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Flüchtlings Heimkehr

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Textdaten
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Autor: Max Holdau
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Titel: Flüchtlings Heimkehr
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 27, S. 425
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1860
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Flüchtlings Heimkehr.

Träge geht die Sonne nieder, schon dem Kamm der Berge nah;
Purpurgolden liegt die Landschaft nun im Abendfrieden da.
Leise rauscht es durch die Wälder wie vergang’ner Zeiten Mähr,
Und vom Strome zieht ein Brausen wie verhalt’ne Klagen her.
Wunderherrlich, reich an Segen, dehnt sich das Gelände weit,
Wiese, Wälder, Flur und Gärten, Alles prangt in Ueppigkeit.
Stolzgethürmte Städte spiegeln ihr lebendig Bild im Strom,
Graue Burgen ragen mächtig auf zum blauen Himmelsdom.
Glänzend, eh’ er niedersinket, wirft der Sonne Feuerstrahl
Seine letzten Liebesblicke in das reichgeschmückte Thal.
Und noch einmal glänzt im bunten Abendlicht der Buchenwald,
Wo des Beiles letzte Schläge noch das Echo wiederhallt.
Und noch einmal küßt ein letzter Strahl den altergrauen Stein,
Der da, zweier Länder Marke, finster blickt in’s Thal herein.
Stiller wird’s, und breite Schatten lagern rings sich auf der Au’,
Und des Flusses Nebel steigen, sonnenlos, gespenstisch grau.
Einsam zieht ein später Pflüger durch den abendstillen Plan,
Eilt vorüber leise schauernd an des Forstes dunkler Bahn.
Doch wer müht sich schwanken Schrittes dort den Hügelpfad herauf,
Lehnt sich seufzend, athemsuchend, keuchend auf des Stabes Knauf?
Wankt zum Markstein auf der Höhe, der sich trotzig dort erhebt,
Und er faßt ihn in die Arme: ha, wie da die Brust ihm bebt!
Sieh, jetzt breiten Mondesstrahlen silberfarben bleiches Licht,
Ach, sie ruh’n auf einem gramzerwühlten Menschenangesicht.
Wie das Auge, fast erloschen, schmerzvoll auf zum Himmel schaut,
Während Thrän’ auf Thräne leise auf die Wange niederthaut!
Grau das Haupt, und in dem morschen Leibe tobt des Fiebers Sturm,
Und am Herzen sonder Ende nagt ihm wohl des Kummers Wurm.
Armer Greis! Was starrst Du traurig in das weite Thal hinaus?
Suchst wohl in der Nacht da unten Dein verschollen Vaterhaus?
Wie er breitet nun die Arme weit aus wie in Sehnsuchtsschmerz,
Gleich als wollt’ er all’ die Lande pressen an sein stürmend Herz,
Ringt aus seufzerschwerem Busen sich hervor im Schmerzenston:
„Land der Väter, Du geliebtes, ach, Dein ausgestoß’ner Sohn,
Wieder küßt er Deine Erde, sieht er Deiner Wälder Grün,
Sieht er Deine Städte ragen, Deine Sterne traulich glüh’n.
Seit ich ging, wie viele Jahre rauschten über dieses Haupt!
Nun ich wiederkehre, steh’ ich da ein Stamm, der morsch, entlaubt.
Und doch duldet mich Dein Boden scheu nur in der stummen Nacht,
Weil auf Deiner heil’gen Stätte noch der Feind der Freiheit wacht.
Land der Väter, Du geliebtes, muß Dich trauernd wiederseh’n;
Wird ein Rächer Deiner Schande nie in Deinem Schooß erstehn?
Noch zerspalten und zerrissen liegst Du unter Gottes Fluch,
Armes Land, noch krank an Wunden, die ein Stamm dem andern schlug.
Deine Ströme sind gebunden, Deine Kräfte sind gelähmt,
Und die besten Deiner Söhne, ach! geächtet und verfehmt.
Mich auch haben sie vertrieben, weil im Streit ich zu Dir stand,
Weil mein Denken und mein Streben Deinem Heile zugewandt.
Dorten, wo ein frei Gestade noch bespült der Ocean,
Regt es sich in tausend Herzen, die Dir treulich zugethan.
O, wie hab’ ich oft der Brandung wildem Donner stumm gelauscht,
Ob von Dir ein leises Grüßen mir nicht draus entgegenrauscht.
Ha, wie oft umgab der Tod mich! Wie ich grimmig mit ihm rang!
Denn noch einmal wollt’ ich hören, Muttersprache, Deinen Klang.
Fremdling war ich aller Orten; bin ich Fremdling denn auch Dir?
Ruhe konnt’ ich nirgend finden, Muttererde, gib’ sie mir!
Und so lieg’ ich denn gebrochen, Vaterland, an Deiner Brust,
So an Deinem Herzen sterben, Heimatherd, ist Götterlust.
Mußt’ er, lebend in der Fremde, flüchtig irren, arm und bloß,
O, so gönn’ dem todten Sohne doch ein Grab in Deinem Schooß.“
Sprach’s. Und durch die Lüfte zieht es wie ein leiser, stiller Klang,
Und die Wellen rauschen flüsternd des Gebannten Grabgesang.
Doch der hält den Stein umschlungen, lächelnd und in Todesruh’,
Und ein gold’ner Blüthenregen deckt ihn lind und liebend zu.

 Max Holdau.