Frühling im Spreewalde

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Textdaten
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Autor: W. M.-M.
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Titel: Frühling im Spreewalde
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 16, S. 265, 276
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1891
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: über ein Bild von Otto Piltz
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[265]

Photographie von Franz Hanfstaengl Kunstverlag A.-G. in München.
Frühling im Spreewalde.
Nach dem Gemälde von O. Piltz.

[276] Frühling im Spreewalde. (Zu dem Bilde S. 265.) Die Mark Brandenburg, „des heiligen römischen Reiches deutscher Nation Streusandbüchse“, hat seit jeher in Verruf gestanden, das denkbar möglichste in landschaftlicher Einförmigkeit zu leisten. Wer sich noch niemals an den geheimnißvollen Reizen der stillen märkischen Seen erquickt, nicht ein einziges Mal dem traulichen Murmeln und friedlichen Plätschern der dortigen, bedächtig dahinfließenden Gewässer gelauscht hat; wessen Fuß noch nie die stattlichen brandenburgischen Buchenwälder betrat: der freilich vermag unbedacht in ein solch absprechendes Urtheil einzustimmen. Wie anders würde er reden, wenn er Land und Leute jener Provinz aus eigener Anschauung kennen lernte! Das ist nun aber nicht jedermann möglich, und so müssen wir dem Maler O. Piltz dankbar sein, daß er mit seinem Künstlerstifte in dem Frühlingsbilde aus dem Spreewalde ein Stück märkischer Erde aufs Papier bannte und weiten Kreisen zur Betrachtung darbot.

Der Spreewald, einige Meilen in fast südlicher Richtung von der Reichshauptstadt, nicht weit von der reichen Tuchmacherstadt Kottbus gelegen, ist sowohl in landschaftlicher wie in völkerkundlicher Hinsicht von hervorragender Eigenart. Mit wohl dreihundert Armen durchschneidet die Spree dieses Stücklein Erde, so daß wie in Venedig und vielfach in Holland das Wasser die einzige Verbindungsbahn zwischen Gehöften und Dörfern abgiebt. Von der Wiege bis zur Bahre ist darum der Kahn des Spreewäldlers stets hilfsbereiter Gefährte. Der Nachen führt ihn zur Taufe wie zur Trauung und schließlich, nach des ärmlichen Lebens Mühen und Sorgen, zum stillen Frieden des Grabes. Der Name „Spreewald“ für jene Gegend könnte heutigen Tages freilich angefochten werden; er entstammt einer Zeit, die allerdings erst kaum ein halbes Jahrhundert hinter uns liegt, – jener Zeit, in der die Waldungen zwischen dem vielmaschigen Spreenetze noch nicht wie jetzt gelichtet und zum Theil abgeholzt waren, sondern als geheimnißvoller Urwald wildem Gethier sichere Zufluchtsstätten boten. Aber der verbliebene Rest jenes Waldes ist trotzdem noch von malerischer Schönheit, besonders zur Zeit, wenn linde Lüfte in Wald und Wiese neues Leben wecken und die Mensch aus ihren strohbedachten, grün umrankten Blockhäusern an den warmen Sonnenschein hervorlocken.

Ein Frühlingsidyll auch ist es, das unser Künstler im Spreewalde belauscht hat. Die junge Mutter auf der Schnitzbank, der das Mutterglück aus dem Gesichte strahlt, stellt ihren zum Besuche gekommenen beiden jüngeren Schwestern deren erste Nichte vor. An dem zutraulichen Gebahren der Kleinen ergötzen sie sich allesammt, besonders auch der Großvater, der in heller Freude über die kluge Enkelin vielleicht gar noch die von ihm unzertrennliche Tabakspfeife erkalten lassen wird. – W. M.-M.