Exitii Et Excidii Magdeburgensis Historia Relatio
Die anonym veröffentlichte Druckschrift Exitii Et Excidii Magdeburgensis Historia Relatio berichtet über die Eroberung Magdeburgs durch die kaiserlichen Truppen des Generals Tilly und der daran anschließenden Zerstörung der Stadt im Jahre 1631. Ort und Herausgeber der Schrift, die noch im gleichen Jahr erschien, sind nicht gekennzeichnet. Der Inhalt lässt die protestantische Gesinnung des Autors erkennen.
Die Schrift umfasst acht Seiten auf vier Blättern, die nicht durchnummeriert sind. Die Titelseite enthält einen Holzschnitt, der die Belagerung durch die kaiserlichen Truppen darstellt.
Als Grundlage für die Transkription wurde ein Digitalisat des Exemplars der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel gewählt, das der Öffentlichkeit über den Internetauftritt der Bibliothek zur Verfügung gestellt wurde.[1]
Die Schrift wurde ein weiteres Mal veröffentlicht, jedoch mit abweichender Orthographie und anderem Satz. Diese Druckvariante umfasst sechs Blätter und beinhaltet keine Abbildung auf der Titelseite. [2]
Editionsrichtlinien:
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EXITII ET EXCIDII MAGDEBUR- GENSIS HISTORIA RELATIO. Das ist: Kurtze / aber doch ei- gentliche gründliche Beschreibung vnd Bericht/ wie die berühmte Haupt: und Handelstadt Magdeburg in Sachsen / vom Käyserlichen Herrn Generaln Graff Johan von Tilly mit zwantzig tausende Mann belägert/ vnnd den 10. May[3] dieses lauffenden 1631. Jahrs mit starckem Sturmb vnd Gewalt erobert / vnd fast gantz vnd gar abge- brandt / vnd in die Asche gelegt worden. Alles zu gewisser Nachricht vnd sonderlicher War- nung frommer Christen für Augen gestellet / vnd in Druck gegeben / 1631. [2] ES wird nunmehr jederman Weltkündig vnd nicht verborgen seyn / wie die vornehme herrliche Kauff: vnd Hauptstadt in Sachsen / Magdeburg / nach dem sie ihres Ertzstiffts Administratorem, den Hochwürdigen / Durchleuchtigen / Hochgebornen Fürsten vnd Herrn / Herrn Christian Wilhelm[4] / Marggraffen zu Brandenburg / im vergangenen 1630. Jahr / wieder an: vnd in die Stadt eingenommen haben / vnd bald darauff von dem Käys. General Tilly mit sehr harten Kriegsbürden beschweret worden. Denn sie nicht allein anfenglich vmb vnd vmb hart belägert / vnd in dem Ertzstifft allenthalben grosse Vnruh entstanden / alldieweil gedachter Administrator die Städte / Heuser vnd Plätze / ihr Gnaden zustendig vnd angehörig / welche die Käyserl. innen gehabt / mit seinem geworbenen Volck wieder eingenommen / dieselbe starck von einem Ort zum andern gerücket / der meinung / das gantze Ertzstifft wieder zu recuperiren[5], vnd das Kriegsvolck daraus zutreiben / weil er aber mit seinem Volck zu schwach gewesen / hat er in der Stadt Magdeburg sich auffhalten müssen / welche dann so hart vnd starck bloquiret[6] / daß kein Mensch in etlichen Wochen heraus kommen können. Es haben die Käys. mit Heeresmacht an sie gesetzt / die Schantzen so die Stadt herausser gehabt / eingenommen / doch haben sich die Magdeburger tapffer gehalten / ihrem Feind grossen Abbruch gethan / vnnd offtmals viel erschlagen / daran sich aber Käys. wenig gekehret / (diweil sie immer noch mehr frisch Volck bekommen) sondern eine Schantze nach der andern eingenommen. Sonderlich hat der General Tilly seinen scharffen Ernst gegen die Stadt in außgang des Aprilis vnnd anfang des May / mehr dann zuvor sehen lassen / alldieweil sie auff sein offtern suchen vnnd begehren in keinen Accord mit ihm sich einlassen wollen / sondern biß auff den letzten Mann zu fechten resolviret[7] gewesen / vnnd den 17. April / war der Sonntag nach [3] Ostern / zur Nacht zwey oder drey Stürmb an die Schantzen vnd Werck angehen lassen / doch jedesmal mit verlust etliche 100. Soldaten abgetrieben worden. Vnd nach dem der General Tilly alle Schantzen zu Prester[8] vnd Cracaw[9] einbekommen / hat er ein versuch an die Zollschantze gethan / zwey grosse blatte schiff mit Volck auff der Elbe hinunter abgehen lassen / biß an die Zollbrücken / darauff die Soldaten in den Schiffen / vnnd die auffm Lande von Cracaw dahin commandirte mit grosser Furi auff die Schantze gedrungen vnd gestürmet. Weil aber die Magdeburger an selbigem Orte wol versehen vnd ziemlich starck / haben sie sich den Tillischen mänlich opponirt, erstlich die Schiff / so die Schantze von hinden anzugreiffen / abgetrieben / mit den Stücken[10] von Wällen / vnd aus der Schantze starck geschossen / auch dißmal wieder abgetrieben worden / es haben aber die Käys. nicht gefeyret / sondern nach wenig Tagen mit starckem sturm vnd anlauff angehalten / biß sie endlich die Zollschantze erobert / die Brücken aber abgebrandt / vnnd ist mit gantzer Macht mit grossen Stücken nach den Mühlen auff der Elbe vnd in die Stadt geschossen worden. Die Käys. haben ferner bey Fermerschleben[11] eine Schiffbrücken vber die Elbe / damit sie auff dem Marsch der Stadt näher kommen möchten / wie sie dann auch daselbst die von denen in der Stadt gemachte Schantze einbekommen / vnd sich weiter in die Vorstadt die Sudenburg genandt / impatronirt[12] vnd begeben / allda auff beyden theilen zum offtern starcke Scharmützel vorgangen. Denn die Soldaten zu vnterschiedlichen mahlen zum Sudenburger Thore des Nachts hinaus gefallen / vnter den Tillischen viel nieder gehawen / vnd auch viel Gefangen mit sich in die Stadt gebracht / Die Tillischen aber haben auff das newe Werck seliges Ortes mit grossen Stücken schiessen lassen / sich vor das Vlrichs Thor / so wol auch vor alle andere Thoren / sonderlichen in der Newstadt vnd hohen Pforten gelegt / vnd also der Stadt mit blocqirung so nahe kommen /[4] das sie nur einen Mußqueten Schuß breit von der alten Stadt mit gantzer macht angefangen / sich vnter die Erden zuverschantzen / daß man sie nicht hat sehen / vnd mit dem Geschütz treffen können / auch folgends fast im andern Tag biß an den Stadtgraben kommen / daß man ihnen mit dem Geschütz kein Abbruch thun können. Neben diesen haben die Tillischen vber der Elbe etliche grosse Stück auff der hohen Pforten Thurm vnnd desselben Thor gerichtet / vnd also zugleich Creutzweise vber der Elbe vnd aus der Newstadt auff die hohe Pforten vnd das Thor etliche hundert Schüsse zugethan / biß der Thurm der hohen Pforten zwerch vber naher der Stadt zugefallen / vnnd folgends haben sie drey Tag vnd Nacht nach einander mit grossen Fewrkugeln von 30. 36. vnnd mehr Pfunden hinein geschossen / welche durch die Heuser mit Fewerspeyen geflogen / vnnd im fallen 5. 6. oder wol 10. schläge mit von sich geschossen / welches doch der Stadt nichts geschadt. Biß endlichen durch Gottes verhengnuß / Dingstags nach Cantate den 10. May früh morgens zwischen 6. vnnd 7. Vhr ohngefehr etliche Bürger sich naher Hause gemacht / Ruh zu halten / weil sie die gantze Nacht auffm Walle gewesen / dargegen die jenigen / so sie ablösen solten / nicht alsobald erschienen. Da solches die Käys. bey dem newen Werck vernommen / haben sie die Stadt an vnterschiedlichen Orten in geschwinder eil angefallen vnnd gestürmet / etliche 100. Sturmleitern angeworffen / vnd so starck drauff gedrungen / daß sie auch mit einem Sturm auffn Wall / der den wenig Bürgern zuerhalten vnmüglich / kommen / auch etliche Thor einbekommen / allda alles darnieder gehawen / vnd mit macht in die Stadt gedrungen. Ob nun wol diesem Unheil zu stewren / der Schwedische Feldmarschalck Dieterich Falckenberger[13] / welcher damahls gleich neben Ihr Fürstl. Gn. dem Herrn Administratorem in der Kirchen Betstunde [5] zu halten / sol gewesen seyn / sich zum höchsten bemühet / diesem plötzlichen vnd gefehrlichen Unheil mit auffmahnen der Soldateska stewer vnd Gegenstand zu halten / vnd sich ferner in der Stadt zu mehren vermeinet: Sind doch die Käys. mit solcher Macht auff sie gedrungen / daß sie weichen müssen / da sie doch etlich mahl von den Bürgern vnd Soldaten zurück getrieben / biß endlich der Feldmarschalck Falckenberg einen Schuß in die Brust bekommen / vnnd auffm Platz endlich gar erstochen worden / weil er kein Quartier begehret[14]. Worüber die Bürger / so wol auch Soldaten hefftig erschrocken / vnnd ihre Courage verlohren / gleichwol sich mit scharmutzteren biß zu 9. oder 10. Vhr auffgehalten / In solchem Alerm ist das Fußvolck mit gewalt zur eröffneten hohen Pforten oder Thor eingedrungen / die Reuterey vnd Crabaten[15] hernach / vnd weil fast niemand gewesen / der den Käys. zu der zeit mehr Wiederstand thun wollen / oder dem es sich zu wehren ein Ernst gewesen / ist es allererst recht vber vnnd vber gegangen / die Crabaten mit Grimm hinein gefallen / vnd alles was ihnen vnter Augen kommen / niedergesebelt / niemands verschonet / Weib vnd Kinder von 4 Wochen / auch alte verlebte Leute jämmerlich darnieder gehawen / das Frawenzimmer geschendet in öffentlicher Vnzucht / theils mit weg genommen / vnd die ihnen nicht dienlich / vor Augen sterben müssen. In solchen Jammer ist auch der Herr Administrator gerahten / welcher im ersten streit vnd anlauff durch einen Arm geschossen worden / sonsten sehr verwundet / gefenglich zum Herrn Feldmarschaln Graffen von Pappenheim[16] geführet / vnnd in Graff Wolff von Manßfelt / der Oberste Wachtmeister aber ins Obersten Holcken[17] Quartier gebracht worden. Man hat auch der Geistlichen sich keines weges erbarmen wollen. M. Hechtius Pastor ist in der Johannis Kirchen neben seinem Collega M. Andrea Cramero darvon kommen. D. Beckius Dohmprediger vnd D. Gilbertus Pastor in der Vlrichs Kirchen gefenglich [6] angenommen worden. Den fürtrefflichen Musicum Henricum Grimmium sol ein Jesuit / der starck nach ihm gefraget / heraus gebracht / vnter dessen vnd mitten in diesem Unglück hat sich viel ein grössers vnnd erschrecklichers erhoben / in dem an einem Ort ein Fewersbrunst (niemand weiß obs von den Käys. oder von denen in der Stadt ihren eigen Soldaten / oder obs ohngefehr) entstanden / welche in einem schnellen nu viel Gebewde ergriffen / vnd in vnterschiedliche Orter / durch entstandene Windsbrausen getheilet / vnd so vberhand genommen / daß es kein Mensch hat leschen können. Wodurch das herrliche kostbare Rathhauß / darin sich der Rath vnd die vornembsten der Stadt reteriret[18]: Aber doch von den Crabaten darnieder gehawen / außgezogen / geplündert / als das Fewer auffm Marckt vom Winde getrieben / zusampt andern stattlichen monumentis vnd antiquatiteten, so darbey gestanden / mit allen Archiven / Priviligien vnd Documentis erbärmlicher weise in die Asche gelegt vnd zu grunde verbrunnen. Gleicher gestalt sind auch die schönen Kirchen / Klöster / Hospital / vnd andere / so wol stadt: als Bürgergebew / sampt allen Mobilien / an Gold / Silber vnd andern Kleinodien / die durch diese Fewerbrunst den Soldaten an Beute entzogen / zu nichte worden: außgenommen / das etliche wenig Fischerheuser an der Elbe neben dem Dohm auffm Newenmarckt[19]t vnd etliche Dohmherrnheuser vnbeschedigt stehen blieben. Zugeschweigen wie viel Menschen in ziemlicher anzahl in Kirchen / Gewelben vnd Kellern / dahin ihr Leben zu erretten / geflohen / vnnd sich verberget haben / von kleinen Kindern vnd erwachsenen Leuten / vom Fewr vberfallen / vnd jämmerlich haben verderben vnd sterben müssen / daß also eine Plage der andern gleichsam die Hand geboten / vnd was dem schwerd entrunnen / oder sonst sein Leben gefristet / der wütenden Fewersbrunst hat müssen zu theile werden. Dahero die Stadt mit vnzehlichen Todten Cörper vberall [7] erfüllet worden / deren theils auff den Gassen vber einen hauffen gelegen / ein theil im Fewr gebraten / daß das Fett hauffenweiß von ihnen gedrungen. Was die Soldaten in eil an Beute bekommen / ist solchem ansehen nach gar gering. Sintemal das Fewer so schnel vnd eilend vmb sich gefressen / daß die Stadt in einer halben stunde entzündet worden / vnnd also den Soldaten die Beute abgeschnitten / deren etliche selber unterm plündern von der Brunst ergriffen / vnd die Hitze so groß gewesen/ daß man vff der strassen nicht hat bleiben können. Was aber am Leben blieben / ist nach 10. oder 11. Vhr / weil alda das Fewer so trefflich sehr oberhand genommen / mit aus der Stadt ins Lager gefangen geführet worden / vnd muß sich auffs höchste Rantzioniren[20] / dazu sie das Gelt bey guten Leuten erborgen / vnd fast erbetteln müssen / vngeacht noch zu besorgen / daß do sie schon dasselbe gegeben/ die ihrigen jämmerlich gemartert / gequelet vnnd niedergehawen worden. Des andern Tages sind die Crabaten vnnd Tillischen Soldaten in der Stadt blutdürstig herumb gelauffen / vnd was das grose Fewer noch nicht verzehret / zu tode geschlagen. Sonsten sind vorhanden gewesen / fast bey etlich hundert kleine Kinder / so von ihren Eltern verlasen / vnnd nichts von ihnen gewußt / die hat der General zusammen an einen Ort bringen lassen / vnd mit Wasser vnd Brod gespeiset / mit dem erinnern vnd außgeruffenem Befehl: Do jemand noch vorhanden sein möchte / denen die Kinder zugehören / der solte sich angeben / vnd sich keines Leides zu befürchten haben / Es haben sich aber mehr nicht als etwan 200. Weiber angegeben / die andern verbleiben vnter dessen alda / etliche sind nach Halle geführet / vnnd ist bey denen ein erbärmliches winseln vnd wehklagen / zumahln weil ihre Eltern todt auff der Gassen von etlichen gefunden worden. Mit den Gefangenen ist man auch erbärmlich vmbgegangen / vnd sind etliche vmb ein liederlich Gelt verkaufft worden. Was sonst für ein grewlicher vnleidlicher Stanck vnnd [8] Dampff in der Stadt von den Todten / welche der General durch dazu verordnetes Landvolck vnd etlicher hundert Bawren aus den verfallenen Kellern vnd Heusern herfür suchen lassen / zu spühren / ist nicht gnug außzusprechen / Deren man doch täglich im nachgraben findet / also das man eigentlich nicht wissen kan / wie viel auff der Magdeburger seiten geblieben. Doch wird von etlichen gewiß berichtet / daß in die 24000. Seelen ohngefehr an Bürgern / Soldaten / Weib vnnd Kindern sollen erschlagen vnd jämmerlich im Fewer verbrand seyn: Der Käys. sollen in wehrender Belagerung bey 6000. geblieben seyn. Nicht lange hernach hat der Herr Heneral Tilly die Stadt starck besetzen lassen / vnd das Commando dem Obristen Blanckhart gegeben / welcher die Todten meistentheils / weil sie nicht alle begraben werden können / in die Elbe fahren vnd werffen lest / die so vieler Seelen Grabstedte alda sein muß. Der gefangene Administrator aber ist von dannen naher Grüningen / vnnd ferners auff Wolffenbüttel kranck vnd sehr schwach gebracht worden. Diß ist also die zwar kurze aber doch gründliche/ vnd keiner Vnwarheit theilhafftige Relation von dem erbärmlichen vntergang der herrlichen vnnd fürnehmen Stadt Magdeburg / so durch Schwert vnd Fewer in kurzer zeit elendiglich in grund ist zerstöret vnd eingeäschert worden. Der Allmechtige Barmherzige GOTT wolle vns für solchem vnaußsprechlichem Vnglück vnd Vntergang gnediglich bewahren / den vberbliebenen betrübten Christen mit Trost vnd Hülffe beystehen / vnd geben was vns an Leib vnd Seel nützlich vnd gut ist. ENDE. |
Anmerkungen
- ↑ Bircher Deutsche Drucke des Barock A 4467, im VD17 unter der Nummer 23:255454K
- ↑ Bircher Deutsche Drucke des Barock A 3058; A 4468 ist hiervon eine Dublette; siehe im VD17 unter der Nummer 3:601563P
- ↑ 20. Mai nach dem Gregorianischen Kalender
- ↑ Christian Wilhelm, Administrator von Magdeburg
- ↑ lat., wiedererwerben oder -erlangen
- ↑ belagert
- ↑ eine Entschließung fassen und kundgeben
- ↑ Prester, heute ein Stadtteil von Magdeburg
- ↑ heute der Stadtteil Cracau
- ↑ Kanonen
- ↑ heute Fermersleben
- ↑ lat., sich als Herr und Gebieter (Patron) in etwas festsetzen
- ↑ Dietrich von Falkenberg
- ↑ um Gnade und Aufnahme in die gegnerische Armee bitten
- ↑ Kroaten, dienten meist als Reitertruppen
- ↑ Gottfried Heinrich zu Pappenheim
- ↑ Heinrich von Holk, Kaiserlicher Oberst, später Feldmarschall (*1599, †1633)
- ↑ sich in Sicherheit bringen, sich zurückziehen
- ↑ korrigiert, im Druck Newenarckt
- ↑ mittels eines Lösegeldes aus einer Gefangenschaft befreien