem „quo peracto“ sind geradezu störend. Von den Bruchstücken gehören nun drei der ersten Bearbeitung des Liedes an, und zwar entspricht das 1. den Versen 20921–32, 2095–8 und 20831–34, das 4. zum Teil den Versen 20524–27, das 5. zum Teil wörtlich, der Strophe 20917–20. Die übrigen sind „Studien“ zu andern Starkather-Liedern, nämlich das 2. sollte vielleicht ursprünglich eine Stelle erhalten hinter 27127 und einen Gegensatz dazu bilden, dass die Helden der alten Zeit zu Fuss kämpften, erinnert aber auch, mit Ausnahme des Renners, an das Helga-Lied 1926–8; das 3. gehört als „Studie“ zu einem St.-Liede, das Saxo schliesslich in Prosa gegeben hat, nämlich von dem Kampfe für Helgo und Helga mit den neun Brüdern und ist gedacht als Schilderung des Büttels 19729–38; in dieser Beleuchtung erscheint auch das discere der ersten Ausgabe ganz berechtigt, nämlich in der Bedeutung „etwas zu erlauschen fürs Gericht“, entsprechend den Worten der Prosa 19737: ut omnium actus insidiosae explorationis arte cognoscat; auch sonst stimmt das Bruchstück mit der Prosa überein, nur Vers 7 will sich nicht recht fügen. Das 6. Bruchstück gehört offenbar dem Todesliede als anderer, bei Seite gelegter, Versuch an: der erste Vers entspricht ungefähr 2734–7, die beiden andern gehören in die Reihe von 27318–27, alle drei sind auch in der prosaischen Einleitung zu dem Liede 26824–28 verwendet. Wie kommen nun diese Verse hierher? Dass Saxo sie nicht dahin gesetzt hat, bedarf wohl keiner weiteren Erörterung; es genügt der Hinweis, dass er weder diese zum Teil nichts Neues, zum Teil Ungehöriges bietenden Verse für notwendig gehalten haben kann, noch sich den schönen Abschluss durch 21428/29 hat verderben können. Das Vorhandensein dieser Verse, die jetzt für uns sehr interessant sind, weil sie uns einen Einblick mehr [286] in die Arbeitsart Saxos möglich machen, lässt sich vielleicht so erklären: Irgend jemand, der den Nachlass des Saxo in die Hand bekam, fand, dass diese Bruchstücke alle in einem Zusammenhange mit der Starkathersage standen; sie gefielen ihm, und er wollte sie nicht umkommen lassen; deshalb ordnete er sie zunächst so, dass er einigermassen einen Zusammenhang zu gewinnen glaubte, nachdem er das längste und beste an die Spitze gestellt hatte. Wenn dieses geschehen, konnte er sich einbilden, dass sie alle eine Ergänzung zu dem Ingell-Liede bildeten und fand dann allerdings für sie keinen andern Platz wie am Ende des Liedes und des sechsten Buches. Einen Schluss erhielt er auch; während aber der echte Schluss in Siegesjubel ausklingt, können die Verse, die er ans Ende gesetzt hat, an dieser ihnen durchaus nicht zukommenden Stelle nur den Eindruck einer unpassenden Sentimentalität machen.
  16. hann hét á þór (FAS 1413. 315).
  17. Nach Müller-Velschow, der montium et feritatis bietet. Holder hat moncium efferitatis, ohne, wie leider öfter, für die Änderung einen Grund anzugeben oder auch nur sie zu erwähnen. (Druckfehler?)
  18. 21836–40
  19. a b Saxo erwähnt nur einen Riesen und die Waldfrau.
  20. Das Fehlen einer Bemerkung, dass sie nicht antwortet und das Folgende zeigt, dass hier eine Lücke im Texte ist.
  21. Der Satz: ,Von König Sigarus, nach dem das Städtchen Syersted seinen Namen erhalten hat‘ ist natürlich Glosse des Schreibers.
  22. Sind vielleicht Ski gemeint?
  23. Die Angabe, dass Harald Hildetand der Sohn des Borcarus und der Gro sei, ist ein Irrtum; ihr widerspricht auch Saxo selbst 24637, wo Harald Hildetand (Kampfzahn) ein Enkel des Borcarus ist [Boer, P. B. B. 22349].
  24. d. h. Hagbarth.
  25. Zu diesem Widerspruche mit sich selbst hat Saxo die schöne Phrase aus Valerius Maximus und die Antitthese verleitet
  26. corneus eigentlich „aus Cornelkirsche“, wie Saxo auch 29426 Lanzen corneae nennt nach dem Gebrauche der lateinischen Dichter (Virgil Aen. 5, 557). Auch 5286 wird ein hölzerner Becher als das gewöhnliche betrachtet.
  27. 59529: „In dieser Zeit legte Esbern (Bruder des Absalon) die Stadt Kalunda (Kallundborg) an.“
  28. Drot, 24128.
  29. Regnald, 24015 u. 24111.
  30. Offenbar ist Haldan auch verwundet und zwar, wie Hildiger meint, zum Tode; daraus erklärt sich auch das Gerücht 24513, dass Haldan gefallen sei. Der 24417b–20 ausgesprochene Gedanke ist ganz allgemein, auf die Brüder bezieht sich nur die erste Hälfte, aber auf beide nach dem Glauben Hildigers.
  31. 525.
  32. Hadersleben.
  33. Bewohner von Wik (16130) im südlichen Norwegen (Vigen).
  34. Zur Erleichterung des Verständnisses dieser sehr dunklen, möglichst wörtlich übersetzten Stelle folgt die Zeichnung eines Seitengeschwaders (nach Müller) mit einigen Erläuterungen:
    a •     • c
    •     •     •
    •     •     •     •
    •     •     •     •     •
    •     •     •     •     •     •
    •     •     •     •     •     •     •
    •     •     •     •     •     •     •     •
    •     •     •     •     •     •     •     •     •
    b •     •     •     •     •     •     •     •     •     • d
    e –––––––––––––––––––––––––––––––– g
    ––––––––––––––––––––––––––––––––
    ––––––––––––––––––––––––––––––––
    ––––––––––––––––––––––––––––––––
    ––––––––––––––––––––––––––––––––
    ––––––––––––––––––––––––––––––––
    ––––––––––––––––––––––––––––––––
    ––––––––––––––––––––––––––––––––
    ––––––––––––––––––––––––––––––––
    f –––––––––––––––––––––––––––––––– h

    [331] Die Hauptsache ist für Saxo die Anordnung nach zwanzig Reihen; da nun auf das cornu (Soutien) e f g h zehn Reihen gerechnet werden, so muss auch der Keil a b c d zehn Reihen haben, und da die vorderste, erste Reihe aus zwei Mann besteht, muss die hinterste, zehnte Reihe b d aus elf Mann bestehen. Wenn man aber annimmt, wie in der Zeichnung geschehen ist, dass Saxo die vor a c fehlende Spitze als Reihe mitgerechnet hat, so besteht die letzte Reihe, die nunmehr die zehnte ist, nur aus 10 Mann; das ist deshalb vorzuziehen, weil nun e f g h ein Quadrat bildet. Dass in diesem Quadrate jede Reihe auch aus 10 Mann bestehen soll, sagt zwar Saxo nicht ausdrücklich, ergiebt sich aber deutlich daraus, dass die Eckmänner von b d vor e g stehen sollen, oder, wie Saxo sagt, dass b d bis zu den Flanken des cornu reichen soll, man müsste denn für die Reihen von e f g h eine losere oder eine gedrängtere Aufstellung annehmen. – Der mittelste Keil soll die andern um zwanzig Mann überragen: wenn b d der Seitenkeile aus zehn Mann besteht, so könnte das dadurch erreicht werden, dass man hinter b d noch zwei Reihen zu je zehn Mann vor e g folgen lässt, so dass nun die ganze series zwei und zwanzig Reihen hat; so ist aber wohl die Sache nicht gemeint, sondern es soll wohl der Mittelkeil so gebildet werden, dass vor der verbreitert gedachten vordersten Reihe a c der Seitenkeile noch zwanzig Mann und zwar keilförmig vorspringen. Da auch hier in der vordersten Reihe zwei Mann stehen, so enthält die letzte vor a c vorspringende Reihe sechs und die a c entsprechende sieben, die b d entsprechende aber 16 Mann und die ganze series (das Soutien inbegriffen) erhält fünfundzwanzig Reihen. In beiden Fällen ist der Grundsatz der Zwanzigzahl für das mittlere Korps durchbrochen; soll er auch hier gelten, so müssen dem Ganzen fünf Reihen nach hinten genommen werden.

    Einzelnes: alarum recessus sind die Linien a b und c d; discretis ambagibus: ambages sind die auf der (gedachten) Linie a b und c d stehenden Leute als Umfassungslinien angesehen; als äusserste entfernen sich die von a bis b Stehenden von den auf c bis d Stehenden immer mehr von einander (discretis), wodurch eben die Flanken schief verlaufen; habita congressione ist sehr zweifelhaft, da congressio bei Saxo sonst immer „feindlicher Zusammenstoss“ bedeutet; coniunctionis extremitas ist die letzte Reihe des unter coniunctio zu verstehenden zusammengestellten Keils, also b d. Müller in den kürzeren Anmerkungen setzt die Worte coniunctionis extremitas in eine nicht ganz klare Beziehung der Mittelschwadron zu den Seitenschwadronen, die er unter alae zu verstehen scheint; jedoch abgesehen davon, dass Saxo unmöglich für dieselbe Sache bald turma, bald ala setzen und ausserdem ala ganz nahe beieinander in zwei verschiedenen Bedeutungen verwenden konnte, empfiehlt sich diese oder [332] eine ähnliche Auffassung deshalb nicht, weil Saxo ausdrücklich nur die Bildung einer turma beschreibt und ihr Verhältnis zu den andern ganz unberücksichtigt lässt, ja die Mittelturma, nachdem er nur ihre grössere Ausdehnung nach vorn vorgeschrieben hat, gar nicht wieder besonders erwähnt, sondern fortfährt „post has turmas“. Elton fasst nur extremitas etwas anders, folgt aber sonst ganz Müller. – Vieles bleibt unsicher oder ganz dunkel.

  35. Eine Sticla ist 16213 erwähnt.
  36. d. h. die spätere Normandie.
  37. Anspielung auf 26515–26.
  38. Das folgende Verzeichnis ist nach Müllenhoff (D. A. 335-356) übersichtlich gemacht und die Verwirrung hinsichtlich der Webiorg beseitigt; die Abteilungszeichen sind nicht eingeklammert; die auch im Schlachtberichte vorkommenden Namen sind gesperrt gedruckt; über das Verhältnis der Kämpfernamen bei Saxo und in den ‚Sǫgubrot af fornkonungum‘ F. A. S. I 380 handelt vortrefflich Olriks Aufsatz im A. f. n. f. 10223-287 ‚Braavallakvadets kaemperaekke‘; Aufschluss über die Namen giebt das Register.
  39. Hier und in den folgenden Übergängen ist immer zu verstehen: in der Aufzählung, die der Bericht der Geschichte (des Gedichts) giebt.
  40. = Hort und Burga 26219?
  41. Holder hat Julinensi provincia = Wollin, statt Jumensi = Jomsburg, Julin.
  42. Dieser Satz ist uns jetzt unverständlich.
  43. Olrik vermutet (243): Haraldr Ólafsson af Hađalandi, d. i. Harald, der Sohn des Olawus aus der hathischen Landschaft. Es dienten ferner Har und Herleif......
  44. Sequestra pax steht noch 2642, 31513 und 41636; an allen Stellen scheint sequestra (aus Virg. Aen. 11, 133 ohne Rücksicht auf die Bedeutung entnommen) nur ausschmückendes Beiwort zu sein; promissio sequestra periurii 36131 aus Valerius Maximus ist natürlich etwas anderes.
  45. Wenernsee?
  46. Göta-Elf.
  47. Mit diesen sind nach Müllenhoffs Ansicht die folgenden sechs gemeint; vielleicht sind die beiden Sätze umzustellen, dann ist das praeter hos ganz berechtigt.
  48. Saxos Lyuth „Guthi“ beweist für Dänemark die Existenz von Goden (Maurer, Z. f. d. Ph. 4128; Maurer, Island [München 1874] 45). Die Sǫgubrot af fornkonungum c. 8. S. 381 geben dafür den Namen Hlaumbođi; Olrik (a. a. O. 231, 247) setzt dafür mit Recht Lyuthbuthi (Hljóđbođi) ein; nach derselben Quelle ist nachher Soknarsoti eingesetzt.
  49. An. gote bedeutet aber auch Ross; nach einer spottenden oder scherzenden Erzählung sollen die Goten aus Kriegsgefangenen hervor gegangen sein, die um den Preis eines Pferdes freigekauft wurden.
  50. = Hagder 2632.
  51. Müllenhoff (D. A. 5238) Ar Backi, ,Nori Haki‘ im Brot, Agnar? Brot 384; Olrik (253) Ari, Haki.
  52. Der sechste ist Starkather.
  53. Sollte nicht aureo hinzuzufügen sein? Vgl. 19413.
  54. Müllenhoff (339 A 2) = Eirikr Helsingr, Olrik (256) = Þríríkr Helsingr.
  55. Garnshamm auf der Insel Gottland.
  56. = Webiorg.
  57. Als Enkel des Siward 25024.
  58. Bis hierher stimmt alles vortrefflich zu dem kommenden Gedichte, die nun folgende Prosa aber samt den Sätzen vor den Schlussversen (2738–15) und dem Nachberichte hinter den Versen passt zu dem Inhalte des Gedichtes durchaus nicht, widerspricht ihm sogar in mehreren Stücken. Offenbar hat Saxo zwei Berichte vor sich gehabt, und sein Gedicht giebt den edleren, seine Prosa den unedleren wieder.
  59. Vgl. 26532.
  60. Die Worte (wiederholt 27212) weisen auf die schweren Wunden hin, die St. in seinen Kämpfen erhielt.
  61. d. h.: Ich.
  62. Zu diesem Liede sehe man Müllenhoff DA 5 S. 331 ff.; dort ist auch nachgewiesen, dass die Verse 27139–27210 nicht Anrede an Hather waren, sondern Schilderung des Hof- oder Viehbesitzers (bubulcus), dass also Saxo die dritte Person hätte anwenden müssen.
  63. Müllenhof a. a. O. 310 Anm. fasst agmen als „Expedition“, [364] „Zug“, expugnator als Besieger und nimmt den Olo als einen sonst unbekannten Gegner des Starkather, der dreimal geboren wird und dreimal besiegt werden muss. So bestechend diese Vermutung auch ist, erscheint sie doch nicht zu halten: Über expugnator lässt sich nicht entscheiden, da Saxo das Wort sonst nicht anwendet, agmen aber bedeutet bei ihm nur: „Schar, Heer“ und auch 2704 ist „nec in agmine quisquam“ weiter nichts als eine Verstärkung des voraufstehenden nemo; die Verse 27214 u. 15 ferner meinen doch sichtlich eine längere Zeit, als die kurze Zeit einer einzelnen Expedition. Der Dichter des Liedes weiss allerdings mehr von Starkather, als Saxo berichtet, wie den Kerr und die Söhne des Ler, und so könnte man denken, dass Saxo auch diesen Kampf mit Olo beiseite gelassen habe; aber sollte sich Saxo wirklich dieses Kraftstück, wo ein Wundermensch im Streite mit Starkather zweimal wieder auflebte und also dreimal zu erschlagen war, haben entgehen lassen? Er würde doch sicherlich ein Gedicht daraus gemacht und seine ganze Kunst entfaltet haben, wenn er es unter den Abenteuern des Starkather gefunden hätte. — In wiefern die Aufzählung der Thaten des Starkather in dem Liede, das dem Saxo vorlag, den Anspruch erhebt, eine historische Folge zu geben, mag dahin gestellt bleiben; auf jeden Fall darf man aber doch erwarten, dass der Dichter, wie er mit Fug und Recht den Abschluss der Heldenlaufbahn Starkathers, nämlich seine Teilnahme an der Brawallaschlacht, an das Ende setzte, so auch die Reihe mit dem Eintritte in dieses Leben begann, das heisst, mit einem Hinweise auf den Aufenthalt Starkathers bei Hako; wie hätte er diese Lehrzeit, die doch zugleich in Starkathers kräftigste Jahre fällt, übergehen dürfen? wird ihr doch im Ingell-Liede 20921 ff. (und noch ausführlicher in der Parallelstelle 21430 ff.) eine hervorragende Bedeutung für die Entwicklung Starkathers beigelegt. Wenn irgend etwas Bedeutendes, so erwartet man doch gerade diese Zeit an der Spitze der Aufzählung. Alle Schwierigkeiten verschwinden, wenn man diesen hier gar nicht zu entbehrenden Hako für den sonst ganz unbekannten Olo einsetzt. Weil von dem andern, bekannten, Olo, den Starkather ermordet hat, an den natürlich hier nicht gedacht werden darf, in dem zweiten Berichte, der dem Saxo vorlag[A 1], und somit in der prosaischen Einleitung, die Saxo aus ihm zusammenschrieb, so viel die Rede war, ist dieser Name dem Saxo in die Feder geflossen, oder es hat ihn auch ein klug sein wollender Abschreiber hingesetzt. (In seiner zurechtgemachten Geschichte lässt Saxo den Starkather zuerst zu Frotho und erst viel später zu Hako kommen; das widerspricht [365] aber der Sage, wie die oben angeführten Stellen aus dem Ingell-Liede erweisen; bei Frotho ist Starkather schon fertiger Kämpe und nimmt nach dem Ingell-Liede 2058 den Ehrenplatz ein.) Aber „ter nati“? Der Dichter des Liedes kannte drei Hako in einem gewissen Zusammenhange: der erste ist der von Saxo als Daniae tyrannus bezeichnete, bei dem Starkather seine Laufbahn begann, und den die Sage wohl in dem Schiffbruche umkommen liess, dessen Saxo 18224 gedenkt; der zweite ist der Hako, den Starkather verlässt, als er gegen Seeland zieht; dieser ist ein Hamundsohn und unter den Hamundsöhnen fand er auch den dritten Hako, nämlich den Hagbarth; er hielt auch den ersten Hako für einen Hamundsohn, und weil sie alle drei denselben Namen führten, betrachtete er sie (oder fand er das alles schon in der Sage?) als Drillingsbrüder, wie ja auch die Drillingssöhne des Westmar (1224 alle drei denselben Namen „Grep“ führen. Die Beifügung nun, welche den Hako im Liede als Drilling kennzeichnete, hätte Saxo in seiner lateinischen Wiedergabe, durch tergeminus geben sollen, er verstand sie aber entweder falsch oder vergriff sich im lateinischen Ausdrucke, setzte ter genitus und für dieses in der Versnot ter nati. Setzt man also Hakonis ein für Olonis und betrachtet ter nati als Missverständnis oder Missgriff Saxos, so ist die Stelle zu übersetzen:

    Wahrlich, nicht hättest Du wohl mich des Schwerts zu berauben versuchet,
    Als ich zuerst als Kämpe mit steter Gefahr für das Leben
    Diente dem Hako, dem Drilling, u. s. w.

  64. Es ist opportunis zu lesen.
  65. Die Namen lauten bei Paulus „Ibor (Eber), Agio (Schrecker), Gambara“.
  66. c. 8 u. 9.
  67. d. h. „es wäre alles Wald“.
  68. Holder: „erblickten sie durch einen Riss in der Felswand und zwar nicht weit entfernt u. s. w.“
  69. Diese hier auffallende Bemerkung ist dem Valerius Maximus entnommen; vgl. Stilistische Untersuchungen.
  70. Mit „duobus“ (29510) sohliesst offenbar die Erzählung an revocavit 2951 an. Dann stimmt auch die Zweizahl; den Zusatz hat Saxo, wenn er von ihm herrührt, mit wenig Sorgfalt eingeschoben, z. B. hätte sich Thorkill den Schmutz doch wohl schon in Deutschland abgewaschen, und Saxo hätte nicht die Schar der Genossen noch einmal sterben lassen.
  71. An. Refgjöld ,die Busse für Refr’, die jeder Teilnehmer an dem [401] Morde erlegen musste; dass jeder Schwede für die Ermordung Refs eine Unze zahlt, ist wohl ein Zusatz Saxos (Ranisch, Die Gautrekssage [Berlin, 1900] LIV.
  72. d. i. Lodenhose.
  73. Saxo scheint den Grund zu dieser Benennung in der gesprenkelten Haut der Schlangen zu suchen.
  74. Die Hebriden nach isländischer Bezeichnung.
  75. d. h. Jüten.
  76. Die Konjektur Goldschmidts (Et par textrettelser til Saxo, Norsk Tidsskrift för Filologi, 3 r. 5, 185) nimmt irrtümlich calumnia gleich contumelia.
  77. Nach 30439 erwartet man hier: „und den faulsten und unzuverlässigsten Knecht.“
  78. Nach Olrik (II118) Missverständnis Saxos für an. hlunnjór („Rollenhengst,“ Kenning für Schiff). Nach Steenstrup [Normannerne Isub>110, Kjöbenhavn 1876] Erinnerung an die merkwürdigen, wie Pferde aussehenden Maschinen, die die Dänen bei der Belagerung von Paris bauten. Steenstrup bestreitet Olriks Annahme, da von einem Kampfe zu Lande und nicht zur See die Rede sei; die Schilderung verweile bei mehr als bei einem Worte; es liege kein Grund vor, Saxo ein sprachliches Missverständnis zuzuschreiben (Arkiv f. n. F. 13125).
  79. Grönsund zwischen Falster und Moen.
  80. d. i. Hesborn, nicht Ubbo.
  81. Nach 30817 hat Withserk das Scythenland zur Verwaltung erhalten, Schweden aber nach 30533 und 3108 Biorn. Goldschmidt (N T f F 3 r, 5, 185) setzt Scithiae für Suetiae ein.
  82. Im Texte ist custodiae causa zu lesen; der Ausdruck ist aus Valerius Maximus 9, 6, 3 entnommen.
  83. Nach Storm, kritiske bidrag til vikingetidens historie (Kristiania 1878, 109) ist Saxos Ausdruck ,Regnerus Daxon apud Utgarthiam custodiae (causa) relegavit‘ die Wiedergabe für isl. ,foerði hann við útgarða‘ = ,er schickte ihn in die fernen Wohnungen‘, d. h. ,er tötete ihn‘ (s. o. 189 Al Fiallerus wich an einen Ort, der Undensakre heisst ; 251 Starkather zwang den Tanna, als Verbannter unbekannte Striche der Erde aufzusuchen). Saxo verstand diese isl. Umschreibung nicht, machte daraus einen Ort Utgarthia und verschmolz dann die isl. Überlieferung mit einer dänischen Sage, nach der Daxon dem Regner Tribut zahlen musste, in der Weise, dass Regner den Daxon begnadigt, (heimkehren) und sich von ihm Tribut zahlen lässt (Olrik II, 115–117, 290).
  84. Norvicus portus nach Müller = Norwich; nach Elton und Olrik verschrieben für Jorvicus = York.
  85. Harald wurde 814 Lehnsmann Ludwigs, aus Dänemark vertrieben von den Söhnen Gottfrieds, aber in Aachen; ein Versuch ihn zurückzuführen 815 war erfolglos; er kehrte erst 819 zurück; getauft ist er 826 in Mainz.
  86. Harald wurde 827 von den Söhnen Gottfrieds verjagt; sein Rückfall in das Heidentum ist ungewiss.
  87. Diese Erzählung von Iwar ist nur eine Nachbildung von Valerius Maximus 4, 1, 13; ein Ausdruck stammt noch aus 5, 10, ex. 1, ein anderer aus 6, 9, ex. 1.
  88. semestris gebraucht Saxo noch 4861; auch dort bedeutet es einen halben Monat.
  89. 854.
  90. Diese Begebenheit, die freilich wesentlich anders verläuft, wie Saxo sie schildert, fällt in die Jahre 854 und 855.
  91. Weder Agapet I. (535–36) noch Agapet II. (946–955) passt für die Zeit von Saxos Frotho.
  92. Morgengabe?
  93. Kämpfe sind Spiele.
  1. S. zu 26829.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Voraussetzuug
  2. Vorlage: denn
  3. Vorlage: auf auf
  4. Vorlage: Verdient
  5. Vorlage: sie

Errata

  1. Siehe Berichtigungen des Autors am Ende des Buches.
  2. Siehe Berichtigungen des Autors am Ende des Buches.