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Fatale Unterbrechung

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Textdaten
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Autor:
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Titel: Fatale Unterbrechung
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 32, S. 541, 584
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1895
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[541]

Fatale Unterbrechung.
Gemälde von Karl Gebhardt.

[548] Fatale Unterbrechung. (Zu dem Bilde S. 541.) O weh – ein Klecks! Auch für einen heutigen federgewandten Schreiber, der in einer Stunde sein Dutzend Briefe erledigt, ist ein vorwitziger Tintenfleck eine fatale Unterbrechung. Ganz anders aber wurde solch Mißgeschick in jener Zeit empfunden, da das Schreiben in Deutschland noch eine seltene Kunst, das Geheimnis jener fleißigen Benediktinermönche war, die ihre Klöster zu den ersten Pflegstätten der Wissenschaft auf deutschem Boden erhoben. Aus so manchem populären Bilderwerk wie aus den anschaulichen Schilderungen in Scheffels „Ekkehard“ dürfte auch dem ungelehrten Leser bekannt sein, mit welchem Aufwand von Mühe, Geduld und Geschicklichkeit vor tausend Jahren jene Pergamentblätter hergestellt wurden, welche für uns heute die Anfänge der deutschen Litteratur darstellen. Wer in den Bibliotheken, welche die kostbaren Denkmale aufbewahren, den Blick über diese meist mit farbigen Initialen und Zierleisten geschmückten Seiten wandern läßt, muß nicht ohne Bewunderung anerkennen, daß jene gelehrten Mönche das Schreiben wirklich als eine edle Kunst und mit der Andacht und Hingebuug echter Künstler betrieben haben. Und dabei bot ihnen das Material, die Rohrfeder und das Pergament, noch Schwierigkeiten, die der Gebrauch von Papier und Stahlfeder heute fast völlig ausschließt. Namentlich die Herstellung guten brauchbaren Pergaments fiel den Mönchen anfangs schwer, und es dauerte lange, bis es den Brüdern des heiligen Gallus gelang, die Häute wilder Tiere mit solcher Kunst zu behandeln, daß beim Beschreiben der „Buchfelle“ die Tinte nicht auslief und unschöne Flecken verursachte, wie man sie auf so mancher alten Handschrift noch findet. An diese Kalamität erinnert unser Bild. Der schalkhafte Maler desselben läßt uns zwar im Zweifel, ob das schlechte fließende „Buchfell“ oder der würdige Pater die Schuld trägt an den unwillkommenen schwarzen Ornamenten, die sich so keck und aufdringlich an die schönen Randverzierungen des Blattes herangedrängt haben, aber es ist mehr als wahrscheinlich, daß der bestürzte Schreibkünstler dem Anfertiger des Pergaments, dem Pergamentarius des Klosters, die Schuld zumessen und sich selber so rein und fleckenlos fühlen wird, wie es die neue weiße Kutte ist, die seinen wohlgenährten Leib umhüllt.