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Eskimos in Berlin

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Textdaten
Autor: Unbekannt
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Titel: Eskimos in Berlin.
Untertitel: Volksblatt. Eine Wochenzeitschrift mit Bildern. Jahrgang 1878, Nr. 21, S. 164–167
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Herausgeber: Dr. Christlieb Gotthold Hottinger
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Erscheinungsdatum: 1878
Verlag: Verlag von Dr. Hottinger’s Volksblatt
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Erscheinungsort: Straßburg
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Quelle: Commons
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Eskimos in Berlin.


Vor Kurzem gelang es einem Hamburger, eine Eskimo-Familie – Namens Okabak – zu einer Reise nach Europa zu bestimmen. Dieselbe langte wohlbehalten in Kopenhagen an und begann von hier aus größeren Städten einen Besuch abzustatten. So kam sie im März d. J. auch nach Berlin und zeigte sich hier einige Wochen lang im Zoologischen Garten. [165]

Eskimos in Berlin.

Sie besteht aus sechs Gliedern: Mann, Frau, einem [166] 3½, einem 1½ jährigen Kinde und zwei erwachsenen Verwandten. Um ein möglichst deutliches Bild von ihrem Treiben zu geben, schlug sie ihre Wohnung in einer eigens zu diesem Zwecke errichteten Hütte auf, wie solche in ihrer Heimath üblich sind. Dieselben gleichen mehr einem Erdhaufen als einem menschlichen Aufenthaltsorte; sie werden – vielfach ohne Bretterbekleidung – aus Stein und Grastorf aufgeführt, enthalten eine kleine Oeffnung als Eingang, aber oft weder einen Ofen, noch einen Schornstein (der Schornstein auf unserer Abbildung dient nur als Schmuck des Daches; Oefen haben ihnen die Europäer gebracht). Licht und Wärme verschaffen sich die Eskimos dadurch, daß sie in Lampen, welche sie aus einer weichen Steinmasse zu fertigen verstehen, Seehundsfett verbrennen. Es läßt sich leicht denken, wie die Luft in einer solchen Hütte beschaffen ist, zumal da noch Fleischabfälle und dergleichen umherliegen, und die Eskimos überhaupt sehr unreinlich sind.

Wenn der Sommer herannaht, verlassen sie die Winterhütten, gehen auf die Jagd, schlagen leichte Zelte auf oder übernachten unter freiem Himmel, auf Schnee und Eis. Um dabei etwas mehr erwärmt zu werden, lassen sie wohl auch ihre Hunde um sich herum liegen. Sind doch die Gegenden, welche sie bewohnen, der äußerste Norden von Amerika, besonders Grönland, so kalt, daß es zu den Ausnahmen gehört, wenn die sich dort aufhaltenden Europäer selbst im Sommer ihre Zimmer nicht heizen müssen.

Ihre Kleidung wissen sie den Verhältnissen dieses rauhen Klimas vortrefflich anzupassen. Sie besteht hauptsächlich aus Renthier- und Seehundfellen. Der Pelz wird doppelt genommen, unten werden die Haarseiten nach innen, oben nach außen gewendet; der Kopf wird von einer Kappe so bedeckt, daß nur das Gesicht selbst frei bleibt. Die natürliche Kopfbedeckung, der Haarwuchs, ist besonders bei den Männern sehr stark; die Frauen binden ihre Haare aufwärts in einen Wulst zusammen.

Von Gestalt sind die Eskimos meist klein, selten größer als 1½ Meter, im Westen erreichen sie wohl auch 17/10 Meter. Ihre Gesichtsfarbe ist braun.

Im Allgemeinen erfreuen sie sich einer guten Gesundheit, da sie lange Zeit des Jahres unter freiem Himmel und in frischer Luft leben und eine sehr kräftige Kost genießen.

Ihr Hauptnahrungsmittel sind Robben (Seehunde). Sobald sie diese fangen können, haben sie Alles, was sie für ihr leibliches Leben brauchen; deren Fleisch dient ihnen zur Speise, sie essen es roh, worauf auch ihr Name (Eskimo = Roh-Fleisch-Esser) hinweist; mit dem Fette unterhalten sie ihre Lampen; aus den Fellen bereiten sie sich Kleider, auch überziehen sie damit ihre Boote; aus den Knochen machen sie sich Werkzeuge; selbst ihre treuen Begleiter, die Hunde, füttern sie mit Abfällen dieser Thiere.

Zu ihrem Fange bedienen sie sich eines leichten Fahrzeuges, des Kajaks. Die Männer stellen das Gerippe desselben aus Holz her, worauf es die Frauen mit Fellen überziehen, damit es wasserdicht werde. Es ist so leicht, daß es ein Mann auf dem Kopfe tragen kann und hat gerade für eine Person Platz genug. Mit Hilfe ihres Ruders lenken es die Eskimos sehr geschickt.

Der Robbenfang, welcher besonders in den Monaten Mai und Juni betrieben wird, ist meist sehr ergiebig. Die Eskimos sorgen jedoch oft in Zeiten des Ueberflusses nicht genug für die Monate, in welchen sie wenig oder nichts fangen können und leiden darum manchmal bitteren Mangel, während sich das Fleisch der Seehunde in frischer Luft oder in kalten Zimmern ein halb Jahr lang hält und sich mit geringer Mühe aufbewahren läßt. Wohl werden ihnen aus Europa auch andere Nahrungsmittel zugeführt, dieselben vermögen jedoch für sie das Seehundsfleisch nicht zu ersetzen. Große Vorliebe haben sie für den Kaffee. Man sieht bisweilen Frauen, die Bohnen in einem Handschuh klein klopfen, den Kesseldeckel als Tasse gebrauchen und eine an einen Stock befestigte Muschel als Löffel benutzen. Auch Tabak wird häufig geraucht, selbst von kleinen etwa 8jährigen Kindern.

Eine regelmäßige Verbindung mit den Eskimos in Grönland unterhalten – besonders zum Zwecke des Handels – die Dänen, unter deren Herrschaft dieses große Ländergebiet steht.

Grönland – „das grüne Land“ – erhielt seinen Namen von Erich dem Rothen, der im Jahre 983 von Island aus dahin gelangte. Nach und nach fand ein ziemlich starker Zuzug statt, und die Grönländer nahmen das Christenthum an. Später verfielen diese Ansiedlungen jedoch wieder, und erst ums Jahr 1500 wurde das Land aufs Neue entdeckt. Noch jetzt suchen kühne Reisende, ausgerüstet mit allen nöthigen Hilfsmitteln, unter unsäglicher Mühe weiter nach Norden vorzudringen, um zu erkunden, wie es dort aussieht. Wie staunenswerthe Entdeckungen sie auch machten, ihr Hauptziel, den Nordpol, haben sie noch nicht erreicht.

Den von Gletschern freien Theil Grönlands schätzt man auf 2200 Quadratmeilen mit etwa 9500 Seelen. Daß diese große Fläche so spärlich bewohnt ist, erklärt das rauhe Klima zur Genüge; denn außer Seehunden, Fischen und einigen anderen Thieren bietet sie den Menschen fast nichts, womit diese ihr Leben fristen könnten.

Trotz dieser Armuth des Landes, trotz der dort herrschenden strengen Kälte, trotzdem daß sich die Sonne den Blicken der Bewohner lange Zeit im Jahre verhüllt und dieselben Monate lang vom Verkehr mit der übrigen Welt abschließt, liebt der Grönländer seine Heimath und will nirgends anderswo wohnen als in ihr. Ja selbst Europäer halten sich gerne daselbst auf und kehren, wenn sie einmal längere Zeit dort waren, oft wieder zurück, um ihr Leben da zu beschließen.

Und in der That, auch hier ist es gut sein! Nahrungssorgen hat der gewöhnlich nicht, der sich einigermaßen umthut. Auch sind die Eskimos gutmüthig und so friedlich gesinnt, daß nur selten Streit unter ihnen [167] ausbricht, was allerdings bei ihrem Zusammenwohnen in so engen Räumen und dem Mangel einer eigentlichen Obrigkeit entsetzlich wäre. Gerne theilen sie ihren Fang mit ihren Nächsten, und der Fremde kann dort in der Regel Kasten und Koffer offen lassen, ohne sich fürchten zu müssen, daß er bestohlen werde. Hohe Bildung darf man freilich nicht bei ihnen erwarten, doch können fast alle, namentlich die jüngeren, lesen, viele auch schreiben. Einen Beweis für Letzteres gab der oben genannte Okabak, als ihn Kaiser Wilhelm im Zoologischen Garten in Berlin besuchte. Seine Majestät wünschte eine Probe seiner Kunst zu sehen, worauf Okabak einige Worte schrieb, die übersetzt also lauten: „Okabak mit Familie dankt für den hohen Besuch und wünscht, daß Gott das deutsche Kaiserhaus segne“.

Große Verdienste um die Bildung und Gesittung der Grönländer haben sich die Missionare erworben; besonders der Norwege Hans Egede († 1758) widmete ihnen sein an Liebeswerken reiches Leben. Da er ihre Sprache nicht kannte, suchte er durch bildliche Darstellungen der biblischen Geschichte auf ihr Gemüth einzuwirken und ließ seine Kinder mit grönländischen verkehren, damit sie deren Sprache erlernen konnten. Von seinen Kindern lernte diese dann wieder der Vater.

Großartige Thaten sind von den Eskimos nicht zu berichten. Wer jedoch sehen will, mit wie Wenigem die Menschen zu leben und doch nach Lage ihrer Verhältnisse glücklich zu sein vermögen, kann sich an ihnen in gar mancher Hinsicht ein Beispiel nehmen.