Fügels Gemälde vom Hl. Abendmahl
Einführung
[Bearbeiten]Der Artikel Fügels Gemälde vom Hl. Abendmahl zeigt die von Stefan Isensee im Rahmen seines Werkes „Fügels Gemälde vom Hl. Abendmahl“ zusammengestellten Tagebuchauszüge vom 3. Februar 1936. Textauslassungen wurden mit [...] gekennzeichnet, eingefügte Erläuterungen von Stefan Isensee in eckigen Klammern kursiv [Erläuterung].
Tagebuchauszüge
[Bearbeiten][...] [2] In dieser Lage bin ich selbst nun dumm daran, nachdem ich es übernommen habe, für Herrn Paul Frank aus Hindenburg ein Abendmahl zu malen. Er hat mir gesagt, daß er die Bilder des Malers Fügel sehr hoch schätzt, es ist das wohl der erfolgreichste, katholische Maler, – u. er ist so erfolgreich, weil er den platten Instinkten des Publikums in geradezu schamloser Weise entgegenkommt. Ich habe nun in der letzten Zeit versucht, mich wenigsten gedanklich [3] mit diesem Problem auseinanderzusetzen u. bin zu dem Resultat gekommen, daß ich diese Aufgabe nicht zu lösen vermag, es sei denn Herr Frank verzichtete restlos auf seinen eigenen Ungeschmack u. ließe mir ganz freie Hand. Ich glaube zwar nicht, daß er dieses tun wird, aber ich muß wenigstens den Versuch machen. Zu diesem Zweck habe ich am Sonnabend vier kleine Bildchen zusammen gepackt, die ich vor einem Jahre noch in Friedenau gemalt habe u. habe ihm diese geschickt. Er mag daraus ein wenig erkennen, wie ich male. Das eine Bildchen stellt die Mutter Gottes mit dem Jesuskinde dar, das zweite die für die Sünden der Welt betende Ecclesia u. das dritte Christus als Weltenrichter mit dem Baume, der gute Früchte bringt u. mit dem dürren Baum u. mit dem Wolfe im Schafspelz. Das vierte Bildchen ist eine Skizze für ein Abendmahl, wie ich es mir denke. Dazu habe ich ihm folgenden, ausführlichen Brief geschrieben:
Was nun das Abendmahl betrifft, so habe ich einige Studien u. Versuche gemacht, ohne bisher zu einem auch nur annähernd befriedigenden Resultat gekommen zu sein. Da dieser negative Erfolg neben meiner eigenen, künstlerischen Unzulänglichkeit auch in dem seinen Grund findet, was Sie mir über Ihre Wünsche sagten, so glaube ich, gut zu tun, wenn ich Ihnen einmal ganz ehrlich meine Anschauung über dieses Thema mitteile, ehe ich fruchtlos weiterarbeite.
Sie sagten mir, daß ein Abendmahlsbild von Fügel Ihren besonderen Beifall fände. Ich bin deshalb (leider), in eine Kunsthandlung gegangen u. habe mir eine Reproduktion dieses Bildes gekauft. Es ist möglich daß Fügel mehrere Abendmahlsbilder gemalt hat, ich selbst interessiere mich nicht für ihn, kenne kaum etwas von ihm, u. besitze nun diese Reproduktion, von der ich einmal annehmen möchte, daß sie nicht das Bild ist, welches Sie meinen. Ich brauche dann nämlich nicht höflich zu sein in Rücksicht auf Sie, sondern kann frisch von der Leber weg sagen, was ich denke, wie es sich für einen Künstler von Gewissen geziemt.
Das in Rede stehende Bild zeigt einen mit reicher Pracht ausgestatteten Konferenzaal eines internationalen Hotels. Wände u. Fußboden aus kostbarem Marmor, zwischen imponierenden Säulen blickt man hindurch in eine sammetblaue Sommernacht. Der Ort muß irgendwo an der Riviera im Zentrum des Fremdenverkehrs liegen.
Von der Decke dieses Saales hängt eine prachtvolle Krone herab, eine nach unten offene Bronzeschale, die vielfach durchbrochen u. mit farbigen Gläsern geziert ist. Aus dieser Bronzeschale flutet eine reiche Wucht von Licht nach unten über diese Abendmahlsscene, die von seltsamen Leuten dargestellt wird. Ich sage: „dargestellt“, denn es müssen Akteure sein, die dort ein lebendes Bild stellen, keinesfalls kann es sich um den göttlichen Heiland selbst u. seine zwölf Jünger handeln, – die Pracht des Saales u. die Lichtkrone beweisen das. Nach unten flutendes Licht ist technisch nur bei elektrischer Beleuchtung möglich, u. diese hat es damals nicht gegeben.
Diese Akteure nun sitzen oder bewegen sich um eine mit weißem Linnen gedeckte Tafel herum auf Polstersesseln aus rotem Plüsch. Alle sind außerordentlich erregt. Es scheint, als ob jener, der in der Mitte den Heiland darstellt, soeben eine Mitteilung von weittragender politischer u. wirtschaftlicher Bedeutung gemacht hat, denn die Erregung der Leute ist [4] kaum noch zu steigern. Etwa: „Italienkrieg verloren, Revolution ausgebrochen, Mussolini ermordet, der Heilige Vater geflohen.“ (Gott möge uns bewahren!)
Das ist der Eindruck, den ich von jenem Bilde habe. Ich sage mir, daß es wirklich nicht jenes Abendmahl sein kann, das Sie von mir gemalt zu sehen wünschen u. wende mich vom Bilde ab u. dem Evangelium zu. Dort ist ja nicht von einem solchen Prunksaal die Rede, sondern nur von einem Obergemach, – zwar einem großen, aber doch eben nur von einem Gemach. (Mk. 14,15 u. Lk. 22,12) Die Tischpolster, von denen die Rede ist, sind keine Plüschsessel, sondern nur die auch heute noch im Orient üblichen Liegepolster am Fußboden.
In diesem Gemach setzt sich der Heiland mit den Zwölfen zu Tisch u. spricht zu ihnen von Dingen, die die Zwölfe nicht recht verstehen (Mt 26,20.29. – Mk. 14, 17.25. Lk. 22,14 – 18 u. 24 – 30.) Sie wundern sich wohl ein wenig, aber schließlich sind sie daran gewöhnt, daß ihr Meister zuweilen von Dingen spricht, die sie nicht fassen können. Sodann gibt es eine kleine Unordnung, indem es dem Heiland einfällt, seinen Jüngern die Füße zu waschen (Joh. 13,3 – 11), ein Vorgang, den man sich beim Fügelschen Bilde nicht vorstellen kann, ohne daß ein Kellner erscheint u. die Herren auffordert, solche Ungehörigkeiten gefälligst zu unterlassen.
Danach setzt sich der Heiland wieder hin u. spricht in jener rätselhaften Weise vom Verrat des Judas. Es heißt, daß die Jünger darüber traurig geworden wären (Mt. 26,22. Mk. 14,19) – sie ließen also die Köpfe hängen u. begannen, untereinander zu fragen, wer von ihnen wohl der wäre? (Luk. 22,23.) – Es ist also auch hier nichts von der lärmenden Erregung des Fügelschen Bildes zu spüren, vielmehr sind alle traurig u. tuscheln untereinander, wie wir sagen würden, denn keiner von den Jüngern verstand den Meister (Joh. 13,28.) Petrus tuschelt dem Jonannes etwas ins Ohr (Joh. 13,24) u. Johannes lehnt sich an die Brust des Meisters u. fragt leise: „Wer ist es?“ (Joh. 13,25) –
Nun folgt die eigentliche Einsetzung der Eucharistie. Sie wird erzählt Mt. 26,26 – 28 – Mk. 14,22 – 24 – Lk. 22,19.20. – I Kor. 11,24 – 26., – schlicht, einfach, ruhig, ohne dramatisches Gepolter, ohne Erregung, ohne Lärm, ganz kurz, je 2 – 3 Verse. Die Jünger verstehen ja noch garnicht die Bedeutung, sie sind sich garnicht bewußt, daß Jesus hier ein Sakrament einsetzt, denn sie glauben ja noch nicht einmal wirklich an die göttliche Sendung Jesu, das alles kommt ja erst viel später! –
Etwas lebhafter wird danach das Gespräch durch die Vorhersage Jesu der Verleugnung des Petrus, wenn man Johannes folgen will, der dies Ereignis hierher setzt. Mt. 26,31 – 35, Mk. 14,27 – 31. Lk. 22,31 – 34 u. Joh. 13,36 – 38, – aber keineswegs erhebt sich dabei ein ungebührliches Gelärm. Die Jünger haben vielmehr mäuschenstill den Worten des Meisters gelauscht, der, – wie ich denke, – gern leise u. ruhig sprach, nicht laut u. aufgeregt. Der Heiland hat dann noch Vieles geredet in seiner leisen, gütigen Art. Da ist die Schwertrede Luk. 22,35 – 38, dann die wundervollen Trostworte Jesu Joh. 14,1 – 31, 15,1 – 27 u. 16,1 – 33, alles Worte u. Reden, die der Heiland leise u. traurig zu seinen lauschenden Jüngern sprach, u. endlich das feierliche, hohepriesterliche Gebet Joh. 17,1 – 26.
So ist es gewesen nach dem schlichten Bericht des Evangeliums. Wenn es Maler gibt, die aus diesem einfachen Vorgang eine prunkvolle Theaterszene machen, u. wenn die Kirche dazu schweigt, so bin ich nicht berufen, ein Urteil zu fällen. Ich selbst aber bin meinem Gewissen verpflichtet, mehr als einer, der nur [5] Maler von Beruf ist. Ein solcher muß aus seiner Tätigkeit notwendig einen Gelderwerb machen u. darum Dinge malen, die den Leuten gefallen, u. leider läßt sich nicht leugnen, daß viele Maler das Evangelium bewußt verfälschen, um den Leuten zu gefallen. Ein solcher Maler sollte sich bewußt sein, daß sein Werk eine große Verantwortung trägt, denn wenn sein Werk unwahr ist, so trägt es diese Unwahrheit hinaus ins Volk. Die gewinnbringende Gefallsucht vieler Künstler hat es tatsächlich schon so weit gebracht, daß man „die gesunde Lehre nicht erträgt, sondern nach eigenen Gelüsten sich Lehrer über Lehrer nimmt, (in diesem Falle Künstler), lüstern nach dem, was den Ohren (Augen) angenehm ist. Von der Wahrheit wird man das Ohr (Auge) wegwenden, Fabeln aber wendet man sich zu.“ (II Tim. 3,3) In diesem selben Briefe beschwört der hl. Paulus seinen Schüler Timotheus, er solle sich nicht des Zeugnisses über unsern Herrn schämen (1,8). –
Und so will auch ich mich nicht dieses Zeugnisses schämen, um den Leuten zu gefallen, sondern ich will bekennen, daß mein Heiland sich nicht schämte, Knechtsgestalt anzunehmen u. im Stalle von Betlehem geboren zu werden. Er hatte nichts, wo er sein Haupt hinlegen konnte. Während der ganzen Zeit seines Aufenthaltes in Jerusalem hat er mit seinen Jüngern Nacht für Nacht auf dem Ölberge irgendwo hinter Büschen geschlafen, Lk. 21,37 u. diesen Schlupfwinkel hat er gewohnheitsmäßig auch nach dem letzten Abendmahl wieder aufgesucht. Dort wurde er dann von den Polizisten mit Fackeln u. Knütteln aufgestöbert, wie man Gesindel unter Brückenbögen aufstöbert. Wer da glaubt dieses Bild des Heilands in eine Salonfigur umfälschen zu müssen, „lüstern nach dem, was den Augen angenehm ist“, der hat das mit sich selbst abzumachen. Ich kann das nicht.
[...] [6] Diese ganze Affäre ist immerhin recht interessant. [7] Ich bin gezwungen, meine Stellung diesem religiösen Kitsch gegenüber einmal genau abzugrenzen u. meine eigene Stellung zu verteidigen. Das dient zur Klarheit. Dieses Bild von Fügel u. all die andern, ähnlichen Bilder sind Produkte unserer, von Langbehn geahnten Zeit. Es ist darin der Stil Wilhelms II, hohler Pomp u. leere Pracht, gedankenarm u. ohne Empfindung für Würde. Dieser Stil treibt heute wieder Blüten im Luftfahrt=Ministerium u. anderen Erzeugnissen. Vor einem Jahre erzählte mir ein Kaufmann, daß seine Firma Bleischnüre zur Beschwerung von Fahnen für eine nationalsozialistische Veranstaltung zu liefern hätte, u. zwar 30 Kilometer! – In diesem Jahre war derselbe Auftrag wiederum fällig, aber diesmal 60 Kilometer. [...]