Für das Rothe Kreuz

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Autor: C. Falkenhorst
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Titel: Für das Rothe Kreuz
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aus: Die Gartenlaube, Heft 52, S. 886–887
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1891
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Für das Rothe Kreuz.

Internationale Ausstellung für das Rothe Kreuz, Armeebedarf, Hygieine, Volksernährung und Kochkunst in Leipzig.

Bald werden es dreißig Jahre sein, daß in Genf die kleine Schrift Dunants „Un souvenir de Solferino“ erschien, in welcher das auf den Schlachtfeldern des italienischen Krieges zu Tage getretene Elend der Verwundeten und Kranken geschildert wurde. Die Schrift war ein Aufruf an die Menschlichkeit der civilisierten Völker, nutzlose Härten des Krieges zu mildern und das Los der verwundeten Krieger zu lindern. Was Dunant aussprach, das fühlten Millionen in ihren Herzen; denn Europa hatte gerade zwei große Kriege mit ihrem furchtbaren Elend geschaut, und jenseit des Oceans war der große Secessionskrieg ausgebrochen. Der Ruf verhallte darum nicht ungehört, und bereits am 22. August 1864 wurde in Genf die sogenannte Genfer Konvention abgeschlossen – die internationale Uebereinkunft, durch welche die vom Kriege unzertrennlichen Uebel nach Möglichkeit gemildert und laut welcher alle, die sich mit der Pflege der Verwundeten befassen, als neutral erklärt werden. Seit jener Zeit weht über Lazarethen im Kriege die weiße Fahne mit dem rothen Kreuze. Das rothe Kreuz auf weißem Grund ist das Zeichen der Neutralität und ein Symbol der Samariterliebe geworden.

Aber nicht allein Regierungen sollten fortan ihre Sanitätskolonnen unter den Schutz des rothen Kreuzes stellen, die menschenfreundliche Bewegung ergriff weite Volksmassen. Unter allen Völkern bildeten sich Vereine zur Pflege im Felde verwundeter und erkrankter Krieger, überall wurde von Privaten die „nationale Organisation der internationalen Hilfe“ geschaffen. Mit Stolz können wir sagen, daß diese vom edelsten Geiste durchdrungene Vereinsbildung in keinem Lande eine so große Verbreitung gefunden hat wie in Deutschland.

Bevor noch die Genfer Konvention unterzeichnet wurde, rief das Königreich Württemberg im Dezember 1863 den ersten Pflegeverein ins Leben. Diesem Beispiele folgten in den Jahren 1864 bis 1868 andere deutsche Staaten. Männer und Frauen wetteiferten in den Vorbereitungen zu dem Liebeswerk in dem nächsten Kriege, der Deutschland so bald aufgedrungen werden sollte und in dem nicht nur die deutschen Waffen so glorreich bestanden, sondern auch die deutsche Liebe sich so glänzend bewährt hat. Der Krieg, aus dem Teutschland verjüngt hervorging, war der erste, in welchem die organisierte freiwillige Krankenpflege ihre Triumphe feierte. 4431 freiwillige Krankenpfleger und 1703 Pflegerinnen sind von der Heimath nach dem Kriegsschauplatze entsendet worden, um oft unter eigener Lebensgefahr Verwundete, Kranke und Erschöpfte zu retten; die freiwillige Krankenpflege ergänzte die Lücken der staatlichen Sanitätskolonnen, und wiederholt geschah es, daß staatliche Lazareth-Reservedepots aus den Depots der freiwilligen Krankenpflege gefüllt werden mußten. Seit jener Zeit ist es klar geworden, daß man auch im nächsten Kriege der freiwilligen Krankenpflege nicht würde entbehren können, und man ging in den langen Jahren des Friedens mit allem Eifer daran, die Organisation zu vervollkommnen und mit der Heeresverwaltung in richtige Fühlung zu treten. Für den Fall der Mobilmachung des deutschen Heeres ist auch die Mobilisierung der deutschen Vereine vom Rothen Kreuz vorgesehen, und sie werden fortan ein Glied in dem wohlgefügten Ganzen des Heeres bilden.

Wir leben im Frieden und hoffen, daß er uns noch lange erhalten bleibe, aber Europas Völker stehen kampfbereit in voller Rüstung da und das Gespenst des Krieges will vom Horizonte nicht weichen. Darum muß auch die Liebe zu ihrer aufopferungsvollen Thätigkeit gerüstet sein, ja es werden an sie weit höhere Anforderungen als früher gestellt werden; denn wenn jetzt der Krieg ausbrechen sollte, so würden gewaltigere Heere in furchtbareren Waffen mit einander ringen.

Ein ergrauter Kriegsmann, welcher die Schrecken des Krieges aus eigener Anschauung kannte, der kürzlich verstorbene sächsische Kriegsminister von Fabrice, war es auch, der gelegentlich einer Kochkunstausstellung zuerst den Gedanken aussprach, daß man im Frieden eine Ausstellung für die Zwecke des Rothen Kreuzes und für die Verpflegung der Truppen veranstalten möchte, und als der Gedanke in Leipzig aufgenommen wurde, stimmte ihm Moltke noch in den letzten Tagen seines Lebens bei.

Die deutschen Gastwirthe hatten früher Ausstellungen für Kochkunst veranstaltet, später wurden dieselben dadurch erweitert, daß man bei ihnen auch die Fragen der Volksernährung, die Hygieine der Nahrung, die Lebensmittelpflege etc. in Betracht zog. Die Ausstellungen gewannen hiedurch an Bedeutung; der Kreis erweiterte sich immer mehr, es wurden die Fragen der Massenernährung, der Truppenspeisung herangezogen. Männer der Wissenschaft und des Krieges fanden neue Gesichtspunkte, und so reifte der Gedanke zu einer eigenartigen Ausstellung, die im Februar nächsten Jahres in den Räumen des Krystallpalastes zu Leipzig stattfinden wird. Ihre genaue Bezeichnung lautet: „Internationale Ausstellung für das Rothe Kreuz, Armeebedarf, Hygiene, Volksernährung und Kochkunst“; das sind scheinbar ganz verschiedene und doch mit einander zusammenhängende Gebiete, von denen ein jedes in der Gegenwart eine Fülle brennender Fragen bietet. Von seiten der Sachverständigen und der Regierungen begegnet man denn auch der geplanten Ausstellung mit dem größten Wohlwollen und sucht sie nach Kräften zu fördern, und in der That ist sie ein gemeinnütziges Werk im vollen Sinne des Wortes.

Wir erachten es darum auch als eine Pflicht der Presse, dieses Werk zu unterstützen, indem wir weitere Kreise, namentlich die Industriellen, auf dieselbe aufmerksam machen. Mit der Ausstellung ist eine Reihe von Preisausschreibungen verbunden, bei denen die regste Betheiligung erwünscht ist. So hat die Königin Carola von Sachsen einen hohen Ehrenpreis gestiftet für eine hervorragende Leistung auf dem Gebiete der freiwilligen Krankenpflege im Kriege, insbesondere für eine Zusammenstellung von Ernährungs- und Kräftigungsmitteln für die Verwundeten und Erkrankten während der Schlacht und unmittelbar nach derselben, einschließlich hierzu gehöriger Herrichtungs- und Erwärmungsapparate. Das ist eine Aufgabe von höchster Bedeutung. Es ist ja bekannt, daß der Soldat während der Schlacht immer nichts und nach der Schlacht in der Regel nichts zu essen erhält. Der im Kriege Verwundete befindet sich darum in doppelt schlimmer Lage, er ist bereits vor der Verwundung durch Märsche, Anstrengungen im Kampfe erschöpft; der Krankenpfleger kommt somit in die Lage, zunächst diese Erschöpfung heben zu müssen, wenn er das Leben des Verwundeten retten will - und leider fehlte es in den letzten Kriegen nur zu oft an den nöthigen Kräftigungsmitteln, da ja die gewöhnliche für den gesunden Soldaten bestimmte Nahrung, wenn sie auch vorhanden war, für den Verwundeten sich nicht eignete.

Ein fernerer Umstand, welcher der Leipziger Ausstellung eine besondere Bedeutung verleiht, ist der, daß sie keineswegs eine Ansammlung von Schaustücken darstellen wird, sondern daß auf ihr sämmliche Einrichtungen genauen Prüfungen unterworfen werden. So wird sich in den weiten, über 15 000 qm fassenden Ausstellungsräumen ein überaus reges Treiben entwickeln.

Für den einen Tag sind Massenspeisungen, für den andern ist ein großes Konkurrenzkochen in Aussicht genommen; an einem andern Tage wird auf allen Maschinen nur fleischlose Kost hergestellt, um zu zeigen, wie wohlschmeckend und hoch an Nährwerth auch die fleischlose Kost ist und wie weit dieselbe für die menschliche Ernährung dienstbar gemacht werden kann. Zu einer anderen Zeit werden unter Berücksichtigung der in den Handel kommenden Surrogate Kakao und Chokoladen gekocht. Man wird auf verschiedenen Apparaten zu gleicher Zeit die guten und gefälschten Produkte zubereiten und den Besuchern der [887] Ausstellung Gelegenheit geben, sich vom Unterschied durch Kosten selbst zu überzeugen. Der Bereitung billiger Volksnahrung, der Herstellung von Fischspeisen als Volksnahrungsmittel wird wieder ein besonderer Zeitabschnitt gewidmet werden.

Ebenso soll die freiwillige Krankenpflege praktisch geübt werden und eine starke Abtheilung von Felddiakonen in ihren vorschriftsmäßigen Uniformen dauernd in der Ausstellung anwesend sein. Auch eine Sanitätswache wird nicht fehlen und täglich werden Vorträge über die erste Hilfe bei plötzlichen Unglücksfällen gehalten werden.

Mit großem Sachverständniß hat das Komitee der Ausstellung bei der Ausarbeitung des Planes einigen wichtigen Tagesfragen eine besonders bevorzugte Stellung angewiesen.

So wird z. B. eine internationale Brotausstellung angestrebt, damit gerade dem wichtigsten Nahrungsmittel die vollste Beachtung geschenkt werde. Da auch das Bäckergewerbe unter dem Drucke der immer weitere Ausdehnung annehmenden Fälschung zu leiden hat, sollen, um den Unterschied dieser Surrogate im Gegensatz zu anderen Fabrikaten genau zu kennzeichnen, neben den aus guten Stoffen bereiteten auch solche von Surrogaten hergestellt werden.

Eine besondere Gruppe in der Ausstellung ist für die Fische vorbehalten. Auch hierin wird das Richtige getroffen. Der Nahrungswerth des Fischfleisches wurde zu lange unterschätzt. Außerdem fehlten uns für die billigeren Seefische Versandvorkehrungen, sodaß man wegen des hohen Preises im Binnenlande nur eine Auswahl von Fischsorten auf der Tafel Hochgestellter und Bemittelter antraf. In der letzten Zeit hat sich in dieser Beziehung vieles geändert. Der Staat unterstützt die Hochseefischerei, es ist für bequeme und rasche Beförderung der frischen Ware Sorge getragen worden, die verschiedensten Fischsorten sind bereits zu billigen Preisen auf unseren Märken vertreten, und so muß man durch Beispiel und Belehrung immer mehr dahin wirken, den Fisch zum Volksnahrungsmittel zu machen. Entsprechend den Zielen der Ausstellung soll bei diesem wichtigen Nahrungsmittelzweige auch auf andere Gesichtspunkte Rücksicht genommen werden, so z. B., welche konservierten Fische für die Armee im Felde und in der belagerten Festung als Nahrung sich empfehlen.

Beachtenswerth ist eine andere Aufgabe, die in der Gruppe „Armeebedarf“ behandelt werden soll und für deren Lösung ebenfalls ein Preis ausgeschrieben worden ist: die Versorgung der Truppen mit gutem Trinkwasser. Die Frage verdient um somehr in den Vordergrund gestellt zu werden, wenn man berücksichtigt, welchen Einfluß das Wasser, insbesondere das Trinkwasser, aus den fast täglich seinen Aufenthalt wechselnden Soldaten ausübt und wie manche Massenerkrankung auf den schädlichen Einfluß des Trinkwassers zurückzuführen ist. Wenn nun auch die Versorgung mit gleichmäßig gutem Wasser unter diesen Verhältnissen eine nicht zu lösende Aufgabe bleiben wird, so dürfte doch ein Präparat, welches in gleichen Verhältnissen jedem Wasser beigemengt werden kann, demselben einen annähernd einheitlichen Charakter verleihen. Dieses Verfahren würde die oft in dem Wasser ungleich auftretenden mineralischen Bestandtheile ebenso wie die schädlichen organischen Beimengungen und die durch dieselben bedingten verschiedenen Einflüsse auf den menschlichen Körper wesentlich ausgleichen. In dieser Gruppe werden auch Filterapparate und Reagentien für Wasseruntersuchungen vorgeführt, wie sie im Felde Verwendung finden.

Wir schließen hiermit die Reihe der Beispiele aus der Fülle der Aufgaben, welche die Leipziger Ausstellung zu lösen oder der Lösung näher zu bringen beabsichtigt. Das Gesagte dürfte genügen, um den Leser in den Geist der Ausstellung einzuführen. Die Kochkunst gilt in ihr als Anziehungsstück für die große Masse Schaulustiger; denn das Komitee will auch einen Ueberschuß erzielen, um denselben gemeinnützigen Vereinen überweisen zu können. Soweit sich bereits jetzt übersehen läßt, wird das hohe Ziel dank der regen Betheiligung des In- und Auslandes erreicht werden. Gilt es doch, durch diese Ausstellung die Bestrebungen zu fördern, welche darauf gerichtet sind, des Volkes Wohlfahrt im Frieden zu mehren und die Härten des rauhen Krieges zu mildern. C. Falkenhorst.