Gartencultur in Frankreich
Die Liebhaberei der Pflanzenzucht hat in neuern Zeiten fast in allen Länderstrichen Europas Riesenschritte gemacht. Es gibt jetzt kaum eine Stadt von einigem Belang, die nicht einen botanischen Garten besäße. Deutsche Regierungen wetteifern unter sich und mit Nachbarstaaten, ihre Residenzen durch geschmackvolle Parkanlagen zu verschönern [27] und mit dem Neuesten aus Flora’s Gebiet prächtige Glashäuser zu schmücken. In Frankreich regt sich dieser Trieb auf andere nicht minder lebendige Weise. Englische Gärten haben die Franzosen von jeher wenig geliebt; noch immer scheinen sie an den geradlinigen Hecken, den Marmorstatuen und Fontainen Geschmack zu finden, womit Le Nôtre die weiten Alleen des prächtigen Versailles und der Tuileriengärten ausstattete. Le Nôtre brachte diesen Styl der Gärten aus Italien, wo Heckenwände aus immergrünen Bäumen, Quercus Ilex L. Laurus regia L. Arbutus Unedo L. gebildet, allerdings einen majestätischen Anblick gewähren und durch kühlende Schatten die Hitze des Klimas dämpfen. Aber auch die Italiener scheinen ihn nicht erfunden, vielmehr von den Bewohnern der griechischen Kolonien geerbt zu haben, wie man denn noch heute an einigen Wänden ausgegrabener Häuser von Pompeji ähnliche Gartenanlagen mit Hecken, Fontainen und Pergolas angemalt findet. Die Alten wußten vermuthlich wenig von den landschaftlichen Gärten, wie sie seit vorigem Jahrhunderte in England zuerst entstanden. Bei der Vorliebe der Franzosen für das Antike mag es erklärlich gefunden werden, daß dieses Volk zeither fest an dem Geschmack hielt, den ihr Landsmann aus dem Lande des klassischen Alterthums, namentlich aus dem Garten Boboli zu Florenz an den Hof Ludwig XIV. verpflanzte, und für die großartigen Anlagen seines Monarchen als Norm annahm. Gleichwol würden, seitdem das Klassische dem Romantischen dort überhaupt mehr Raum zu geben angefangen, auch die Franzosen englische Gärten anlegen, wenn sie als industrielle Nation den Boden nicht lieber mit Runkelrüben und andern ökonomischen Pflanzen bebauten als ihn zu Prachtgärten verwendeten, die viel zu unterhalten kosten und keine Renten geben. Wie kostbar von Tage zu Tage das Land in der nächsten Umgebung von Paris wird, ist begreiflich. Tivoli ist längst nicht mehr und bald wird auch der Park von Monceaux oder Mousseaux, einer der schönsten in ganz Frankreich, verdrängt durch die Fortifikationen, nur noch in der Erinnerung leben. Wie sehr aber auch der Grundbesitz an Zerstückelung leide, immer wird der Blumenliebhaber noch ein Plätzchen finden, wo er sich ein Parterre für seine Lieblinge und das zu ihrer Pflege nöthige Frühbeet und Orangeriehaus in gemächlicher Lage schaffen kann. Daher mag es kommen, daß in Frankreich von allen Zweigen der Gartencultur in jetzigen Tagen die Blumenzucht die anziehendste geworden ist.
Der, ländlichen Beschäftigungen fremde, ja oft in der Pflanzenkunde völlig unwissende Stadtbewohner liebt es, sich von Blumen umgeben zu sehen. Eine mit Blumen jeder Jahreszeit malerisch dekorirte Jardiniere ist zum unentbehrlichen Meuble der Salons geworden. Auf allen Punkten Frankreichs gewinnen die bestehenden Gartenvereine an Einfluß, ältere breiten sich aus, neue entstehen. Die zu Lille, Strasburg, Rouen, Angers, Orleans geben an Eifer und Thätigkeit den besten englischen nichts nach, nur daß letztere über größere Kapitale disponiren, deren Mangel gar oft das Talent französischer Blumenzüchter beeinträchtigt.
Der Geschmack an Sammlungspflanzen, der zuweilen in wahre Leidenschaft ausartet, ist über Belgien, Holland nach England und von dort auch nach Frankreich gewandert. Sammlungspflanzen (plantes de collection) nennen die französischen Gärtner solche, die, obgleich einer Gattung, ja oft nur einer Art angehörend, viele hundert Varietäten geben, von denen jede einzelne durch Farbe oder Habitus sich von der andern unterscheidend, ein eignes Individuum bildet. Im Deutschen hat das Wort keinen Klang, wir möchten dafür lieber den Namen: Varietäten-Gruppen vorschlagen. Dahin gehören, unter den Zwiebelgewächsen die Tulpen, die Hyazinthen, die Krokus, die Amaryllis; unter den Knollengewächsen: die Ranunkeln, die Anemonen, die Päonien, die Dahlien; unter den Pflanzen des halbwarmen Hauses: die Camelien, die Pelargonien, die Mesembrianthemen, die Cactus; unter den Sträuchern: die Rosen, die Azaleen, die Rhododendren.
Alle Jahre durchstreifen auf Kosten reicher Gartenliebhaber oder großer Handelsgärtner, mit Lebensgefahr reisende Botaniker die Urwälder entfernter Himmelsstriche, um der Gartencultur neue Pflanzen zuzuführen und die Kataloge der alten und bekannten zu vermehren. Die Samen, welche auf diesem Wege nach Europa kommen, geben oft die köstlichste Ausbeute. Wir wollen hier nur zwei Pflanzen erwähnen, die erst vor kurzem durch reisende Botaniker in Europa eingeführt wurden und beide die Aufmerksamkeit der Gartenfreunde in verschiedener Beziehung namentlich in Paris in Anspruch nahmen. Die eine nennt sich Paulownia imperialis, die andere Daubentonia Tripetiana. Beide scheinen bestimmt, mit der Zeit unter den schönsten Ziersträuchern in den Pariser Boskets zu glänzen; sie haben die letzten Winter dort im Freien ausgehalten. Mit ersterer hat man auch bei uns wiewol nicht mit so günstigem Erfolge Acclimatisations-Versuche gemacht. Vielleicht gelingt es mit der einen und der andern künftig besser, in welchem Falle wir zwei der prachtvollsten Sträucher für unsere Anlagen mehr gewinnen würden. Wir wollen versuchen von der Wichtigkeit ihrer Acquisition eine kleine Idee zu geben.
Paulownia imperialis. (Sieb. et Zuccar.) ist in Japan einheimisch, wo man sie unter dem Namen Kiri kennt. Sie hat vor unsern bekannten Ziersträuchern das Angenehme voraus, daß ihre Blätter groß, üppig und von glänzendem Grün sind, und ihre graziösen Blüthen einen süßen Wohlgeruch verbreiten. Keines andern Gewächses Laub hält einen Vergleich mit dem der Paulownia aus, selbst das Blatt der Bignonia Catalpa, mit welcher Pflanze sie noch die meiste Analogie hat, ist nicht so lebhaft grün. Wie fast alle neuen Gewächse aus fremden Zonen wird ihr Laub wahrscheinlich noch lange von inländischen Insekten verschont bleiben, ein Umstand, der Berücksichtigung verdient, weil er die Integrität der Blätter sichert, und folglich erquicklichen Schatten verspricht. Die Blumen der Paulownia reihen sich an einen Thyrsus, ähnlich dem der Roßkastanie, nur weniger gedrängt und symmetrisch, und gleichen im Bau denen des purpurfarbenen Fingerhutes; sie sind von einer unbestimmten mehr blauen als violeten Farbe; ihr Geruch ist weniger stark und betäubend als vielmehr süß und lieblich. Die über die dichte Belaubung ragenden Blüthensträußer machen einen eben so graziösen als malerischen Effekt. Die Paulownia imperialis wird künftig als Hauptschmuck unserer Gärten gelten und wir dürfen hoffen, sie werde sich eben so leicht wie die im vorigen Jahrhundert aus den Wäldern von Amerika eingewanderte Catalpa acclimatisiren lassen.
Bis wir in Europa mit der Cultur der Paulownia so weit gekommen sein werden, daß sie Samen liefert, kann sie durch die Wurzel vermehrt werden, von welcher das kleinste Theilchen in Heideerde gepflanzt und in warmem Hause sorglich gepflegt, eine Menge junger Sprößlinge treibt. Sie wächst mit unglaublicher Schnelligkeit. Die Erfahrung hat noch nicht gelehrt, welche Höhe sie in Europa erreichen dürfte; in Japan ist sie ein 40 bis 50 Fuß hoher Baum. Der Name des Kunstgärtners Neumann, der die Paulownia imperialis zuerst in Frankreich eingeführt und sich mit ihrer Cultur und Vermehrung beschäftigt, wird stets bei allen Gartenfreunden in gutem Andenken bleiben. Jetzt ist sie in mehren Handelsgärten zu haben und wird in den Katalogen zu 2 bis 20 Franks ausgeboten.
Die Daubentonia Tripetiana, zuerst durch Herrn Tripet-Leblane aus Samen gezogen, ist am La Platastrome zu Hause, wo sie die Höhe von 20–24 Fuß erreicht. In Paris dürfte sie kaum höher als ein gewöhnlicher Strauch werden. Sie macht hängende Blüthentrauben wie der Cytisus oder die Robinie, aber von schönstem Roth. Auch ihr gefiedertes Blatt gleicht dem der Robinie. Da Herr Tripet-Leblanc wünscht, daß diese Pflanze vor der Hand blos französische Gärten besitzen, und die brillantesten Anerbietungen englischer Gärtner aus patriotischem Gefühl zurückgewiesen hat, so wird sie noch einige Zeit ein wenig bekannter Strauch bleiben.
Doch kehren wir zu den Varietätengruppen zurück. Der stärkste Band würde nicht hinreichen nur eine summarische Uebersicht aller in den Katalogen aufgeführten durch Form und Farbe verschiedenen Spielarten beliebter Schmuckpflanzen zu geben. Seit man nach Knight’s Beispiel angefangen, vegetabilische Geschlechter durch Uebertragen des Blumenstaubs auf verwandte Arten zu befruchten, haben sich die Hybridenpflanzen ins Unendliche vermehrt. Man denke nur an die jetzt in allen Gärten so beliebten Dahlien mit regelmäßig gereihten tutenförmigen Blumen; an die auf tausendfache Weise lebhaft brodirten Pelargonien; an die Calceolarien, deren Corollen mit dem Pinsel gemalt scheinen; an die von ihrem frühern einfachen Typus so sehr abweichenden, in schönstem Farbenwechsel prangenden Camellien! Alle diese und tausend andere Vegetabilien sind durch die Kunst des Hybridirens, durch das Kreuzen der Racen, entstanden. Wie weit diese künstliche Befruchtung noch gehen kann, läßt sich gar nicht bestimmen. So verdrängen z. B. in den Dahlien schon die neuern Spielarten alle früher gekannten, letztere sinken im Werth, man hat nicht Raum mehr für sie; man hat sie sich satt gesehen und wirft sie weg, um vollkommenere an ihre Stelle zu setzen. Dies ist der Fall auch mit vielen sonst als schön gepriesenen Rosen; wollte man sie alle beibehalten, so könnten sie nicht mehr nach Hunderten, sie müßten nach Tausenden gezählt werden.
Zu den Lieblingspflanzen gehören in neuerer Zeit die aus der Familie der Orchideen. Es sind Schmarozerpflanzen, sie leben in ihrer Heimath, dem südlichen Amerika, meistens auf den Baumstämmen der Urwälder. Wenn sie gedeihen und ihre wunderbar geformten prächtig gefärbten Blüthen entfalten sollen, müssen sie nicht allein einer ähnlichen Temperatur genießen, sondern man muß ihnen auch einen ihres Naturlebens analogen Standort geben, was in unsern beschränkten Treibhäusern eben keine leichte Sache ist. Anfänglich pflanzte man sie in Körbchen von Kork, die mit Moos gefüllt und mit Oeffnungen versehen waren, durch welche sich Wurzeln und Blüthenzweige Ausgänge bilden konnten. Jetzt ist man von dieser Methode abgekommen. An die Stelle der Korkbehältnisse sind alte Baumäste getreten, die ihrer Natur besser zuzusagen scheinen. Auf ihnen heften sie sich an, treiben die bald geschmeidigen bald fleischigen Blätter und entfalten mit Leichtigkeit die schönen oft bizarr geformten, prächtigen Blumen, durch Luftwurzeln und Blätter ihre Nahrung saugend. Am beliebtesten sind jetzt die Arten aus den Geschlechtern Dendrobium, Oncidium und Stanhopea.
Das Oncidium, von welchem wir hier eine Abbildung geben, ist unter dem Namen Oncidium Papilio bekannt; die Form der Blume erinnert an die Gestalt eines Schmetterlings, ihre scharf getrennten Farben, karmosinroth, schwarzbraun und strohgelb, blenden das Auge des Beschauers durch Glanz und Frische.