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Gefunden (Die Gartenlaube 1867/11)

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Textdaten
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Autor: unbekannt
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Titel: Gefunden
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aus: Die Gartenlaube, Heft 11, S. 174–176
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1867
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Erfolgreiche Nachforschung nach in der Schlacht bei Langensalza verschollenen Personen
Blätter und Blüthen
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[176] Gefunden. In den ersten Tagen und Wochen nach der Schlacht bei Langensalza waren die vielen Lazarethe der Stadt, sowie die Gräber der Todten von Fremden förmlich belagert. Unter den zahlreichen Besuchern befanden sich häufig Freunde und Verwandte der Verwundeten und Gefallenen, nicht selten aus großer Ferne herbeigekommen, die Leidens- und Ruhestätten ihrer Angehörigen aufzusuchen. Um ihre Nachforschungen nach den Verwundeten zu erleichtern, hatte die Militärbehörde an den Außenthüren der Lazarethe Listen mit den Namen der Inwohner anschlagen lassen.

Ueber die Todten gab es leider keinen gewissen Nachweis; denn die nothwendige große Eile der Beerdigungen, die Unmöglichkeit, ihre große Anzahl gehörig zu regeln und zu überwachen, die in der entsetzlichen Hitze schnell vorschreitende Verwesung veranlaßten, daß die Sicherstellung der Namen, der Identität der Personen bei einem großen Theil der Gefallenen unterblieb.

Als mich in diesen Zeiten ein Geschäft in die Mitte der Stadt führte, begegneten mir zwei fremde Herren, augenscheinlich von Stande, aber beide in Trauerkleidern, mit schwarzbeflorten Hüten, tiefbekümmerten Mienen. Der ältere grüßte bei meiner Annäherung auf das Höflichste und bat um Auskunft über die Wohnung eines hiesigen Bürgers. „Wenn Sie mir folgen wollen,“ sprach ich, „so kann ich selbst Sie begleiten; mein Gang führt mich ebenfalls dorthin.“ Dankbar nahmen die Fremden meine Dienste an und so gingen wir nach dem Markte, wo der Gesuchte wohnte.

Bei unserem Eintritt sprach der Aeltere zu dem Hausherrn: „Mein verehrter Herr, wir sind Rheinländer, geborene Aachener, und suchen hier zwei Opfer der Schlacht; dieser Herr hier, mein Neffe, einen verwundeten Bruder, und ich,“ setzte er mit zitternder Stimme hinzu, „das Grab meines einzigen Sohnes. Die Verlustliste nennt den Einen schwerverwundet, den Andern gefallen. Ihr Herr Bruder in Aachen, unser Freund, hat uns ausdrücklich an Sie verwiesen. Wollen Sie also die Freiheit unseres Eintritts und die Bitte um Ihre Unterstützung bei Aufsuchung von Bruder und Sohn gütig verzeihen.“ Herr A., der also Gebetene, ließ uns in sein Familienzimmer treten, – ich sage uns, denn ich mußte bei den Fremden bleiben, da ich ihnen auf dem Wege meine Begleitung noch weiter zugesagt – und bat um die Namen der Gesuchten.

Als die Herren die Namen genannt, sah ich Herrn A.’s Augen freudig aufleuchten. „Einen Augenblick, nur einen Augenblick erlauben Sie,“ rief er. „Oben wohnen zwei fremde Herren, ebenfalls Rheinländer, ich eile hinauf; vielleicht wissen sie etwas von Ihren Angehörigen.“ Bei diesen Worten war er auch schon zur offenen Zimmerthür hinaus und zur Treppe hinaufgesprungen. Erst nach geraumer Zeit trat er wieder ein und sprach: „Es ist so, wie ich vermuthete; bemühen Sie sich hinauf und hören Sie selbst die Herren.“

Er schritt den Fremden voran und öffnete oben die Stubenthür. Plötzlich hörte ich einen lauten Freudenschrei: „Eduard, Bruder Eduard!“ – „Peter, mein theurer Sohn Peter!“ Eine freudige Ahnung stieg in mir auf; ich konnte meiner tiefen Erregung nicht widerstehen, trat selbst auf die Treppe und sah durch die offenstehende Thür die beiden Fremden – Vater und Bruder – in der zärtlichsten Umarmung zweier Verwundeten: des schmerzlich Vermißten, des Todtgeglaubten.

Im Hintergrunde stand der treue Pfleger, der barmherzige Samariter, und empfing in den Freudenthränen der Wiedervereinigten seinen schönsten Lohn. Wollt Ihr seinen Namen wissen, so fragt nur seine beiden Pfleglinge aus der Krönungsstadt im schönen Rheinlande, die werden seine Opferfreudigkeit, seinen unerschöpflichen Humor nimmer vergessen.