Freund Mephisto als Hofmann
Von Gustav von Meyern, der unseren Lesern durch seine lyrischen Beiträge und längst als glücklicher Dichter auf dramatischem Felde bekannt ist, erschien soeben eine freundlich ausgestattete Sammlung von Dichtungen (Leipzig, bei E. J. Günther), welcher er den Titel: „Altes und Neues“ gegeben hat. Zu dem „Neuen“ gehört ein längeres Gedicht, das er als „eine Erzählung in Versen“ bezeichnet. In demselben läßt der Dichter sich von einem gewiegten alten Höfling, der ihm, dem Badereisenden, nachweist, daß er sich in der Hofluft Magen und Nerven verdorben, eine Reihe von Recepten gegen dieses Uebel mittheilen, von welchen einige, zugleich als Probe und Empfehlung der trefflichen Sammlung, hier folgen:
Hofrecepte.
Erstlich rath’ ich: Lohe bade,
Laß dich tüchtig darin gerben,
Mußt, damit dir Zug nicht schade,
Eine „dicke Haut“ erwerben!
Bläs’t einmal aus vollen Backen
Wind und Gegenwind zu leidig,
Halte Rücken dann und Nacken
Dir fein biegsam und geschmeidig!
Was du auch zu tragen habest,
Mußt du auf „zwei Achseln“ tragen,
Was du auch zu sagen habest,
Mußt du mit „zwei Lippen“ sagen!
Als ein hofgewandter Mann
Schmieg’ dich in die Charaktere,
Schmeichle Jeden heimlich an,
Daß er dein Charakter wäre.
Suche immer liederlichst
Liederlichen zu erwidern,
Doch wenn du mit Biedern sprichst,
Such’ auch diese „anzubiedern“!
Zög’re stets, dich auszusprechen,
Wenn Parteien gegenwärtig,
Denn mit einer mußt du brechen,
Bist du mit dem Urtheil fertig!
Hänge deinem Herrn am Schooße,
Was auch seine Schwächen seien –
„Unverantwortliche“ Große
Stehen „über den Parteien“.
Wärst du selbst zum Günstling worden,
Aber mißbeliebt von Haus,
Bitte dann dir Amt und Orden
Für im Volk Beliebte aus.
Lasse sichtbar Gnaden regnen,
Auf ihr still verwundert Haupt,
Und die Einfalt wird dich segnen,
Weil sie noch an Wunder glaubt.
Auch sei Eines dir gerathen
Als beachtenswerthe Norm:
Zeige vom Aristokraten
Nur die abgeschliff’ne Form;
Wie das Merkmal einer Innung
Braucht bei Hof sie Jedermann,
Doch der Adel der Gesinnung
Gleicht der Wahrheit – stößt oft an!
Und nun schließlich noch das Schwerste:
Ziemt dir alles Wissens Preis,
Sei dein Herr doch stets der Erste,
Der es noch viel besser weiß!