Ersch-Gruber:Lappenberg (Johann Martin)
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Section 2, Theil 42 (1888), ab S. 112. (Quelle) | |
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Lappenberg (Johann Martin), Geschichtsforscher, geboren zu Hamburg am 30. Juli 1794, gestorben daselbst am 28. Nov. 1865, stammte aus einer Familie, in der schin seit zwei Generationen Sinn für Wissenschaft und Literatur heimisch war. Er genoß den Unterricht des hamburger Gymnasiums, das unter der Leitung des trefflichen Gurlitt stand. Die schweren Zeiten, in welche seine Jugend fiel, machten ihn früh ernst. Unter den Freunden des Vaters übten besonders Friedrich Perthes und der als Kunstfreund und Sammler bekannte Speckter, der Vater von Erwin und Otto Speckter, Einfluß auf ihn aus. Als im Frühjahre 1813 die Befreiungsstunde für Hamburg schlug, trieb es ihn, sich bei dem General Tettenborn als freiwilliger Jäger zu melden; aber der Vater, der seine körperliche Untauglichkeit kannte, versagte die Zustimmung und sandte ihn nach Edinburgh, um dort das Studium der Medicin zu beginnen. Vom Frühjahre 1813 bis August 1815 verweilte er in Schottland und England und hat hier früh die durch sein ganzes Leben festgehaltene Liebe zur Geschichte und Literatur Englands eingesogen. Die medicinischen Anfänge wichen bald historisch-politischen Studien; und über die Welt der Bücher hinaus gelang es ihm, Beziehungen zu hervorragenden Persönlichkeiten zu gewinnen, Land und Leute nicht blos kennen zu lernen, sondern sich so in sie einzuleben, als denke er hier sich eine Heimat zu gründen. Diesen Plan hielt er auch fest, als er seit Herbst 1815 in Berlin, seit 1816 in Göttingen die Rechte studierte. Am 23. Oct. 1816 hier promoviert, eilte er nach England zurück, aber die schöne Schottin, der er sich in jugendlicher Begeisterung genaht hatte, machte ihre Hand von Erlangung einer Stellung im Lande abhängig, die hoher Fürsprache ungeachtet für einen Fremden nicht zu haben war. So sah er sich denn zur Heimkehr genöthigt und versuchte sich zunächst einige Jahre als Advocat in der Vaterstadt. Als sich Hamburg 1819 entschloß, einen eigenen Ministerresidenten in Berlin anzustellen, übertrug es den neuen Posten dem jungen Lappenberg. So manche interessante und folgenreiche Beziehung auch in diesen Jahren angeknüpft wurde, wie mit Savigny, Achim von Arnim, Barnhagen, konnte er, von Natur wenig geeignet für die bewegliche Rolle des Diplomaten, der in Zeitungslesen, Umkleiden und Visitenmachen sich erschöpfenden Arbeit eines kleinstaatlichen Vertreters auf die Dauer nicht mehr Geschmack abgewinnen als zuvor der des praktischen Juristen. Da er aber von sich aus keine andere seinem Geiste zusagende und mit Consequenz betriebene Bschäftigung fand, so wirkte die an ihn ergehende Berufung zum Amt eines Archivars in seiner Vaterstadt wie eine Erlösung. Die Wahl, von wem immer veranlaßt, erwies sich als ein so glücklicher Griff, daß von ihr die ganze Wendung seines Lebens datirt. Er hat das ihm am 30. Mai 1823 übertragene Amt mehr als vierzig Jahre bekleidet. Man hat die Ernstlichkeit der Aueßerungen seiner Briefe und Tagebücher, in denen er sich unmuthig und widerwillig über das neue Amt ausspricht, angezweifelt, in der Meinung, die Uebernahme eines so wichtigen und noch unberührten Archivs, von dem aus sich die Herrschaft über den ganzen Nordwesten erobern ließ, hätte für einen Archivar, der zugleich ein Historiker war, eine wahre Herzensfrende sein müssen. Lappenberg war zur Zeit keines von beiden; das ihm zugedachte Amt erschien ihm als eine dem abgestorbenen Leben zugewandte kleinliche Thätigkeit, während er trotz alles Misbehagens, das ihm die bisherige Praxis bereitet, den Wunsch, an dem wirklichen Staatsleben sich zu betheiligen, nicht aufgegeben hatte. Dem bestehenden Rechte gemäß war er als einer der vier Secretarien nicht in senatu sondern nur de senatu, ohne aber gleich den Syndici ein votum consultativum zu führen; zudem mußte er als Archivar sich besonders verpflichten, Zeit seines Lebens in keine anderweiten Dienste zu gehen, noch in Hamburg während der nächsten zehn Jahre nach Antritt seines Amtes eine [113] andere Function nachzusuchen oder anzunehmen, eine Clausel, deren Zeitbestimmung der Senat zu Gunsten Lappenberg’s und seiner Nachfolger um die Hälfte zu verkürzen vergebens 1828 bei der Bürgerschaft beantragte. Hilft der Umstand, daß Lappenberg nach mehrjähriger Innehabung seine Stellung noch nicht als eine definitive betrachtet zu haben scheint — wie er denn erst 1827 förmlich von Berlin rappellirt wurde — jene befremdliche Stimmung zur Zeit der Übernahme des Amtes erklären, so ist weiter zu beachten, daß niemand damals und auch Lappenberg nicht wußte, was in dem hamburger Archive steckte und was sich aus ihm machen ließ. Sein bisheriger Bildungsgang hatte ihn zwar vielfach auf Geschichte hingeführt; daß er aber aus der Geschichte ein Studium gemacht, sich in die Quellen irgendeines Gebietes oder einer Zeit vertieft, selbständig und nachhaltig in ihnen geforscht und in solcher Thäligkeit seine Befriedigung gefunden hätte, ist nicht wahrzunehmen. Was er schriftstellerisch bisher geleistet hatte, bestand in zwei Uebersetztungen in das Englische — einer Abhandlung des Philologen Vater liber die Sprachen von Afrika in Constable’s „Edinburgh Magazine“ (1813) und der Flugschrift von J. B. Say, „De l’Angletrre et des Anglais“ (1815) — und der Mittheilung eines Rechtsfalles im „Hamburger Archiv für das Handelsrecht“, Bd. 1 (1818). Um so höhere Anerkennung verdient nach alledem, wos Lappenberg als Archivar und Geschichteforscher geleistet, wie rasch er sich zum gründlichen Kenner herangebildet und das hamburger Archiv zu einem der ersten in Deutschland emporgehoben hat. Zunächst handelte es sich um Ordnungsarbeiten, die fast wie ein Bruch der Amtspflicht und ohne alle mechanische Beihülfe betrieben werden mußten. Während dieser Jahre trat nichts an die Oeffentlichleit als die Fortführung der dort dem ersten Sekretär (Protonotar) Anderson dis zu seinem Tode (1826) edirten halbofficiellen Sammlung der „“Hamburgischen Verordnungen“, die dann Loppenberg weiter bis zum J. 1865 in jährlich erscheinenden Bänden besorgt hat. In diese ersten Jahre fällt auch die Begründung des eigenen Hausstandes: im März 1825 verheirathete er sich mit Emilie Baur, Tochter des sehr reichen altonaer Kaufmanns G. J. Baur, und als diese noch in denselben Jahre starb, im Mai 1827 mit deren Schwester, Marianne, mit der er 22 Jahre in glücklicher, mit drei Söhnen und drei Töchtern gesegneter Ehe gelebt hat. Gegen Ende des Jahrzehnts machen sich die ersten Anzeichen seiner Berufsthätigkeit auch äußerlich geltend: es gelingen die ersten Funde, kleine Publicationen in benachbarten Zeitschriften werden unternommen, mit auswärtigen Gelehrten durch Mittheilungen von Schätzen aus den hamburger Bücher- und Urkundensammlungen Beziehungen angeknüpft, mit Jakob Grimm in Kassel, Joh. Voigt in Königsberg, Warnkönig in Gent, mit Pardessus, für dessen „Collection des lois maritimes“ er Hanserecesse, hamburgische und hansische Seerechte lieferte, endlich mit dem Göttinger Sartorius, eine Verbindung, die die folgenreichste von allen werden sollte. Lappenberg’s erste größere Arbeit war eine Gelegenheitsschrift. Das „Programm zur dritten Säcularfeier der bürgerschaftlichen Verfassung Hamburgs am 29. Sept. 1828“ enthält eine Verfassungsgeschichte der Stadt von der ältesten Zeit bis ins 16. Jahrh., wo durch die Vereinigung der Kirchenvorstände zu einer beständigen Vertretung die erbgesessene Bürgerschaft begründet wurde. So kurz alles und namentlich die älteren Zustände skizzirt werden mußten, so ruht es doch durchweg auf eingehenden, selbständigen und zur Umgestaltung der herkömmlichen Anschauungen führenden Studien. Die zugefügten Anmerkungen, die artistischen Beilagen zeigen das Streben nach Anschaulichkett, den Sinn für die Kunstdenkmäler, die Wertschätzung des Kleinen und Einzelnen neben der Würdigung der großen Züge der Entwickelung, alles Erscheinungen, die charakteristisch für Lappenberg’s Schriften sind. Von der Tiefe und dem Umfunge seiner Studien und der ganzen Schlagfertigkeit seines Wissens gewähren die Recensionen ein gutes Bild, welche er in reicher Zahl während dieser Jahre, die den eigenen großen Arbeiten vorbereitend und sammelnd vorangingen, in den „Berliner Jahrbüchern für wissenschaftliche Kritik“, der „Allgemeinen Literaturzeitung“, den „Götttinger gelehrten Anzeigen“ veröffentlichte: Geschichte dee Städtewesens, Norddeutschlands, der Freien Städte; Angelsachsen, Skandinavier, Normannen; Seerecht und Handelsgeschichte neben Verfassungs- und politischer Ge- schichte; Quellenwerke wie Darstellungen, alles das tritt in seinen Gesichtskreis. Nirgends verhält er sich blos receptiv, überall nimmt er Veranlassung zur Mittheilung des von ihm selbst Erforschten. Seit etwa 1830 ist dann Lappenberg’s Name mit drei großen wissenschaftlichen Unternehmungen verflochten. Voran steht die Hanse. Im Herbste 1828 mar Sartorius gestorben, eben beschäftigt mit der Drucklegung der „Urkundlichen Geschichte des Ursprungs der deutschen Hanse“. Der erste, die Abhandlung enthaltende Band war zu einem Drittel, der zweite, dem Urkundenbuch bestimmte, zu einem Viertel gedruckt. Auf Ersuchen der Hinterbliebenen übernahm Lappenberg, der schon dem verstorbenen Verfasser aus den hamburger Archivalien die werthvollste Neihülfe geleistet hatte, die Vollendung des Werkes (1830), das seitdem nach Sartorius-Lappenberg genannt wird. Und das mit vollem Recht. Denn nicht nur, daß er die noch ungedruckten Urkunden revidirte, die gedruckten in einem Nachtrage ergänzte und berichtigte, fügte er dem darstellenden Bande eine im Vorworte niedergelegte Abhandlung hinzu, in welcher er die seitdem herrschend gewordene, von ihm schon in jungen Jahren erkannte Ansicht von der Entstehung der Hanse begründete, die Ansicht, daß nicht der Bund der Städte daheim, sondern die Verbindung der deutschen Kaufleute im Auslande die Grundlage der Hanse gewesen ist. — Für die von Heeren und Ukert herausgegebene „Geschichte der europäischen Staaten“ übernahm Lappenberg die Bearbeitung der „Geschichte von England“, deren erster, die Zeit bis 1066 umfassender Band 1834, der zweite, bis 1152 reichend, 1837 erschien. Durch kritische Behandlung der Quellen und ihres Inhalts, wie sie sich damals von der deutschen Schule der [114] Historiker auszubreiten anfing, ausgezeichnet, bildet das Buch einen der werthvollsten Bestandtheile der großen Sammlung und ist, wie in Deutschland so auch in England, wo alsbald eine Uebersetzung erschien, mit Beifall begrüßt worden. Auf wiederholten Reisen hat er die „vielgesegnete“ Insel besucht, zahlreiche gelehrte Verbindungen dort angeknüpft und ist Jahrzehnte lang der Vermittler zwischen englischer und deutscher Wissenschaft gewesen. Seine Absicht, die englische Geschichte fortzusetzen, wurde durch Uebernahme anderer Aufgaben gekreuzt; erst 1853—58 erschienen von Reinhold Pauli’s Hand die Bände 3—5, welche die englische Geschichte bis zum Ende des Mittelalters führten. Aus Lappenderg’s Vorarbeiten trat nichts weiter ans Licht als ein ausführlicher Artikel über Irland, der in dieser Encyklopädie (Sect. II, Thl. 24, WS: S. 1 - 103 1845) abgedruckt ist. Das dritte große Unternehmen, dem er seine Kräfte widmete, waren die „Monumenta Germaniae historica“. Er erhielt die Chronisten zugewiesen, die seinem Arbeitsfelde am nächsten lagen. Der 3. Band der „Scriptores“ (1839) brachte den „“Thietmar von Merseburg“; Bd. 7 (1846) „Adam von Bremen“; Bd. 16 (1859) „Albert von Stade“, „Anales Gandenses, Lubecenses, Hamburgenses, Reynses“ und die von Lappenberg drei Jahre zuvor in Petersburg wieder aufgefundenen „Ann. Mosellani“; Bd. 21 (1869) „Helmold“, „Arnold von Lübeck“ und den „Prebyter Bremensis“, während in dem „Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde“ Bd. 6 und 9, die Vorarbeiten für diese und andere von ihm behandelten Quellenschriften niedergelegt sind. Sachlich in nahem Zusammenhange mit diesen Leistungen stehen die für die Geschichte Hamburgs ausgeführten, und es zeugt von der enormen Arbeitskraft des Mannes, der beiden Reihen von Aufgaben zu gleicher Zeit obliegen konnte. Und was für umfassende und bedeutsame Werke sind es, die er für die Geschichte der Vaterstadt schuf: 1842 das „Hamburgische Urkundenbuch“, in dem neben den reichen Schätzen des Stadtarchivs die in Stade von Lappenberg wieder entdeckten Dorumente des erzbischöflichen hamburg-bremischen Archivs zur Veröffentlichung kamen, nur die zum J. 1300 reichend, aber doch in dem stattlichen Umfange von mehr als 1000 Nummern; 1845 die „Hamburger Rechtsalterthümer“, Bd. l, eine trefflich eingeleitete und edirte Sammlung der mittelalterlichen Statuten von Hamburg enthaltend. Um den Mittelpunkt Hamburg gruppirt sich eine ganze Fülle seiner Arbeiten älterer und jüngerer Zeit: die „Miniaturen zum Hamburger Stadtrecht von 1497“, mit Zeichnungen von Otto Speckter (1845), „Die Elbkarte dee Melchior Lorichs vom J. 1568“ (1847), „“Ueber das Billwärder Recht“ (1828), „“Ueber älltere Geschichte und Rechte des Landes Hadeln“ (l829), „“Ueber den ehemaligen Umfang von Helgoland“ (1830); dann die zunächst durch seine amtliche Thätigkeit hervorgerufenen, aber reichen historischen Stoff bietenden Berichte: „Die milden Privatstiftungen zu Hamburg“ (1845), „Ueber den Ursprung und das Bestehen der Realgewerbrechte zu Hamburg“ (1861), „Ueber Hamburgs Rechte an der Alster“ (1859). Endlich die Chronikeneditionen: „Hamburger Chroniken in niedersächsischer Sprache“ (1861), „Chronicon Holtzatiae auctore presbytero Bremnsi“ und „Chronik der niederelbischen Sassen“ (Bb. 1 und 3 der Quellensammlung der schleswig-holstein-lauenburgischen Gesellschaft für vaterländische Geschichte 1862 und 65) und die „Hamburger Chronik des Syndicus Adam Tratziger“ (1863), die sich in Gegenstand und Behand- lung mit den zwanzig Jahre früher herausgegebenen „Ge- schichtsquellen des Erzstifts und der Stadt Bremens“ (1641) berühren. Es ist unmöglich, auch nur zusammenfassend aller seiner größeren und kleineren Aufsätze zu gedenken, die in der „Zeitschrift des Vereins für Hamburger Geschichte“, dem Organe der von ihm seit ihrem Entstehen im J. 1839 geleiteten Gesellschaft, abgedruckt sind. Jede Gelegenheit des öffentlichen Lebens ward ihm in jenen regsamen Jahren Anlaß, mit einer Publication hervorzutreten und den Zeit- und Stadtgenossen Förderung und Ausklärung, bald geschichtlicher, bald literarischer Art, zu bieten. Die Feier des J. 1840 rief die Beitrage „Zur Geschichte der Buchdruckerkunst in Hamburg“, der hamburger Brand von 1849, der einen großen Theil der archivalischen Schätze und die ganze Auflage des „Hamburger Urkundendbuchs“ bis auf 100 Exemplare vernichtete, die Schrift: „Der große Brand von London im J. 1666“ hervor. Der Verkauf der alten Gildhalle zu London seitens der drei Freien Städte gab zu der wichtigen Publikation, die zu den alten hansischen Studien zurücklenkte, Anlaß: „Urkundliche Geschichte des Hansischen Stahlhofed zu London“ (1651). Eine Conservative, an der alten patricischen Verfassung hängende Natur, hat er den Ereignissen dee J. 1848 keine Sympathie abgewinnen können und sich an den politischen Kämpfen nur insofern betheiligt, als er 1649 eine „Die Privilegien der Parlamentsmitglieder“ verwerfende kleine Schrift erscheinen ließ und Juni bis August 1850 als Vertreter Hamburgs den frankfurter Vorberathungen über die Herstellung des Bundestags beiwohnte. Daß er der Pflege der nationalen Interessen sich nicht verschloß, zeigt seine Theilnahme an den beiden Germanistenversammlungen, auf deren erster zu Frankfurt (1846) er die Aufnahme eines historischen Verzeichnisses der Orte Deutschlands anregte, aus der zweiten zu Lübeck (1847) einen ausführlichen Bericht erstattete über die Erhaltung der deutschen Nationalität im Auslande, ohne aber mit seinen Vorschlägen gegenüber der Opposition Dahlmann’s und des Bürgermeisters Smidt von Bremen Anklang zu finden. Die letzte Periode seines Lebens ist charakterisirt durch eine vorzugsweise dem literarhistorischen Gebiete zugewandte Thätigkeit. Die Quelleneditionen, die auch hier von ihm ausgehen, knüpfen zum Theil an Neigungen und Bestrebungen seiner jungen Jahre an und stehen fast alle zu seinen der hisiorischen Erforschung des niedersächsischen Stammes und Hamburgs gewidmeten Studien in Beziehung. Seine früheste hier zu erwähnende Gabe sind die seit 1817 aus Winke voa Rath Friedrich Schlosser ins Ange gefaßten „Reliquien des Fräulein Susanna Katharina von Klettenberg“ [115] (1849), zu Goethe’s hundertjährigem Geburtstage dargebracht, der in „Wilhelm Meister’s Lehrjahre“ ihre Betenntnisse einer schönen Seele so anmuthsvoll verflochten hat. Daneben des Thomas Murner derven „Ulenspiegel“ (Leipzig 1854) zu gedenken, berechtigt der Umstand, daß auch hier eine während der berliner Residentenzeit von Meusebach und Arnim gegebene Anregung zu Grunde liegt. Die Herausgabe der „Scherzgedichte von Johann Lauremberg“ („Bibliothek des Literarischen Vereins zu Stuttgart“, Bd. 58, Stuttgart 1861) macht mit werthvollen Beiträgen zur niedersächsischen Poesie und Culturgeschichte bekannt. Die Dichter Fleming, Hagedorn, Klopstock vereint die Beziehung zu Hamburg. Fleming, Lappenberg schon den Jugend auf lieb und geläufig, dann durch Varnbagen’s Aufsatz ihm wieder nahe gebracht, hat durch ihn zuerst eine vollständige Ausgabe seiner poetischen Werke erhalten. Die lateinischen Gedichte bilden Bd. 73, die deutschen Bb. 82 und 83 der „Bibliothek des Literarischen Vereins“ (Stutt- gart 1863-65). Erst aus Lappenberg’s Nachlasse veröffentlichte L. Weiland „Briefe von und an Klopstock“ (Braunschweig 1867). Alle diese Arbeiten, mögen auch gegen einzelne philologische Bedenken begründet sein, zeichnen sich durch einen reichen Apparat biographischer, bibliographischer, sacherklärender Mittheilungen aus. Neben diesen literarhistorischen Leistungen nahmen die altgewohnten hamburgischen Arbeiten ihren Fortgang und empfingen die hansischen Studien erneute Förderung durch die von König Maximilian II. von Baiern ins Leben gerufene Historische Commission, deren Mitglied Lappenberg gleich bei ihrer Begründung wurde. Auf seine Anregung nahm sie die Herausgabe der Hansarecesse und die Herstellung eines erweiterten Hansischen Urkundenbuchs unter ihre Aufgaben auf, und hat sich auch Lappenberg nur noch an den vorbereitenden Arbeiten betheiligen können, so wissen doch die, welche die hansischen Quellen nach einem umfassenderen Plane bearbeitet haben und zu bearbeiten fortfahren, was sie dern Altmeister, der die Grundlagen gelegt hat, zu danken haben. Das Augenleiden, welches ihn 1848 betraf und die Erlblindung des einen und Schwächung des andern Auges herbeiführte, hat seinen Fleiß und seine Hingebung nicht zu erschüttern vermocht. Sein Amt als Archivar hat er bis Ausgang 1863 beibehalten, seine schriftstellerische Thätigkeit fast bis an sein Lebensende fortgesetzt, unterstützt durch junge Gelehrte, die ihm als Privatsecretäre zur Seite standen, zuerst Wilh. Junghans, dann H. E. Meyer (von Bremen), Edmund Meyer, Th. Knochenhauer, Kratz und zuletzt L. Weiland. Als man am 27. Oct. 1864 das 25jährige Jubiläum des Hamburgischen Geschichtsvereins und der Vorsteherschaft Lappenberg’s feierte, meinte er die ihm erwiesenen Ehren damit von sich ablenken zu können, daß selten jemand so viel anziehender und neuer Stoff zur Bearbeitung dargeboten sei und daß dieser ihn selbst wider Willen zu geflügelter Thätigkett habe hinreißen müssen. „Die Perlen, die schönsten und größten, sind mir an den Meeresstrand geworfen, und ich babe nur das Geschick gehabt, sie zu erkennen und die geringe Mühe sie aufzuheben.“ Aber jene Fähigkeit des Erkennens wie diese Arbeit des Ausbeutens, wie man wol das Aufheben wiedergeben darf, war nicht möglich ohne einen Verein der glücklichsten Eigenschaften und ohne eine gleichmäßige Schulung in den drei Zweigen des germanistischen Wissens. Durch die Verbindung von Geschichte, Sprache und Recht und den bei aller localen Beschränkung festgehaltenen Zusammenhang der Gesammtentnwickelung ist es ihm gelungen, so viel und so Großes zu vollbringen. Von dem einen Stadtarchiv aus hat er wirklich die Herrschaft über das ganze Nordwestquartier gewonnen. Und nicht blos für sich. Seine Arbeiten haben einen Samen ausgesteut, aus dem für die nachfolgenden Geschlechter noch täglich neue Frucht ersprießt. Niedersachsen mit seiner Großstadt als Mittelpunkt, die Hansa, England, das sind die Inschriften der Ruhmeskränze, die er sich und der deutschen Geschichtswissenschaft errungen. Lappenberg’s Schreibweise hat nichts Fesselndes und wird leicht, wo sie warm werden will, schwerfällig. Daß er aber auch ergreifend zu schreiben versteht, zeigt die Vorrede zu Demmler’s Bearbeitung der Geschichte Englands von Keightley (Hamburg 1847), in der er, das Verhältniß von Deutschland zu England besprechend, den Grundzug seiner religiös-politischen Anschauung zum Ausdruck gebracht hat.
Quellen: E. H. Meyer, „Joh. Martin Lappenberg“ (Hamburg 1867). – R. Pauli in „Allgem. deutsche Biographie“ Bd. 17, S. 709 fg. und die von ihm S. 715 verzeichneten Nekrologe. – „Sammlungen der Verordnungen der Freien Stadt Hamburg“ (Jahrg. 1828); „Zeitschr. des Vereins für hamburg. Geschichte“, Bd. 3, S. 521 und Bd. 5, S. 386 fg. – K(nochenhauer) in „Literar. Centralblatt“ (1867), Nr. 52, S. 1482. – Das vollständige Verzeichnis der Schriften Lappenberg’s in Schröder’s „Lexikon der hamburgischen Schriftsteller“, Bd. 4, S. 358-368.