Allgemeines Deutsches Kommersbuch:306

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Schauenburg:
Allgemeines Deutsches Kommersbuch
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          676.     Das Lied von der Juristerei.

     Singw.: Jeweils Vers 1-4.: Ich lobe mir das Burschenleben ec., 5-8.: Und siehe
     über ein kleines mit einer Kanne Weines ec.

     1. Es haben uns die alten Griechen so manche Fertigkeit gelehrt,
von großen Dingen wunderlichen und Weisheit war ihr Kopf beschwert.
Doch in prudentia juris ihr Wissen lückig nur is; was Solon auch
geschrieben, ist ohne Frucht geblieben.

     2. Da mußten erst die Römer kommen, als boni cives klug und
fein, die sich das jus gleich vorgenommen, es zu zerlegen kurz und klein.
Es gaben schon die reges so hin und wieder leges, damit nicht die
Quiriten sich auf dem Holzweg mühten.

     3. Und als die reges nicht mehr waren, da schickt man in der
Welt herum, und alles, was man dort erfahren, schrieb man sogleich
zu leges um duodecim tabularum, drin fand sich wie und warum,
wer, wo, was der Juristik mit klüglicher Sophistik.

     4. Praetores schufen rüstig weiter edicta ganz nach ihrem Sinn,
so ward das jus bald breit und breiter, ’s war auch schon mancher
Unsinn drin, den man auctoritate prudentium drin vertrate, das Volk
mit langen Ohren hat aber drauf geschworen.

     5. Wie’s in der Kaiserzeit sollt gehen, rescriptum und novella
weiß, man schrieb, thät man’s auch nicht verstehen, mit Gottesfurcht
und war hübsch dreist; leider imperatores: viel jus und wenig mores,
z. B. war der Nero moralisch noch nur zero.

     6. Da kam der Caius, Kronjuriste im lieben großen römschen
Reich, der baute auf das Grundgerüste des Römerrechts ganz ohne=
gleich. Drum lernen die tirones zuerst institutiones, sind froh wie
Waisenknaben, daß sie den Caius haben.

     7. Und nun erhebt euch von den Sitzen, ich nenne euch Justinian,
die Spitze aller Weisheitsspitzen, der macht sich an das jus heran, schrieb
sitzend auf dem podex zusammen seinen codex, was los umher=
gebammelt, das ward da festgerammelt.

     8. So ist das römsche Recht entstanden, das nun zum ewigen
Verdruß in allen europäischen Landen der arme Studio ochsen muß;
ja wenn doch die Pandekten was anders noch bezweckten, als daß man
drüber quasselt und durchs Examen rasselt.

K. Krafft.


          677.     Der Ichthyosaurus.

     Singw. Es hatten drei Gesellen ec. oder Ich weiß nicht, was soll es bedeuten ec.


     1. Es rauscht in den Schachtelhalmen, verdächtig leuchtet das
Meer, da schwimmt mit Thränen im Auge ein Ichthyosaurus daher.
 
     2. Ihn jammert der Zeiten Verderbnis, denn ein sehr bedenklicher
Ton war neuerlich eingerissen in der Liasformation.

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     3. Der Plesiosaurus, der alte, er jubelt in Saus und Braus, der
Pterodaktylus selber flog neulich betrunken nach Haus.

     4. Der Iguanodon, der Lümmel, wird frecher zu jeglicher Frist,
schon hat er am hellen Tage die Ichthyosaura geküßt.

     5. Mir ahnt eine Weltkatastrophe, so kann es länger nicht gehn!
Was soll aus dem Lias noch werden, wenn solche Dinge geschehn?

     6. So klagte der Ichthyosaurus, da ward’s ihm kreidig zu Mut,
sein letzter Seufzer verhallte im Qualmen und Zischen der Flut.

     7. Es starb zu derselbigen Stunde die ganze Saurierei, sie kamen
zu tief in die Kreide, da war es natürlich vorbei.

     8. Und der uns hat gesungen dies petrefaktische Lied, der fand’s
als fossiles Albumblatt auf einem Koprolith.

J. V. Scheffel. 1854.


          678.     Das Wirtshaus an der Lahn.

     Maßig geschwind.

     1. Es steht ein Wirtshaus an der Lahn, da keh=ren alle Fuhrleut
an; Frau Wir=tin sitzt am O=fen, die Fuhrleut um den
Tisch her=um, die Gäste sind be=sof=fen.

     2. Die Wirtin hat auch einen Mann, der spannt den Fuhrleut
selber an, er schenkt vom allerbesten Ullrichsteiner Fruchtbranntwein
und setzt ihn vor den Gästen.

     3. Die Wirtin hat auch einen Knecht, und was der thut, das ist
ihr recht; er thut gern karessieren; des Morgens, wenn er früh aufsteht,
kann er kein Glied nicht rühren.

     4. Die Wirtin hat auch eine Magd, die sitzt im Garten und pflückt
Salat; sie kann es kaum erwarten, bis daß das Glöcklein zwölfe schlägt,
da kommen die Soldaten.

     5. Und als das Glöcklein zwölfe schlug, da hatte sie noch nicht
genug; da fing sie an zu weinen, mit ei, ei, ei, und ach, ach, ach! nun
hab ich wieder keinen.