Für die Veteranen und Invaliden der Feder

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Titel: Für die Veteranen und Invaliden der Feder
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aus: Die Gartenlaube, Heft 32, S. 538-539
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Für die Veteranen und Invaliden der Feder.

Es ist ein altes Bestreben der deutschen Journalisten und Schriftsteller, eine Einrichtung zu schaffen, welche ihnen im Kampfe ums Dasein einen festen Rückhalt gewähren könnte. So ideal der Beruf des Schriftstellers ist, so gewichtig seine Aufgabe als Führer seines Volks, als Verwalter und Vermittler des geistigen Besitzthums der Nation sich darstellt, so ist seine wirthschaftliche Stellung doch nicht von der Art, daß es ihm erlaubt wäre, frei von aller Sorge um das Heute und Morgen ganz den schöpferischen Trieben seines Herzens, seiner Phantasie, seines Verstandes sich hinzugeben. Wohl die Mehrzahl unserer „Helden der Feder“ lebt von der Hand in den Mund, die Arbeit von heute muß das Brot des andern Tages schaffen. Wie der Handarbeiter von der Kraft seines Körpers, so ist der Schriftsteller von der Kraft seines Geistes abhängig, versagt sie, so ist er wehrlos, und in dem Maße der Geist empfindlicher ist als der Körper, wächst auch die Gefahr dessen, der ganz auf die Arbeit seines Geistes angewiesen ist. Von welch tiefem moralischen Einfluß muß es unter solchen Verhältnissen sein,, eine Zuflucht hinter sich zu wissen, die den Ermattenden aufnimmt! Immer wieder tauchte darum in dem Kreise der deutschen Schriftsteller das Verlangen nach einer gemeinsamen Pensionskasse auf, die es dem einzelnen Theilnehmer ermöglichen sollte, durch regelmäßige Einzahlungen in den Zeiten seiner Erwerbsfähigkeit seine Zukunft sicherzustellen. Und endlich hat der langgehegte Wunsch die Erfüllung gefunden. In den ersten Julitagen dieses Jahres wurde zu München der Schlußstein in das Gebäude eingefügt, das, so ist zu hoffen, gar manchem Veteranen und Invaliden der Feder eine leidliche Versorgung, einen schützenden Unterschlupf gewähren wird.

Die Anregungen, welche von den verschiedensten Seiten zusammenliefen, führten im Laufe des vorigen Jahres dazu, daß der Münchener Journalisten- und Schriftstellerverein die Vorarbeiten in die Hand nahm. Es wurde Material gesammelt, wobei insbesondere die Satzungen verwandter Vereinigungen von großem Werthe waren, so diejenigen der „Genossenschaft deutscher Bühnen-Angehöriger“, der „Allgemeinen deutschen Pensionsanstalt für Lehrerinnen und Erzieherinnen“, des „Allgemeinen deutschen Musikerverbandes“ und der Entwurf einer Renten- und Pensionsanstalt für deutsche bildende Künstler. Ein namhafter Versicherungstechniker, Dr. Wolf, lieh seine sachkundige Unterstützung, und so konnte Ende Februar dieses Jahres ein vollständiger Statutenentwurf, von L. Viereck ausgearbeitet, vorgelegt werden, der denn auch nsch reiflicher Erwägung die Billigung des hierfür eingesetzten Ausschusses, bald darauf auch diejenige einer erweiterten Versammlung zu Leipzig und endlich die des Münchener Schriftstellertages im Juli d. J. fand. Die grundlegende Frage, ob man ein eigenes selbständiges Unternehmen schaffen oder den Anschluß an eine bestehende Versicherungsanstalt vorziehen sollte, ward darin zu Gunsten des ersteren entschieden, in der Erwägung, daß auf diesem Wege nicht nur namhafte Ersparnisse erzielt, sondern auch der ideale Zweck der Gründung, die Hebung des gesamten Schriftstellerstandes, am besten erreicht werde.

Keine Frage hat wohl größere Schwierigkeiten verursacht, als die über die Mitgliedschaft, weil es dabei galt, schnurstracks einander zuwiderlaufenden Auffassungen gerecht zu werden. Meinten die einen, es dürften ausschließlich Schriftsteller und Journalisten aufgenommen werden, welche dies ihrem Berufe nach sind und von dieser Thätigkeit allein oder doch vorzugsweise ihren Lebensunterhalt ziehen, so hofften die andern das Gedeihen der Anstalt von einer möglichst breiten Grundlage, die nicht nur allen ehrenhaften Schriftstellern und Journalisten ohne Unterschied, sondern auch Verlegern, Beamten einer Redaktion ober eines Verlags, überhaupt zu Litteratur und Presse in fördernder Beziehung stehenden Personen den Beitritt freistellen würde. Und in der That hat die letztere [539] Ansicht vieles für sich. Mußte es schon bedenklich erscheinen, eine Anstalt für deutsche Schriftsteller zu gründen, welche z. B. einen Goethe, einen Schiller, einen Lessing, einen Virchow und Helmholtz, einen Wildenbruch und Wichert ausgeschlossen hätte, so kam dazu, daß die bestehenden örtlichen Schriftstellervereinigungen überall die Grenzen ihrer Zugehörigkeit weiter ausgedehnt haben, ohne dadurch in ihrem Charakter als Berufsvereine beeinträchtigt zu werden. Auch der „Augustinusverein zur Pflege der katholischen Presse“ umfaßt außer den Redakteuren und schreibenden Mitarheitern noch Verleger und Redaktionsbeamte. Und schließlich war nicht zu unterschätzen, daß durch die Erweiterung des Rahmens der Mitgliedschaft nicht bloß die Zahl der Beitragleistenden erhöht wurde, sondern auch die Zahl derjenigen, welche an der Herbeiführung außerordentlicher Einnahmen mitzuarbeiten sich verpflchteten. So hat denn auch diese Auffassung den Sieg davongetragen. Daß auch Frauen eintreten dürfen, darüber bestand kein Zweifel.

Die Pensionsanstalt ist in erster Linie dazu berufen, ihren Mitgliedern die das 60. Lebensjahr überschritten haben, oder solchen, die früher erwerbsunfähig werden, ein Ruhegehalt zu sichern. An eine Versorgung der Hinterbliebenen soll erst dann herangetreten werden, wenn sich das Vermögen der Anstalt genügend gekräftigt haben wird. Wie die Beiträge der Mitglieder einerseits, die Leistungen der Anstalt andererseits geregelt sind, das hier auseinanderzusetzen, würde zu weit führen. Jeder, den die Sache näher angeht, wird sich ja die Satzungen der „Pensionsanstalt deutscher Journalisten und Schriftsteller“ mühelos verschaffen können. Ein Punkt aber verdient besondere Erwähnung: man könnte ihn den „Vergnügungszwang“ nennen. Ein Abschnitt des § 4 bestimmt nämlich: „Jedes Mitglied übernimmt die Pflicht, nach Kräften zur Veranstaltung von Festlichkeiten und Vergnügungen beizutragen, durch deren Erträgnisse außerordentliche Einnahmen für die Anstalt erzielt werden. Erreichen in einem Jahre diese Einnahmen nicht eine Summe, die einem Betrage von 10 Mark für jedes am Jahresschlusse vorhandene Mitglied gleichkommt, so ist der Fehlbetrag durch Umlage zu decken.“ Die deutschen Schriftsteller haben also zur Sicherstellung ihres Alters nicht bloß zu sparen und zu zahlen sondern auch vergnügt zu sein, und da sie im allgemeinen ein Völkchen sind, das des Lebens heitere Seite gern betrachtet, so wird ihnen diese Verpflichtung nicht allzu bedrohlich erscheinen, noch weniger, wenn sie erfahren, welche Summen auf diesem nicht mehr ungewöhnlichen, aber immer noch lustigen Wege „gemacht“ werden können. Der wenig zahlreiche Verein „Dresdener Presse“ verdankte ihm in sieben Jahren eine Einnahme voll 40000 Mark, der Münchener Journalisten- und Schriftstellerverein einem einzigen Feste 11000 Mark u. s. f. Es ist also zu hoffen, daß aus dem Gesamtvergnügen der deutschen Schriftstellerwelt und der ihr nahestehenden Freunde und Gönner ein recht erklecklicher Betrag herausspringen werde, zur Freude derer, welche die Waffen haben niederlegen müssen. Wenn sich dann auch noch die anderen Hoffnungen erfüllen, welche auf die Erschließung außerordentlicher Einnahmequellen gesetzt werden – Beiträge der Verleger, Freiexemplare, Lotterien, Reklamesteuer u. dgl. m. – dann dürfen die künftigen Pensionäre der neuen Anstalt beruhigt sein, dann wird auch für manchen Akt außerordentlicher Wohlthätigkeit ein Scherflein übrig bleiben.