Für alle Fabrikanten und Industrielle
[99] Für alle Fabrikanten und Industrielle. Der letzte große und in seinen Folgen so herrliche Krieg, der dem übermüthigen französischen Volk seinen Standpunkt in außerordentlich praktischer Weise klar machte, hätte für dasselbe wohlthätig wirken können, wenn es ein klein wenig Verstand mehr und ein klein wenig Arroganz weniger besessen. Die Maßnahmen aber, die sie ergriffen, um ihrem thörichten Revanche-Geschrei Ausdruck zu geben, zeigen nur, daß sie, da sie im Großen Nichts verrichten konnten, es im Kleinen beginnen wollten. Die perfide Verfolgung der Deutschen in Frankreich, und besonders in Paris, sollte uns strafen, straft die kurzsichtigen Menschen aber nur selber, und wenn es auch den Einzelnen vielleicht hart traf, so kann und wird doch das große Ganze in Deutschland sicherlich Nutzen daraus ziehen.
Es ist eine unleugbare Thatsache, daß die Franzosen in Technik und Industrie außerordentlich weit sind und in vielen Fächern mit der ganzen Welt concurriren können, ja in einzelnen sogar unübertroffen dastehen – ebenso aber auch, daß Tausende von Artikeln ebenso gut in Deutschland angefertigt werden, und nur deshalb in Deutschland bisher noch nicht so gewürdigt wurden, weil die Fabrikanten in Selbstverblendung französische oder englische Etiquetten auf ihre Waaren setzten, und dadurch den französischen Händlern mit in die Hände arbeiteten.
Wir waren eben noch keine Nation, und das wird, seitdem wir eine solche geworden, und zwar eine der mächtigsten in ganz Europa, jetzt sicher anders werden. Nichtsdestoweniger leiden wir augenblicklich noch an den Folgen, und das können am besten unsere im Ausland lebenden und ansässigen deutschen Geschäftsleute bezeugen.
Durch die übermüthige und freche Weigerung verschiedener französischer Fabrikanten, für die Zukunft mit deutschen Häusern ihre alten Verbindungen aufrecht zu erhalten – eine Weigerung, die nur auf der bodenlosen Thorheit und Unwissenheit des Volkes basirt, das sich bis jetzt „das große“ nannte, und unverschämt genug ist, es selbst jetzt noch zu thun, kommen wir doch etwas zur Selbsterkenntniß. Besonders die Deutschen in den überseeischen Ländern suchten sich am schnellsten von Frankreich zu emancipiren. Sie hatten unsere kleinlichen Ansichten von daheim schon lange abgeschüttelt und fühlten am ersten den mächtigen Umschwung, der zu Gunsten Deutschlands draußen im Ausland stattfand, als dieses plötzlich die Mähne schüttelte, und mit der starken Pranke den frechen, ewig hetzenden Feind zu Boden schlug.
So gern sie aber auch jetzt dem Vaterland die Tausende, ja Millionen von Thalern zuwenden möchten, die sonst nach Frankreich hineinflossen, weil ihnen dort der Einkauf so erleichtert wurde, so stellte sich ihnen doch eine unerwartete Schwierigkeit in den Weg.
In Paris fanden sie früher Alles, was sie brauchten, und wenn sie es auch zuweilen etwas theurer bezahlen mußten, wurde ihnen doch das Umhersuchen im Land und damit viel Geld, besonders aber noch kostbarere Zeit erspart. Jetzt möchten sie nicht mehr nach Paris, sehen sich aber trotzdem in vielen Fällen gezwungen, die Hauptstadt Frankreichs wieder aufzusuchen, weil sie die Quellen nicht kennen, an denen sie hier in Deutschland zahllose Artikel genau so gut und viel billiger kaufen könnten.
Dazu fehlt eben ein Adreßbuch, das ihren Bedürfnissen entspricht und ihnen in faßlicher Uebersicht ein Verzeichniß sämmtlicher deutscher industrieller Unternehmungen und Fabriken nicht allein, sondern auch speciell deren Fabrikate und den Wohnort ihrer Agenten in den großen Städten Deutschlands giebt.
Ein großes Adreßbuch des Handels-, Fabrik- und Gewerbestandes existirt allerdings und ist durch die Verlagshandlung der Herren C. Leuchs und Compagnie in Nürnberg herausgegeben worden, aber für diesen speciellen Zweck in einer Hinsicht zu umfangreich, indem es, nach Regierungsbezirken eingetheilt, auch zahlreiche Fächer umfaßt, die den Kaufmann gar nicht interessiren und durch die er sich die Bahn suchen muß, andererseits aber wieder nicht ausführlich genug, da im Register der Waaren die verschiedenen Fabrikate nicht speciell, zum Beispiel Baumwoll- und Halbwollwaaren, angegeben sind und die Namen der Agenten gänzlich fehlen.
Die genannte Verlagsfirma hat sich aber jetzt entschlossen, ein allein für diesen Zweck speciell zusammengestelltes Adreßbuch herauszugeben, das aber in seiner Ausführung nicht möglich ist, wenn unsere deutschen Fabrikanten und Industriellen nicht dadurch selber die Hand mit bieten, daß sie von allen Seiten nicht allein ihre Adresse, sondern unter nachfolgendem Schema auch die Einzelheiten ihrer Artikel, wie den Wohnort ihrer Agenten einschicken.
Die Anordnung des Adreßbuchs wird nach dem Rath eines darin [100] vollkommen befähigten Mannes, der selber ein bedeutendes Geschäft in Porto-Alegre (Prov. Rio-Grande in Brasilien) besitzt und hier dafür die Einkäufe besorgt, Herrn Richard Huch in Braunschweig, getroffen werden, also einfach und praktisch sein. Trotzdem erfordert es eine schwere und umfangreiche Arbeit; aber der Nutzen, den es unserer deutschen Industrie und damit dem ganzen Vaterlande bringen wird, liegt auch auf der Hand, und besonders ist es zu wünschen, daß sich auch Oesterreich, das wir aus vollem Herzen mit zu Deutschland rechnen, daran betheiligen möge.
Die Adresse der Verlagsbuchhandlung, an welche die verschiedenen Herren Fabrikanten und Industrielle die näheren Angaben sobald als möglich einsenden mögen, ist die schon oben angegebene: Herren C. Leuchs u. Co. in Nürnberg – Verlagsbuchhandlung. Die Art, in welcher es zu geschehen hat, wird durch ein paar Beispiele klar.
Name: Adolph Xmann.
Wohnort: Zwickau.
Fabrikat: lederne Handschuhe.
Agent in Hamburg: N. N.
- in Paris: N. N.
- in London: N. N.
Stand zur Messe in Leipzig: –
Name: Julius M.
Wohnort: Dresden.
Fabrikat: künstliche Blumen.
Agent in Hamburg: N. N.
etc.
Stand zur Messe in Leipzig: –
Name: Karl Z.
Wohnort: Mühlhausen.
Fabrikat: gedruckte Baumwollenwaaren,
als Calicots, Jacconas.
Agent in Hamburg: N. N.
- in London: N. N.
etc.
Stand zur Messe in Leipzig: –
Nur durch eine allgemeine und rasche Betheiligung der verschiedenen Industriellen, die ja auch in ihrem eigenen Interesse liegt, kann etwas wirklich Tüchtiges rasch geschaffen werden. Dann erreichen wir aber auch den Zweck, dem Vaterlande jene enormen Summen zum großen Theile zuzuwenden, die bis dahin in’s Ausland strömten, und nur von solchem rein nationalen Gefühle ausgehend, hat sich auch Ernst Keil freundlich erboten, dieser Aufforderung die Spalten seiner Gartenlaube zu öffnen.
Braunschweig, im Januar 1872.