Geburtstag der Kaiserin in Viéville

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Walter Flex
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Geburtstag der Kaiserin in Viéville
Untertitel:
aus: Gesammelte Werke, Bd. 1, S. 94–97
Herausgeber:
Auflage: 4. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1936
Verlag: C. H. Beck’sche Verlagsbuchhandlung
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: München
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons: Seite 94, Seite 95, Seite 96, Seite 97
Kurzbeschreibung: Gedicht aus dem Ersten Weltkrieg
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[index:|Indexseite]]


[94]
Geburtstag der Kaiserin in Viéville

Was geht heute vor in Viéville?
Musik marschiert auf und rührt das Spiel.
Durch die granatenzerfetzten Straßen
läuft Trommelwirbel und Hörnerblasen …

5
Wir feldgrauen Männer im Osten und Westen

Haben sonst nicht Zeit zu Singsang und Festen.
Wir haben kaum Zeit zum Schlafen und Essen
und können Ostern und Pfingsten vergessen.
Wir liegen vor feindlichen Gräben und Mauern,

10
schanzen und schießen und wachen und lauern.

Jubelfanfaren und Siegesfeste
sind gut fürs Zuhaus im warmen Neste.
Aber das Heut trägt besonderen Sinn:
Es gilt den Geburtstag der Kaiserin!

15
Spiegel der Mütter! Zum blutigen Strauß

stellt sie sechs kernhafte Söhne hinaus.
Ehrendienst, Frauendienst, Gottesdienst –
Der Tag trägt ein Festkleid von Goldgespinst!

Zu Feldgottesdienst, Choral und Gebet,

20
zur Heerschau vor Gott die Truppe steht.

Sechsundfünfziger Kanoniere
und wir, die fünfziger Musketiere.
Das feldgraue Viereck steht aufmarschiert,
der Feldaltar von Geschützen flankiert,

25
unsre Schlachtenfahne, seidig entrollt,

bauscht sich in Blauluft und Sonnengold.
Regimentsmusik ist festlich zur Stelle.
Über Trommeln und Hörner fließt Sonnenhelle.
Die Instrumente sind blind und zerbeult,

30
in ihr Spiel hat das Schlachtenwetter geheult.

[95] Macht nichts. Sie können doch brausen und dröhnen,
Gott zu dienen, den Feind zu höhnen!
Der Musikmeister reckt sich. Der Chor hebt an,
Ihr Lieblingschoral: Jesu, geh voran!

35
Über Welschlands Wälder und Rebenhänge

wandern die königlichen Klänge.
Lutheraner, Katholiken fallen ein,
von Verdun her orgeln Kanonen darein …
Der Prediger liest aus dem heiligen Buch

40
bei Jesus Sirach den lauteren Spruch

vom Segen, mit dem das Haus sich ziert,
wo am Herd ein tugendsam Weib regiert.
Er spricht von den deutschen Müttern zu Haus,
alle Herzen lauschen ins Weite hinaus

45
nach der Mütter frommem und friedsamem Schritt …

Alle Herzen predigen leise mit:
„Gott hat die Herzen der Mütter geweiht
zu Opferschalen der großen Zeit!
Legt täglich ein Liebsopfer hinein,

50
und wär’ es nur ein Ich-denke-dein,

nur ein Stoßgebet, nur ein Herzaufwallen,
die Gabe wird Gott, dem Allgüt’gen, gefallen!
Wer die deutsche Mutter im Herzen trägt,
sich mit sauberem Leib durch die Hölle schlägt.

55
Kam’rad, halte heilig den deutschen Leib!

Im welschen ehrst du das deutsche Weib.
Das deutsche Weib trägt ein Ehrenkleid;
Schatzhüterin, hegt sie das deutsche Leid,
das deutsche Leid, das heilige Leid,

60
keinen Flecken, Kam’rad, auf ihr priesterlich Kleid!

Die deutsche Frau will reines Dienen,
das reinste die Königin unter ihnen!
[96] Ihr dienen wir immer mit herzlichem Sinn,
der Mutter des Volkes, der Kaiserin!

65
Man will ihr die lichte Krone zerschlagen …

Einer Welt zum Trotze, sie soll sie tragen!
In Königs Rock, in Volkes Sold
streiten wir für Ihr heiliges Gold.
Der Welt zum Trotze ein brausend Hurra

70
der Kais’rin Auguste Viktoria!…“

Hat’s der Mann am Feldaltar vorgebetet?
Hat das deutsche Herz mit sich selber geredet? …
Amen. Das feldgraue Viereck steht.
Vom Altar tönt’s: Helm ab zum Gebet!

75
Vater, in deine Hände mein Leben

und das Herz der Mutter, die mir’s gegeben! …
Und wieder Trommeln und Hörnerdröhnen.
Gott zu Ehren, Welschland zu höhnen.
Gott zu Ehren, den Feinden zum Spott

80
braust es „Nun danket alle Gott…“


Stillgestanden! Dann schwenken und ziehen
zurück ins Quartier die Kompanien.
Musik voraus, die Straßen entlang
bis zum Brunnen der Jungfrau von Orleans.

85
Konzert für das fünfzigste Regiment

vor der ehernen Jungfrau Steinpostament!
Hell schmettern die Regimentskapellen.
Das Kriegsvolk hockt auf den Häuserschwellen
schwatzend und rauchend in guter Ruh;

90
scheel und finster schauen die Welschen zu.

Schmettern fährt ihnen durch Mark und Bein
der Preußenmarsch und die Wacht am Rhein.
Zu des welschen Himmels blaugoldigem Glanz
[97] Schwillt empor das „Heil Dir im Siegerkranz!“

95
Die Musketiere im Schlenderschritt

flanieren vorüber und pfeifen mit.
In Gruppen plaudern die Offiziere,
Musketiere und Kanoniere.
Zeitungen gehen von Hand zu Hand

100
und machen neue Siege bekannt.


Vorüber der Tag. Die Nacht bricht ein.
Über Dächer und Wälder fließt Mondenschein.
Schwatzend und rauchend im Strohquartiere
ruhn Musketiere und Kanoniere.

105
Durch die Nacht geht deutscher Soldatensang …

Im Mond steht die Jungfrau von Orleans.
Der Brunnen plätschert zu ihren Füßen,
er weiß keinen Trost, nicht herben noch süßen.
Vor dem Erzbild auf steinernem Postament

110
steht Schildwacht vom fünfzigsten Regiment.

Der Brunnen träumt Märchen von Frankreichs Ehre,
der Mond blinkt über die deutschen Gewehre....

Anmerkungen (Wikisource)

Gemeint ist eine Geburtstagsfeier von Kaiserin Auguste Viktoria, Königin von Preußen, geboren am 22. Oktober 1858, im Jahr 1914. Zur Interpretation siehe die Groninger Dissertation von Lars Koch PDF, S. 154.

  • Sechsundfünfziger Kanoniere (Vers 21): = 2. Posensches Feld-Artillerie-Regiment Nr. 56
  • fünfziger Musketiere (Vers 22) sowie das fünfzigste Regiment (Vers 85) und vom fünfzigsten Regiment (Vers 110): = 3. Niederschlesisches Infanterie-Regiment Nr. 50, für das Flex auch Das Weihnachtsmärchen des fünfzigsten Regiments schrieb.
  • braust es „Nun danket alle Gott…“ (Vers 80): Siehe über diesen Choral den Artikel Nun danket alle Gott in der deutschsprachigen Wikipedia
  • der Preußenmarsch und die Wacht am Rhein.“ (Vers 92):
    • Preußenmarsch: = AM II, 119* „Preußenmarsch“ (Originaltitel: „Marsch über Nationalmelodien“) von Joseph Golde. * d. h. Armeemarsch (AM) II, 119 der Armeemarschsammlung der Kgl. Preuß. Armee
    • die Wacht am Rhein: siehe dazu Die Wacht am Rhein
  • … das „Heil Dir im Siegerkranz!“ (Vers 94): die preußische Königs- und deutsche Kaiserhymne. Siehe dazu den Artikel Heil Dir im Siegerkranz in der deutschsprachigen Wikipedia