Ernst Curtius †

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Textdaten
<<< >>>
Autor: P.
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Ernst Curtius †
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 32, S. 533, 548
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1896
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[533]

Ernst Curtius.
Nach einer Aufnahme von Hofphotograph J. Baruch in Berlin.

[548] Ernst Curtius †. (Mit Bildnis S. 533.) Aus der gewaltigen Zahl verdienstvoller Gelehrten, welche in diesem Jahrhundert unsere Kenntnis des klassischen Altertums so unermeßlich erweitert haben, ragen doch nur wenige hervor, welche es vermochten, der Darstellung ihrer Forschung selbst wieder eine klassische Form zu geben. In dem am 11. Juli d. J. in Berlin im hohen Alter verstorbenen Professor Ernst Curtius hat die deutsche Wissenschaft und das deutsche Volk einen dieser Hervorragenden zu betrauern; wie Mommsens „Römische Geschichte“ ist die „Griechische Geschichte“ von Ernst Curtius nicht nur ein Triumph deutschen Forscherfleißes, sondern auch ein Meisterwerk künstlerisch abgeklärter Darstellung auf dem Gebiete der Altertumswissenschaft, das als solches der Weltlitteratur dauernd angehört. Die hohe Auffassung vom Wesen der klassischen Philologie, die von seinen Lehrern Böckh, Welcker und Otfried Müller in seiner Studentenzeit auf ihn überging, war von derselben Begeisterung für die Kunst der Antike und das hellenische Schönheitsideal getragen, die auch der höchsten Blüte unserer klassischen Dichterzeit die Weihe gegeben hat. Schon im Vaterhause zu Lübeck, wo Ernsts hochgebildeter Vater das staatsmännische Amt eines Syndikus der hanseatischen Republik bekleidete, hatte sein Geist diese Richtung empfangen. Die Begeisterung für Alt-Hellas trieb ihn nach Abschluß seines Studiums an, Griechenland selbst aufzusuchen, um für seine ideale Auffassung der antiken Welt unter Anweisung durch bedeutende Forscher wie Brandis, Otfr. Müller und Karl Ritter die Anschauung der Wirklichkeit zu gewinnen. Während er in den Tempelhallen und Trümmern der Akropolis die Forschungen betrieb, welche er in seinem ersten Hauptwerk „Die Akropolis von Athen“ niederlegte, übersetzte er im Wetteifer mit Emanuel Geibel, seinem Lübecker Landsmann und Altersgenossen, der sich um dieselbe Zeit wie er als Hauslehrer in Athen befand – oft auf gemeinsamen Wanderungen durch die Landschaft des Peloponnes – Oden und Hymnen der althellenischen Dichter, und noch ehe er als Gelehrter ein Werk herausgab, erschien (1840) die Frucht dieser gemeinsamen poetischen Arbeit unter dem Titel „Klassische Studien“. Auch selbständig hat er wiederholt als Dichter mit Geibel gewetteifert, und dieser poetische Zug in ihm hat auch seinem Wirken als Forscher und Historiker den Stempel aufgedrückt, im besonderen seinen kunstvoll ausgestalteten Vorträgen, die er dann in seinen akademischen Stellungen bei festlichen Gelegenheiten hielt und die in den Bänden „Göttinger Festreden“ und „Altertum und Gegenwart“ vereinigt sind.

Ein solcher Vortrag, den er bald nach seiner Rückkehr aus Athen als Docent in Berlin in der dortigen Singakademie über die Akropolis hielt, ward auch zum Anlaß, daß er 1844 zum Erzieher des nachmaligen Kaiser Friedrich berufen wurde. Diese Berufung, welche ihm aufgab, in den Jahren 1845 bis 1849 den Studiengang des preußischen Kronprinzen in Berlin und Bonn zu leiten und zu überwachen, hat nicht wenig dazu beigetragen, seinem weiteren Wirken eine allgemeine Bedeutung zu geben. Denn es ist zweifellos, daß der Einfluß von Ernst Curtius auf die geistige Entwicklung des Kronprinzen jene kunstfreundliche und ideale Gesinnung, durch die sich dieser dann sein lebelang hervorthat, sehr wesentlich mit herangebildet hat. Und wiederum ist es der Sympathie des letzteren für seinen verehrten Lehrer und dessen Ideale zu danken gewesen, daß Curtius auf der Höhe seines Lebens mit jener großen Aufgabe betraut ward, die zu den größten Friedensthaten des Deutschen Reiches zählt, der Aufdeckung von Olympia.

Im Frühjahr 1874 ging Curtius, der inzwischen seit 1856 in Göttingen, seit 1863 in Berlin Professor gewesen war und u. a. auch sein epochemachendes Geschichtswerk auf Grund neuer Studienreisen in Griechenland vollendet hatte, im Auftrag des Deutschen Reichs nach Athen und schloß dort mit der griechischen Regierung den Vertrag ab, der die deutschen Ausgrabungen in Olympia genehmigte. Welche Schätze hier an der Stätte der herrlichsten Heiligtümer und großartigsten Festspiele der althellenischen Welt unter Curtius’ Leitung zu Tage gefördert wurden, ist weltbekannt, es genügt, an Kunstwerke wie die Nike des Paionios und den Hermes des Praxiteles zu erinnern. Seine litterarische Darstellung fand dieses umfassende, von herrlichstem Erfolg getragene Schaffen in dem Werke „Die Ausgrabungen in Olympia“. Als vor zwei Jahren am 2. September der achtzigste Geburtstag des hochverdienten Mannes gefeiert wurde, erfolgte als höchste Ehrung für ihn die Aufstellung seiner Marmorbüste in dem Museum zu Olympia, in welchem nunmehr die Funde aufbewahrt sind, die deutscher Scharfsinn und Fleiß unter Curtius’ Führung der berühmten Trümmerstätte althellenischer Kunst und Kultur entrissen und der heutigen Welt zurückerobert hat. P.