Ernst Julius Hähnel
Ernst Julius Hähnel.
Am 9. März feiert in Dresden E. J. Hähnel, mit Rietschel der Hauptbegründer der Dresdener Bildhauerschule, seinen achtzigsten Geburtstag. Ein Leben, wie es nur wenigen Auserwählten der Kunst gegeben wird, reich an Thaten und Erfolgen, liegt hinter ihm; vor ihm nach menschlichem Ermessen ein rüstiges und immer noch schaffensfreudiges Alter.
Im Jahre 1871 zu Dresden als Sohn eines Gutsbesitzers geboren, verlebte er hier die Zeit der Kindheit in einer halb ländlichen Umgebung. Seine künstlerische Begabung machte sich bald in allerhand zeichnerischen und malerischen Thaten Luft, so daß ihn schon im zwölften Jahre der Vater mit der Ausmalung eines Gartenhäuschens betrauen konnte. Der griechische Freiheitskampf erfüllte damals die Herzen aller Begeisterungsfähigen. Nichts lag also näher, als daß der junge Künstler die acht Felder des Raumes mit acht edlen Griechen füllte, die über acht Türken den Sieg davontrugen. Baare acht Gute Groschen waren der Lohn dieser ersten That.
Als es galt, einen Beruf zu ergreifen, hätte sich der Jüngling natürlich am liebsten der Malerei zugewendet. Dem sorgenden Vater schien das aber doch eine zu brotlose Kunst. So widmete sich der Sohn denn zunächst der Baukunst. Fünfjährige Studien, die ihn schließlich nach München führten, vermittelten ihm eine eingehende Bekanntschaft mit der Antike; der übliche Unterricht im Ornamentmodelliren aber brachte ihm die Kenntniß der Arbeitsweise des Bildners, die ihn mehr und mehr anzog. Was Wunder, daß er nun auch der zweiten Muse untreu wurde und sich zur dritten wendete! Als er München verließ, war er innerlich wohl schon Bildhauer. Gleichwohl ging er erst in Florenz, wohin er nun seine Schritte lenkte, völlig zur Plastik über.
Hier, unter dem mächtigen Eindruck der Bildwerke des klassischen Alterthums und der Renaissance, und später in Rom, wo er zwei Jahre in direktem und indirektem Verkehr mit Cornelius, Genelli, Thorwaldsen u. a. verlebte, bildete und klärte sich Hähnels Kunstanschauung. Das Ergebniß war jene köstliche Vereinigung griechischen Schönheitssinnes mit moderner Empfindungsweise, die all seinen Werken eigen ist. Jener Stil, der so unverkennbar in der Antike wurzelt und doch ein durchaus Neues, Eigenthümliches giebt.
Als Hähnel nach der Rückkehr aus Italien und einem zeitweiligen Aufenthalt in München im Jahre 1838 von Semper zur bildnerischen Ausschmückung des Theaterbaues nach Dresden berufen wurde, fand er zum ersten Mal Gelegenheit, seine reiche Begabung an größeren Arbeiten zu bethätigen. Er that es in einer Weise, die bei einem jungen Künstler mit Bewunderung erfüllen muß. Die moderne Kunst hat nicht viel aufzuweisen, was sich z. B. dem hier abgebildeten prächtigen Bacchuszug, mit dem er die Attika schmückte, in Hinsicht auf klar monumentale und doch lebendig bewegte Komposition, edlen Linienfluß und geistvolle Beziehungen an die Seite stellen läßt. Das Werk ist leider beim Brande des Theaters mit zu Grunde gegangen, doch harren die wohlerhaltenen Gipsmodelle der Auferstehung in einem edleren Material.
Von nun an reihte sich Werk an Werk. Eine gewonnene Konkurrenz brachte den Auftrag zum Beethovendenkmal für Bonn, an dem neben der trotzig in sich abgeschlossenen bedeutenden Auffassung der Hauptfigur besonders die herrlichen Reliefs der Phantasie, der Kirchenmusik und der Symphonie bemerkenswerth und weitbekannt sind. Es folgte das Standbild Karls IV. für Prag mit Figuren der vier Fakultäten, die in ihrer Herbheit und Strenge Corneliusschen, fast Overbeckschen Einfluß zu verrathen scheinen. Durchaus Hähnelsche Eigenart verräth die eine trinkende Schlange ruhig und scharf beobachtende Hygieia. – So vorzüglich Hähnel monumentalen Aufgaben gerecht wurde, wie sie ihm im Verlaufe der Zeit noch in den Denkmälern für Schwarzenberg, den Herzog Wilhelm von Braunschweig, Leibniz, den König Friedrich August von Sachsen und Theodor Körner gestellt wurden, so liegen doch seine schönsten Erfolge da, wo seiner reichen Phantasie freier Spielraum gelassen war, in zweiter Linie aber da, wo er die Bildnerei der Schwesterkunst Architektur dienstbar macht. Die Forderungen nach künstlerischem Maßhalten und streng plastischer Auffassung, welche die letztere an die Bildnerei stellt, waren ihm innerliches Bedürfniß und wurden darum von ihm niemals als Zwang empfunden. Glänzende Beispiele einheitlichen Zusammenwirkens beider gab Hähnel im äußeren Schmuck der Wiener Hofoper mit den Pegasusgruppen und den fünf Figuren der Loggia, besonders aber in der geistvollen bildnerischen Ausstattung des Semperschen Museumsgebäudes am Zwinger in Dresden, in die er sich mit Rietschel theilte. Die wunderbar schön und einfach komponirten Zwickel der Fensterverdachungen, die Füllungen und die freien Figuren des Mittelbaus gehören zu den vornehmsten Werken, welche die Neuzeit überhaupt hervorgebracht hat. Der Raphael, an dem der Künstler unermüdlich gebessert und wieder gebessert hat und von dem eine Marmorkopie im Leipziger Museum und in der Nationalgalerie steht, ist in seiner hoheitsvollen stillen Harmonie vielleicht die edelste Verkörperung Hähnelscher Kunstweise.
Es würde die Grenzen dieses Gedenkblatts überschreiten, wenn man versuchen wollte, seinem Schaffen in allem, was er hervorgebracht hat, auch nur annähernd gerecht zu werden. Mannigfache bedeutungsvolle Arbeiten wie die Gestalten am Zwingerpavillon und der Dreikönigskirche in Dresden, vor dem Theater und am Museumsgebäude in Leipzig, eine Reihe nur um ihrer selbst willen geschaffene Figuren und Gruppen – es sei nur an die groß aufgefaßte Eva mit Kain und Abel erinnert – und endlich zahlreiche Büsten und Reliefs können nur aufgezählt werden.
Alles in allem wird es genügen, um ein Bild zu geben von der großartigen künstlerischen Thätigkeit des nunmehr Achtzigjährigen. Die allen Aeußerlichkeiten vornehm abgewandte Persönlichkeit Hähnels und der – man könnte sagen – aristokratische Zug, welcher durch seine Kunst geht, sind Ursachen, daß sein Name den breiteren Schichten des Volkes nicht so geläufig geworden ist, wie er sollte, während ihm auf der anderen Seite schon 1859 die seltene Auszeichnung eines Ehrendoktors der Universität Leipzig zutheil wurde.
Man möchte wünschen, alt seinem Ehrentage alle seine Werke beieinander sehen zu dürfen; dann erst würde man recht erkennen, welche Summe von Schönheit ihm zu danken ist. Friedrich Offermann.