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Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs/Zweytes Buch

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« Erstes Buch Friedrich Schiller
Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs
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Zweytes Buch.


Der Entschluß, welchen Ferdinand jezt faßte, gab dem Krieg eine ganz andre Richtung, einen andern Schauplaz und andre Spiele. Aus einer Rebellion in Böhmen und einem Exekutionszug gegen Rebellen wurde ein Deutscher und bald ein Europäischer Krieg. Jezt also ist es Zeit, einen Blick auf Deutschland und das übrige Europa zu werfen.

So ungleich der Grund und Boden des Deutschen Reichs und die Vorrechte seiner Glieder unter Katholiken und Protestanten vertheilt waren, so durfte jede Parthey nur ihre eigenthümlichen Vortheile nuzen, nur in staatskluger Eintracht zusammen halten, um ihrer Gegenparthey hinlänglich gewachsen zu bleiben. Wenn die katholische die überlegene Zahl für sich hatte, und von der Reichsconstitution mehr begünstigt war, so besaß die protestantische eine zusammenhängende Strecke volkreicher Länder, streitbare Fürsten, einen kriegerischen Adel, zahlreiche Armeen, wohlhabende Reichsstädte, die Herrschaft des Meers, und auf den schlimmsten Fall einen zuverlässigen Anhang in den Ländern katholischer Fürsten. Wenn die katholische Spanien und Italien zu ihrem Beystand bewaffnen konnte, so öffneten die Republicken Venedig, Holland und England der protestantischen ihre Schäze, so fand sie die Staaten des Nordens und die furchtbare Türkische Macht zu schneller Hülfe bereit. Brandenburg, Sachsen und Pfalz sezten den drey geistlichen Stimmen im Churfürstenrathe drey bedeutende protestantische Stimmen entgegen, und für den Churfürsten von Böhmen, wie für den Erzherzog von Oesterreich, war die Kaiserwürde eine Fessel, wenn die protestantischen Reichsstände ihre Wichtigkeit zu benuzen verstanden. Das Schwert der Union konnte das Schwert der Ligue in der Scheide halten, oder doch den Ausschlag des [106] Krieges, wenn es wirklich dazu kam, zweifelhaft machen. Aber Privatverhältnisse zerrissen leider das allgemeine politische Band, welches die protestantischen Reichsglieder zusammenhalten sollte. Der große Zeitpunkt fand nur mittelmäßige Geister auf der Bühne, und unbenuzt blieb das entscheidende Moment, weil es den Muthigen an Macht, den Mächtigen an Einsicht, Muth und Entschlossenheit fehlte.

Das Verdienst seines Ahnherrn Moriz, der Umfang seiner Länder, und das Gewicht seiner Stimme, stellten den Churfürsten von Sachsen an die Spize des protestantischen Deutschlands. Von dem Entschlusse, den dieser Prinz faßte, hing es ab, welche von beyden streitenden Partheyen den Sieg behalten sollte; auch war Johann Georg nicht unempfindlich gegen – die Vortheile, welche ihm dieses wichtige Verhältniß verschaffte. Eine gleichbedeutende Eroberung für den Kaiser und für den protestantischen Bund, vermied er sorgfältig, sich an Einen von beyden ganz zu verschenken, und durch eine unwiderrufliche Erklärung sich entweder der Dankbarkeit des Kaisers anzuvertrauen, oder die Vortheile aufzugeben, welche von der Furcht dieses Fürsten zu gewinnen waren. Unangesteckt von dem Schwindel ritterlicher oder religiöser Begeisterung, welcher einen Souverain nach dem andern dahin riß, Krone und Leben an das Glücksspiel des Kriegs zu wagen, strebte Johann Georg dem solideren Ruhme nach, das Seinige zu Rath zu halten und zu verbessern. Wenn seine Zeitgenossen ihn anklagten, daß er mitten im Sturme die protestantische Sache verlassen; daß er der Vergrößerung seines Hauses die Errettung des Vaterlands nachgesetzt; daß er die ganze evangelische Kirche in Deutschland dem Untergange bloß gestellt habe, um nur für die reformirte den Arm nicht zu erheben; wenn sie ihn anklagten, daß er der gemeinen Sache, als ein unzuverlässiger Freund, nicht viel weniger geschadet habe, als ihre [107] erklärtesten Feinde: so war es die Schuld dieser Fürsten, welche sich Johann Georgs weise Politik nicht zum Muster nahmen. Wenn, dieser weisen Politik ungeachtet, der Sächsische Landmann, wie jeder andre, über die Gräuel der kaiserlichen Durchzüge seufzte; wenn ganz Deutschland Zeuge war, wie Ferdinand seinen Bundsgenossen täuschte, und seiner Versprechungen spottete – wenn Johann Georg dieses endlich selbst zu bemerken glaubte – desto mehr Schande für den Kaiser, der ein so redliches Vertrauen so grausam hinterging!

Wenn übertriebenes Vertrauen auf Oesterreich, und Hoffnung, seine Länder zu vermehren, dem Churfürsten von Sachsen die Hände banden, so hielten Furcht vor Oesterreich, und Angst, seine Länder zu verlieren, den schwachen Georg Wilhelm von Brandenburg in weit schimpflicheren Fesseln. Was man diesen beyden Fürsten zum Vorwurf machte, hätte dem Churfürsten von der Pfalz seinen Ruhm und seine Länder gerettet. Rasches Vertrauen auf ungeprüfte Kräfte, der Einfluß Französischer Rathschläge, und der verführerische Glanz einer Krone hatten diesen unglücklichen Fürsten zu einem Wagestück hingerissen, dem weder sein Genie noch seine politische Verfassung gewachsen war. Durch Zertheilung seiner Lande und die schlechte Harmonie seiner Beherrscher wurde die Macht des Pfälzischen Hauses geschwächt, welche, in einer einzigen Hand versammelt, den Ausschlag des Kriegs noch lange Zeit hätte zweifelhaft machen können.

Eben diese Zerstückelung der Lande entkräftete auch das Fürstenhaus Hessen, und die Verschiedenheit der Religion unterhielt zwischen Darmstadt und Kassel eine verderbliche Trennung. Die Linie Darmstadt, der Augsburgischen Konfession zugethan, hatte sich unter die Flügel des Kaisers geflüchtet, der sie auf Unkosten der reformirten Linie Kassel begünstigte. [108] Während daß seine Religionsverwandten für Glauben und Freyheit ihr Blut versprizten, zog Landgraf Georg von Darmstadt Sold von dem Kaiser. Aber ganz seines Ahnherrn werth, der hundert Jahre früher unternommen hatte, Deutschlands Freyheit gegen den furchtbaren Karl zu vertheidigen, erwählte Wilhelm von Kassel die Parthey der Gefahr und der Ehre. Ueber den Kleinmuth erhaben, der ungleich mächtigere Fürsten unter Ferdinands Allgewalt beugte, war Landgraf Wilhelm der Erste, der seinen Heldenarm freywillig dem Schwedischen Helden brachte, und Deutschlands Fürsten ein Beyspiel gab, mit welchem keiner den Anfang machen wollte. So viel Muth sein Entschluß verrieth, so viel Standhaftigkeit zeigte seine Beharrung, so viel Tapferkeit seine Thaten. Mit kühner Entschlossenheit stellte er sich vor sein blutendes Land, und empfing einen Feind mit Spott, dessen Hände noch von dem Mordbrand zu Magdeburg rauchten.

Landgraf Wilhelm ist es werth, neben dem heldenreichen Stamme der Ernestinen zur Unsterblichkeit zu gehen. Langsam erschien dir der Tag der Rache, unglücklicher Johann Friedrich, edler, unvergeßlicher Fürst. Langsam aber glorreich ging er auf. Deine Zeiten kamen wieder, und auf deine Enkel stieg dein Heldengeist herab. Ein tapfres Geschlecht von Fürsten geht hervor aus Thüringens Wäldern, durch unsterbliche Thaten das Urtheil zu beschämen, das den Churhut von deinem Haupte stieß, durch aufgehäufte blutige Todtenopfer deinen zürnenden Schatten zu versöhnen. Deine Länder konnte der Spruch des Siegers ihnen rauben; aber nicht die patriotische Tugend, wodurch du sie verwirktest, nicht den ritterlichen Muth, der, ein Jahrhundert später, den Thron seines Enkels wanken machen wird. Deine und Deutschlands Rache schliff ihnen gegen Habsburgs Geschlecht einen heiligen Degen, und von einer Heldenthat zur andern erbt sich der unbesiegte [109] Stahl. Als Männer vollführen sie, was sie als Herrscher nicht vermögen, und sterben einen glorreichen Tod – als die tapfersten Soldaten der Freyheit. Zu schwach an Ländern, um mit eignen Heeren ihren Feind anzufallen, richten sie fremde Donner gegen ihn, und führen fremde Fahnen zum Siege.

Deutschlands Freyheit, aufgegeben von den mächtigen Ständen, auf welche doch allein ihre Wohlthat zurück floß, wurde von einer kleinen Anzahl Prinzen vertheidigt, für welche sie kaum einen Werth besaß. Der Besiz von Ländern und Würden ertödtete den Muth, Mangel an beyden machte Helden. Wenn Sachsen, Brandenburg, u. a. m. sich schüchtern zurück zogen, so sah man die Anhalt, die Mansfeld, die Prinzen von Weimar u. a. ihr Blut in mörderischen Schlachten verschwenden. Die Herzöge von Pommern, von Meklenburg, von Lüneburg, von Wirtemberg, die Reichsstädte in Oberdeutschland, denen das Reichsoberhaupt von jeher ein gefürchteter Name war, entzogen sich furchtsam dem Kampf mit dem Kaiser, und beugten sich murrend unter seine zermalmende Hand.

Oesterreich und das katholische Deutschland hatten an dem Herzog Maximilian von Bayern einen eben so mächtigen als staatsklugen und tapfern Beschüzer. Im ganzen Laufe dieses Krieges einem einzigen überlegten Plane getreu, nie ungewiß zwischen seinem Staatsvortheil und seiner Religion, nie Sklave Oesterreichs, das für seine Größe arbeitete und vor seinem rettenden Arme zitterte, hätte Maximilian es verdient, die Würden und Länder, welche ihn belohnten, von einer bessern Hand als der Willkühr zu empfangen. Die übrigen katholischen Stände, größtentheils geistliche Fürsten, zu unkriegerisch, um den Schwärmen zu widerstehen, die der Wohlstand ihrer Länder anlockte, wurden nach einander Opfer [110] des Kriegs, und begnügten sich, im Kabinet und auf ihren Kanzeln einen Feind zu verfolgen, vor welchem sie sich im Felde nicht zu stellen wagten. Alle, entweder Sklaven Oesterreichs oder Bayerns, wichen neben Maximilian in Schatten zurück; erst in den Händen dieses Fürsten wurde ihre versammelte Macht von Bedeutung.

Die furchtbare Monarchie, welche Karl V. und sein Sohn aus den Niederlanden, aus Mailand und beyden Sicilien, aus den weitläuftigen Ost- und Westindischen Ländern unnatürlich zusammen zwangen, neigte sich schon unter Philipp III. und IV. zu ihrem Falle. Von unfruchtbarem Golde zu einer schnellen Größe gebläht, sah man diese Monarchie an einer langsamen Zehrung schwinden, weil ihr die Milch der Staaten, der Feldbau entzogen wurde. Die Westindischen Eroberungen hatten Spanien in Armuth gestürzt, um alle Märkte Europens zu bereichern, und Wechsler zu Antwerpen, Venedig und Genua wucherten längst mit dem Golde, das noch in den Schachten von Peru schlief. Indiens wegen hatte man die Spanischen Länder entvölkert, Indiens Schäze an die Wiedereroberung Hollands, an das schimärische Projekt, die Französische Thronfolge umzustoßen, an einen verunglückten Angriff auf England verschwendet. Aber der Stolz dieses Hofes hatte den Zeitpunkt seiner Größe, der Haß seiner Feinde seine Furchtbarkeit überlebt, und der Schrecken schien noch um die verlassene Höhle des Löwen zu schweben. Das Mißtrauen der Protestanten sich dem Ministerium Philipps III. die gefährliche Staatskunst seines Vaters, und bey den Deutschen Katholiken bestand noch immer das Vertrauen auf Spanische Hülfe, wie der Wunderglaube an die Knochen der Märtyrer. Aeußerliches Gepränge verbarg die Wunden, an denen diese Monarchie sich verblutete, und die Meynung von ihren Kräften blieb, weil sie den hohen Ton ihrer goldnen Tage fortführte. Sklaven [111] zu Hause und Fremdlinge auf ihrem eigenen Thron, gaben die Spanischen Schattenkönige ihren Deutschen Verwandten Geseze, und es ist erlaubt, zu zweifeln, ob der Beystand, den sie leisteten, die schimpfliche Abhängigkeit werth war, womit die Deutschen Kaiser denselben erkaufen mußten. Hinter den Pyrenäen wurde von unwissenden Mönchen und ränkevollen Günstlingen Europens Schicksal gesponnen. Aber auch in ihrem tiefsten Verfalle mußte eine Macht furchtbar bleiben, die den Ersten an Umfang nicht wich, die, wo nicht aus standhafter Politik, doch aus Gewohnheit demselben Staatssystem unverändert getreu blieb, die geübte Armeen und treffliche Generale beherrschte, die, wo der Krieg nicht zureichte, zu dem Dolch der Banditen griff, und ihre öffentlichen Gesandten als Mordbrenner zu gebrauchen wußte. Was sie gegen drey Weltgegenden einbüßte, suchte sie gegen Osten wieder zu gewinnen, und Europa lag in ihrer Schlinge, wenn ihr der lang vorbereitete Anschlag gelang, zwischen den Alpen und dem Adriatischen Meere mit den Erblanden Oesterreichs zusammen zu fließen.

Zu großer Beunruhigung der dortigen Staaten hatte sich diese beschwerliche Macht in Italien eingedrungen, wo ihr fortgesetztes Streben nach Vergrößerung alle benachbarten Souverains für ihre Besitzungen zittern machte. In der gefährlichsten Lage befand sich der Pabst, den die Spanischen Vicekönige zwischen Neapel und Mailand in die Mitte nahmen. Die Republik Venedig sah sich zwischen dem Oesterreichischen Tyrol und dem Spanischen Mailand gepreßt, Savoyen kam zwischen eben diesem Lande und Frankreich ins Gedränge. Daher die wandelbare und zweydeutige Politik, welche seit Karls V. Tagen von den Staaten Italiens beobachtet wurde. Die doppelte Person, welche die Päbste vorstellten, erhielt sie schwankend zwischen zwey ganz widersprechenden Staatssystemen. Wenn der Nachfolger Petri in den Spanischen Prinzen seine folgsamsten Söhne, [112] die standhaftesten Vertheidiger seines Stuhls verehrte, so hatte der Fürst des Kirchenstaats in eben diesen Prinzen seine schlimmsten Nachbarn, seine gefährlichsten Gegner zu fürchten. Wenn dem Erstern keine Angelegenheit näher ging, als die Protestanten vertilgt, und die Oesterreichischen Waffen siegreich zu sehen, so hatte der Letztere Ursache, die Waffen der Protestanten zu segnen, die seinen Nachbar außer Stand sezten, ihm gefährlich zu werden. Das Eine oder das Andre behielt die Oberhand, je nachdem die Päbste mehr um ihre weltliche Macht oder um ihre geistliche Herrschaft bekümmert waren; im Ganzen aber richtete sich die Römische Staatskunst nach der dringenderen Gefahr – und es ist bekannt, wie viel mächtiger die Furcht, ein gegenwärtiges Gut zu verlieren, das Gemüth zu bestimmen pflegt, als die Begierde, ein längst verlornes wieder zu gewinnen. So wird es begreiflich, wie sich der Statthalter Christi mit dem Oesterreichischen Hause zum Untergang der Kezer – und wie sich eben dieser Statthalter Christi mit eben diesen Kezern zum Untergang des Oesterreichischen Hauses verschwören konnte. Bewundernswürdig verflochten ist der Faden der Weltgeschichte! Was möchte wohl aus der Reformation – was aus der Freyheit der Deutschen Fürsten geworden seyn, wenn der Bischof zu Rom und der Fürst zu Rom beständig Ein Interesse gehabt hätten?

Frankreich hatte mit seinem vortrefflichen Heinrich seine ganze Größe und sein ganzes Gewicht auf der politischen Wage Europens verloren. Eine stürmische Minderjährigkeit zernichtete alle Wohlthaten der vorhergehenden kraftvollen Regierung. Unfähige Minister, Geschöpfe der Gunst und Intrigue, zerstreuten in wenigen Jahren die Schäze, welche Süllys Oekonomie und Heinrichs Sparsamkeit aufgehäuft hatten. Kaum vermögend, ihre erschlichene Gewalt gegen innere Faktionen zu behaupten, mußten sie es aufgeben, das große Steuer Europens zu lenken. [113] Der nehmliche Bürgerkrieg, welcher Deutschland gegen Deutschland bewaffnete, brachte auch Frankreich gegen Frankreich in Aufruhr, und Ludwig XIII. tritt seine Volljährigkeit nur an, um seine eigne Mutter und seine protestantischen Unterthanen zu bekriegen. Diese, durch Heinrichs erleuchtete Politik in Fesseln gehalten, greifen jezt, durch die Gelegenheit aufgeweckt, und von einigen unternehmenden Führern ermuntert, zum Gewehr, ziehen sich im Staat zu einem eigenen Staat zusammen, und bestimmen die feste und mächtige Stadt Rochelle zum Mittelpunkt ihres werdenden Reichs. Zu wenig Staatsmann, um durch eine weise Toleranz diesen Bürgerkrieg in der Geburt zu ersticken, und doch viel zu wenig Herr über die Kräfte seines Staats, um ihn mit Nachdruck zu führen, sieht sich Ludwig XIII. bald zu dem erniedrigenden Schritt gebracht, die Unterwerfung der Rebellen durch große Geldsummen zu erkaufen. So sehr ihm auch die Staatsklugheit rathen mochte, die Rebellen in Böhmen gegen Oesterreich zu unterstützen, so unthätig mußte Heinrichs IV. Sohn für jezt noch ihrem Untergange zusehen, glücklich genug, wenn sich die Kalvinisten in seinem Reiche ihrer Glaubensgenossen jenseits des Rheins nicht zur Unzeit erinnerten. Ein großer Geist am Ruder des Staats würde die Protestanten in Frankreich zum Gehorsam gebracht, und ihren Brüdern in Deutschland die Freyheit erfochten haben; aber Heinrich IV. war nicht mehr, und erst Richelieu sollte seine Staatskunst wieder hervor rufen.

Indem Frankreich von der Höhe seines Ruhms wieder herunter sank, vollendete das frey gewordene Holland den Bau seiner Größe. Noch war der begeisterte Muth nicht verraucht, der, von dem Geschlecht der Oranier entzündet, diese kaufmännische Nation in ein Heldenvolk verwandelt, und sie fähig gemacht hatte, ihre Unabhängigkeit in einem mörderischen Kriege gegen das Spanische Haus zu behaupten. Eingedenk, wie viel [114] sie selbst bey ihrer Befreyung fremdem Beystande schuldig wären, brannten diese Republikaner von Begierde, ihren Deutschen Brüdern zu einem ähnlichen Schicksal zu verhelfen, und dieß um so mehr, da beyde gegen den nehmlichen Feind stritten, und Deutschlands Freyheit der Freyheit Hollands zur besten Brustwehre diente. Aber eine Republik, die noch um ihr eigenes Daseyn kämpfte, die mit den bewundernswürdigsten Anstrengungen einem überlegenen Feinde in ihrem eigenen Gebiethe kaum gewachsen blieb, durfte ihre Kräfte der nothwendigen Selbstvertheidigung nicht entziehen, um sie mit großmüthiger Politik für fremde Staaten zu verschwenden.

Auch England, obgleich unterdessen durch Schottland vergrössert, hatte unter seinem schwachen Jakob in Europa das Gewicht nicht mehr, welches ihm der Herrschergeist seiner Elisabeth zu verschaffen gewußt hatte. Ueberzeugt, daß die Wohlfahrt ihrer Insel an der Sicherheit der Protestanten befestigt sey, hatte sich diese staatskluge Königin nie von dem Grundsaz entfernt, jede Unternehmung zu befördern, die auf Verringerung der Oesterreichischen Macht abzielte. Ihrem Nachfolger fehlte es sowohl an Geist, diesen Grundsaz zu fassen, als an Macht, ihn in Ausübung zu bringen. Wenn die sparsame Elisabeth ihre Schäze nicht schonte, um den Niederlanden gegen Spanien, Heinrich dem Vierten gegen die Wuth der Ligue beyzuspringen, so überließ Jakob – Tochter, Enkel und Eidam der Willkühr eines unversöhnlichen Siegers. Während daß dieser König seine Gelehrsamkeit erschöpfte, um den Ursprung der königlichen Majestät im Himmel aufzusuchen, ließ er die seinige auf Erden verfallen. Indem er seine Beredsamkeit anstrengte, um das unumschränkte Recht der Könige zu erweisen, erinnerte er die Englische Nation an das ihrige, und verscherzte durch eine unnütze Geldverschwendung sein wichtigstes Regal, das Parlament zu entbehren, und der Freyheit ihre Stimme [115] zu nehmen. Ein angebornes Grauen vor jeder blossen Klinge schreckte ihn auch von dem gerechtesten Kriege zurück; sein Liebling Buckingham spielte mit seinen Schwächen, und seine selbstgefällige Eitelkeit machte es der Spanischen Arglist leicht, ihn zu betrügen. Während daß man seinen Eidam in Deutschland zu Grunde richtete, und das Erbtheil seiner Enkel an andre verschenkte, zog dieser blödsinnige Alte mit glückseligem Wohlgefallen den Weihrauch ein, den ihm Oesterreich und Spanien streuten. Um seine Aufmerksamkeit von dem Deutschen Kriege abzulenken, zeigte man ihm eine Schwiegertochter in Madrid, und der spaßhafte Vater rüstete seinen abenteuerlichen Sohn selbst zu dem Gaukelspiel aus, mit welchem dieser seine Spanische Braut überraschte. Die Spanische Braut verschwand seinem Sohne, wie die Böhmische Krone und der Pfälzische Churhut seinem Eidam, und nur der Tod entriß ihn der Gefahr, seine friedfertige Regierung mit einem Kriege zu beschließen, bloß weil er den Muth nicht gehabt hatte, ihn von weitem zu zeigen.

Die bürgerlichen Stürme, durch sein ungeschicktes Regiment vorbereitet, erwachten unter seinem unglücklichen Sohn, und nöthigten diesen bald nach einigen unerheblichen Versuchen, jedem Antheil an dem Deutschen Kriege zu entsagen, um die Wuth der Faktionen in seinem eigenen Reiche zu löschen, von denen er endlich ein beklagenswerthes Opfer ward.

Zwey verdienstvolle Könige, an persönlichem Ruhm einander zwar bey weitem nicht gleich, aber gleich an Macht und an Ruhmbegierde, sezten damals den Europäischen Norden in Achtung. Unter der langen und thätigen Regierung Christians IV. wuchs Dänemark zu einer bedeutenden Macht empor. Die persönlichen Eigenschalten dieses Fürsten, eine vortreffliche Marine, auserlesene Truppen, wohl bestellte Finanzen und staatskluge Bündnisse vereinigten sich, diesem Staate [116] einen blühenden Wohlstand von innen, und Ansehen von außen zu verschaffen. Schweden hatte Gustav Wasa aus der Knechtschaft gerissen, durch eine weise Gesetzgebung umgestaltet, und den neugeschaffenen Staat zuerst an den Tag der Weltgeschichte hervor gezogen. Was dieser große Prinz nur im rohen Grundrisse andeutete, wurde durch seinen größern Enkel Gustav Adolph vollendet.

Beyde Reiche, vormals in eine einzige Monarchie unnatürlich zusammen gezwungen, und kraftlos in dieser Vereinigung, hatten sich zu den Zeiten der Reformation gewaltsam von einander getrennt, und diese Trennung war die Epoche ihres Gedeihens. So schädlich sich jene gezwungene Vereinigung für beyde Reiche erwiesen, so nothwendig war den getrennten Staaten nachbarliche Freundschaft und Harmonie. Auf beyde stüzte sich die evangelische Kirche, beyde hatten dieselben Meere zu bewachen; Ein Interesse hätte sie gegen denselben Feind vereinigen sollen. Aber der Haß, welcher die Verbindung beyder Monarchien aufgelöst hatte, fuhr fort, die längst getrennten Nationen feindselig zu entzweyen. Noch immer konnten die Dänischen Könige ihren Ansprüchen auf das Schwedische Reich nicht entsagen, Schweden das Andenken der vormaligen Dänischen Tyranney nicht verbannen. Die zusammen fließenden Grenzen beyder Reiche bothen der Nationalfeindschaft einen ewigen Zunder dar, die wachsame Eifersucht beyder Könige und unvermeidliche Handelscollisionen in den Nordischen Meeren ließen die Quelle des Streits nie versiegen.

Unter den Hülfsmitteln, wodurch Gustav Wasa, der Stifter des Schwedischen Reichs, seiner neuen Schöpfung Festigkeit zu geben gesucht hatte, war die Kirchenreformation eins der wirksamsten gewesen. Ein Reichsgrundgesez schloß die Anhänger des Pabstthums von allen Staatsämtern aus, und verboth jedem künftigen [117] Beherrscher Schwedens, den Religionszustand des Reichs abzuändern. Aber schon Gustavs zweyter Sohn und zweyter Nachfolger, Johann, trat zu dem Pabstthum zurück, und dessen Sohn, Sigismund, zugleich König von Pohlen, erlaubte sich Schritte, welche zum Untergang der Verfassung und der herrschenden Kirche abzielten. Karln, Herzog von Südermanland, Gustavs dritten Sohn an ihrer Spize, thaten die Stände einen herzhaften Widerstand, woraus zulezt ein offenbarer Bürgerkrieg zwischen dem Oheim und Neffen, zwischen dem König und der Nation sich entzündete. Herzog Karl, während der Abwesenheit des Königs Verweser des Reichs, benuzte Sigismunds lange Residenz in Pohlen und den gerechten Unwillen der Stände, die Nation sich aufs engste zu verbinden, und seinem eigenen Hause unvermerkt den Weg zum Throne zu bahnen. Die schlechten Maßregeln Sigismunds beförderten seine Absicht nicht wenig. Eine allgemeine Reichsversammlung erlaubte sich, zum Vortheil des Reichsverwesers, von dem Recht der Erstgeburt abzuweichen, welches Gustav Wasa in der Schwedischen Thronfolge eingeführt hatte, und sezte den Herzog von Südermanland auf den Thron, von welchem Sigismund mit seiner ganzen Nachkommenschaft feyerlich ausgeschlossen wurde. Der Sohn des neuen Königs, der unter dem Namen Karls IX regierte, war Gustav Adolph, dem aus eben diesem Grunde die Anhänger Sigismunds, als dem Sohn eines Thronräubers, die Anerkennung versagten. Aber wenn die Verbindlichkeit zwischen König und Volk gegenseitig ist, wenn sich Staaten nicht wie eine todte Waare von einer Hand zur andern forterben, so muß es einer ganzen, einstimmig handelnden Nation erlaubt seyn, einem eidbrüchigen Beherrscher ihre Pflicht aufzukündigen, und seinen Plaz durch einen Würdigern zu besezen.

Gustav Adolph hatte das siebzehnte Jahr noch nicht vollendet, als der Schwedische Thron durch den [118] Tod seines Vaters erledigt wurde; aber die frühe Reife seines Geistes vermochte die Stände, den gesezmäßigen Termin der Minderjährigkeit zu seinem Vortheil zu verkürzen. Mit einem glorreichen Siege über sich selbst eröffnete er eine Regierung, die den Sieg zum beständigen Begleiter haben und siegend endigen sollte. Die junge Gräfin von Brahe, eine Tochter seines Unterthans, hatte die Erstlinge seines großen Herzens, und sein Entschluß war aufrichtig, den Schwedischen Thron mit ihr zu theilen. Aber von Zeit und Umständen bezwungen, unterwarf sich seine Neigung der höhern Regentenpflicht, und die Heldentugend gewann wieder ausschließend ein Herz, das nicht bestimmt war, sich in das stille Glück eines einzigen Geschöpfs einzuschließen.

Christian IV. von Dänemark, König schon, ehe Gustav das Licht der Welt erblickte, hatte die Schwedischen Grenzen angefallen, und über den Vater dieses Helden wichtige Vortheile errungen. Gustav Adolph eilte, diesen verderblichen Krieg zu endigen, und erkaufte durch weise Aufopferungen den Frieden, um seine Waffen gegen den Czar von Moskau zu kehren. Nie versuchte ihn der zweydeutige Ruhm eines Eroberers, das Blut seiner Völker in ungerechten Kriegen zu versprizen; aber ein gerechter wurde nie von ihm verschmäht. Seine Waffen waren glücklich gegen Rußland, und das Schwedische Reich sah sich mit wichtigen Provinzen gegen Osten vergrößert.

Unterdessen sezte König Sigismund von Polen gegen den Sohn die feindseligen Gesinnungen fort, wozu der Vater ihn berechtigt hatte, und ließ keinen Kunstgriff unversucht, die Unterthanen Gustav Adolphs in ihrer Treue wankend, seine Freunde kaltsinnig, seine Feinde unversöhnlich zu machen. Weder die großen Eigenschaften seines Gegners, noch die gehäuftesten Merkmale von Ergebenheit, welche Schweden seinem angebeteten König gab, konnten diesen betrogenen Fürsten von [119] der thörichten Hoffnung heilen, den verlornen Thron wieder zu besteigen. Alle Friedensvorschläge Gustavs wurden mit Uebermuth verschmäht. Unwillkührlich sah sich dieser friedliebende Held in einen langwierigen Krieg mit Pohlen verwickelt, in welchem nach und nach ganz Liefland und Pohlnisch Preußen der Schwedischen Herrschaft unterworfen wurden. Immer Sieger war Gustav Adolph, immer der erste bereit, die Hand zum Frieden zu biethen.

Dieser Schwedischpohlnische Krieg fällt in den Anfang des dreyßigjährigen in Deutschland, mit welchem er in Verbindung steht. Es war genug, daß König Sigismund, ein Katholik, die Schwedische Krone einem protestantischen Prinzen streitig machte, um sich der thätigsten Freundschaft Spaniens und Oesterreichs versichert halten zu können; eine doppelte Verwandtschaft mit dem Kaiser gab ihm noch ein näheres Recht an seinen Schuz. Das Vertrauen auf eine so mächtige Stüze war es auch vorzüglich, was den König von Pohlen zur Fortsetzung eines Krieges aufmunterte, der sich so sehr zu seinem Nachtheil erklärte; und die Höfe zu Madrid und Wien unterließen nicht, ihn durch prahlerische Versprechungen bey gutem Muthe zu erhalten. Indem Sigismund in Liefland, Kurland und Preußen einen Plaz nach dem andern verlor, sah er seinen Bundsgenossen in Deutschland zu der nehmlichen Zeit von Sieg zu Sieg der unumschränkten Herrschaft entgegen eilen – kein Wunder, wenn seine Abneigung gegen den Frieden in gleichem Verhältniß mit seinen Niederlagen stieg. Die Heftigkeit, mit der er seine schimärische Hoffnung verfolgte, verblendete ihm die Augen gegen die arglistige Politik seines Bundsgenossen, der auf seine Unkosten nur den Schwedischen Helden beschäftigte, um desto ungestörter die Freyheit des Deutschen Reichs umzustürzen, und alsdann den erschöpften Norden als eine leichte Eroberung an sich zu reissen. Ein Umstand, auf den man allein nicht gerechnet [120] hatte – Gustavs Heldengröße, zerriß das Gewebe dieser betrügerischen Staatskunst. Dieser achtjährige Pohlnische Krieg, weit entfernt, die Schwedische Macht zu erschöpfen, hatte bloß dazu gedient, das Feldherrngenie Gustav Adolphs zu zeitigen, in einer langen Fechtübung die Schwedischen Heere zu stählen, und unvermerkt die neue Kriegskunst in Gang zu bringen, durch welche sie nachher auf Deutschem Boden Wunder thun sollten.

Nach dieser nothwendigen Digreßion über den damaligen Zustand der Europäischen Staaten sey mir erlaubt, den Faden der Geschichte wieder aufzunehmen.

Seine Staaten hatte Ferdinand wieder, aber noch nicht den Aufwand, den ihre Wiedereroberung ihm gekostet hatte. Eine Summe von 40 Millionen Gulden, welche die Konfiskationen in Böhmen und Mähren in seine Hände brachten, würde hinreichend gewesen seyn, ihm und seinen Alliirten alle Unkosten zu vergüten; aber diese unermeßliche Summe war bald in den Händen der Jesuiten und seiner Günstlinge zerronnen. Herzog Maximilian von Bayern, dessen siegreichem Arme der Kaiser fast allein den Besiz seiner Staaten verdankte, der, um seiner Religion und seinem Kaiser zu dienen, einen nahen Verwandten aufgeopfert hatte, Maximilian hatte die gegründetsten Ansprüche auf seine Dankbarkeit und in einem Vertrage, den der Herzog noch vor dem Ausbruch des Kriegs mit dem Kaiser schloß, hatte er sich ausdrücklich den Ersatz aller Unkosten ausbedungen. Ferdinand fühlte die ganze Verbindlichkeit, welche dieser Vertrag und jene Dienste ihm auflegten, aber er hatte nicht Lust, sie mit eignem Verlust zu erfüllen. Seine Absicht war, den Herzog auf das glänzendste zu belohnen, aber ohne sich selbst zu berauben. Wie konnte dieses besser geschehen, als auf Unkosten desjenigen Fürsten, gegen welchen ihm der [121] Krieg dieses Recht zu geben schien, dessen Vergehungen schwer genug abgeschildert werden konnten, um jede Gewaltthätigkeit durch den Namen einer gesezmäßigen Züchtigung zu entschuldigen? Friedrich mußte also weiter verfolgt, Friedrich zu Grunde gerichtet werden, damit Maximilian belohnt werden könnte, und ein neuer Krieg ward eröffnet, um den alten zu bezahlen.

Aber ein ungleich wichtigerer Beweggrund kam hinzu, das Gewicht dieses erstern zu verstärken. Bis hieher hatte Ferdinand bloß für seine Existenz gefochten, und keine andre Pflichten, als die der Selbstvertheidigung erfüllt. Jezt aber, da der Sieg ihm Freyheit zu handeln gab, gedachte er seiner vermeintlichen höheren Pflichten, und erinnerte sich an das Gelübde, das er zu Loretto und Rom seiner Generalissima, der heiligen Jungfrau, gethan, mit Gefahr seiner Kronen und seines Lebens ihre Verehrung auszubreiten. Die Unterdrückung der Protestanten war mit diesem Gelübde unzertrennlich verknüpft. Günstigere Umstände konnten sich zu Erfüllung desselben nicht vereinigen, als sich jezt nach Endigung des Böhmischen Kriegs beysammen fanden. Die Pfälzischen Lande in katholische Hände zu bringen, fehlte es ihm weder an Macht noch an einem Schein des Rechts, und unübersehlich wichtig waren die Folgen dieser Veränderung für das ganze katholische Deutschland. Indem er den Herzog von Bayern mit dem Raube seines Verwandten belohnte, befriedigte er zugleich seine niedrigsten Begierden, und erfüllte seine erhabenste Pflicht: er zermalmte einen Feind, den er haßte; er ersparte seinem Eigennuz ein schmerzhaftes Opfer, indem er sich die himmlische Krone verdiente.

Friedrichs Untergang war längst im Kabinet des Kaisers beschlossen, ehe das Schicksal sich gegen ihn erklärte; aber erst, nachdem dieses lezte geschehen war, wagte man es, diesen Donner der willkührlichen [122] Gewalt gegen ihn zu schleudern. Ein Schluß des Kaisers, dem alle Formalitäten fehlten, welche die Reichsgeseze in einem solchen Falle nothwendig machen, erklärte den Churfürsten und drey andre Prinzen, welche in Schlesien und Böhmen für ihn die Waffen geführt hatten, als Beleidiger der kaiserlichen Majestät und Störer des Landfriedens, in die Reichsacht und aller ihrer Würden und Länder verlustig. Die Vollstreckung dieser Sentenz gegen Friedrich, nehmlich die Eroberung seiner Länder, wurde, mit einer ähnlichen Verspottung der Reichsgeseze, der Krone Spanien, als Besizerin des Burgundischen Kreises, dem Herzog von Bayern und der Ligue aufgetragen. Wäre die evangelische Union des Namens werth gewesen, den sie trug, und der Sache, die sie vertheidigte, so würde man bey Vollstreckung der Reichsacht unüberwindliche Hindernisse gefunden haben; aber eine so verächtliche Macht, die den Spanischen Truppen in der Unterpfalz kaum gewachsen war, mußte es aufgeben, gegen die vereinigte Macht des Kaisers, Bayerns und der Ligue zu streiten. Das Urtheil der Reichsacht, welche über den Churfürsten ausgesprochen war, scheuchte sogleich alle Reichsstädte von dem Bündniß hinweg, und die Fürsten folgten bald ihrem Beyspiele. Glücklich genug, ihre eigene Länder zu retten, überliessen sie den Churfürsten, ihr ehmaliges Oberhaupt, der Willkühr des Kaisers, schwuren die Union ab, und gelobten, sie nie wieder zu erneuern.

Unrühmlich hatten die Deutschen Fürsten den unglücklichen Friedrich verlassen, Böhmen, Schlesien und Mähren der furchtbaren Macht des Kaisers gehuldigt; ein einziger Mann, ein Glücksritter, dessen ganzer Reichthum sein Degen war, Ernst Graf von Mansfeld, wagte es, in der Böhmischen Stadt Pilsen der ganzen Macht des Kaisers zu trozen. Von dem Churfürsten, dem er seine Dienste gewidmet hatte, nach der Prager Schlacht ohne alle Hülfe [123] gelassen, unwissend sogar, ob ihm Friedrich seine Beharrlichkeit dankte, hielt er noch eine Zeit lang allein gegen die Kaiserlichen Stand, bis seine Truppen, von der Geldnoth getrieben, die Stadt Pilsen an den Kaiser verkauften; von diesem Schlage nicht erschüttert, sah man ihn bald darauf in der Oberpfalz neue Werbepläze anlegen, um die Truppen aufzufangen, welche die Union verabschiedet hatte. Ein neues, zwanzig tausend Mann starkes Heer entstand in kurzem unter seinen Fahnen, um so furchtbarer für alle Provinzen, auf die es sich warf, weil es durch Raub allein sich erhalten konnte. Unwissend, wohin dieser Schwarm stürzen würde, zitterten schon alle benachbarten Bißthümer, deren Reichthum ihn anlocken konnte. Aber ins Gedränge gebracht von dem Herzog von Bayern, der als Vollstrecker der Reichsacht in die Oberpfalz eindrang, mußte Mansfeld aus dieser Gegend entweichen. Durch einen glücklichen Betrug dem nacheilenden Bayrischen General Tilly entsprungen, erschien er auf einmal in der Unterpfalz, und übte dort an den Rheinischen Bißthümern die Mißhandlungen aus, die er den Fränkischen zugedacht hatte. Während daß die kaiserlichbayrische Armee Böhmen überschwemmte, war der Spanische General Ambros Spinola von den Niederlanden aus mit einem ansehnlichen Heer in die Unterpfalz eingefallen, welche der Ulmer Vergleich der Union zu vertheidigen erlaubte. Aber die Maßregeln waren so schlecht genommen, daß ein Platz nach dem andern in Spanische Hände fiel, und endlich, als die Union aus einander gegangen war, der größte Theil des Landes von Spanischen Truppen besezt blieb. Der Spanische General Corduba, welcher diese Truppen nach dem Abzug des Spinola befehligte, hob eiligst die Belagerung Frankenthals auf, als Mansfeld in die Unterpfalz eintrat. Aber anstatt die Spanier aus dieser Provinz zu vertreiben, eilte dieser über den Rhein, um seinen bedürftigen Truppen in dem Elsaß ein Fest zu bereiten. Zur [124] fürchterlichsten Einöde wurden alle offnen Länder, über welche sich dieser Räuberschwarm ergoß, und nur durch ungeheure Summen konnten sich die Städte von der Plünderung los kaufen. Gestärkt von diesem Zuge, zeigte sich Mansfeld wieder am Rhein, die Unterpfalz zu decken.

So lange ein solcher Arm für ihn stritt, war Churfürst Friedrich nicht unrettbar verloren. Neue Aussichten fingen an sich ihm zu zeigen, und das Unglück weckte ihm Freunde auf, die ihm in seinem Glücke geschwiegen hatten. König Jakob von England, der gleichgültig zugesehen hatte, wie sein Eidam die Böhmische Krone verlor, erwachte aus seiner Fühllosigkeit, da es die ganze Existenz seiner Tochter und seiner Enkel galt, und der siegreiche Feind einen Angriff auf die Churlande wagte. Spät genug öffnete er jezt seine Schäze, und eilte, die Union, die damals die Unterpfalz noch vertheidigte, und, als diese dahin war, den Grafen von Mansfeld mit Geld und Truppen zu unterstüzen. Durch ihn wurde auch sein naher Anverwandter, König Christian von Dänemark, zu thätiger Hülfe aufgefodert. Der ablaufende Stillstand zwischen Spanien und Holland beraubte zugleich den Kaiser alles Beystandes, den er von den Niederlanden aus zu erwarten gehabt hätte. Wichtiger als alles dieses war die Hülfe, die dem Pfalzgrafen von Siebenbürgen und Ungarn aus erschien. Der Stillstand Gabors mit dem Kaiser war kaum zu Ende, als dieser furchtbare alte Feind Oesterreichs Ungarn aufs neue überschwemmte, und sich in Preßburg zum König krönen ließ. Reissend schnell waren seine Fortschritte, daß Boucquoi Böhmen verlassen mußte, um Ungarn und Oesterreich gegen Gaborn zu vertheidigen. Dieser tapfere General fand bey der Belagerung von Neuhäusel seinen Tod; schon vorher war der eben so tapfere Dampierre vor Preßburg geblieben. Unaufgehalten drang Gabor an die Oesterreichische [125] Gränze vor; der alte Graf von Thurn und mehrere geächtete Böhmen hatten ihren Haß und ihren Arm mit diesem Feind ihres Feindes vereinigt. Ein nachdrücklicher Angriff von Deutscher Seite, während daß Gabor den Kaiser von Ungarn aus bedrängte, hätte Friedrichs Glück schnell wieder herstellen können; aber immer hatten die Böhmen und die Deutschen die Waffen aus den Händen gelegt, wenn Gabor ins Feld rückte, immer hatte sich dieser leztere erschöpft, wenn jene anfingen sich zu erholen.

Friedrich hatte indessen nicht gesäumt, sich seinem neuen Beschüzer Mansfeld in die Arme zu werfen. Verkleidet erschien er in der Unterpfalz, um welche Mansfeld und der Bayrische General Tilly sich rissen; die Oberpfalz hatte man längst überwältigt. Ein Stral von Hoffnung ging ihm auf, als aus den Trümmern der Union neue Freunde für ihn erstanden. Markgraf Georg Friedrich von Baden, ein ehemaliges Mitglied derselben, fing seit einiger Zeit an, eine Kriegsmacht zusammen zu ziehen, welche sich bald zu einem ansehnlichen Heere vermehrte. Niemand wußte, wem es galt, als er unversehends ins Feld rückte, und sich mit dem Grafen Mansfeld vereinigte. Seine Markgrafschaft hatte er, ehe er in den Krieg zog, seinem Sohn abgetreten, um sie durch diesen Kunstgriff der Rache des Kaisers zu entziehen, wenn das Glück etwas menschliches über ihn verhängen sollte. Auch der benachbarte Herzog von Wirtemberg fing an, seine Kriegsmacht zu verstärken. Dem Pfalzgrafen wuchs dadurch der Muth, und er arbeitete mit allem Ernste daran, die Union wieder ins Leben zu rufen. Jezt war die Reihe an Tilly, auf seine Sicherheit zu denken. In größter Eile zog er die Truppen des Spanischen Generals Corduba an sich. Aber indem der Feind seine Macht vereinigte, trennten sich Mansfeld und der Markgraf von Baden, und der leztere wurde von dem Bayrischen General bey Wimpfen geschlagen (1622).

[126] Ein Aventurier ohne Geld, dem man selbst die rechtmäßige Geburt streitig machte, hatte sich zum Vertheidiger eines Königs aufgestellt, den einer seiner nächsten Verwandten zu Grunde richtete, und der Vater seiner Gemahlin im Stich ließ. Ein regierender Prinz begab sich seiner Länder, die er ruhig beherrschte, um für einen andern, der ihm fremd war, das ungewisse Glück des Kriegs zu versuchen. Ein neuer Glücksritter, an Staaten arm, desto reicher an glorreichen Ahnen, übernimmt nach ihm die Vertheidigung einer Sache, welche er auszuführen verzweifelte. Herzog Christian von Braunschweig, Administrator von Halberstadt, glaubte dem Grafen von Mansfeld das Geheimniß abgelernt zu haben, eine Armee von zwanzig tausend Mann ohne Geld auf den Beinen zu erhalten. Von jugendlichem Uebermuth getrieben, und voll Begierde, sich auf Kosten der katholischen Geistlichkeit, die er ritterlich haßte, einen Namen zu machen, und Beute zu erwerben, versammelte er in Niedersachsen ein beträchtliches Heer, welchem die Vertheidigung Friedrichs und der Deutschen Freyheit den Namen leihen mußte. Gottes Freund und der Pfaffen Feind war der Wahlspruch, den er auf seinen Münzen von eingeschmolzenem Kirchensilber führte, und dem er durch seine Thaten keine Schande machte.

Der Weg, den diese Räuberbande nahm, war wie gewöhnlich mit der schrecklichsten Verheerung bezeichnet. Durch Plünderung der Niedersächsischen und Westphälischen Stifter sammelte sie Kräfte, die Bißthümer am Oberrhein zu plündern. Von Freund und Feind dort vertrieben, näherte sich der Administrator bey der Maynzischen Stadt Höchst dem Maynstrome, den er nach einem mörderischen Gefechte mit Tilly, der ihm den Uebergang streitig machen wollte, passirte. Mit Verlust seines halben Heers erreichte er das jenseitige Ufer, wo er den Ueberrest seiner Truppen schnell wieder sammelte, und mit demselben zu [127] dem Grafen von Mansfeld stieß. Verfolgt von Tilly, stürzte sich dieser vereinigte Schwarm zum zweytenmal über das Elsaß, um die Verwüstungen nachzuholen, die bey dem ersten Einfall unterblieben waren. Während daß der Churfürst Friedrich, nicht viel anders als ein flüchtiger Bettler, mit dem Heere herumzog, das ihn als seinen Herrn erkannte, und mit seinem Namen sich schmückte, waren seine Freunde geschäftig, ihn mit dem Kaiser zu versöhnen. Ferdinand wollte diesen noch nicht alle Hoffnung benehmen, den Pfalzgrafen wieder eingesetzt zu sehen. Voll Arglist und Verstellung, zeigte er sich bereitwillig zu Unterhandlungen, wodurch er ihren Eifer im Felde zu erkälten, und das Aeusserste zu verhindern hoffte. König Jakob, das Spiel der Oesterreichischen Arglist, wie immer, trug durch seine thörichte Geschäftigkeit nicht wenig dazu bey, die Maßregeln des Kaisers zu unterstüzen. Vor allem verlangte Ferdinand, daß Friedrich die Waffen von sich legte, wenn er an die Gnade des Kaisers appellire; und Jakob fand diese Foderung äusserst billig. Auf sein Geheiß ertheilte der Pfalzgraf seinen einzigen wahren Beschüzern, dem Grafen von Mansfeld und dem Administrator den Abschied, und erwartete in Holland sein Schicksal – von der Barmherzigkeit des Kaisers.

Mansfeld und Herzog Christian waren bloß eines neuen Namens wegen verlegen; die Sache des Pfalzgrafen hatte sie nicht in Rüstung gesezt, also konnte sein Abschied sie nicht entwaffnen. Der Krieg war ihr Zweck, gleich viel für wessen Sache sie kriegten. Nach einem vergeblichen Versuch des Grafen Mansfeld, in die Dienste des Kaisers zu treten, zogen sich beyde nach Lothringen, wo die Ausschweifungen ihrer Truppen bis in das innerste Frankreich Schrecken verbreiteten. Eine Zeit lang harrten sie hier vergebens auf einen Herrn, der sie dingen sollte, als die Holländer, von dem Spanischen General Spinola bedrängt, ihnen Dienste anboten. Nach einem mörderischen Gefechte bey [128] Fleurüs mit den Spaniern, die ihnen den Weg verlegen wollten, erreichten sie Holland, wo ihre Erscheinung den Spanischen General sogleich vermochte, die Belagerung von Bergen op Zoom aufzuheben. Aber auch Holland war dieser schlimmen Gäste bald müde, und benuzte den ersten Augenblick von Erholung, sich ihres gefährlichen Beystandes zu entledigen. Mansfeld ließ seine Truppen in der fetten Provinz Ostfriesland zu neuen Thaten sich stärken. Herzog Christian, voll Leidenschaft für die Pfalzgräfin, die er in Holland hatte kennen lernen, und kriegslustiger als je, führte die seinigen nach Niedersachsen zurück, den Handschuh dieser Prinzessin auf seinem Hut, und die Devise: Alles für Gott und sie! auf seinen Fahnen. Beyde hatten ihre Rolle in diesem Kriege noch lange nicht geendigt.

Alle kaiserlichen Staaten waren jetzt endlich von Feinden gereinigt, die Union aufgelöst, der Markgraf von Baden, Mansfeld, und Herzog Christian aus dem Felde geschlagen, und die Pfälzischen Lande von den Truppen der Reichsexekution überschwemmt. Manheim und Heidelberg hatten die Bayern im Besize, und bald wurde auch Frankenthal den Spaniern geräumt. In einem Winkel von Holland harrte der Pfalzgraf auf die schimpfliche Erlaubniß, durch einen Fußfall den Zorn des Kaisers versöhnen zu dürfen; und ein sogenannter Churfürstentag zu Regensburg sollte endlich sein Schicksal bestimmen. Längst war dieses am Hofe des Kaisers entschieden; aber jezt erst waren die Umstände günstig genug, mit dieser ganzen Entscheidung an das Licht hervor zu treten. Nach allem dem, was bis jezt von dem Kaiser gegen den Churfürsten geschehen war, glaubte Ferdinand keine aufrichtige Versöhnung mehr hoffen zu können. Nur indem man die Gewaltthätigkeit vollendete, glaubte man sie unschädlich zu machen. Verloren mußte also bleiben was verloren war; Friedrich durfte seine Länder nicht wieder sehen, und ein Fürst ohne Land und Volk [129] konnte den Churhut nicht mehr tragen. So schwer sich der Pfalzgraf gegen das Haus Oesterreich verschuldet hatte, so ein herrliches Verdienst hatte sich der Herzog von Bayern um dasselbe erworben. So viel das Haus Oesterreich und die katholische Kirche von der Rachbegierde und dem Religionshaß des Pfälzischen Hauses zu fürchten haben mochten, so viel hatten beyde von der Dankbarkeit und dem Religionseifer des Bayrischen zu hoffen. Endlich wurde, durch Uebertragung der Pfälzischen Churwürde an Bayern, der katholischen Religion das entschiedenste Uebergewicht im Churfürstenrathe, und ein bleibender Sieg in Deutschland versichert.

Dieses lezte war genug, die drey geistlichen Churfürsten dieser Neuerung günstig zu machen; unter den protestantischen war nur die einzige Stimme Chursachsens wichtig. Konnte aber Johann Georg dem Kaiser ein Recht streitig machen, ohne welches er sein eignes an dem Churhut dem Zweifel aussezte? Einem Fürsten zwar, den seine Abkunft, seine Würde und seine Macht an die Spize der protestantischen Kirche in Deutschland stellten, hätte, wie es schien, nichts heiliger seyn sollen, als die Rechte dieser Kirche gegen alle Angriffe der katholischen zu behaupten; aber die Frage war jezt nicht sowohl, wie man das Interesse der protestantischen Religion gegen die Katholiken wahrnehmen, sondern welcher von zwey gleich gehaßten Religionen, der kalvinischen oder der päbstlichen, man den Sieg über die andre gönnen, welchem von zwey gleich schlimmen Feinden man die Pfälzische Chur zusprechen sollte; und im Gedränge zwischen zwey entgegen gesezten Pflichten war es ja wohl natürlich – dem Privathaß und dem Privatnuzen den Ausschlag heimzustellen. Der geborne Beschüzer der Deutschen Freyheit und der protestantischen Religion ermunterte den Kaiser, über die Pfälzische Chur nach kaiserlicher Machtvollkommenheit zu verfügen, und sich im geringsten nicht irren zu lassen, [130] wenn man von Seiten Chursachsens, der Form wegen, sich seinen Maßregeln entgegen sezen sollte. Wenn Johann Georg in der Folge mit seiner Einwilligung zurück hielt, so hatte Ferdinand selbst durch Vertreibung der evangelischen Prediger aus Böhmen zu dieser Sinnesänderung Anlaß gegeben – und die Belehnung Bayerns mit der Pfälzischen Chur hörte auf eine gesezwidrige Handlung zu seyn, sobald der Kaiser sich dazu verstand, dem Churfürsten von Sachsen für eine Rechnung von sechs Millionen Thaler Kriegskosten die Lausiz einzuräumen.

Ferdinand belehnte also, mit Widerspruch des ganzen protestantischen Deutschlands, mit Verspottung der Reichsgrundgeseze, die er in der Wahlkapitulation beschworen, den Herzog von Bayern zu Regensburg feyerlich mit der Pfälzischen Chur, doch, wie es hieß, unbeschadet der Ansprüche, welche die Agnaten und Nachkommen Friedrichs darauf geltend machen möchten. Dieser unglückliche Fürst sahe sich jezt unwiderruflich aus dem Besiz seiner Staaten vertrieben, ohne vor dem Gerichte, das ihn verdammte, zuvor gehört worden zu seyn – eine Gerechtigkeit, welche die Geseze auch dem geringsten Unterthan, auch dem schwärzesten Verbrecher vergönnen.

Dieser gewaltsame Schritt öffnete endlich dem König von England die Augen, und da um eben diese Zeit die Unterhandlungen zerrissen wurden, welche wegen einer Heirath seines Sohnes mit einer Spanischen Tochter angesponnen waren, so nahm endlich Jakob mit Lebhaftigkeit die Parthey seines Eidams. Eine Revolution im Französischen Ministerium hatte den Kardinal Richelieu zum Herrn der Geschäfte gemacht, und dieses tief gesunkene Königreich fing bald an zu fühlen, daß ein Mann an seinem Ruder saß. Die Bewegungen des Spanischen Statthalters in Mailand, sich des Veltlins zu bemächtigen, um von hier aus einen Vereinigungspunkt mit den Erbstaaten [131] Oesterreichs zu finden, erweckten wieder die alte Furcht vor dieser Macht, und mit ihr die alte Staatsmaximen Heinrichs des Großen. Eine Heirath des Prinzen von Wallis mit Henrietten von Frankreich, stiftete zwischen diesen beyden Kronen eine engere Vereinigung, zu welcher auch Holland, Dänemark und einige Staaten Italiens traten. Der Entwurf wurde gemacht, Spanien mit gewaffneter Hand zur Herausgabe des Veltlins, und Oesterreich zu Wiederherstellung Friedrichs zu zwingen; aber nur für das erste wurde einige Thätigkeit gezeigt. Jakob I. starb, und Karl I. im Streit mit seinem Parlamente, konnte den Angelegenheiten Deutschlands keine Aufmerksamkeit mehr schenken. Savoyen und Venedig hielten ihren Beystand zurück, und der Französische Minister glaubte die Hugenotten in seinem Vaterlande erst unterworfen haben zu müssen, ehe er es wagen dürfte, die Protestanten in Deutschland gegen den Kaiser zu beschüzen. So große Hoffnungen man von dieser Allianz geschöpft hatte, so wenig entsprach ihnen der Erfolg.

Graf Mansfeld, von aller Hülfe entblößt, stand unthätig am Unterrhein, und Herzog Christian von Braunschweig sah sich nach einem verunglückten Feldzug aufs neue vom Deutschen Boden vertrieben. Ein abermaliger Einfall Bethlen Gabors in Mähren hatte sich, weil er von Deutschland aus nicht unterstüzt ward, fruchtlos wie alle vorigen, in einen förmlichen Frieden mit dem Kaiser geendigt. Die Union war nicht mehr, kein protestantischer Fürst mehr unter den Waffen, und an den Grenzen von Niederdeutschland stand der Bayrische General Tilly mit einem sieggewohnten Heer – auf protestantischem Boden. Die Bewegungen Herzog Christians von Braunschweig hatten ihn nach dieser Gegend, und einmal schon in den Niedersächsischen Kreis gezogen, wo er Lippstadt, den Waffenplaz des Administrators, überwältigte. Die Nothwendigkeit, diesen Feind zu beobachten und von neuen Einfällen abzuhalten, sollte auch noch jezt [132] seinen Aufenthalt auf diesem Boden rechtfertigen. Aber Mansfeld und Christian hatten aus Geldmangel ihre Heere entlassen, und die Armee des Grafen Tilly sah weit und breit keinen Feind mehr. Warum belästigte sie noch das Land, in dem sie stand?

Schwer ist es, aus dem Geschrey erhizter Partheyen die Stimme der Wahrheit zu unterscheiden – aber bedenklich war es, daß die Ligue sich nicht entwaffnete. Das voreilige Frohlocken der Katholiken mußte die Bestürzung vermehren. Der Kaiser und die Ligue standen gewaffnet und siegreich in Deutschland, und nirgends eine Macht, die ihnen Widerstand leisten konnte, wenn sie einen Versuch wagen sollten, die protestantischen Stände anzufallen oder gar den Religionsfrieden umzustürzen. Wenn Kaiser Ferdinand auch wirklich von dem Gedanken weit entfernt war, seine Siege zu mißbrauchen, so mußte die Wehrlosigkeit der Protestanten den ersten Gedanken in ihm aufwecken. Veraltete Verträge konnten kein Zügel für einen Fürsten seyn, der seiner Religion alles schuldig zu seyn glaubte, und jede Gewaltthätigkeit durch die religiöse Absicht für geheiligt hielt. Oberdeutschland war überwältigt, und Niederdeutschland allein konnte seiner Alleingewalt noch im Wege stehen. Hier waren die Protestanten die herrschende Macht, hier waren der katholischen Kirche die meisten Stifter entrissen worden, und der Zeitpunkt schien jezt gekommen zu seyn, diese verlornen Besizungen wieder an die Kirche zurück zu bringen. In diesen von den Niederdeutschen Fürsten eingezogenen Stiftern bestand zugleich ein nicht geringer Theil ihrer Macht, und der Kirche zu dem Ihrigen zu verhelfen, gab zugleich einen trefflichen Vorwand her, diese Fürsten zu schwächen.

Unverzeihliche Sorglosigkeit würde es gewesen seyn, in dieser gefahrvollen Lage sich müßig zu verhalten. Das Andenken an die Gewaltthätigkeiten, die das Tillysche Heer in Niedersachsen ausgeübt hatte, war [133] noch zu neu, um die Stände nicht zu ihrer Selbstvertheidigung zu ermuntern. In möglichster Eilfertigkeit bewaffnete sich der Niedersächsische Kreis. Ausserordentliche Kriegssteuern wurden gehoben, Truppen geworben, und Magazine angefüllt. Man unterhandelte mit Venedig, mit Holland, mit England wegen Subsidien. Man berathschlagte, welche Macht man an die Spize des Bundes stellen sollte. Die Könige des Sundes und des Baltischen Meers, natürliche Bundesgenossen dieses Kreises, konnten nicht gleichgültig zusehen, wenn ihn der Kaiser als Eroberer betreten, und an den Küsten der Nordischen Meere ihr Nachbar werden sollte. Das doppelte Interesse der Religion und der Staatsklugheit foderte sie auf, die Fortschritte dieses Monarchen in Niederdeutschland zu begrenzen. Christian IV. König von Dänemark, zählte sich als Herzog von Holstein selbst zu den Ständen dieses Kreises; durch gleich starke Gründe wurde Gustav Adolph von Schweden zu einem Antheil an diesem Bündniß bewogen.

Beyde Könige bewarben sich wetteifernd um die Ehre, den Niedersächsischen Kreis zu vertheidigen, und die furchtbare Oesterreichische Macht zu bekriegen. Jeder both sich an, eine wohl gerüstete Armee aufzustellen, und in eigner Person anzuführen. Siegreiche Feldzüge gegen Moskau und Pohlen gaben dem Versprechen des Schwedischen Königs Nachdruck, die ganze Küste des Belt war von dem Namen Gustav Adolphs erfüllt. Aber der Ruhm dieses Nebenbuhlers nagte am Herzen des Dänischen Königs, und je mehr Lorbeeren er sich selbst in diesem Feldzuge versprach, desto weniger konnte Christian IV. es von sich erhalten, sie seinem beneideten Nachbar zu gönnen. Beyde brachten ihre Vorschläge und Bedingungen vor das Englische Ministerium, wo es endlich Christian dem Vierten gelang, seinen Mitwerber zu überbiethen. Gustav Adolph foderte zu seiner Sicherheit die Einräumung einiger festen Pläze in Deutschland, wo er selbst [134] keinen Fuß breit Landes besaß, um seinen Truppen im Fall eines Unglücks die nöthige Zuflucht zu gewähren. Christian IV. hatte Holstein und Jütland, durch welche Länder er sich nach einer verlornen Schlacht sicher zurück ziehen konnte.

Um seinem Nebenbuhler den Rang abzulaufen, eilte der König von Dänemark, sich im Felde zu zeigen. Zum Obersten des Niedersächsischen Kreises ernannt, hatte er in kurzem ein 60,000 Mann starkes Heer auf den Beinen; der Administrator von Magdeburg, die Herzöge von Braunschweig, die Herzoge von Meklenburg traten mit ihm in Verbindung. Der Beystand, zu welchem England Hoffnung gemacht hatte, erhöhte seinen Muth, und mit einer solchen Macht ausgerüstet, schmeichelte er sich, diesen Krieg in Einem Feldzuge zu endigen. Nach Wien berichtete man, daß die Bewaffnung nur zur Absicht habe, den Kreis zu vertheidigen und die Ruhe in dieser Gegend aufrecht zu erhalten. Aber die Unterhandlungen mit Holland, mit England, selbst mit Frankreich, die ausserordentlichen Anstrengungen des Kreises, und die furchtbare Armee, welche man aufstellte, schienen etwas mehr als bloße Vertheidigung, schienen die gänzliche Wiederherstellung des Churfürsten von der Pfalz, und die Demüthigung des zu mächtig gewordenen Kaisers zum Endzweck zu haben.

Nachdem der Kaiser Unterhandlungen, Ermahnungen, Drohungen und Befehle fruchtlos erschöpft hatte, den König von Dänemark und den Niedersächsischen Kreis zu Niederlegung der Waffen zu vermögen, fingen die Feindseligkeiten an, und Niederdeutschland wurde nun der Schauplaz des Krieges. Graf Tilly folgte dem linken Ufer des Weserstroms, und bemächtigte sich aller Pässe bis Minden; nach einem fehlgeschlagenen Angriff auf Nienburg und seinem Uebergange über den Strom, überschwemmte er das Fürstenthum Calemberg, und ließ es durch seine [135] Truppen besezen. Am rechten Ufer der Weser agirte der König, und verbreitete sich in den Braunschweigischen Landen. Aber durch zu starke Detaschements hatte er sein Hauptheer geschwächt, daß er mit dem Ueberrest nichts erhebliches ausrichten konnte. Der Ueberlegenheit seines Gegners bewußt, vermied er eben so sorgfältig eine entscheidende Schlacht, als der ligistische Feldherr sie suchte.

Bisher hatte der Kaiser bloß mit den Waffen Bayerns und der Ligue in Deutschland gestritten, wenn man die Spanisch-Niederländischen Hülfsvölker ausnimmt, welche die Unterpfalz überfielen. Maximilian führte den Krieg als Oberster der Reichsexecution, und Tilly, der sie befehligte, war ein Bayrischer Diener. Alle seine Ueberlegenheit im Felde hatte der Kaiser den Waffen Bayerns und der Ligue zu danken; diese hatten also sein ganzes Glück und Ansehen in Händen. Diese Abhängigkeit von dem guten Willen Bayerns und der Ligue vertrug sich nicht mit den weitaussehenden Entwürfen, denen man nach einem so glänzenden Anfang am kaiserlichen Hofe Raum zu geben begann.

So bereitwillig die Ligue sich gezeigt hatte, die Vertheidigung des Kaisers zu übernehmen, an welcher ihre eigne Wohlfahrt befestigt war, so wenig war zu erwarten, daß sie diese Bereitwilligkeit auch auf die kaiserlichen Eroberungsplane erstrecken würde. Oder wenn sie auch ihre Armeen künftig zu Eroberungen hergab, so war zu fürchten, daß sie mit dem Kaiser nichts als den allgemeinen Haß theilen würde, um für sich allein alle Vortheile davon zu ärnten. Nur eine ansehnliche Heeresmacht, von ihm selbst aufgestellt, konnte ihn dieser drückenden Abhängigkeit von Bayern überheben, und ihm seine bisherige Ueberlegenheit in Deutschland behaupten helfen. Aber der Krieg hatte die kaiserlichen Lande viel zu sehr erschöpft, um die unermeßlichen Kosten einer solchen [136] Kriegsrüstung bestreiten zu können. Unter diesen Umständen konnte dem Kaiser nichts willkommner seyn, als der Antrag, womit einer seiner Officiere ihn überraschte.

Graf Wallenstein war es, ein verdienter Officier, der reichste Edelmann in Böhmen. Er hatte dem kaiserlichen Hause von früher Jugend an gedient, und sich in mehreren Feldzügen gegen Türken, Venetianer, Böhmen, Ungarn und Siebenbürger auf das rühmlichste ausgezeichnet. Der Prager Schlacht hatte er als Oberster beygewohnt, und nachher als General-Major eine Ungarische Armee in Mähren geschlagen. Die Dankbarkeit des Kaisers kam diesen Diensten gleich, und ein beträchtlicher Theil der nach dem Böhmischen Aufruhr konfiscirten Güter war seine Belohnung. Im Besiz eines unermeßlichen Vermögens, von ehrgeizigen Entwürfen erhizt, voll Zuversicht auf seine glücklichen Sterne, und noch mehr auf eine gründliche Berechnung der Zeitumstände, erboth er sich gegen den Kaiser, auf eigne und seiner Freunde Kosten eine Armee auszurüsten und völlig zu bekleiden; ja selbst die Sorge für ihren Unterhalt dem Kaiser zu ersparen, wenn ihm gestattet würde, sie bis auf 50,000 Mann zu vergrößern. Niemand war, der diesen Vorschlag nicht als die schimärische Geburt eines brausenden Kopfes verlachte – aber der Versuch war noch immer reichlich belohnt, wenn auch nur ein Theil des Versprechens erfüllt würde. Man überließ ihm einige Kreise in Böhmen zu Musterpläzen, und fügte die Erlaubniß hinzu, Officiersstellen zu vergeben. Wenige Monate, so standen 20,000 Mann unter den Waffen, mit welchen er die Oesterreichischen Grenzen verließ; bald darauf erschien er schon mit 30,000 an der Grenze von Niedersachsen. Der Kaiser hatte zu der ganzen Ausrüstung nichts gegeben als seinen Namen. Der Ruf des Feldherrn, Aussicht auf glänzende Beförderung und Hoffnung der Beute lockte aus allen Gegenden Deutschlands Abenteurer unter seine Fahnen, und sogar regierende Fürsten, von [137] Ruhmbegierde oder Gewinnsucht gereizt, erbothen sich jetzt, Regimenter für Oesterreich aufzustellen.

Jezt also – zum erstenmal in diesem Kriege – erschien eine kaiserliche Armee in Deutschland; eine schreckenvolle Erscheinung für die Protestanten, eine nicht viel erfreulichere für die Katholischen. Wallenstein hatte Befehl, seine Armee mit den Truppen der Ligue zu vereinigen, und in Gemeinschaft mit dem Bayrischen General den König von Dänemark anzugreifen. Aber längst schon eifersüchtig auf Tillys Kriegsruhm, bezeigte er keine Lust, die Lorbeern dieses Feldzugs mit ihm zu theilen, und im Schimmer von Tillys Thaten den Ruhm der seinigen zu verlieren. Sein Kriegsplan unterstüzte zwar die Operationen des leztern, aber ganz unabhängig von denselben führte er ihn aus. Da ihm die Quellen fehlten, aus welchen Tilly die Bedürfnisse seiner Truppen bestritt, so mußte er die seinigen in wohlhabende Länder führen, die von dem Kriege noch nicht gelitten hatten. Ohne also, wie ihm befohlen war, zu dem ligistischen Feldherrn zu stoßen, rückte er in das Halberstädtische und Magdeburgische Gebieth, und bemächtigte sich bey Dessau der Elbe. Alle Länder an beyden Ufern dieses Stroms lagen nun seinen Erpressungen offen; er konnte von da dem Könige von Dänemark in den Rücken fallen, ja, wenn es nöthig war, in die eignen Länder desselben einen Weg sich bahnen.

Christian IV. fühlte die ganze Gefahr seiner Lage zwischen zwey so furchtbaren Heeren. Er hatte schon vorher den Administrator von Halberstadt, der kürzlich aus Holland zurückgekehrt war, an sich gezogen; jezt erklärte er sich auch öffentlich für den Grafen Mansfeld, den er bisher verläugnet hatte, und unterstüzte ihn nach Vermögen. Reichlich erstattete ihm Mansfeld diesen Dienst. Er ganz allein beschäftigte die Wallensteinische Macht an der Elbe, und verhinderte sie, in Gemeinschaft mit Tilly den [138] König aufzureiben. Dieser muthige General näherte sich sogar, der feindlichen Ueberlegenheit ungeachtet, der Dessauer Brücke, und wagte es, den kaiserlichen Schanzen gegen über, sich gleichfalls zu verschanzen. Aber von der ganzen feindlichen Macht im Rücken angefallen, mußte er der überlegenen Anzahl weichen, und mit einem Verlust von 3000 Todten seinen Posten verlassen. Nach dieser Niederlage zog sich Mansfeld in die Mark Brandenburg, wo er sich nach einer kurzen Erholung mit neuen Truppen verstärkte, und dann plötzlich nach Schlesien drehte, um von dort aus in Ungarn einzudringen, und in Verbindung mit Bethlen Gaborn den Krieg in das Herz der Oesterreichischen Staaten zu versezen. Da die kaiserlichen Erblande gegen einen solchen Feind unvertheidigt waren, so erhielt Wallenstein schleunigen Befehl, den König von Dänemark für jezt ganz aus den Augen zu lassen, um Mansfelden, wo möglich, den Weg durch Schlesien zu verlegen.

Die Diversion, welche den Wallensteinischen Truppen durch Mansfeld gemacht wurde, erlaubte dem König, einen Theil seines Heeres in das Westphälische zu schicken, um dort die Bißthümer Münster und Osnabrück zu besezen. Dieß zu verhindern, verließ Tilly eilig den Weserstrom; aber die Bewegungen Herzog Christians, welcher Miene machte, durch Hessen in die ligistischen Länder einzudringen, und dahin den Krieg zu versezen, riefen ihn aufs schnellste wieder aus Westphalen zurück. Um nicht von diesen Ländern abgeschnitten zu werden, und eine gefährliche Vereinigung des Landgrafen von Hessen mit dem Feinde zu verhüten, bemächtigte sich Tilly eiligst aller haltbaren Pläze an der Wertha und Fuld, und versicherte sich der Stadt Münden am Eingange der Hessischen Gebirge, wo beyde Ströme in die Weser zusammen fließen. Er eroberte kurz darauf Göttingen, den Schlüssel zu Braunschweig und Hessen, und hatte Nordheim dasselbe Schicksal zugedacht, welches [139] aber zu verhindern der König mit seiner ganzen Armee herbey eilte. Nachdem er diesen Ort mit allem nöthigen versehen, um eine lange Belagerung auszuhalten, suchte er sich durch das Eichsfeld und Thüringen einen neuen Weg in die ligistischen Länder zu eröffnen. Schon war er Duderstadt vorbey – aber durch schnelle Märsche hatte ihm Graf Tilly den Vorsprung abgewonnen. Da die Armee des lezten, durch einige Wallensteinische Regimenter verstärkt, der seinigen an Zahl weit überlegen war, so wendete sich der König in das Braunschweigische zurück, um eine Schlacht zu vermeiden. Aber auf eben diesem Rückzuge verfolgte ihn Tilly ohne Unterlaß, und nach einem dreytägigen Scharmüzel mußte er endlich bey dem Dorfe Lutter am Barenberg dem Feinde stehen. Die Dänen thaten den Angriff mit vieler Tapferkeit, und dreymal führte sie der muthvolle König gegen den Feind; endlich aber mußte der schwächere Theil der überlegenen Anzahl und bessern Kriegsübung des Feindes weichen, und ein vollkommener Sieg wurde von dem ligistischen Feldherrn erfochten. Sechzig Fahnen und die ganze Artillerie, Bagage und Munition ging verloren; viele edle Offiziere blieben todt auf dem Plaze, gegen 4000 von den Gemeinen; dreyßig Compagnien Fußvolk, die sich auf der Flucht in das Amthaus zu Lutter geworfen, streckten das Gewehr, und ergaben sich dem Sieger.

Der König entfloh mit seiner Reiterey, und sammelte sich nach diesem empfindlichen Schlage bald wieder. Tilly verfolgte seinen Sieg, bemächtigte sich der Weser und der Braunschweigischen Lande, und trieb den König bis in das Bremische zurück. Durch seine Niederlage schüchtern gemacht, wollte dieser nur vertheidigungsweise verfahren, besonders aber dem Feinde den Uebergang über die Elbe verwehren. Aber indem er in alle haltbaren Pläze Besazungen warf, blieb er unthätig mit einer getheilten Macht; die zerstreuten Corps wurden nach einander von dem [140] Feinde zerstreut oder aufgerieben. Die ligistischen Truppen, des ganzen Weserstroms mächtig, verbreiteten sich über die Elbe und Havel, und die Dänischen sahen sich aus einem Posten nach dem andern verjagt. Tilly selbst war über die Elbe gegangen, und hatte bis weit in das Brandenburgische seine siegreichen Waffen verbreitet, indem Wallenstein von der andern Seite in Holstein eindrang, den Krieg in die eignen Länder des König zu spielen.

Dieser General kam eben aus Ungarn zurück, bis wohin er dem Grafen Mansfeld gefolgt war, ohne seinen Marsch aufhalten, ohne seine Vereinigung mit Bethlen Gabor verhindern zu können. Immer von dem Schicksal verfolgt, und immer größer als sein Schicksal, hatte sich dieser unter unendlichen Schwierigkeiten glücklich durch Schlesien und Ungarn zu dem Fürsten von Siebenbürgen hindurch geschlagen, wo er aber nicht sehr willkommen war. Im Vertrauen auf Englischen Beystand, und auf eine mächtige Diversion in Niedersachsen, hatte Gabor aufs neue den Waffenstillstand mit dem Kaiser gebrochen, und anstatt dieser gehofften Diversion brachte ihm jezt Mansfeld die ganze Wallensteinische Macht mit, und foderte Geld von ihm, anstatt es zu bringen. So wenig Harmonie unter den protestantischen Fürsten erkältete Gabors Eifer, und er eilte, wie gewöhnlich, sich der überlegenen Macht des Kaisers durch einen geschwinden Frieden zu entledigen. Fest entschlossen, ihn bey dem ersten Stral von Hoffnung wieder zu brechen, wies er den Grafen Mansfeld an die Republik Venedig, um dort vor allem andern Geld aufzubringen.

Von Deutschland abgeschnitten, und ganz außer Stande, den schwachen Ueberrest seiner Truppen in Ungarn zu ernähren, verkaufte Mansfeld Geschüz und Heergeräthe, und ließ seine Soldaten aus einander gehen. Er selbst nahm mit einem kleinen [141] Gefolge den Weg durch Bosnien und Dalmatien nach Venedig; neue Entwürfe schwellten seinen Muth – aber sein Lauf war vollendet. Das Schicksal, das ihn im Leben so unstät herum warf, hatte ihm ein Grab in Dalmatien bereitet. Nicht weit von Zara übereilte ihn der Tod. (1626) Kurz vorher war sein treuer Schicksalsgenosse, Herzog Christian von Braunschweig, gestorben – zwey Männer, der Unsterblichkeit werth, hätten sie sich eben so über ihr Zeitalter als über ihr Schicksal erhoben.

Der König von Dänemark hatte mit einer vollzähligen Macht dem einzigen Tilly nicht Stand halten können; wie viel weniger jezt beyden kaiserlichen Generalen mit einer geschwächten! Die Dänen wichen aus allen ihren Posten an der Weser, Elbe und Havel, und die Armee Wallensteins ergoß sich über Brandenburg, Mecklenburg, Holstein und Schleswig wie ein reißender Strom. Dieser General, allzu übermüthig um mit einem andern gemeinschaftlich zu agiren, hatte den ligistischen Feldherrn über die Elbe geschickt, um dort die Holländer zu beobachten; eigentlich aber, damit er selbst den Krieg gegen den König endigen, und die Früchte der von Tilly erfochtenen Siege für sich allein ärnten möchte. Alle festen Pläze in seinen Deutschen Staaten, Glückstadt allein ausgenommen, hatte Christian verloren, seine Heere waren geschlagen oder zerstreut, von Deutschland aus keine Hülfe, von England wenig Trost, seine Bundesgenossen in Niedersachsen der Wuth des Siegers preis gegeben. Den Landgrafen von Hessencassel hatte Tilly gleich nach dem Siege bey Lutter gezwungen, der Dänischen Allianz zu entsagen. Wallensteins furchtbare Erscheinung vor Berlin brachte den Churfürsten von Brandenburg zur Unterwerfung, und zwang ihn, Maximilian von Bayern als rechtmäßigen Churfürsten anzuerkennen. Der größte Theil Mecklenburgs wurde jezt von den kaiserlichen Truppen überschwemmt; beyde Herzoge, [142] als Anhänger des Königs von Dänemark, in die Reichsacht erklärt und aus ihren Staaten vertrieben. Die Deutsche Freyheit gegen widerrechtliche Eingriffe vertheidigt zu haben, wurde als ein Verbrechen behandelt, das den Verlust aller Würden und Länder nach sich zog. Und doch war alles dieß nur das Vorspiel schreyenderer Gewaltthätigkeiten, welche bald darauf folgen sollten.

Jetzt kam das Geheimniß an den Tag, auf welche Art Wallenstein seine ausschweifenden Versprechungen zu erfüllen meinte. Dem Grafen Mansfeld war es abgelernt; aber der Schüler übertraf seinen Meister. Dem Grundsaze gemäß, daß der Krieg den Krieg ernähren müsse, hatten Mansfeld und Herzog Christian mit den Brandschazungen, die sie von Freund und Feind ohne Unterschied erpreßten, die Bedürfnisse ihrer Truppen bestritten – aber diese räuberische Lebensart war auch von allem Ungemach und aller Unsicherheit des Räuberlebens begleitet. Gleich flüchtigen Dieben, mußten sie sich durch wachsame und erbitterte Feinde stehlen, von einem Ende Deutschlands zum andern fliehen, ängstlich auf die Gelegenheit lauern, und gerade die wohlhabendsten Länder meiden, weil eine stärkere Macht diese vertheidigt. Hatten Mansfeld und Herzog Christian, im Kampfe mit so furchtbaren Hindernissen, doch so erstaunlich viel gethan, was mußte sich dann nicht ausrichten lassen, wenn man aller dieser Hindernisse überhoben war! wenn die Armee, die man aufstellte, zahlreich genug war, auch den mächtigsten einzelnen Reichsstand in Furcht zu sezen – wenn der Name des Kaisers allen Gewaltthätigkeiten die Straflosigkeit versicherte – kurz – wenn man unter der höchsten Autorität im Reiche, und an der Spize eines überlegenen Heeres denselben Kriegsplan befolgte, welchen jene beyden Abentheurer auf eigne Gefahr und mit einer zusammen gelaufenen Bande in Ausübung gebracht hatten!

[143] Dieß hatte Wallenstein im Auge, da er dem Kaiser sein kühnes Anerbiethen that, und jezt wird es niemand mehr übertrieben finden. Je mehr man das Heer verstärkte, desto weniger durfte man um den Unterhalt desselben bekümmert seyn, denn desto mehr brachte es die widersezlichen Stände zum Zittern; je schreyender die Gewaltthätigkeiten, desto ungestrafter konnte man sie verüben. Gegen feindlich gesinnte Reichsstände hatten sie einen Schein des Rechts; gegen getreue konnte die vorgeschüzte Nothwendigkeit sie entschuldigen. Die ungleiche Vertheilung dieses Druckes verhinderte eine gefährliche Einigkeit unter den Ständen; die Erschöpfung ihrer Länder entzog ihnen zugleich die Mittel, sie zu rügen. Ganz Deutschland wurde auf diese Art ein Proviantmagazin für die Heere des Kaisers, und er konnte mit allen Territorien wie mit seinen Erblanden schalten. Allgemein war das Geschrey um Gerechtigkeit am Throne des Kaisers – aber man war vor der Selbstrache der mißhandelten Fürsten sicher, so lange sie um Gerechtigkeit riefen. Der allgemeine Unwille zertheilte sich zwischen dem Kaiser, der seinen Namen zu diesen Greueln gab, und dem Feldherrn, der seine Vollmacht überschritt, und offenbar die Autorität seines Herrn mißbrauchte. – Durch den Kaiser nahm man den Weg, um gegen seinen Feldherrn Schuz zu erhalten; aber sobald er sich durch seine Truppen allmächtig wußte, hatte Wallenstein auch den Gehorsam gegen den Kaiser abgeworfen.

Die Erschöpfung des Feindes ließ einen nahen Frieden mit Wahrscheinlichkeit erwarten; dennoch fuhr Wallenstein fort, die kaiserlichen Heere immer mehr, zulezt bis auf hundert tausend Mann, zu verstärken. Obersten- und Officierspatente ohne Zahl, ein königlicher Staat des Generals, unmäßige Verschwendungen an seine Kreaturen, (nie schenkte er unter tausend Gulden) unglaubliche Summen für [144] Bestechungen am Hofe des Kaisers, um dort seinen Einfluß zu erhalten, alles dieses ohne den Kaiser zu beschweren. Aus den Brandschazungen der Niederdeutschen Provinzen wurden alle diese unermeßlichen Summen gezogen, kein Unterschied zwischen Freund und Feind, gleich eigenmächtige Durchzüge und Einquartierungen in aller Herren Ländern, gleiche Erpressungen und Gewaltthätigkeiten. Dürfte man einer ausschweifenden Angabe aus jenen Zeiten trauen, so hätte Wallenstein in einem siebenjährigen Commando 60,000 Millionen Thaler aus einer Hälfte Deutschlands an Contributionen erhoben. Je ungeheurer die Erpressungen, desto mehr Vorrath für seine Heere, desto stärker also der Zulauf zu seinen Fahnen; alle Welt fliegt nach dem Glücke. Seine Armeen schwollen an, indem alle Länder welkten, durch die sie zogen. Was kümmerte ihn nun der Fluch der Provinzen, und das Klaggeschrey der Fürsten? Sein Heer bethete ihn an, und das Verbrechen selbst sezte ihn in den Stand, alle Folgen desselben zu verlachen!

Man würde dem Kaiser Unrecht thun, wenn man alle die Ausschweifungen seiner Armeen auf seine Rechnung sezen wollte. Wußte es Ferdinand vorher, daß er seinem Feldherrn alle Deutsche Staaten zum Raube gab, so hätte ihm nicht verborgen bleiben können, wie viel er selbst bey einem so unumschränkten Feldherrn Gefahr lief. Je enger sich das Band zwischen der Armee und ihrem Anführer zusammenzog, von dem allein alles Glück, alle Beförderung ausfloß, desto mehr mußte es zwischen beyden und dem Kaiser erschlaffen. Zwar geschah alles im Namen des Leztern; aber die Majestät des Reichsoberhaupts wurde von Wallenstein nur gebraucht, um jede andre Autorität in Deutschland zu zermalmen. Daher der überlegte Grundsaz dieses Mannes, die Deutschen Reichsfürsten sichtbar zu erniedrigen, alle Stufen und Ordnungen zwischen diesen Fürsten und dem Reichsoberhaupte zu zerbrechen, und das Ansehen [145] des Leztern über alle Vergleichung zu erhöhen. War der Kaiser die einzige gesezgebende Macht in Deutschland, wer reichte alsdann hinauf an den Vezier, den er zum Vollzieher seines Willens gemacht hatte? Die Höhe, auf welche Wallenstein ihn stellte, überraschte sogar den Kaiser; aber eben weil diese Grösse des Herrn das Werk seines Dieners war, so sollte diese Wallensteinische Schöpfung wieder in ihr Nichts zurück sinken, sobald ihr die Hand ihres Schöpfers fehlte. Nicht umsonst empörte er alle Reichsfürsten Deutschlands gegen den Kaiser – je heftiger ihr Haß gegen Ferdinand, desto nothwendiger mußte ihm derjenige Mann bleiben, der allein ihren schlimmen Willen unschädlich machte. Seine Absicht ging unverkennbar dahin, daß sein Oberherr in ganz Deutschland keinen Menschen mehr zu fürchten haben sollte, als – den Einzigen, dem er diese Allmacht verdankte.

Ein Schritt zu diesem Ziele war, daß Wallenstein das eben eroberte Mecklenburg zum einstweiligen Unterpfand für sich verlangte, bis die Geldvorschüsse, welche er dem Kaiser in dem bisherigen Feldzug gethan, erstattet seyn würden. Schon vorher hatte ihn Ferdinand, wahrscheinlich um seinem General einen Vorzug mehr vor dem Bayrischen zu geben, zum Herzog von Friedland erhoben; aber eine gewöhnliche Belohnung konnte den Ehrgeiz eines Wallensteins nicht ersättigen. Vergebens erhoben sich selbst in dem kaiserlichen Rath unwillige Stimmen gegen diese neue Beförderung, die auf Unkosten zweyer Reichsfürsten geschehen sollte; umsonst widersetzten sich selbst die Spanier, welche längst schon sein Stolz beleidigt hatte, seiner Erhebung. Der mächtige Anhang, welchen sich Wallenstein unter den Rathgebern des Kaisers erkauft hatte, behielt die Oberhand; Ferdinand wollte sich, auf welche Art es auch seyn möchte, diesen unentbehrlichen Diener verpflichten. Man stieß eines leichten Vergehens wegen [146] die Nachkömmlinge eines der ältesten Deutschen Fürstenhäuser aus ihrem Erbtheil, um eine Kreatur der kaiserlichen Gnade mit ihrem Raube zu bekleiden. (1628)

Bald darauf fing Wallenstein an, sich einen Generalissimus des Kaisers zu Wasser und zu Lande zu nennen. Die Stadt Wismar wurde erobert, und fester Fuß an der Ostsee gewonnen. Von Pohlen und den Hansestädten wurden Schiffe gefodert, um den Krieg jenseits des Balthischen Meers zu spielen, die Dänen in das Innerste ihres Reichs zu verfolgen, und einen Frieden zu erzwingen, der zu größern Eroberungen den Weg bahnen sollte. Der Zusammenhang der Niederdeutschen Stände mit den nordischen Reichen war zerrissen, wenn es dem Kaiser gelang, sich in die Mitte zwischen beyden zu lagern, und von dem Adriatischen Meere bis an den Sund, (das dazwischen liegende Pohlen stand in seiner Abhängigkeit) Deutschland mit einer fortlaufenden Länderkette zu umgeben. Wenn dieß die Absicht des Kaisers war, so hatte Wallenstein seine besondere, den nehmlichen Plan zu befolgen. Besizungen an der Ostsee sollten den Grundstein zu einer Macht abgeben, womit sich schon längst seine Ehrsucht trug, und welche ihn in den Stand sezen sollte, seinen Herrn zu entbehren.

Diese Zwecke zu erreichen, war es von äusserster Wichtigkeit, die Stadt Stralsund am Balthischen Meere in Besiz zu bekommen. Ihr vortrefflicher Hafen, die leichte Ueberfahrt von da nach den Schwedischen und Dänischen Küsten machte sie vorzüglich geschickt, in einem Kriege mit beyden Kronen einen Waffenplaz abzugeben. Diese Stadt, die sechste des Hanseatischen Bundes, genoß unter dem Schuze des Herzogs von Pommern die wichtigsten Privilegien, und, völlig ausser aller Verbindung mit Dänemark, hatte sie an dem bisherigen Kriege auch nicht den [147] entferntesten Antheil genommen. Aber weder diese Neutralität, noch ihre Privilegien konnten sie vor den Anmassungen Wallensteins schüzen, der seine Absicht auf sie gerichtet hatte.

Einen Antrag dieses Generals, kaiserliche Besazungen anzunehmen, hatte der Magistrat von Stralsund mit rühmlicher Standhaftigkeit verworfen; auch seinen Truppen den arglistig verlangten Durchmarsch verweigert. Jezt schickte Wallenstein sich an, die Stadt zu belagern.

Für beyde nordische Könige war es von gleicher Wichtigkeit, Stralsund bey seiner Unabhängigkeit zu schüzen, ohne welche die freye Schiffahrt auf dem Belte nicht behauptet werden konnte. Die gemeinschaftliche Gefahr besiegte endlich die Privateifersucht, welche schon längst beyde Könige entzweyte. In einem Vertrage zu Kopenhagen (1628) versprachen sie einander, Stralsund mit vereinigten Kräften aufrecht zu erhalten, und gemeinschaftlich jede fremde Macht abzuwehren, welche in feindlicher Absicht in der Ostsee erscheinen würde. Christian IV. warf sogleich eine hinreichende Besazung in Stralsund, und stärkte durch seinen persöhnlichen Besuch den Muth der Bürger. Einige Kriegsschiffe, welche König Sigismund von Pohlen dem kaiserlichen Feldherrn zu Hülfe schickte, wurden von der Dänischen Flotte in Grund gebohrt, und da ihm nun auch die Stadt Lübeck die ihrigen abschlug, so hatte der kaiserliche Generalissimus zur See nicht einmal Schiffe genug, den Hafen einer einzigen Stadt einzuschließen.

Nichts scheint abentheuerlicher zu seyn, als einen Seeplatz, der aufs vortrefflichste befestigt war, erobern zu wollen, ohne seinen Hafen einzuschließen. Wallenstein, der noch nie einen Widerstand erfahren, wollte nun auch die Natur überwinden, und das Unmögliche besiegen. Stralsund, von der [148] Seeseite frey, fuhr ungehindert fort, sich mit Lebensmitteln zu versehen, und mit neuen Truppen zu verstärken; nichts desto weniger umzingelte es Wallenstein zu Lande, und suchte durch prahlerische Drohungen den Mangel gründlicherer Mittel zu ersezen. „Ich will, sagte er, diese Stadt wegnehmen, und wäre sie mit Ketten an den Himmel gebunden.“ Der Kaiser selbst, welcher eine Unternehmung bereuen mochte, wovon er sich keinen rühmlichen Ausgang versprach, ergriff mit Begierde die scheinbare Unterwürfigkeit und einige annehmliche Erbiethungen der Stralsunder, seinem General den Abzug von der Stadt zu befehlen. Wallenstein verachtete diesen Befehl und fuhr fort, den Belagerten durch unablässige Stürme zuzusezen. Da die Dänische Besazung schon stark geschmolzen, der Ueberrest der rastlosen Arbeit nicht gewachsen war, und der König sich ausser Stande befand, mehrere seiner Truppen an diese Stadt zu wagen, so warf sich Stralsund, mit Christians Genehmigung, dem Könige von Schweden in die Arme. Der Dänische Kommendant verließ die Festung, um einem Schwedischen Plaz zu machen, der sie mit dem glücklichsten Erfolge vertheidigte. Wallensteins Glück scheiterte vor dieser Stadt, und zum erstenmal erlebte sein Stolz die empfindliche Kränkung, nach mehreren verlornen Monaten, nach einem Verlust von 12,000 Todten seinem Vorhaben zu entsagen. Aber die Nothwendigkeit, in welche er diese Stadt gesezt hatte, den Schwedischen Schuz anzurufen, veranlaßte ein enges Bündniß zwischen Gustav Adolph und Stralsund, welches in der Folge den Eintritt der Schweden in Deutschland nicht wenig erleichterte.

Bis hieher hatte das Glück die Waffen der Ligue und des Kaisers begleitet, und Christian IV. in Deutschland überwunden, mußte sich in seinen Inseln verbergen; aber die Ostsee sezte diesen Eroberungen eine Grenze. Der Abgang der Schiffe [149] hinderte nicht nur, den König weiter zu verfolgen, sondern sezte auch den Sieger noch in Gefahr, die gemachten Eroberungen zu verlieren. Am meisten hatte man von der Vereinigung beyder nordischen Monarchen zu fürchten, welche es, wenn sie Bestand hatte, dem Kaiser und seinem Feldherrn unmöglich machte, auf der Ostsee eine Rolle zu spielen, oder gar Landung in Schweden zu thun. Gelang es aber, die Sache dieser beyden Fürsten zu trennen, und sich der Freundschaft des Dänischen Königs ins besondere zu versichern, so konnte man die einzelne Schwedische Macht desto leichter zu überwältigen hoffen. Furcht vor Einmischung fremder Mächte, aufrührerische Bewegungen der Protestanten in seinen eigenen Staaten, die ungeheuren Kosten des bisher geführten Kriegs, und noch mehr der Sturm, den man im ganzen protestantischen Deutschlande im Begriff war zu erregen, stimmten das Gemüth des Kaisers zum Frieden, und aus ganz entgegen gesezten Gründen beeiferte sich sein Feldherr, diesen Wunsch zu erfüllen. Weit entfernt, einen Frieden zu wünschen, der ihn aus dem Mittagsglanze der Größe und Gewalt in die Dunkelheit des Privatstandes herunter stürzte, wollte er nur den Schauplaz des Kriegs verändern, und durch diesen einseitigen Frieden die Verwirrung verlängern. Die Freundschaft Dänemarks, dessen Nachbar er als Herzog von Mecklenburg geworden, war ihm für seine weit aussehenden Entwürfe sehr wichtig, und er beschloß, selbst mit Hintansetzung der Vortheile seines Herrn, sich diesen Monarchen zu verpflichten.

Christian IV. hatte sich in dem Vertrag von Kopenhagen verbindlich gemacht, ohne Zuziehung Schwedens keinen einseitigen Frieden mit dem Kaiser zu schließen. Dem ohngeachtet wurde der Antrag, den ihm Wallenstein that, mit Bereitwilligkeit angenommen. Auf einem Congreß zu Lübeck, (1629) von welchem Wallenstein die Schwedischen Gesandten, die [150] für Mecklenburg zu intercediren kamen, mit ausstudierter Geringschäzung abwies, wurden von kaiserlicher Seite alle den Dänen weggenommene Länder zurück gegeben. Diesen ihm so nöthigen Frieden erkaufte Christian mit sonst nichts, als seiner königlichen Ehre. Man legte ihm auf, sich in die Angelegenheiten Deutschlands fernerhin nicht weiter einzumengen, als ihm der Name eines Herzogs von Holstein gestattete, sich der Niederdeutschen Stifter unter keinem Namen mehr anzumaßen, und die Mecklenburgischen Herzoge ihrem Schicksal zu überlassen. Christian selbst hatte diese beyden Fürsten in den Krieg mit dem Kaiser verwickelt; jezt opferte er sie auf, um sich den Räuber ihrer Staaten zu verpflichten. Unter den Beweggründen, welche ihn zum Krieg gegen den Kaiser veranlaßten, war die Wiederherstellung des Churfürsten von der Pfalz, seines Verwandten, nicht der unerheblichste gewesen – auch dieses Fürsten wurde in dem Lübecker Frieden mit keiner Sylbe gedacht, und in einem Artikel desselben sogar die Rechtmäßigkeit der Bayrischen Churwürde eingestanden. Mit so wenig Ruhm trat Christian IV. vom Schauplaz.

Zum zweytenmal hatte Ferdinand jezt die Ruhe Deutschlands in Händen, und es stand nur bey ihm, den Frieden mit Dänemark in einen allgemeinen zu verwandeln. Aus allen Gegenden Deutschlands schallte ihm das Jammern der Unglücklichen entgegen, die um das Ende ihrer Drangsale flehten; die Greuel seiner Soldaten, die Habsucht seiner Feldherrn hatte alle Grenzen überstiegen. Deutschland, von den verwüstenden Schwärmen Mansfelds und Christians von Braunschweig, von den schrecklichern Heerschaaren Tillys und Wallensteins durchzogen, lag erschöpft, blutend, verödet, und seufzte nach Erholung. Mächtig war der Wunsch des Friedens bey allen Ständen des Reichs, mächtig selbst bey dem Kaiser, der in Oberitalien mit Frankreich in Krieg verwickelt, durch den bisherigen in Deutschland entkräftet, und vor den Rechnungen [151] bange war, die seiner warteten. Aber unglücklicher Weise widersprachen sich die Bedingungen, unter welchen beyde Religionspartheyen das Schwert in die Scheide stecken wollten. Die Katholischen wollten mit Vortheil aus diesem Kriege gehen; die Protestanten wollten nicht schlimmer daraus gehen – der Kaiser, anstatt beyde Theile mit kluger Mäßigung zu vereinigen, nahm Parthey; und so stürzte Deutschland aufs neue in die Schrecken eines entsezlichen Krieges.

Schon seit Endigung der Böhmischen Unruhen hatte Ferdinand die Gegenreformation in seinen Erbstaaten angefangen, wobey jedoch aus Rücksicht gegen einige evangelische Stände mit Mäßigung verfahren wurde. Aber die Siege, welche seine Feldherrn in Niederdeutschland erfochten, machten ihm Muth, allen bisherigen Zwang abzuwerfen. Allen Protestanten in seinen Erbländern wurde diesem Entschluß gemäß angekündigt, entweder ihrer Religion oder ihrem Vaterlande zu entsagen – eine bittere, schreckliche Wahl, welche die fürchterlichsten Empörungen unter den Landleuten in Oesterreich erregte. In den Pfälzischen Landen wurde gleich nach Vertreibung Friedrichs V. der reformirte Gottesdienst aufgehoben, und die Lehrer dieser Religion von der hohen Schule zu Heidelberg vertrieben.

Diese Neuerungen waren nur das Vorspiel zu grössern. Auf einem Churfürstenconvent zu Mühlhausen foderten die Katholiken den Kaiser auf, alle seit dem Religionsfrieden zu Augsburg von den Protestanten eingezogene Erzbißthümer, Bißthümer, mittelbare und unmittelbare Abtheyen und Klöster wieder an die katholische Kirche zurück zu bringen, und dadurch die katholischen Stände für die Verluste und Bedrückungen zu entschädigen, welche sie in dem bisherigen Kriege erlitten hätten. Bey einem so streng katholischen Fürsten, wie es Ferdinand war, konnte ein solcher Wink nicht zur Erde fallen; [152] aber noch schien es ihm zu frühe, das ganze protestantische Deutschland durch einen so entscheidenden Schritt zu empören. Kein einziger protestantischer Fürst war, dem diese Zurückfoderung der geistlichen Stifter nicht einen Theil seiner Lande nahm. Wo man die Einkünfte derselben auch nicht ganz zu weltlichen Zwecken bestimmt hatte, hatte man sie zum Nutzen der protestantischen Kirche verwendet. Mehrere Fürsten dankten diesen Erwerbungen einen grossen Theil ihrer Einkünfte und Macht. Alle ohne Unterschied mußten durch die Zurückfoderung derselben in Aufruhr gebracht werden. Der Religionsfriede sprach ihnen das Recht an diese Stifter nicht ab, obgleich er es eben so wenig ausser Zweifel sezte. Aber ein langer, bey vielen fast Jahrhundert langer Besiz, das Stillschweigen von vier bisherigen Kaisern, das Gesez der Billigkeit, welches ihnen an den Stiftungen ihrer Vorältern einen gleichen Antheil mit den Katholischen zusprach, konnte als ein vollgültiger Grund des Rechts von ihnen angeführt werden. Außer dem wirklichen Verluste, den sie durch Zurückgabe dieser Stifter an ihrer Macht und Gerichtsbarkeit erlitten, außer den unübersehlichen Verwirrungen, welche die Folge davon seyn mußten, war dieß kein geringer Nachtheil für sie, daß die wieder eingesezten katholischen Bischöfe die katholische Parthey auf dem Reichstage mit eben so viel neuen Stimmen verstärken sollten. So empfindliche Verluste auf Seiten der Evangelischen liessen den Kaiser die heftigste Widersezung befürchten, und ehe das Kriegsfeuer in Deutschland gedämpft war, wollte er eine ganze, in ihrer Vereinigung furchtbare Parthey, welche an dem Churfürsten von Sachsen eine mächtige Stüze hatte, nicht zur Unzeit gegen sich reizen. Er versuchte es also vorerst im Kleinen, um zu erfahren, wie man es im Grossen aufnehmen würde. Einige Reichsstädte in Oberdeutschland und der Herzog von Wirtemberg erhielten Mandate, verschiedene solcher eingezogenen Stifter heraus zu geben.

[153] Die Lage der Umstände in Sachsen ließ ihn dort noch einige kühnere Versuche wagen. In den Bißthümern Magdeburg und Halberstadt hatten die protestantischen Domherren keinen Anstand genommen, Bischöfe von ihrer Religion aufzustellen. Beyde Bißthümer, die Stadt Magdeburg allein ausgenommen, hatten Wallensteinische Truppen jezt überschwemmt. Zufälliger Weise war Halberstadt durch den Tod des Administrators, Herzog Christian von Braunschweig, das Erzstift Magdeburg durch Absezung Christian Wilhelms, eines Brandenburgischen Prinzen, erledigt. Ferdinand benuzte diese beyden Umstände, um das Halberstädtische Stift einem katholischen Bischof, und noch dazu einem Prinzen aus seinem eignen Hause zuzuwenden. Um nicht einen ähnlichen Zwang zu erleiden, eilte das Kapitel zu Magdeburg, einen Sohn des Churfürsten von Sachsen zum Erzbischof zu erwählen. Aber der Pabst, der sich aus angemaßter Gewalt in diese Angelegenheit mengte, sprach dem Oesterreichischen Prinzen auch das Magdeburgische Erzstift zu, und man konnte sich nicht enthalten, die Geschicklichkeit Ferdinands zu bewundern, der über dem heiligsten Eifer für seine Religion nicht vergaß, für das Beste seines Hauses zu sorgen.

Endlich als der Lübecker Friede den Kaiser von Seiten Dänemarks außer aller Furcht gesezt hatte, die Protestanten in Deutschland gänzlich darnieder zu liegen schienen, die Foderungen der Ligue aber immer lauter und dringender wurden, unterzeichnete Ferdinand das durch so viel Unglück berüchtigte Restitutionsedikt, (1629) nachdem er es vorher jedem der vier katholischen Churfürsten zur Genehmigung vorgelegt hatte. In dem Eingange spricht er sich das Recht zu, den Sinn des Religionsfriedens, dessen ungleiche Deutung zu allen bisherigen Irrungen Anlaß gegeben, vermittelst kaiserlicher Machtvollkommenheit zu erklären, und als oberster [154] Schiedsmann und Richter zwischen beyde streitende Partheyen zu treten. Dieses Recht gründete er auf die Observanz seiner Vorfahren, und auf die ehmals geschehene Einwilligung selbst protestantischer Stände. Chursachsen hatte dem Kaiser wirklich dieses Recht zugestanden, jezt ergab es sich, wie grossen Schaden dieser Hof durch seine Anhänglichkeit an Oesterreich der protestantischen Sache zugefügt hatte. Wenn aber der Buchstabe des Religionsfriedens wirklich einer ungleichen Auslegung unterworfen war, wie der Jahrhundert lange Zwist beyder Religionspartheyen es genugsam bezeugte, so konnte doch auf keine Weise der Kaiser, der entweder ein katholischer oder ein protestantischer Reichsfürst, und also selbst Parthey war, zwischen katholischen und protestantischen Ständen einen Religionsstreit entscheiden – ohne den wesentlichen Artikel des Religionsfriedens zu verlezen. Er konnte in seiner eignen Sache nicht Richter seyn, ohne die Freyheit des Deutschen Reichs in einen leeren Schall zu verwandeln.

Und nun in Kraft dieses angemaßten Rechts, den Religionsfrieden auszulegen, gab Ferdinand die Entscheidung: „daß jede, nach dem Datum dieses Friedens, von den Protestanten geschehene Einziehung sowohl mittelbarer als unmittelbarer Stifter dem Sinn dieses Friedens zuwider laufe, und als eine Verlezung desselben widerrufen sey.“ Er gab ferner die Entscheidung: daß der Religionsfriede keinem katholischen Landesherrn auflege, protestantischen Unterthanen etwas mehr als freyen Abzug aus seinen Landen zu bewilligen. Diesem Ausspruche gemäß, wurde allen unrechtmäßigen Besizern geistlicher Stifter – also allen protestantischen Reichsständen ohne Unterschied – bey Strafe des Reichsbannes anbefohlen, dieses unrechte Gut an die kaiserlichen Kommissarien unverzüglich heraus zu geben.

Nicht weniger als zwey Erzbißthümer und zwölf [155] Bißthümer standen auf der Liste; ausser diesen eine unübersehliche Anzahl von Klöstern, welche die Protestanten sich zugeeignet hatten. Dieses Edikt war ein Donnerschlag für das ganze protestantische Deutschland; schrecklich schon an sich selbst durch das, was es wirklich nahm; schrecklicher noch durch das, was er für die Zukunft befürchten ließ, und wovon man es nur als einen Vorläufer betrachtete. Jezt sahen es die Protestanten als ausgemacht an, daß der Untergang ihrer Religion von dem Kaiser und der katholischen Ligue beschlossen sey, und daß der Untergang Deutscher Freyheit ihr bald nachfolgen werde. Auf keine Gegenvorstellung ward geachtet, die Kommissarien wurden ernannt, und eine Armee zusammen gezogen, ihnen Gehorsam zu verschaffen. Mit Augsburg, wo der Friede geschlossen worden, machte man den Anfang; die Stadt mußte unter die Gerichtsbarkeit ihres Bischofs zurück treten, und sechs protestantische Kirchen wurden darin geschlossen. Eben so mußte der Herzog von Wirtemberg seine Klöster heraus geben. Dieser Ernst schreckte alle evangelische Reichsstände auf, aber ohne sie zu einem thätigen Widerstand begeistern zu können. Die Furcht vor des Kaisers Macht wirkte zu mächtig: schon fing ein grosser Theil an, sich zur Nachgiebigkeit zu neigen. Die Hoffnung, auf einem friedlichen Wege zu Erfüllung ihres Wunsches zu gelangen, bewog deswegen die Katholischen, mit Vollstreckung des Edikts noch ein Jahr lang zu zögern, und dieß rettete die Protestanten. Ehe diese Frist um war, hatte das Glück der Schwedischen Waffen die ganze Gestalt der Dinge verändert.

Auf einer Churfürstenversammlung zu Regensburg, welcher Ferdinand in Person beywohnte, (1630) sollte nun mit allem Ernst an der gänzlichen Beruhigung Deutschlands und an Hebung aller Beschwerden gearbeitet werden. Diese waren von Seiten der Katholischen nicht viel geringer, als [156] von Seiten der Evangelischen, so sehr auch Ferdinand sich überredete, alle Mitglieder der Ligue durch das Restitutionsedikt, und den Anführer derselben durch Ertheilung der Churwürde und durch Einräumung des größten Theils der Pfälzischen Lande sich verpflichtet zu haben. Das gute Verständniß zwischen dem Kaiser und den Fürsten der Ligue hatte seit Wallensteins Erscheinung unendlich gelitten. Gewohnt, den Gesezgeber in Deutschland zu spielen, und selbst über das Schicksal des Kaisers zu gebiethen, sah sich der stolze Churfürst von Bayern durch den kaiserlichen Feldherrn auf einmal entbehrlich gemacht, und seine ganze bisherige Wichtigkeit zugleich mit dem Ansehen der Ligue verschwunden. Ein andrer trat jezt auf, die Früchte seiner Siege zu ärnten, und alle seine vergangenen Dienste in Vergessenheit zu stürzen. Der übermüthige Charakter des Herzogs von Friedland, dessen süssester Triumph war, dem Ansehen der Fürsten Hohn zu sprechen, und der Autorität seines Herrn eine verhaßte Ausdehnung zu geben, trug nicht wenig dazu bey, die Empfindlichkeit des Churfürsten zu vermehren. Unzufrieden mit dem Kaiser und voll Mißtrauen gegen seine Gesinnungen, hatte er sich in ein Bündniß mit Frankreich eingelassen, dessen sich auch die übrigen Fürsten der Ligue verdächtig machten. Die Furcht vor den Vergrösserungsplanen des Kaisers, der Unwille über die gegenwärtigen schreyenden Uebel, hatte bey diesen jedes Gefühl der Dankbarkeit erstickt. Wallensteins Erpressungen waren bis zum Unerträglichen gegangen. Brandenburg gab den erlittenen Schaden auf zwanzig, Pommern auf zehen, Hessen auf sieben Millionen an, die übrigen nach Verhältniß. Allgemein, nachdrücklich, heftig war das Geschrey um Hülfe, umsonst alle Gegenvorstellungen, kein Unterschied zwischen Katholiken und Protestanten, alles über diesen Punkt nur eine einzige Stimme. Mit Fluten von Bittschriften, alle wider Wallenstein gerichtet, stürmte man auf den [157] erschrockenen Kaiser ein, und erschütterte sein Ohr durch die schauderhaftesten Beschreibungen der erlittenen Gewaltthätigkeiten. Ferdinand war kein Barbar. Wenn auch nicht unschuldig an den Abscheulichkeiten, die sein Name in Deutschland verübte, doch unbekannt mit dem Uebermasse derselben, besann er sich nicht lange, den Foderungen der Fürsten zu willfahren, und von seinen im Felde stehenden Heeren sogleich achtzehn tausend Mann Reuterey abzudanken. Als diese Truppenverminderung geschah, rüsteten sich die Schweden schon lebhaft zu ihrem Einmarsch in Deutschland, und der größte Theil der entlassenen kaiserlichen Soldaten eilte unter ihre Fahnen.

Diese Nachgiebigkeit Ferdinands diente nur dazu, den Churfürsten von Bayern zu kühnern Foderungen zu ermuntern. Der Triumph über das Ansehen des Kaisers war unvollkommen, so lange der Herzog von Friedland das oberste Kommando behielt. Schwer rächten sich jezt die Fürsten an dem Uebermuthe dieses Feldherrn, den sie alle ohne Unterschied hatten fühlen müssen. Die Absezung desselben wurde daher von dem ganzen Churfürstencollegium, selbst von den Spaniern, mit einer Einstimmigkeit und Hize gefodert, die den Kaiser in Erstaunen sezte. Aber selbst diese Einstimmigkeit, diese Heftigkeit, mit welcher die Neider des Kaisers auf Wallensteins Absezung drangen, mußte ihn von der Wichtigkeit dieses Dieners überzeugen. Wallenstein, von den Kabalen unterrichtet, welche in Regensburg gegen ihn geschmiedet wurden, verabsäumte nichts, dem Kaiser über die wahren Absichten des Churfürsten von Bayern die Augen zu öffnen. Er erschien selbst in Regensburg, aber mit einem Prunke, der selbst den Kaiser verdunkelte, und dem Haß seiner Gegner nur neue Nahrung gab.

Lange Zeit konnte der Kaiser sich nicht entschließen. [158] Schmerzlich war das Opfer, das man von ihm foderte. Seine ganze Ueberlegenheit hatte er dem Herzog von Friedland zu danken; er fühlte, wie viel er hingab, wenn er ihn dem Hasse der Fürsten aufopferte. Aber zum Unglück bedurfte er gerade jezt den guten Willen der Churfürsten. Er ging damit um, seinem Sohn Ferdinand, erwähltem König von Ungarn, die Nachfolge im Reiche zuzuwenden, wozu ihm die Einwilligung Maximilians unentbehrlich war. Diese Angelegenheit war ihm die dringendste, und er scheute sich nicht, seinen wichtigsten Diener aufzuopfern, um den Churfürsten von Bayern zu verpflichten.

Auf eben diesem Churfürstentage zu Regensburg befanden sich auch Abgeordnete aus Frankreich, bevollmächtigt, einen Krieg beyzulegen, der sich zwischen dem Kaiser und ihrem Herrn in Italien zu entzünden drohte. Herzog Vinzenz von Mantua und Montferat war gestorben, ohne Kinder zu hinterlassen. Sein nächster Anverwandter, Karl Herzog von Nevers, hatte sogleich von dieser Erbschaft Besiz genommen, ohne dem Kaiser, als oberstem Lehnsherrn dieser Fürstenthümer, die schuldige Pflicht zu erweisen. Auf Französischen und Venetianischen Beystand gestüzt, beharrte er auf seiner Weigerung, diese Länder bis zu Entscheidung seines Rechts in die Hände der kaiserlichen Kommissarien zu übergeben. Ferdinand, in Feuer gesezt von den Spaniern, denen, als Besizern von Mailand, die nahe Nachbarschaft eines Französischen Vasallen äußerst bedenklich, und die Gelegenheit willkommen war, mit Hülfe des Kaisers Eroberungen in diesem Theile Italiens zu machen, griff zu den Waffen. Aller Gegenbemühungen Pabst Urbans VIII. ungeachtet, der den Krieg ängstlich von diesen Gegenden zu entfernen suchte, schickte er eine Deutsche Armee über die Alpen, deren unerwartete Erscheinung alle Italienische Staaten in Schrecken sezte. Seine Waffen waren siegreich durch ganz Deutschland, als dieß in Italien geschah, und die [159] alles vergrößernde Furcht glaubte nun, die alten Entwürfe Oesterreichs zur Universalmonarchie auf einmal wieder aufleben zu sehen. Die Schrecken des Deutschen Kriegs verbreiteten sich nun auch über die gesegneten Fluren, welche der Po durchströmt, die Stadt Mantua wurde mit Sturm erobert, und alles Land umher mußte die verwüstende Gegenwart gesezloser Schaaren empfinden. Zu den Verwünschungen, welche weit und breit durch ganz Deutschland wider den Kaiser erschallten, gesellten sich nunmehr auch die Flüche Italiens, und im Conclave selbst stiegen von jezt an stille Wünsche für das Glück der Schwedischen Waffen zum Himmel.

Abgeschreckt durch den allgemeinen Haß, welchen dieser Italienische Feldzug ihm zugezogen, und durch das dringende Anliegen der Churfürsten ermüdet, die das Gesuch der Französischen Minister mit Eifer unterstüzten, gab der Kaiser den Vorschlägen Frankreichs Gehör, und versprach dem neuen Herzog von Mantua die Belehnung.

Dieser wichtige Dienst von Seiten Bayerns war von Französischer Seite einen Gegendienst werth. Die Schließung des Traktats gab den Gevollmächtigten Richelieus eine erwünschte Gelegenheit, den Kaiser während ihrer Anwesenheit zu Regensburg mit den gefährlichsten Intriguen zu umspinnen, die mißvergnügten Fürsten der Ligue immer mehr gegen ihn zu reizen, und alle Verhandlungen dieses Churfürstentages zum Nachtheil des Kaisers zu leiten. Zu diesem Geschäfte hatte sich Richelieu in der Person des Kapuziner Paters Joseph, der dem Gesandten als ein ganz unverdächtiger Begleiter an die Seite gegeben war, ein treffliches Werkzeug auserlesen. Eine seiner ersten Instruktionen war, die Absezung Wallensteins mit Eifer zu betreiben. Mit dem General, der sie zum Sieg geführt hatte, verloren die Oesterreichischen Armeen den größten Theil ihrer Stärke – [160] ganze Heere konnten den Verlust dieses einzigen Mannes nicht ersezen. Ein Hauptstreich der Politik war es also, zu eben der Zeit, wo ein siegreicher König, unumschränkter Herr seiner Kriegsoperationen, gegen den Kaiser anrückte, den einzigen Feldherrn, der ihm an Kriegserfahrung und an Ansehen gleich war, von der Spize der kaiserlichen Armeen wegzureißen. Pater Joseph, mit dem Churfürsten von Bayern einverstanden, unternahm es, die Unentschlossenheit des Kaisers zu besiegen, der von den Spaniern und dem ganzen Churfürstenrathe wie belagert war. „Es würde gut gethan seyn, meynte er, den Fürsten in diesem Stücke zu Gefallen zu leben, um desto eher zu der Römischen Königswahl seines Sohnes ihre Stimme zu erhalten. Würde nur dieser Sturm erst vorüber seyn, so fände sich Wallenstein alsdann schnell genug wieder, um seinen vorigen Plaz einzunehmen.“ – Der listige Kapuziner war seines Mannes zu gewiß, um bey diesem Trostgrunde etwas zu wagen.

Die Stimme eines Mönchs war für Ferdinand II. die Stimme Gottes. „Nichts auf Erden, schreibt sein eigner Beichtvater, war ihm heiliger, als ein priesterliches Haupt. Geschähe es, pflegte er oft zu sagen, daß ein Engel und ein Ordensmann zu Einer Zeit und an Einem Orte ihm begegneten, so würde der Ordensmann die erste, und der Engel die zweyte Verbeugung von ihm erhalten.“ Wallensteins Absezung ward beschlossen.

Zum Dank für dieses fromme Vertrauen arbeitete ihm der Kapuziner mit solcher Geschicklichkeit in Regensburg entgegen, daß seine Bemühungen, dem Könige von Ungarn die Römische Königswürde zu verschaffen, gänzlich mißlangen. In einem eignen Artikel des eben geschlossenen Vertrags hatten sich die Französischen Minister im Namen dieser Krone verbindlich gemacht, gegen alle Feinde des Kaisers die vollkommenste Neutralität zu beobachten – während [161] daß Richelieu mit dem Könige von Schweden bereits in Traktaten stand, ihn zum Kriege aufmunterte, und ihm die Allianz seines Herrn aufdrang. Auch nahm er diese Lüge zurück, sobald sie ihre Wirkung gethan hatte, und Pater Joseph mußte in einem Kloster die Verwegenheit büßen, seine Vollmacht überschritten zu haben. Zu spät wurde Ferdinand gewahr, wie sehr man seiner gespottet hatte. „Ein schlechter Kapuziner, hörte man ihn sagen, hat mich durch seinen Rosenkranz entwaffnet, und nicht weniger als sechs Churhüte in seine enge Kapuze geschoben.“ – Betrug und List triumphierten also über diesen Kaiser, zu einer Zeit, wo man ihn in Deutschland allmächtig glaubte, und wo er es durch seine Waffen wirklich war. Um funfzehn tausend Mann ärmer, ärmer um einen Feldherrn, der ihm den Verlust eines Heeres ersezte, verließ er Regensburg, ohne den Wunsch erfüllt zu sehen, um dessentwillen er alle diese Opfer brachte. Ehe ihn die Schweden im Felde schlugen, hatten ihn Maximilian von Bayern und Pater Joseph unheilbar verwundet. Auf eben dieser merkwürdigen Versammlung zu Regensburg wurde der Krieg mit Schweden entschieden, und der in Mantua geendigt. Fruchtlos hatten sich auf demselben die Fürsten für die Herzoge von Mecklenburg bey dem Kaiser verwendet, Englische Gesandte eben so fruchtlos um einen Jahrgehalt für den Pfalzgrafen Friedrich gebettelt.

Wallenstein hatte über eine Armee von beynahe hundert tausend Mann zu gebiethen, von denen er angebethet wurde, als das Urtheil der Absezung ihm verkündigt werden sollte. Die meisten Offiziere waren seine Geschöpfe, seine Winke – Aussprüche des Schicksals für den gemeinen Soldaten. Grenzenlos war sein Ehrgeiz, unbeugsam sein Stolz, sein gebietherischer Geist nicht fähig, eine Kränkung ungerochen zu erdulden. Ein Augenblick sollte ihn jezt von der Fülle der Gewalt in das Nichts des [162] Privatstandes herunter stürzen. Eine solche Sentenz gegen einen solchen Verbrecher zu vollstrecken, schien nicht viel weniger Kunst zu kosten, als es gekostet hatte, sie dem Richter zu entreißen. Auch hatte man deswegen die Vorsicht gebraucht, zwey von Wallensteins genauesten Freunden zu Ueberbringern dieser schlimmen Bothschaft zu wählen, welche durch die schmeichelhaftesten Zusicherungen der fortdauernden kaiserlichen Gnade so sehr als möglich gemildert werden sollte.

Wallenstein wußte längst den ganzen Inhalt ihrer Sendung, als die Abgesandten des Kaisers ihm vor die Augen traten. Er hatte Zeit gehabt, sich zu sammeln, und sein Gesicht zeigte Heiterkeit, während daß Schmerz und Wuth in seinem Busen stürmten. Aber er hatte beschlossen zu gehorchen. Dieser Urtheilsspruch überraschte ihn, ehe zu einem kühnen Schritte die Umstände reif, und die Anstalten fertig waren. Seine weitläuftigen Güter waren in Böhmen und Mähren zerstreut; durch Einziehung derselben konnte der Kaiser ihm den Nerven seiner Macht zerschneiden. Von der Zukunft erwartete er Genugthuung, und in dieser Hoffnung bestärkten ihn die Prophezeihungen eines Italienischen Astrologen, der diesen ungebändigten Geist, gleich einem Knaben, am Gängelbande führte. Seni, so hieß er, hatte es in den Sternen gelesen, daß die glänzende Laufbahn seines Herrn noch lange nicht geendigt sey, daß ihm die Zukunft noch ein schimmerndes Glück aufbewahre. Man brauchte die Sterne nicht zu bemühen, um mit Wahrscheinlichkeit vorher zu sagen, daß ein Feind wie Gustav Adolph, einen General wie Wallenstein nicht lange entbehrlich lassen würde.

„Der Kaiser ist verrathen, antwortete Wallenstein den Gesandten, ich bedaure ihn, aber ich vergeb’ ihm. Es ist klar, daß ihn der hochfahrende Sinn des Bayern dominirt. Zwar thut mirs [163] wehe, daß er mich mit so wenigem Widerstande hingegeben hat, aber ich will gehorchen.“ Die Abgeordneten entließ er fürstlich beschenkt, und den Kaiser ersuchte er in einem demüthigen Schreiben, ihn seiner Gunst nicht zu berauben, und bey den erworbenen Würden zu schüzen. Allgemein war das Murren der Armee, als die Absezung ihres Feldherrn bekannt wurde, und der beste Theil seiner Offiziere trat sogleich aus dem kaiserlichen Dienst. Viele folgten ihm auf seine Güter nach Böhmen und Mähren; andre fesselte er durch beträchtliche Pensionen, um sich ihrer bey Gelegenheit sogleich bedienen zu können.

Sein Plan war nichts weniger als Ruhe, da er in die Stille des Privatstandes zurück trat. Der Pomp eines Königs umgab ihn in dieser Einsamkeit, und schien dem Urtheilsspruch seiner Erniedrigung Hohn zu sprechen. Sechs Pforten führten zu dem Pallaste, den er in Prag bewohnte, und hundert Häuser mußten nieder gerissen werden, um dem Schloßhofe Raum zu machen. Aehnliche Palläste wurden auf seinen übrigen zahlreichen Gütern erbaut. Kavalliere aus den edelsten Häusern wetteiferten um die Ehre, ihn zu bedienen, und man sah kaiserliche Kammerherren den goldenen Schlüssel zurück geben, um bey Wallenstein eben dieses Amt zu bekleiden. Er hielt sechzig Pagen, die von den trefflichsten Meistern unterrichtet wurden; sein Vorzimmer wurde stets durch funfzig Trabanten bewacht. Seine gewöhnliche Tafel war nie unter hundert Gängen, sein Haushofmeister eine vornehme Standesperson. Reis’te er über Land, so wurde ihm Geräthe und Gefolge auf hundert sechs- und vierspännigen Wagen nachgefahren; in sechzig Karossen mit funfzig Handpferden folgte ihm sein Hof. Die Pracht der Livereyen, der Glanz der Equipage und der Schmuck der Zimmer war dem übrigen Aufwande gemäß. Sechs Barone und eben so viel Ritter mußten beständig seine Person umgeben um jeden Wink zu vollziehen – zwölf Patrouillen die Runde [164] um seinen Pallast machen, um jeden Lärm abzuhalten. Sein immer arbeitender Kopf brauchte Stille; kein Gerassel der Wagen durfte seiner Wohnung nahe kommen, und die Straßen wurden nicht selten durch Ketten gesperrt. Stumm, wie die Zugänge zu ihm, war auch sein Umgang. Finster, verschlossen, unergründlich, sparte er seine Worte mehr als seine Geschenke, und das wenige, was er sprach, wurde mit einem widrigen Ton ausgestoßen. Er lachte niemals, und den Verführungen der Sinne widerstand die Kälte seines Bluts. Immer geschäftig und von großen Entwürfen bewegt, entsagte er allen leeren Zerstreuungen, wodurch andre das kostbare Leben vergeuden. Einen durch ganz Europa ausgebreiteten Briefwechsel besorgte er selbst, die meisten Aufsäze schrieb er mit eigener Hand nieder, um der Verschwiegenheit andrer so wenig als möglich anzuvertrauen. Er war von großer Statur und hager, gelblicher Gesichtsfarbe, röthlichen kurzen Haaren, kleinen aber funkelnden Augen. Ein furchtbarer zurück schreckender Ernst saß auf seiner Stirne, und nur das Uebermaß seiner Belohnungen konnte die zitternde Schaar seiner Diener fest halten.

In dieser prahlerischen Dunkelheit erwartete Wallenstein still, doch nicht müßig, seine glänzende Stunde, und der Rache aufgehenden Tag; bald ließ ihn Gustav Adolphs reißender Siegeslauf ein Vorgefühl derselben genießen. Von seinen hochfliegenden Planen ward kein einziger aufgegeben; der Undank des Kaisers hatte seinen Ehrgeiz von einem lästigen Zügel befreyt. Der blendende Schimmer seines Privatlebens verrieth den stolzen Schwung seiner Entwürfe, und verschwenderisch wie ein Monarch, schien er die Güter seiner Hoffnung schon unter seine gewissen Besizungen zu zählen.

Nach Wallensteins Abdankung und Gustav Adolphs Landung mußte ein neuer Generalissimus aufgestellt [165] werden; zugleich schien es nöthig zu seyn, das bisher getrennte Commando der kaiserlichen und ligistischen Truppen in einer einzigen Hand zu vereinigen. Maximilian von Bayern trachtete nach diesem wichtigen Posten, der ihn zum Herrn des Kaisers machen konnte; aber eben dieß bewog leztern, sich für den König von Ungarn, seinen ältesten Sohn, darum zu bewerben. Endlich, um beyde Competenten zu entfernen, und keinen Theil ganz unbefriedigt zu lassen, übergab man das Commando dem ligistischen General Tilly, der nunmehr den Bayrischen Dienst gegen den Oesterreichischen vertauschte. Die Armeen, welche Ferdinand auf Deutschem Boden stehen hatte, beliefen sich, nach Abgang der Wallensteinischen Truppen, auf etwa 40,000 Mann; nicht viel schwächer war die ligistische Kriegsmacht; beyde durch treffliche Offiziere befehligt, durch viele Feldzüge geübt, und stolz auf eine lange Reihe von Siegen. Mit dieser Macht glaubte man um so weniger Ursache zu haben, vor der Annäherung des Königs von Schweden zu zittern, da man Pommern und Mecklenburg inne hatte, die einzigen Pforten, durch welche er in Deutschland hereinbrechen konnte.

Nach dem unglücklichen Versuche des Königs von Dänemark, die Progressen des Kaisers zu hemmen, war Gustav Adolph der einzige Fürst in Europa, von welchem die unterliegende Freyheit Rettung zu hoffen hatte, der einzige zugleich, der durch die stärksten politischen Gründe dazu aufgefodert, durch erlittne Beleidigungen dazu berechtigt, und durch persönliche Fähigkeiten dieser gewagten Unternehmung gewachsen war. Wichtige Staatsgründe, welche er mit Dänemark gemein hatte, hatten ihn, schon vor dem Ausbruche des Kriegs in Niedersachsen, bewogen, seine Person und seine Heere zur Vertheidigung Deutschlands anzubiethen; damals hatte ihn der König von Dänemark zu seinem eigenen Unglücke verdrängt. Seit dieser Zeit hatte der Uebermuth Wallensteins und der [166] despotische Stolz des Kaisers es nicht an Aufforderungen fehlen lassen, die ihn persönlich erhizen und als König bestimmen mußten. Kaiserliche Truppen waren dem Pohlnischen König Sigismund zu Hülfe geschickt worden, um Preußen gegen die Schweden zu vertheidigen. Dem König, welcher sich über diese Feindseligkeit gegen Wallenstein beklagte, wurde geantwortet: „Der Kaiser habe der Soldaten zu viel. Er müsse seinen guten Freunden damit aushelfen.“ Von dem Kongresse mit Dänemark zu Lübeck hatte eben dieser Wallenstein die Schwedischen Gesandten mit beleidigendem Troz abgewiesen, und, da sie sich dadurch nicht schrecken ließen, mit einer Behandlung bedroht, welche das Völkerrecht verlezte. Ferdinand hatte die Schwedischen Flaggen insultiren, und Depeschen des Königs nach Siebenbürgen auffangen lassen. Er fuhr fort, den Frieden zwischen Pohlen und Schweden zu erschweren, die Anmaßungen Sigismunds auf den Schwedischen Thron zu unterstüzen, und Gustav Adolphen den königlichen Titel zu weigern. Die wiederholtesten Gegenvorstellungen Gustavs hatte er keiner Aufmerksamkeit gewürdigt, und neue Beleidigungen hinzu gefügt, anstatt die verlangte Genugthuung für die alten zu leisten.

So viele persönliche Aufforderungen, durch die wichtigsten Staats- und Gewissensgründe unterstüzt, und verstärkt durch die dringendsten Einladungen aus Deutschland, mußten auf das Gemüth eines Fürsten Eindruck machen, der auf seine königliche Ehre desto eifersüchtiger war, je mehr man geneigt seyn konnte, sie ihm streitig zu machen, der sich durch den Ruhm, die Unterdrückten zu beschüzen, unendlich geschmeichelt fand, und den Krieg, als das eigentliche Element seines Genies, mit Leidenschaft liebte. Aber ehe ein Waffenstillstand oder Friede mit Pohlen ihm freye Hände gab, konnte an einen neuen und gefahrvollen Krieg mit Ernst nicht gedacht werden.

[167] Der Kardinal Richelieu hatte das Verdienst, diesen Waffenstillstand mit Pohlen herbey zu führen. Dieser große Staatsmann, das Steuer Europens in der einen Hand, indem er die Wuth der Faktionen und den Dünkel der Großen in dem Innern Frankreichs mit der andern darnieder beugte, verfolgte mitten unter den Sorgen einer stürmischen Staatsverwaltung unerschütterlich seinen Plan, die anwachsende Macht Oesterreichs in ihrem stolzen Laufe zu hemmen. Aber die Umstände, welche ihn umgaben, sezten diesen Entwürfen nicht geringe Hindernisse in der Ausführung entgegen, denn auch dem größten Geist möchte es ungestraft nicht hingehen, den Wahnbegriffen seiner Zeit Hohn zu sprechen. Minister eines katholischen Königs, und durch den Purpur, den er trug, selbst Fürst der Römischen Kirche, durfte er es jezt noch nicht wagen, im Bündniß mit den Feinden seiner Kirche öffentlich eine Macht anzugreifen, welche die Anmaßungen ihres Ehrgeizes durch den Namen der Religion vor der Menge zu heiligen gewußt hatte. Die Schonung, welche Richelieu den eingeschränkten Begriffen seiner Zeitgenossen schuldig war, schränkte seine politische Thätigkeit auf die behutsamen Versuche ein, hinter der Decke verborgen zu wirken, und die Entwürfe seines erleuchteten Geistes durch eine fremde Hand zu vollstrecken. Nachdem er sich umsonst bemüht hatte, den Frieden Dänemarks mit dem Kaiser zu hindern, nahm er seine Zuflucht zu Gustav Adolph, dem Helden seines Jahrhunderts. Nichts wurde gespart, diesen König zur Entschließung zu bringen, und ihm zugleich die Mittel zur Ausführung zu erleichtern. Charnasse, ein unverdächtiger Unterhändler des Kardinals, erschien in Pohlnisch Preußen, wo Gustav Adolph gegen Sigismund Krieg führte, und wanderte von einem der beyden Könige zum andern, um einen Waffenstillstand oder Frieden zwischen ihnen zu Stande zu bringen. Gustav Adolph war längst dazu bereit, und endlich gelang es dem Französischen [168] Minister, auch dem König Sigismund über sein wahres Interesse und die betrügerische Politik des Kaisers die Augen zu öffnen. Ein Waffenstillstand wurde auf sechs Jahre zwischen beyden Königen geschlossen, durch welchen Gustav im Besiz aller seiner Eroberungen blieb, und die lang gewünschte Freyheit erhielt, seine Waffen gegen den Kaiser zu kehren. Der Französische Unterhändler both ihm zu dieser Unternehmung die Allianz seines Königs und beträchtliche Hülfsgelder an, welche nicht zu verachten waren. Aber Gustav Adolph fürchtete nicht ohne Grund, sich durch Annehmung derselben in eine Abhängigkeit von Frankreich zu sezen, die ihm vielleicht mitten im Laufe seiner Siege Fesseln anlegte, und durch das Bündniß mit einer katholischen Macht Mißtrauen bey den Protestanten zu erwecken.

So dringend und gerecht dieser Krieg war, so vielversprechend waren die Umstände, unter welchen Gustav Adolph ihn unternahm. Furchtbar zwar war der Name des Kaisers, unerschöpflich seine Hülfsquellen, unüberwindlich bisher seine Macht; jeden andern als Gustav würde ein so gefahrvolles Spiel zurück geschreckt haben. Gustav übersah alle Hindernisse und Gefahren, welche sich seinem Unternehmen entgegen stellten; aber er kannte auch die Mittel, wodurch er sie zu besiegen hoffte. Nicht beträchtlich, aber wohldisciplinirt war seine Kriegsmacht, durch ein strenges Klima und anhaltende Feldzüge abgehärtet, in dem Pohlnischen Kriege zum Sieg gebildet. Schweden, obgleich arm an Geld und an Menschen, und durch einen achtjährigen Krieg über Vermögen angestrengt, war seinem König mit einem Enthusiasmus ergeben, der ihn die bereitwilligste Unterstüzung von seinen Reichsständen hoffen ließ. In Deutschland war der Name des Kaisers wenigstens eben so sehr gehaßt als gefürchtet. Die protestantischen Fürsten schienen nur die Ankunft eines Befreyers zu erwarten, um das unleidliche Joch der Tyranney abzuwerfen, und sich [169] öffentlich für Schweden zu erklären. Selbst den katholischen Ständen konnte die Erscheinung eines Gegners nicht unwillkommen seyn, der die überwiegende Macht des Kaisers beschränkte. Der erste Sieg, auf Deutschem Boden erfochten, mußte für seine Sache entscheidend seyn, die noch zweifelnden Fürsten zur Erklärung bringen, den Muth seiner Anhänger stärken, den Zulauf zu seinen Fahnen vermehren, und zu Fortsezung des Krieges reichliche Hülfsquellen eröffnen. Hatten gleich die mehresten Deutschen Länder durch die bisherigen Bedrückungen unendlich gelitten, so waren doch die wohlhabenden hanseatischen Städte bis jezt davon frey geblieben, die kein Bedenken tragen konnten, mit einem freywilligen mäßigen Opfer einem allgemeinen Ruin vorzubeugen. Aus je mehrern Ländern man die Kaiserlichen verjagte, desto mehr mußten ihre Heere schmelzen, die nur allein von den Ländern lebten, in denen sie standen. Unzeitige Truppenversendungen nach Italien und den Niederlanden hatten ohnehin die Macht des Kaisers vermindert; Spanien, durch den Verlust seiner Amerikanischen Silberflotte geschwächt, und durch einen ernstlichen Krieg in den Niederlanden beschäftigt, konnte ihm wenig Unterstüzung gewähren. Dagegen machte Großbritannien dem Könige von Schweden zu beträchtlichen Subsidien Hoffnung, und Frankreich, welches eben jezt mit sich selbst Frieden machte, kam ihm mit den vortheilhaftesten Anerbiethungen bey seiner Unternehmung entgegen.

Aber die sicherste Bürgschaft für den glücklichen Erfolg seiner Unternehmung fand Gustav Adolph – in sich selbst. Die Klugheit erfoderte es sich aller äusserlichen Hülfsmittel zu versichern, und dadurch sein Unternehmen vor dem Vorwurf der Verwegenheit zu schüzen; aus seinem Busen allein nahm er seine Zuversicht und seinen Muth. Gustav Adolph war ohne Widerspruch der erste Feldherr seines Jahrhunderts, und der tapferste Soldat in seinem Heer, das er sich [170] selbst erst geschaffen hatte. Mit der Taktik der Griechen und Römer vertraut, hatte er eine bessere Kriegskunst erfunden, welche den größten Feldherrn der folgenden Zeiten zum Muster diente. Die unbehülflichen großen Eskadrons verringerte er, um die Bewegungen der Reiterey leichter und schneller zu machen; zu eben dem Zwecke rückte er die Bataillons in weitern Entfernungen aus einander. Er stellte seine Armee, welche gewöhnlich nur eine einzige Linie einnahm, in einer gedoppelten Linie in Schlachtordnung, daß die zwote anrücken konnte, wenn die erste zum Weichen gebracht war. Den Mangel an Reiterey wußte er dadurch zu ersezen, daß er Fußgänger zwischen die Reiter stellte, welches sehr oft den Sieg entschied; die Wichtigkeit des Fußvolks in Schlachten lernte Europa erst von ihm. Ganz Deutschland hat die Mannszucht bewundert, durch welche sich die Schwedischen Heere auf Deutschem Boden so rühmlich unterschieden. Alle Ausschweifungen wurden aufs strengste geahndet; am strengsten Gotteslästerung, Raub, Spiel, und Duelle. In den Schwedischen Kriegsgesezen ward die Mäßigkeit befohlen; auch erblickte man in dem Schwedischen Lager, das Gezelt des Königs nicht ausgenommen, weder Silber noch Gold. Das Auge des Feldherrn wachte mit eben der Sorgfalt über die Sitten des Soldaten, wie über die kriegerische Tapferkeit. Jedes Regiment mußte zum Morgen- und Abendgebet einen Kreis um seinen Prediger schließen, und unter freyem Himmel seine Andacht halten. In allem diesem war der Gesezgeber zugleich Muster. Eine ungekünstelte lebendige Gottesfurcht erhöhte den Muth, der sein großes Herz beseelte. Gleich frey von dem rohen Unglauben, der den wilden Begierden des Barbaren ihren nothwendigen Zügel nimmt, und von der kriechenden Andächteley eines Ferdinands, die sich vor der Gottheit zum Wurm erniedrigt, und auf dem Nacken der Menschheit trozig einher wandelt, blieb er auch in der Trunkenheit seines Glückes noch Mensch und noch Christ, aber auch in seiner [171] Andacht noch Held und noch König. Alles Ungemach des Kriegs ertrug er gleich dem Geringsten aus dem Heere; mitten in dem schwärzesten Dunkel der Schlacht war es Licht in seinem Geiste; allgegenwärtig mit seinem Blicke, vergaß er den Tod, der ihn umringte; stets fand man ihn auf dem Wege der furchtbarsten Gefahr. Seine natürliche Herzhaftigkeit ließ ihn nur allzu oft vergessen, was er dem Feldherrn schuldig war, und dieses königliche Leben endigte der Tod eines Gemeinen. Aber einem solchen Führer folgte der Feige wie der Muthige zum Sieg, und seinem alles beleuchtenden Adlerblick entging keine Heldenthat, die sein Beyspiel geweckt hatte. Der Ruhm ihres Beherrschers entzündete in der Nation ein begeisterndes Selbstgefühl. Stolz auf diesen König, gab der Bauer in Finnland und Gothland freudig seine Armuth hin, versprizte der Soldat freudig sein Blut, und der hohe Schwung, den der Geist dieses Einzigen Mannes der Nation gegeben, überlebte noch lange Zeit seinen Schöpfer.

So wenig man über die Nothwendigkeit des Krieges im Zweifel war, so sehr war man es über die Art, wie er geführt werden sollte. Ein angreifender Krieg schien selbst dem muthvollen Kanzler Oxenstierna zu gewagt, die Hülfsmittel seines geldarmen und gewissenhaften Königs zu ungleich den unermeßlichen Ressourcen eines Despoten, der mit ganz Deutschland wie mit seinem Eigenthum schaltete. Diese furchtsamen Bedenklichkeiten des Ministers widerlegte die weiter sehende Klugheit des Helden. „Erwarten wir den Feind in Schweden, sagte Gustav, so ist alles verloren, wenn eine Schlacht verloren ist – alles ist gewonnen, wenn wir in Deutschland einen glücklichen Anfang machen. Das Meer ist groß, und wir haben in Schweden weitläuftige Küsten zu bewachen. Entwischte uns die feindliche Flotte, oder würde die unsrige geschlagen, so wäre es dann umsonst, die feindliche Landung zu verhindern. An der Erhaltung [172] Stralsunds muß uns alles liegen; so lange dieser Hafen uns offen steht, werden wir unser Ansehen auf der Ostsee behaupten, und einen freyen Verkehr mit Deutschland unterhalten. Aber um Stralsund zu beschüzen, dürfen wir uns nicht in Schweden verkriechen, sondern müssen mit einer Armee nach Pommern hinüber gehen. Redet mir also nichts mehr von einem Vertheidigungskriege, durch den wir unsere herrlichsten Vortheile verscherzen. Schweden selbst darf keine feindliche Fahne sehen, und werden wir in Deutschland besiegt, so ist es alsdann noch Zeit, euern Plan zu befolgen.“

Beschlossen ward also der Uebergang nach Deutschland und der Angriff des Kaisers. Die Zurüstungen wurden aufs lebhafteste betrieben, und die Vorkehrungen, welche Gustav traf, verriethen nicht weniger Vorsicht, als der Entschluß Kühnheit und Größe zeigte. Vor allem war es nöthig, in einem so weit entlegenen Kriege Schweden selbst gegen die zweydeutigen Gesinnungen der Nachbarn in Sicherheit zu sezen. Auf einer persönlichen Zusammenkunft mit dem Könige von Dänemark zu Markaröd versicherte sich Gustav der Freundschaft dieses Monarchen; gegen Moskau wurden die Grenzen gedeckt; Pohlen konnte man von Deutschland aus in Furcht erhalten, wenn es Lust bekommen sollte, den Waffenstillstand zu verlezen. Ein Schwedischer Unterhändler, von Falkenberg, welcher Holland und die Deutschen Höfe bereiste, machte seinem Herrn von Seiten mehrerer protestantischen Fürsten die schmeichelhaftesten Hoffnungen, obgleich noch keiner Muth und Verläugnung genug hatte, ein förmliches Bündniß mit ihm einzugehen. Die Städte Lübeck und Hamburg zeigten sich bereitwillig, Geld vorzuschießen, und an Zahlungs Statt Schwedisches Kupfer anzunehmen. Auch an den Fürsten von Siebenbürgen wurden vertraute Personen abgeschickt, diesen unversöhnlichen Feind Oesterreichs gegen den Kaiser in Waffen zu bringen.

[173] Unterdessen wurden in den Niederlanden und Deutschland Schwedische Werbungen eröffnet, die Regimenter vollzählig gemacht, neue errichtet, Schiffe herbey geschafft, die Flotte gehörig ausgerüstet, Lebensmittel, Kriegsbedürfnisse und Geld so viel nur möglich herbey getrieben. Dreyßig Kriegsschiffe waren in kurzer Zeit zum Auslaufen fertig, eine Armee von funfzehn tausend Mann stand bereit, und zwey hundert Transportschiffe waren bestimmt, sie überzusezen. Eine größere Macht wollte Gustav Adolph nicht nach Deutschland hinüber führen, und der Unterhalt derselben hätte auch bis jezt die Kräfte seines Königreichs überstiegen. Aber so klein diese Armee war, so vortrefflich war die Auswahl seiner Truppen in Disciplin, kriegerischem Muth und Erfahrung, die einen festen Kern zu einer größern Kriegsmacht abgeben konnte, wenn er den Deutschen Boden erst erreicht, und das Glück seinen ersten Anfang begünstigt haben würde. Oxenstierna, zugleich General und Kanzler, stand mit etwa zehn tausend Mann in Preußen, diese Provinz gegen Pohlen zu vertheidigen. Einige reguläre Truppen und ein ansehnliches Corps Landmiliz, welches der Hauptarmee zur Pflanzschule diente, blieb in Schweden zurück, damit ein bundbrüchiger Nachbar bey einem schnellen Ueberfall das Königreich nicht unvorbereitet fände.

Dadurch ward für die Vertheidigung des Reichs gesorgt. Nicht weniger Sorgfalt bewies Gustav Adolph bey Anordnung der innern Regierung. Die Regentschaft wurde dem Reichsrath, das Finanzwesen dem Pfalzgrafen Johann Kasimir, dem Schwager des Königs, übertragen, seine Gemahlin, so zärtlich er sie liebte, von allen Regierungsgeschäften entfernt, denen ihre eingeschränkten Fähigkeiten nicht gewachsen waren. Gleich einem Sterbenden bestellte er sein Haus. Am 20sten May 1630, nachdem alle Vorkehrungen getroffen, und alles zur Abfahrt in Bereitschaft war, erschien der König zu Stockholm in der [174] Reichsversammlung, den Ständen ein feyerliches Lebewohl zu sagen. Er nahm hier seine vierjährige Tochter Christina, die in der Wiege schon zu seiner Nachfolgerin erklärt war, auf die Arme, zeigte sie den Ständen als ihre künftige Beherrscherin, ließ ihr auf den Fall, daß er selbst nimmer wiederkehrte den Eid der Treue erneuern, und darauf die Verordnung ablesen, wie es während seiner Abwesenheit oder der Minderjährigkeit seiner Tochter mit der Regentschaft des Reichs gehalten werden sollte. In Thränen zerfloß die ganze Versammlung und der König selbst brauchte Zeit, um zu seiner Abschiedsrede an die Stände die nöthige Fassung zu erhalten.

„Nicht leichtsinniger Weise, fing er an, stürze ich mich und euch in diesen neuen gefahrvollen Krieg. Mein Zeuge ist der allmächtige Gott, daß ich nicht aus Vergnügen fechte. Der Kaiser hat mich in der Person meiner Gesandten aufs grausamste beleidigt, er hat meine Feinde unterstüzt, er verfolgt meine Freunde und Brüder, tritt meine Religion in den Staub, und streckt die Hand aus nach meiner Krone. Dringend flehen uns die unterdrückten Stände Deutschlands um Hülfe, und wenn es Gott gefällt, so wollen wir sie ihnen geben.

Ich kenne die Gefahren, denen mein Leben ausgesezt seyn wird. Nie habe ich sie gemieden, und schwerlich werde ich ihnen ganz entgehen. Bis jezt zwar hat mich die Allmacht wunderbar behütet, aber ich werde doch endlich sterben in der Vertheidigung meines Vaterlandes. Ich übergebe euch dem Schuz des Himmels. Seyd gerecht, seyd gewissenhaft, wandelt unsträflich, so werden wir uns in der Ewigkeit wieder begegnen.

An euch, meine Reichsräthe, wende ich mich zuerst. Gott erleuchte euch, und erfülle euch mit Weisheit, meinem Königreiche stets das Beste zu rathen. [175] Euch, tapfrer Adel, empfehle ich dem göttlichen Schutz. Fahret fort, euch als würdige Nachkommen jener heldenmüthigen Gothen zu erweisen, deren Tapferkeit das alte Rom in den Staub stürzte. Euch, Diener der Kirche, ermahne ich zur Verträglichkeit und Eintracht; seyd selbst Muster der Tugenden, die ihr predigt, und mißbrauchet nie eure Herrschaft über die Herzen meines Volks. Euch, Deputierte des Bürger- und Bauernstandes, wünsche ich den Segen des Himmels, euerm Fleiß eine erfreuende Aernte, Fülle euern Scheunen, Ueberfluß an allen Gütern des Lebens. Für euch alle, abwesende und gegenwärtige, schicke ich aufrichtige Wünsche zum Himmel. Ich sage euch allen mein zärtliches Lebewohl. Ich sage es vielleicht auf ewig.“

Zu Elfsnaben, wo die Flotte vor Anker lag, erfolgte die Einschiffung der Truppen; eine unzählige Menge Volks war herbei geströmt, dieses eben so prächtige als rührende Schauspiel zu sehen. Die Herzen der Zuschauer waren von den verschiedensten Empfindungen bewegt, je nachdem sie bey der Größe des Wagestücks oder bey der Größe des Mannes verweilten. Unter den hohen Offizieren, welche bey diesem Heere kommandirten, haben sich Gustav Horn, Rheingraf Otto Ludwig, Heinrich Matthias Graf von Thurn, Ortenburg, Baudissen, Banner, Teufel, Tott, Mutsenfahl, Falkenberg, Kniphausen und andere mehr einen glänzenden Namen erworben. Die Flotte, von widrigen Winden aufgehalten, konnte erst im Junius unter Segel gehn, und erreichte am 24sten dieses Monats die Insel Rügen an der Küste von Pommern.

Gustav Adolph war der erste, der hier ans Land stieg. Im Angesicht seines Gefolges kniete er nieder auf Deutschlands Erde, und dankte der Allmacht für die Erhaltung seiner Armee und seiner Flotte. Auf den Inseln Wollin und Usedom sezte er seine Truppen [176] ans Land; die kaiserlichen Besazungen verließen sogleich bey seiner Annäherung ihre Schanzen, und entflohen. Gleich sein erster Eintritt in Deutschland war Eroberung. Mit Blitzes-Schnelligkeit erschien er vor Stettin, sich dieses wichtigen Plazes zu versichern, ehe die Kaiserlichen ihm zuvor kämen. Bogisla XIV. Herzog von Pommern, ein schwacher und alternder Prinz, war lange schon der Mißhandlungen müde, welche die Kaiserlichen in seinem Lande ausgeübt hatten, und fortfuhren auszuüben; aber zu kraftlos, ihnen Widerstand zu thun, hatte er sich mit stillem Murren unter die Uebermacht gebeugt. Die Erscheinung seines Retters, anstatt seinen Muth zu beleben, erfüllte ihn mit Furcht und Zweifeln. So sehr sein Land noch von den Wunden blutete, welche die Kaiserlichen ihm geschlagen, so wenig konnte dieser Fürst sich entschließen, durch offenbare Begünstigung der Schweden die Rache des Kaisers gegen sich zu reizen. Gustav Adolph, unter den Kanonen von Stettin gelagert, forderte diese Stadt auf, Schwedische Garnison einzunehmen. Bogisla erschien selbst in dem Lager des Königs, sich diese Einquartierung zu verbitten. „Ich komme als Freund und nicht als Feind zu Ihnen, antwortete Gustav; nicht mit Pommern, nicht mit dem Deutschen Reiche, nur mit den Feinden desselben führe ich Krieg. In meinen Händen soll dieses Herzogthum heilig aufgehoben seyn, und sicherer als von jedem andern werden Sie es nach geendigtem Feldzug von mir zurück erhalten. Sehen Sie die Fußtapfen der kaiserlichen Truppen in Ihrem Lande, sehen Sie die Spuren der meinigen in Usedom, und wählen Sie, ob Sie den Kaiser oder mich zum Freund haben wollen. Was erwarten Sie, wenn der Kaiser sich ihrer Hauptstadt bemächtigen sollte? Wird er gnädiger damit verfahren, als ich? Oder wollen Sie meinen Siegen Grenzen sezen? Die Sache ist dringend, fassen Sie einen Entschluß, und nöthigen Sie mich nicht, wirksamere Mittel zu ergreifen.“

[177] Die Wahl war schmerzlich für den Herzog von Pommern. Hier der König von Schweden mit einer furchtbaren Armee vor den Thoren seiner Hauptstadt; dort die unausbleibliche Rache des Kaisers und das schreckenvolle Beyspiel so vieler Deutschen Fürsten, welche als Opfer dieser Rache im Elend herum wanderten. Die dringendere Gefahr bestimmte seinen Entschluß. Die Thore von Stettin wurden dem König geöffnet, Schwedische Truppen rückten ein, und den Kaiserlichen, die schon in starken Märschen herbey eilten, wurde der Vorsprung abgenommen. Stettins Einnahme verschaffte dem König in Pommern festen Fuß, den Gebrauch der Oder, und einen Waffenplaz für seine Armee. Herzog Bogisla säumte nicht, den gethanen Schritt bey dem Kaiser durch die Nothwendigkeit zu entschuldigen, und dem Vorwurfe der Verrätherey im voraus zu begegnen; aber von der Unversöhnlichkeit dieses Monarchen überzeugt, trat er mit seinem neuen Schutzherrn in eine enge Verbindung, um durch die Schwedische Freundschaft sich gegen die Rache Oesterreichs in Sicherheit zu sezen. Der König gewann durch diese Allianz mit Pommern einen wichtigen Freund auf Deutschem Boden, der ihm den Rücken deckte, und den Zusammenhang mit Schweden offen hielt.

Gustav Adolph glaubte sich gegen Ferdinand, der ihn in Preußen zuerst feindlich angegriffen hatte, der hergebrachten Formalitäten überhoben, und fing ohne Kriegserklärung die Feindseligkeiten an. Gegen die Europäischen Fürsten rechtfertigte er sein Betragen in einem eigenen Manifest, in welchem alle schon angeführte Gründe, die ihn zur Ergreifung der Waffen bewogen, hererzählt wurden. Unterdessen sezte er seine Progressen in Pommern fort, und sah mit jedem Tage seine Heere sich vermehren. Von den Truppen, welche unter Mansfeld, Herzog Christian von Braunschweig, dem Könige von Dänemark und unter Wallenstein gefochten, stellten sich Offiziere sowohl als Soldaten [178] schaarenweise dar, unter seinen siegreichen Fahnen zu streiten.

Der Einfall des Königs von Schweden wurde am kaiserlichen Hofe der Aufmerksamkeit bey weitem nicht gewürdigt, welche er bald darauf zu verdienen schien. Der Oesterreichische Stolz, durch das bisherige unerhörte Glück auf den höchsten Gipfel getrieben, sah mit Geringschätzung auf einen Fürsten herab, der mit einer Handvoll Menschen aus einem verachteten Winkel Europens hervor kam, und, wie man sich einbildete, seinen bisher erlangten Kriegesruhm bloß der Ungeschicklichkeit eines noch schwächern Feindes verdankte. Die herabsezende Schilderung, welche Wallenstein, nicht ohne Absicht, von der Schwedischen Macht entworfen, vermehrte die Sicherheit des Kaisers; wie hätte er einen Feind achten sollen, den sein Feldherr sich getraute, mit Ruthen aus Deutschland zu verjagen? Selbst die reißenden Fortschritte Gustav Adolphs in Pommern konnten dieses Vorurtheil nicht ganz besiegen, welchem der Spott der Höflinge stets neue Nahrung gab. Man nannte ihn in Wien nur die Schneemajestät, welche die Kälte des Nords jezt zusammen halte, die aber zusehends schmelzen würde, je näher sie gegen Süden rückte. Die Churfürsten selbst, welche in Regensburg versammelt waren, würdigten seine Vorstellungen keiner Aufmerksamkeit, und weigerten ihm, aus blinder Gefälligkeit gegen Ferdinand, sogar den Titel eines Königs. Während man in Regensburg und Wien seiner spottete, ging in Pommern und Mecklenburg ein fester Ort nach dem andern an ihn verloren.

Dieser Geringschätzung ungeachtet, hatte sich der Kaiser bereitwillig finden lassen, die Mißhelligkeiten mit Schweden durch Unterhandlungen beyzulegen, auch zu diesem Ende Bevollmächtigte nach Danzig gesendet. Aber aus ihren Instruktionen erhellte deutlich, wie wenig es ihm damit Ernst war, da er [179] Gustaven noch immer den königlichen Titel verweigerte. Seine Absicht schien bloß dahin zu gehen, das Verhaßte des Angriffs von sich selbst auf den König von Schweden abzuwälzen, um sich dadurch auf den Beystand der Reichsstände desto eher Rechnung machen zu können. Fruchtlos, wie zu erwarten gewesen war, zerschlug sich also dieser Congreß zu Danzig, und die Erbitterung beyder Theile wurde durch einen heftigen Schriftwechsel aufs höchste getrieben.

Ein kaiserlicher General, Torquato Conti, der die Armee in Pommern kommandirte, hatte sich unterdessen vergeblich bemüht, den Schweden Stettin wieder zu entreissen. Aus einem Plaz nach dem andern wurden die Kaiserlichen vertrieben; Damm, Stargard, Camin, Wolgast fielen schnell nach einander in des Königs Hand. Um sich an dem Herzog von Pommern zu rächen, ließ der kaiserliche General auf dem Rückzuge seine Truppen die schreyendsten Gewaltthätigkeiten gegen die Einwohner Pommerns verüben, welche sein Geiz längst schon aufs grausamste gemißhandelt hatte. Unter dem Vorwand, den Schweden alle Lebensmittel zu entziehen, wurde alles verheert und geplündert, und oft, wenn die Kaiserlichen einen Plaz nicht länger zu behaupten wußten, ließen sie ihn im Rauch aufgehen, um dem Feinde nichts als den Schutt zurück zu lassen. Aber diese Barbareyen dienten nur dazu, das entgegen gesezte Betragen der Schweden in ein desto glänzenderes Licht zu sezen, und dem menschenfreundlichen König alle Herzen zu gewinnen. Der Schwedische Soldat bezahlte alles, was er brauchte, und von fremdem Eigenthum wurde auf seinem Durchmarsche nichts berührt. In Stadt und Land empfing man daher die Schwedischen Heere mit offenen Armen; alle kaiserlichen Soldaten, welche dem Pommerischen Landvolk in die Hände fielen, wurden ohne Barmherzigkeit ermordet. Viele Pommern traten in Schwedischen Dienst, und die Stände dieses so sehr [180] erschöpften Landes ließen es sich mit Freuden gefallen, dem König eine Contribution von hundert tausend Gulden zu bewilligen.

Torquato Conti, bey aller Härte seines Charakters ein vortrefflicher General, suchte dem König von Schweden den Besiz von Stettin wenigstens unnüz zu machen, da er ihn nicht von diesem Ort zu vertreiben vermochte. Er verschanzte sich zu Garz, oberhalb Stettin, an der Oder, um diesen Fluß zu beherrschen, und jener Stadt die Communication zu Wasser mit dem übrigen Deutschland abzuschneiden. Nichts konnte ihn dahin bringen, sich mit dem König von Schweden zu schlagen, der ihm an Mannschaft überlegen war; noch weniger wollte es diesem gelingen, die festen kaiserlichen Verschanzungen zu stürmen. Torquato, von Truppen und Geld allzu sehr entblößt, um angriffsweise gegen den König zu agiren, gedachte mit Hülfe dieses Operationsplans dem Grafen Tilly Zeit zu verschaffen, zur Vertheidigung Pommerns herbey zu eilen, und alsdann in Vereinigung mit diesem General auf den König von Schweden los zu gehen. Er benuzte sogar einmal die Entfernung des Königs, um sich durch einen unvermutheten Ueberfall Stettins zu bemächtigen; aber die Schweden ließen sich nicht unvorbereitet finden. Ein lebhafter Angriff der Kaiserlichen wurde mit Standhaftigkeit zurückgeschlagen, und Torquato verschwand mit einem großen Verluste. Nicht zu läugnen ist es, daß Gustav Adolph bey diesem günstigen Anfang eben so viel dem Glück als seiner Kriegserfahrenheit dankte. Die kaiserlichen Truppen in Pommern waren seit Wallensteins Abdankung aufs tiefste herunter gekommen. Grausam rächten sich ihre Ausschweifungen jezt an ihnen selbst; ein ausgezehrtes verödetes Land konnte ihnen keinen Unterhalt mehr darbiethen. Alle Mannszucht war dahin, keine Achtung mehr für die Befehle der Offiziere; zusehends schmolz ihre Anzahl durch häufige Desertionen, und durch ein allgemeines Sterben, welches die schneidende [181] Kälte in diesem ungewohnten Klima verursachte. Unter diesen Umständen sehnte sich der kaiserliche General nach Ruhe, um seine Truppen durch die Winterquartiere zu erquicken; aber er hatte mit einem Feinde zu thun, für den unter Deutschem Himmel gar kein Winter war. Zur Vorsorge hatte Gustav seine Soldaten mit Schaafspelzen versehen lassen, um auch die rauheste Jahrszeit über im Felde zu bleiben. Die kaiserlichen Bevollmächtigten, welche wegen eines Waffenstillstandes zu unterhandeln kamen, erhielten daher die trostlose Antwort: „Die Schweden seyen im Winter wie im Sommer Soldaten, und nicht geneigt, den armen Landmann noch mehr auszusaugen. Die Kaiserlichen möchten es mit sich halten, wie sie wollten; sie aber gedächten nicht, sich müßig zu verhalten.“ Torquato Conti legte bald darauf sein Commando, wobey wenig Ruhm und nun auch kein Geld mehr zu gewinnen war, nieder.

Bey dieser Ungleichheit mußte sich der Vortheil nothwendiger Weise auf Schwedischer Seite befinden. Unaufhörlich wurden die Kaiserlichen in ihren Winterquartieren beunruhigt. Greifenhagen, ein wichtiger Plaz an der Oder, mit Sturm erobert, zulezt auch die Städte Garz und Piriz von den Feinden verlassen. Von ganz Pommern waren nur noch Greifswalde, Demmin und Colberg in ihren Händen, zu deren Belagerung der König ungesäumt die nachdrücklichsten Anstalten machte. Der fliehende Feind nahm seinen Weg nach der Mark Brandenburg, nicht ohne grossen Verlust an Artillerie, Bagage und Mannschaft, welche den nacheilenden Schweden in die Hände fielen.

Durch Einnahme der Pässe bey Ribniz und Damgarden hatte sich Gustav den Eingang in das Herzogthum Mecklenburg eröffnet, dessen Unterthanen durch ein voran geschicktes Manifest aufgefodert wurden, unter die Herrschaft ihrer rechtmäßigen [182] Regenten zurück zu kehren, und alles was Wallensteinisch wäre, zu verjagen. Durch Betrug bekamen aber die Kaiserlichen die wichtige Stadt Rostock in ihre Gewalt, welches den König, der seine Macht nicht gern theilen wollte, am fernern Vorrücken hinderte. Vergebens hatten indessen die vertriebenen Herzoge von Mecklenburg, durch die zu Regensburg versammelten Fürsten, bey dem Kaiser fürsprechen lassen; vergebens hatten sie, um den Kaiser durch Unterwürfigkeit zu gewinnen, das Bündniß mit Schweden und jeden Weg der Selbsthülfe verschmäht. Durch die hartnäckige Weigerung des Kaisers zur Verzweiflung gebracht, ergriffen sie jezt öffentlich die Parthey des Königs von Schweden, warben Truppen, und übertrugen das Commando darüber dem Herzog Franz Karl von Sachsenlauenburg. Dieser bemächtigte sich auch wirklich einiger festen Pläze an der Elbe, verlor sie aber bald wieder an den kaiserlichen General Pappenheim, der gegen ihn geschickt wurde. Bald darauf, in der Stadt Razeburg von letzterm belagert, sah er sich, nach einem vergeblichen Versuch zu entfliehen, genöthigt, sich mit seiner ganzen Mannschaft zu Gefangenen zu ergeben. So verschwand denn aufs neue die Hoffnung dieser unglücklichen Fürsten zum Wiedereintritt in ihre Lande, und dem siegreichen Arme Gustav Adolphs allein war es aufbehalten, ihnen diese glänzende Gerechtigkeit zu erzeigen.

Die flüchtigen kaiserlichen Schaaren hatten sich in die Mark Brandenburg geworfen, welche sie jezt zum Schauplaz ihrer Greuelthaten machten. Nicht zufrieden, die willkührlichsten Schazungen einzufodern, und den Bürger durch Einquartierungen zu drücken, durchwühlten diese Unmenschen auch noch das Innere der Häuser, zerschlugen, erbrachen alles, was verschlossen war, raubten allen Vorrath, den sie fanden, mißhandelten auf das entsezlichste, wer sich zu widersezen wagte, entehrten das [183] Frauenzimmer selbst an heiliger Stätte. Und alles dieß geschah nicht in Feindes Land – es geschah gegen die Unterthanen eines Fürsten, von welchem der Kaiser nicht beleidigt war, dem er troz diesem allen noch zumuthete, die Waffen gegen den König von Schweden zu ergreifen. Der Anblick dieser entsezlichen Ausschweifungen, welche sie aus Mangel an Ansehen und aus Geldnoth geschehen lassen mußten, erweckte selbst den Unwillen der kaiserlichen Generale, und ihr oberster Chef, Graf von Schaumburg, wollte schamroth das Commando niederlegen. Zu arm an Soldaten, um sein Land zu vertheidigen, und ohne Hülfe gelassen von dem Kaiser, der zu den beweglichsten Vorstellungen schwieg, befahl endlich der Churfürst von Brandenburg seinen Unterthanen in einem Edikt, Gewalt mit Gewalt zu vertreiben, und jeden kaiserlichen Soldaten, der über der Plünderung ergriffen würde, ohne Schonung zu ermorden. Zu einem solchen Grade war der Greuel der Mißhandlung und das Elend der Regierung gestiegen, daß dem Landesherrn nur das verzweifelte Mittel übrig blieb, die Selbstrache durch Geseze einzuschärfen.

Die Kaiserlichen hatten die Schweden in die Mark Brandenburg nachgezogen, und nur die Weigerung des Churfürsten, ihm die Festung Cüstrin zum Durchmarsch zu öffnen, hatte den König abhalten können, Frankfurt an der Oder zu belagern. Er ging zurück, die Eroberung Pommerns durch Einnahme von Demmin und Colberg zu vollenden; unterdessen war der Feldmarschall Tilly im Anzuge, die Mark Brandenburg zu vertheidigen.

Dieser General, der sich rühmen konnte, noch keine Schlacht verloren zu haben, der Ueberwinder Mansfelds, Christians von Braunschweig, des Markgrafen von Baden und des Königs von Dänemark, sollte jezt an dem König von Schweden einen würdigen Gegner finden. Tilly stammte aus einer [184] edeln Familie in Lüttich, und hatte in dem Niederländischen Kriege, der damaligen Feldherrnschule, seine Talente ausgebildet. Bald darauf fand er Gelegenheit, seine erlangten Fähigkeiten unter Kaiser Rudolph II. in Ungarn zu zeigen, wo er sich schnell von einer Stufe zur andern empor schwang. Nach geschlossenem Frieden trat er in die Dienste Maximilians von Bayern, der ihn zum Oberfeldherrn mit unumschränkter Gewalt ernannte. Tilly wurde durch seine vortrefflichen Einrichtungen der Schöpfer der Bayrischen Kriegsmacht, und ihm vorzüglich hatte Maximilian seine bisherige Ueberlegenheit im Felde zu danken. Nach geendigtem Böhmischen Kriege wurde ihm das Commando der ligistischen Truppen, und jezt, nach Wallensteins Abgang, das Generalat über die ganze kaiserliche Armee übertragen. Eben so streng gegen seine Truppen, eben so blutdürstig gegen den Feind, von eben so finsterer Gemüthsart als Wallenstein, ließ er diesen an Bescheidenheit und Uneigennützigkeit weit hinter sich zurück. Ein blinder Religionseifer und ein blutdürstiger Verfolgungsgeist vereinigten sich mit der natürlichen Wildheit seines Charakters, ihn zum Schrecken der Protestanten zu machen. Ein bizarres und schreckhaftes Aeussere entsprach dieser Gemüthsart. Klein, hager, mit eingefallenen Wangen, langer Nase, breiter gerunzelter Stirne, starkem Knebelbart und unten zugespitztem Gesichte, zeigte er sich gewöhnlich in einem Spanischen Wamms von hellgrünem Atlas mit aufgeschlizten Ermeln, auf dem Kopfe einen kleinen hoch aufgestuzten Hut, mit einer rothen Straußfeder geziert, die bis auf den Rücken niederwallte. Sein ganzer Anblick erinnerte an den Herzog von Alba, den Zuchtmeister der Flamänder, und es fehlte viel, daß seine Thaten diesen Eindruck auslöschten. So war der Feldherr beschaffen, der sich dem nordischen Helden jezt entgegen stellte.

[185] Tilly war weit entfernt, seinen Gegner gering zu schäzen. „Der König von Schweden, erklärte er auf der Churfürstenversammlung zu Regensburg, ist ein Feind von eben so großer Klugheit als Tapferkeit, abgehärtet zum Krieg, in der besten Blüthe seiner Jahre. Seine Anstalten sind vortrefflich, seine Hülfsmittel nicht gering; die Stände seines Reichs sind äusserst willfährig gegen ihn gewesen. Seine Armee, aus Schweden, Deutschen, Liefländern, Finnländern, Schotten und Engländern zusammen geflossen, ist zu einer einzigen Nation gemacht, durch blinden Gehorsam. Dieß ist ein Spieler, gegen welchen nicht verloren zu haben, schon überaus viel gewonnen ist.“

Die Fortschritte des Königs von Schweden in Brandenburg und Pommern liessen den neuen Generalissimus keine Zeit verlieren, und dringend foderten die dort kommandirenden Feldherren seine Gegenwart. In möglichster Schnelligkeit zog er die kaiserlichen Truppen, die durch ganz Deutschland zerstreut waren, an sich; aber es kostete viel Zeit, aus den verödeten und verarmten Provinzen die nöthigen Kriegsbedürfnisse zusammen zu bringen. Endlich erschien er in der Mitte des Winters an der Spitze von 20,000 Mann vor Frankfurt an der Oder, wo er sich mit dem Ueberrest der Schaumburgischen Truppen vereinigte. Er übergab diesem Feldherrn die Vertheidigung Frankfurts mit einer hinlänglich starken Besazung, und er selbst wollte nach Pommern eilen, um Demmin zu retten, und Colberg zu entsezen, welche Stadt von den Schweden schon aufs Aeusserste gebracht war. Aber noch eh’ er Brandenburg verließ, hatte sich Demmin, von dem Herzog Savelli äusserst schlecht vertheidigt, an den König ergeben, und auch Colberg ging wegen Hungersnoth nach fünfmonatlicher Belagerung über. Da die Pässe nach Vorpommern aufs beste besezt waren, und das Lager des Königs bey Schwedt [186] jedem Angriffe Troz both, so entsagte Tilly seinem ersten angreifenden Plan, und zog sich rückwärts nach der Elbe – um Magdeburg zu belagern.

Durch Wegnahme von Demmin stand es dem König frey, unaufgehalten ins Mecklenburgische zu dringen; aber ein wichtigeres Unternehmen zog seine Waffen nach einer andern Gegend. Tilly hatte kaum seinen Rückmarsch angetreten, als er sein Lager zu Schwedt plözlich aufhob, und mit seiner ganzen Macht gegen Frankfurt an der Oder anrückte. Diese Stadt war schlecht befestigt, aber durch eine acht tausend Mann starke Besazung vertheidigt, größtentheils Ueberrest jener wüthenden Banden, welche Pommern und Brandenburg gemißhandelt hatten. Der Angriff geschah mit Lebhaftigkeit, und schon am dritten Tage wurde die Stadt mit stürmender Hand erobert. Die Schweden, des Sieges gewiß, verwarfen, obgleich die Feinde zweymal Schamade schlugen, die Kapitulation, um das schreckliche Recht der Wiedervergeltung auszuüben. Tilly hatte nehmlich gleich nach seiner Ankunft in diesen Gegenden eine Schwedische Besazung, die sich verspätet hatte, in Neubrandenburg aufgehoben, und, durch ihren lebhaften Widerstand gereizt, bis auf den letzten Mann niederhauen lassen. Dieser Grausamkeit erinnerten sich jezt die Schweden, als Frankfurt erstiegen ward. Neubrandenburgisch Quartier! antwortete man jedem kaiserlichen Soldaten, der um sein Leben bath, und stieß ihn ohne Barmherzigkeit nieder. Einige tausend wurden erschlagen oder gefangen, viele ertranken in der Oder, der Ueberrest floh nach Schlesien, die ganze Artillerie gerieth in Schwedische Hände. Dem Ungestüm seiner Soldaten nachzugeben, mußte Gustav Adolph eine dreystündige Plünderung erlauben.

Indem dieser König von einem Siege zum [187] andern forteilte, der Muth der protestantischen Stände dadurch wuchs, und ihr Widerstand lebhafter wurde, fuhr der Kaiser noch unverändert fort, durch Vollstreckung des Restitutionsediktes, und durch übertriebene Zumuthungen an die Stände ihre Geduld aufs äusserste zu treiben. Nothgedrungen schritt er jezt auf den gewaltthätigen Wegen fort, die er anfangs aus Uebermuth betreten hatte; den Verlegenheiten, in welche ihn sein willkührliches Verfahren gestürzt hatte, wußte er jezt nicht anders als durch eben so willkührliche Mittel zu entgehen. Aber in einem so künstlich organisirten Staatskörper, wie der Deutsche ist und immer war, mußte die Hand des Despotismus die unübersehlichsten Zerrüttungen anrichten. Mit Erstaunen sahen die Fürsten unvermerkt die ganze Reichsverfassung umgekehrt, und der eintretende Zustand der Natur führte sie zur Selbsthülfe, dem einzigen Rettungsmittel in dem Zustand der Natur. Endlich hatten doch die offenbaren Schritte des Kaisers gegen die evangelische Kirche von den Augen Johann Georgs die Binde weggezogen, welche ihm so lange die betrügerische Politik dieses Prinzen verbarg. Durch Ausschliessung seines Sohnes von dem Erzstifte zu Magdeburg hatte ihn Ferdinand persönlich beleidigt, und der Feldmarschall von Arnheim, sein neuer Günstling und Minister, verabsäumte nichts, die Empfindlichkeit seines Herrn aufs höchste zu treiben. Vormals kaiserlicher General unter Wallensteins Commando, und noch immer dessen eifrig ergebener Freund, suchte er seinen alten Wohlthäter und sich selbst an dem Kaiser zu rächen, und den Churfürsten von Sachsen von dem Oesterreichischen Interesse abzuziehen. Die Erscheinung der Schweden in Deutschland mußte ihm die Mittel dazu darbiethen. Gustav Adolph war unüberwindlich, sobald sich die protestantischen Stände mit ihm vereinigten, und nichts beunruhigte den Kaiser mehr. Chursachsens Beyspiel konnte die Erklärung aller übrigen nach [188] sich ziehen, und das Schicksal des Kaisers schien sich gewissermaßen in den Händen Johann Georgs zu befinden. Der listige Günstling machte dem Ehrgeize seines Herrn diese seine Wichtigkeit fühlbar, und ertheilte ihm den Rath, den Kaiser durch ein angedrohtes Bündniß mit Schweden in Schrecken zu sezen, um von der Furcht dieses Prinzen zu erhalten, was von der Dankbarkeit desselben nicht zu erwarten sey. Doch hielt er dafür, die Allianz mit Schweden nicht wirklich abzuschliessen, um immer wichtig zu seyn und immer freye Hand zu behalten. Er begeisterte ihn für den stolzen Plan, (dem nichts als eine verständigere Hand zur Vollstreckung fehlte) die ganze Parthey der Protestanten an sich zu ziehen, eine dritte Macht in Deutschland aufzustellen, und in der Mitte zwischen Schweden und Oesterreich die Entscheidung in den Händen zu tragen.

Dieser Plan mußte der Eigenliebe Johann Georgs um so mehr schmeicheln, da es ihm gleich unerträglich war, in die Abhängigkeit Schwedens zu gerathen, und länger unter der Tyranney des Kaisers zu bleiben. Nicht mit Gleichgültigkeit konnte er sich die Führung der Deutschen Angelegenheiten von einem auswärtigen Prinzen entrissen sehen, und so wenig Fähigkeit er auch besaß, die erste Rolle zu spielen, so wenig ertrug es seine Eitelkeit, sich mit der zweyten zu begnügen. Er beschloß also von den Progressen des Schwedischen Königs die möglichsten Vortheile für seine eigne Lage zu ziehen, aber unabhängig von diesem seinen eigenen Plan zu verfolgen. Zu diesem Ende besprach er sich mit dem Churfürsten von Brandenburg, der aus ähnlichen Ursachen gegen den Kaiser entrüstet und auf Schweden mißtrauisch war. Nachdem er sich auf einem Landtage zu Torgau der Sächsischen Landstände versichert hatte, deren Beystimmung ihm zu Ausführung seines Plans unentbehrlich war, so lud er alle evangelischen Stände des Reichs zu einem Generalconvent ein, welcher [189] am 6ten Februar 1631 zu Leipzig eröffnet werden sollte. Brandenburg, Hessenkassel, mehrere Fürsten, Grafen, Reichsstände, protestantische Bischöfe erschienen entweder selbst oder durch Bevollmächtigte auf dieser Versammlung, welche der Sächsische Hofprediger, D. Hoe von Hohenegg, mit einer heftigen Kanzelrede eröffnete. Vergebens hatte sich der Kaiser bemüht, diese eigenmächtige Zusammenkunft, welche augenscheinlich auf Selbsthülfe zielte, und bey der Anwesenheit der Schweden in Deutschland höchst bedenklich war, zu hintertreiben. Die versammelten Fürsten, von den Fortschritten Gustav Adolphs belebt, behaupteten ihre Rechte, und gingen nach Verlauf zweyer Monate mit einem merkwürdigen Schluß auseinander, der den Kaiser in nicht geringe Verlegenheit sezte. Der Inhalt desselben war, den Kaiser in einem gemeinschaftlichen Schreiben um Aufhebung des Restitutionsediktes, Zurückziehung seiner Truppen aus ihren Residenzen und Festungen, Einstellung der Exekutionen und Abstellung aller bisherigen Mißbräuche nachdrücklich zu ersuchen – einstweilen aber eine 30,000 Mann starke Armee zusammen zu bringen, um sich selbst Recht zu schaffen, wenn der Kaiser es ihnen verweigerte.

Ein Umstand kam noch hinzu, der nicht wenig dazu beytrug, die Entschlossenheit der protestantischen Fürsten zu vermehren. Endlich hatte der König von Schweden die Bedenklichkeit besiegt, welche ihn bisher von einer nähern Verbindung mit Frankreich zurück schreckten, und war am 13ten Jänner dieses 1631sten Jahres in eine förmliche Allianz mit dieser Krone getreten. Nach einem sehr ernsthaften Streite über die künftige Behandlungsart der katholischen Reichsfürsten, welche Frankreich in Schuz nahm, Gustav hingegen das Recht der Wiedervergeltung empfinden lassen wollte, und nach einem minder wichtigen Zank über den Titel Majestät, den der [190] Französische Hochmuth dem Schwedischen Stolze verweigerte, gab endlich Richelieu in dem zweyten, Gustav Adolph in dem ersten Artikel nach, und zu Beerwald in der Neumark wurde der Allianztraktat unterzeichnet. Beyde Mächte verpflichteten sich in demselben, sich wechselseitig und mit gewaffneter Hand zu beschüzen, ihre gemeinschaftlichen Freunde zu vertheidigen, den vertriebenen Reichsfürsten wieder zu ihren Ländern zu helfen, und an den Grenzen wie in dem Innern Deutschlands alles eben so wieder herzustellen, wie es vor dem Ausbruch des Krieges gewesen war. Zu diesem Ende sollte Schweden eine Armee von 30,000 Mann auf eigne Kosten in Deutschland unterhalten, Frankreich hingegen 400,000 Thaler jährlicher Hülfsgelder den Schweden entrichten. Würde das Glück die Waffen Gustavs begünstigen, so sollten in den eroberten Pläzen die katholische Religion und die Reichsgeseze ihm heilig seyn, und gegen beyde nichts unternommen werden, allen Ständen und Fürsten in und ausser Deutschland, selbst den katholischen, der Zutritt zu diesem Bündnisse offen stehen, kein Theil ohne Wissen und Willen des andern einen einseitigen Frieden mit dem Feinde schließen, das Bündniß selbst fünf Jahre dauern.

So großen Kampf es dem König von Schweden gekostet hatte, von Frankreich Sold anzunehmen, und einer ungebundenen Freyheit in Führung des Krieges zu entsagen, so entscheidend war diese Französische Allianz für seine Angelegenheiten in Deutschland. Jezt erst, nachdem er durch die ansehnlichste Macht in Europa gedeckt war, fingen die Deutschen Reichsstände an, Vertrauen zu seiner Unternehmung zu fassen, für deren Erfolg sie bisher nicht ohne Ursache gezittert hatten. Jezt erst wurde er dem Kaiser fürchterlich. Selbst die katholischen Fürsten, welche Oesterreichs Demüthigung wünschten, sahen ihn jezt mit weniger Mißtrauen in Deutschland Fortschritte [191] machen, weil ihm das Bündniß mit einer katholischen Macht Schonung gegen ihre Religion auferlegte. So wie Gustav Adolphs Erscheinung die evangelische Religion und Deutsche Freyheit gegen die Uebermacht Kaiser Ferdinands beschüzte, eben so konnte nunmehr Frankreichs Dazwischenkunft die katholische Religion und Deutsche Freyheit gegen eben diesen Gustav Adolph in Schuz nehmen, wenn ihn die Trunkenheit des Glücks über die Schranken der Mäßigung hinweg reißen sollte.

Der König von Schweden säumte nicht, die Fürsten des Leipziger Bundes von dem mit Frankreich geschlossenen Traktat zu unterrichten, und sie zugleich zu einer nähern Verbindung mit ihm einzuladen. Auch Frankreich unterstützte ihn in diesem Gesuch, und sparte keine Vorstellungen, den Churfürsten von Sachsen zu bewegen. Gustav Adolph wollte sich mit einer heimlichen Unterstüzung begnügen, wenn die Fürsten es jezt noch für zu gewagt halten sollten, sich öffentlich für seine Parthey zu erklären. Mehrere Fürsten machten ihm zu Annehmung seiner Vorschläge Hoffnung, sobald sie nur Luft bekommen sollten; Johann Georg, immer voll Eifersucht und Mißtrauen gegen den König von Schweden, immer seiner eigennützigen Politik getreu, konnte sich zu keiner entscheidenden Erklärung entschließen.

Der Schluß des Leipziger Convents und das Bündniß zwischen Frankreich und Schweden waren zwey gleich schlimme Zeitungen für den Kaiser. Gegen jenen nahm er die Donner seiner kaiserlichen Machtsprüche zu Hülfe, und bloß eine Armee fehlte ihm, um Frankreich wegen dieser seinen ganzen Unwillen empfinden zu lassen. Abmahnungsschreiben ergingen an alle Theilnehmer des Leipziger Bundes, welche ihnen die Truppenwerbung aufs strengste untersagten. Sie antworteten mit heftigen Wiederklagen, rechtfertigten ihr Betragen durch das natürliche Recht, und fuhren fort, sich in Rüstung zu sezen.

[192] Die Generale des Kaisers sahen sich unterdessen aus Mangel an Truppen und an Geld zu der mißlichen Wahl gebracht, entweder den König von Schweden oder die Deutschen Reichsstände außer Augen zu lassen, da sie mit einer getheilten Macht beyden zugleich nicht gewachsen waren. Die Bewegungen der Protestanten zogen ihre Aufmerksamkeit nach dem Innern des Reichs; die Progressen des Königs in der Mark Brandenburg, welcher die kaiserlichen Erblande schon in der Nähe bedrohte, foderten sie dringend auf dorthin ihre Waffen zu kehren. Nach Frankfurts Eroberung hatte sich der König gegen Landsberg an der Warta gewendet, und Tilly kehrte nun, nach einem zu späten Versuch, jene Stadt zu retten, nach Magdeburg zurück, die angefangene Belagerung mit Ernst fortzusezen.

Das reiche Erzbißthum, dessen Hauptsiz die Stadt Magdeburg war, hatten schon seit geraumer Zeit evangelische Prinzen aus dem Brandenburgischen Hause besessen, welche ihre Religion darin einführten. Christian Wilhelm, der letzte Administrator, war durch seine Verbindung mit Dänemark in die Reichsacht verfallen, wodurch das Domkapitel sich bewogen sah, um nicht die Rache des Kaisers gegen das Erzstift zu reizen, ihn förmlich seiner Würden zu entsezen. An seiner Statt postulirte es den Prinzen Johann August, zweyten Sohn des Churfürsten von Sachsen, den aber der Kaiser verwarf, um seinem eigenen Sohne Leopold dieses Erzbißthum zuzuwenden. Der Churfürst von Sachsen ließ darüber ohnmächtige Klagen an dem kaiserlichen Hofe erschallen; Christian Wilhelm von Brandenburg ergriff thätigere Maßregeln. Der Zuneigung des Volks und Magistrats zu Magdeburg versichert, und von schimärischen Hoffnungen erhizt, glaubte er sich im Stande, alle Hindernisse zu besiegen, welche der Ausspruch des Kapitels, die Concurrenz mit zwey mächtigen Mitbewerbern und das Restitutionsedikt seiner Wiederherstellung entgegen [193] sezten. Er that eine Reise nach Schweden, und suchte sich, durch das Versprechen einer wichtigen Diversion in Deutschland, der Unterstüzung Gustavs zu versichern. Dieser König entließ ihn nicht ohne Hoffnung seines nachdrücklichen Schuzes, schärfte ihm aber dabey ein, mit Klugheit zu verfahren.

Kaum hatte Christian Wilhelm die Landung seines Beschüzers in Pommern erfahren, so schlich er sich mit Hülfe einer Verkleidung in Magdeburg ein. Er erschien plözlich in der Rathsversammlung, erinnerte den Magistrat an alle Drangsale, welche Stadt und Land seitdem von den kaiserlichen Truppen erfahren, an die verderblichen Anschläge Ferdinands, an die Gefahr der evangelischen Kirche. Nach diesem Eingange entdeckte er ihnen, daß der Zeitpunkt ihrer Befreyung erschienen sey, und daß ihnen Gustav Adolph seine Allianz und allen Beystand anbiethe. Magdeburg, eine der wohlhabendsten Städte Deutschlands, genoß unter der Regierung seines Magistrats einer republikanischen Freyheit, welche seine Bürger mit einer heroischen Kühnheit beseelte. Davon hatten sie bereits gegen Wallenstein, der, von ihrem Reichthum angelockt, die übertriebensten Foderungen an sie machte, rühmliche Proben abgelegt, und in einem muthigen Widerstande ihre Rechte behauptet. Ihr ganzes Gebieth hatte zwar die zerstörende Wuth seiner Truppen erfahren, aber Magdeburg selbst entging seiner Rache. Es war also dem Administrator nicht schwer, Gemüther zu gewinnen, denen die erlittnen Mißhandlungen noch in frischem Andenken waren. Zwischen der Stadt und dem König von Schweden kam ein Bündniß zu Stande, in welchem Magdeburg dem König ungehinderten Durchzug durch ihr Gebieth und ihre Thore, und die Werbefreyheit auf ihrem Grund und Boden verstattete, und die Gegenversicherung erhielt, bey ihrer Religion und ihren Privilegien aufs gewissenhafteste geschüzt zu werden.

[194] Sogleich zog der Administrator Kriegsvölker zusammen, und fing die Feindseligkeiten voreilig an, ehe Gustav Adolph nahe genug war, ihn mit seiner Macht zu unterstüzen. Es glückte ihm, einige kaiserliche Corps in der Nachbarschaft aufzuheben, kleine Eroberungen zu machen, und sogar Halle zu überrumpeln. Aber die Annäherung eines kaiserlichen Heeres nöthigte ihn bald, in aller Eilfertigkeit und nicht ohne Verlust, den Rückweg nach Magdeburg zu nehmen. Gustav Adolph, obgleich unzufrieden über diese Voreiligkeit, schickte ihm in der Person Dietrichs von Falkenberg einen erfahrnen Offizier, um die Kriegsoperationen zu leiten, und dem Administrator mit seinem Rathe beyzustehen. Eben diesen Falkenberg ernannte der Magistrat zum Commendanten der Stadt, so lange der Krieg dauern würde. Das Heer des Prinzen sah sich von Tag zu Tag durch den Zulauf aus den benachbarten Städten vergrößert, erhielt mehrere Vortheile über die kaiserlichen Regimenter, welche dagegen geschickt wurden, und konnte mehrere Monate einen kleinen Krieg mit vielem Glücke unterhalten.

Endlich näherte sich der Graf von Pappenheim, nach beendigtem Zuge gegen den Herzog von Sachsenlauenburg, der Stadt, vertrieb in kurzer Zeit die Truppen des Administrators aus allen umliegenden Schanzen, hemmte dadurch alle Communication mit Sachsen, und schickte sich ernstlich an, die Stadt einzuschließen. Bald nach ihm kam auch Tilly, foderte den Administrator in einem drohenden Schreiben auf, sich dem Restitutionsedikt nicht länger zu widersezen, den Befehlen des Kaisers zu unterwerfen, und Magdeburg zu übergeben. Die Antwort des Prinzen war lebhaft und kühn, und bestimmte den kaiserlichen Feldherrn, ihm den Ernst der Waffen zu zeigen.

Indessen wurde die Belagerung wegen der Fortschritte des Königs von Schweden, die den [195] kaiserlichen Feldherrn von der Stadt abriefen, eine Zeit lang verzögert, und die Eifersucht der in seiner Abwesenheit kommandirenden Generale verschaffte Magdeburg noch auf einige Monate Frist. Am 30. März 1631 erschien endlich Tilly wieder, um von jezt an die Belagerung mit Eifer zu betreiben.

In kurzer Zeit waren alle Aussenwerke erobert, und Falkenberg selbst hatte die Besazungen, welche nicht mehr zu retten waren, zurück gezogen, und die Elbbrücke abwerfen lassen. Da es an hinlänglichen Truppen fehlte, diese weitläuftige Festung mit den Vorstädten zu vertheidigen, so wurden auch die Vorstädte Sudenburg und Neustadt dem Feinde preis gegeben, der sie sogleich in die Asche legte. Pappenheim trennte sich von Tilly, ging bey Schönebeck über die Elbe, um von der andern Seite die Stadt anzugreifen.

Die Besazung, durch die vorhergehenden Gefechte in den Außenwerken geschwächt, belief sich nicht über 2000 Mann Fußvolks und einige 100 Reiterey, eine sehr schwache Anzahl für eine so große und noch dazu unregelmäßige Festung. Diesen Mangel zu ersezen, bewaffnete man die Bürger; ein verzweifelter Ausweg, der größern Schaden anrichtete, als er verhütete. Die Bürger, an sich selbst schon sehr mittelmäßige Soldaten, stürzten durch ihre Uneinigkeit die Stadt ins Verderben. Dem Aermern that es weh, daß man ihm allein alle Lasten aufwälzte, ihn allein allem Ungemach, allen Gefahren bloß stellte, während der Reiche seine Dienerschaft schickte, und sich in seinem Hause gütlich that. Der Unwille brach zulezt in ein allgemeines Murren aus, Gleichgültigkeit trat an die Stelle des Eifers, Ueberdruß und Nachlässigkeit im Dienst an die Stelle der wachsamen Vorsicht. Diese Trennung der Gemüther, mit der steigenden Noth verbunden, gab nach und nach einer kleinmüthigen Ueberlegung Raum, daß mehrere schon anfingen, über die [196] Verwegenheit ihres Unternehmens aufgeschreckt zu werden, und vor der Allmacht des Kaisers zu erbeben, gegen welchen man im Streit begriffen sey. Aber der Religionsfanatismus, die feurige Liebe der Freyheit, der unüberwindliche Widerwille gegen den kaiserlichen Namen, die wahrscheinliche Hoffnung eines nahen Entsazes entfernten jeden Gedanken an Uebergabe, und so sehr man in allem andern getrennt seyn mochte, so einig war man, sich bis aufs äusserste zu vertheidigen.

Die Hoffnung der Belagerten, sich entsezt zu sehen, war auf die höchste Wahrscheinlichkeit gegründet. Sie wußten um die Bewaffnung des Leipziger Bundes, sie wußten um die Annäherung Gustav Adolphs; beyden war die Erhaltung Magdeburgs gleich wichtig, und wenige Tagemärsche konnten den König von Schweden vor ihre Mauern bringen. Alles dieses war dem Grafen Tilly nicht unbekannt, und eben darum eilte er so sehr, sich, auf welche Art es auch seyn möchte, von Magdeburg Meister zu machen. Schon hatte er, der Uebergabe wegen, einen Trompeter mit verschiedenen Schreiben an den Administrator, Kommendanten und Magistrat abgesendet, aber zur Antwort erhalten, daß man lieber sterben als sich ergeben würde. Ein lebhafter Ausfall der Bürger zeigte ihm, daß der Muth der Belagerten nichts weniger als erkaltet sey, und die Ankunft des Königs zu Potsdam, die Streifereyen der Schweden selbst bis vor Zerbst mußten ihn mit Unruhe, so wie die Einwohner Magdeburgs mit den frohesten Hoffnungen erfüllen. Ein zweyter Trompeter, den er an sie abschickte, und der gemäßigtere Ton seiner Schreibart bestärkte sie noch mehr in ihrer Zuversicht – aber nur, um sie in eine desto tiefere Sorglosigkeit zu stürzen.

Die Belagerer waren unterdessen mit ihren Approchen bis an den Stadtgraben vorgedrungen, und beschossen von den aufgeworfenen Batterien aufs [197] heftigste Wall und Thürme. Ein Thurm wurde ganz eingestürzt, aber ohne den Angriff zu erleichtern, da er nicht in den Graben fiel, sondern sich seitwärts an den Wall anlehnte. Des anhaltenden Bombardirens ungeachtet, hatte der Wall nicht viel gelitten, und die Wirkung der Feuerkugeln, welche die Stadt in Brand stecken sollten, wurde durch vortreffliche Gegenanstalten vereitelt. Aber der Pulvervorrath der Belagerten war bald zu Ende, und das Geschüz der Festung hörte nach und nach auf, den Belagerern zu antworten. Ehe neues Pulver bereitet war, mußte Magdeburg entsezt seyn, oder es war verloren. Jezt war die Hoffnung in der Stadt aufs höchste gestiegen, und mit heftiger Sehnsucht alle Blicke nach der Gegend hingekehrt, von welcher die Schwedischen Fahnen wehen sollten. Gustav Adolph hielt sich nahe genug auf, um am dritten Tage vor Magdeburg zu stehen. Die Sicherheit steigt mit der Hoffnung, und alles trägt dazu bey, sie zu verstärken. Am 9ten May fängt unerwartet die feindliche Kanonade an zu schweigen, von mehrern Batterien werden die Stücke abgeführt. Todte Stille im kaiserlichen Lager. Alles überzeugt die Belagerten, daß ihre Rettung nahe sey. Der größte Theil der Bürger- und Soldatenwache verläßt früh morgens seinen Posten auf dem Wall, um endlich einmal nach langer Arbeit des süßen Schlafes sich zu erfreuen – aber ein theurer Schlaf, und ein entsetzliches Erwachen!

Tilly hatte endlich der Hoffnung entsagt, auf dem bisherigen Wege der Belagerung sich noch vor Ankunft der Schweden der Stadt bemeistern zu können; er beschloß also, sein Lager aufzuheben, zuvor aber noch einen Generalsturm zu wagen. Die Schwierigkeiten waren groß, da keine Bresche noch geschossen, und die Festungswerke kaum beschädigt waren. Aber der Kriegsrath, den er versammelte, erklärte sich für den Sturm, und stüzte sich dabey auf das Beyspiel von Mastricht, welche Stadt früh morgens, da [198] Bürger und Soldaten sich zur Ruhe begeben, mit stürmender Hand überwältigt worden sey. An vier Orten zugleich sollte der Angriff geschehen; die ganze Nacht zwischen dem 9ten und 10ten wurde mit den nöthigen Anstalten zugebracht. Alles war in Bereitschaft, und erwartete, der Abrede gemäß, früh um 5 Uhr das Zeichen mit den Kanonen. Dieses erfolgte, aber erst zwey Stunden später, indem Tilly, noch immer zweifelhaft wegen des Erfolgs, noch einmal den Kriegsrath versammelte. Pappenheim ward beordert, auf die Neustädtischen Werke den Angriff zu thun; ein abhängiger Wall und ein trockner nicht allzu tiefer Graben kamen ihm dabey zu Statten. Der größte Theil der Bürger und Soldaten hatte die Wälle verlassen, und die wenigen Zurückgebliebenen fesselte der Schlaf. So wurde es diesem General nicht schwer, der Erste den Wall zu ersteigen.

Falkenberg, aufgeschreckt durch das Knallen des Musketenfeuers, eilte von dem Rathhause, wo er eben beschäftigt war, den zweyten Trompeter des Tilly abzufertigen, mit einer zusammen gerafften Mannschaft nach dem Neustädtischen Thore, das der Feind schon überwältigt hatte. Hier zurück geschlagen, flog dieser tapfere General nach einer andern Seite, wo eine zweyte feindliche Parthey schon im Begriff war, die Werke zu ersteigen. Umsonst ist sein Widerstand, schon zu Anfang des Gefechts strecken die feindlichen Kugeln ihn zu Boden. Das heftige Musketenfeuer, das Läuten der Sturmglocken, das überhand nehmende Getöse machen endlich den erwachenden Bürgern die drohende Gefahr bekannt. Eilfertig werfen sie sich in ihre Kleider, greifen zum Gewehr, stürzen in blinder Betäubung dem Feind entgegen. Noch war Hoffnung übrig, ihn zurück zu treiben, aber der Kommendant getödtet, kein Plan im Angriff, keine Reiterey in seine verwirrten Glieder einzubrechen, endlich kein Pulver mehr, das Feuer fortzusezen. Zwey andre Thore, bis jezt noch [199] unangegriffen, werden von Vertheidigern entblößt, um der dringendern Noth in der Stadt zu begegnen. Schnell benuzt der Feind die dadurch entstandne Verwirrung, um auch diese Posten anzugreifen. Der Widerstand ist lebhaft und hartnäckig, bis endlich vier kaiserliche Regimenter, des Walles Meister, den Magdeburgern in den Rücken fallen, und so ihre Niederlage vollenden. Ein tapferer Capitän, Namens Schmidt, der in dieser allgemeinen Verwirrung die Entschlossensten noch einmal gegen den Feind führt, und glücklich genug ist, ihn bis an das Thor zurück zu treiben, fällt tödtlich verwundet, Magdeburgs lezte Hoffnung mit ihm. Alle Werke sind noch vor Mittag erobert, die Stadt in Feindes Händen.

Zwey Thore werden jezt von den Stürmenden der Hauptarmee geöffnet, und Tilly läßt einen Theil seines Fußvolks einmarschieren. Es besezt sogleich die Hauptstraßen, und das aufgepflanzte Geschüz scheucht alle Bürger in ihre Wohnungen, dort ihr Schicksal zu erwarten. Nicht lange läßt man sie im Zweifel, zwey Worte des Grafen Tilly bestimmen Magdeburgs Geschick. Ein nur etwas menschlicher Feldherr würde solchen Truppen vergeblich Schonung anbefohlen haben; Tilly gab sich auch nicht die Mühe, es zu versuchen. Durch das Stillschweigen seines Generals zum Herrn über das Leben aller Bürger gemacht, stürzt der Soldat in das Innere der Häuser, um ungebunden alle Begierden einer viehischen Seele zu kühlen. Vor manchem Deutschen Ohre fand die flehende Unschuld Erbarmen, keines vor dem tauben Grimm der Wallonen aus Pappenheims Heer. Kaum hatte dieses Blutbad seinen Anfang genommen, als alle übrigen Thore aufgingen, die ganze Reiterey und der Kroaten fürchterliche Banden gegen die unglückliche Stadt los gelassen wurden.

[200] Eine Würgescene fing jezt an, für welche die Geschichte keine Sprache, und die Dichtkunst keinen Pinsel hat. Nicht die schuldfreye Kindheit, nicht das hülflose Alter, nicht Jugend, nicht Geschlecht, nicht Stand, nicht Schönheit können die Wuth des Siegers entwaffnen. Frauen werden in den Armen ihrer Männer, Töchter zu den Füßen ihrer Väter mißhandelt, und das wehrlose Geschlecht hat bloß das Vorrecht, einer gedoppelten Wuth zum Opfer zu dienen. Keine noch so verborgene, keine noch so geheiligte Stätte konnte vor der alles durchforschenden Habsucht sichern. Drey und funfzig Frauenspersonen fand man in einer Kirche enthauptet. Kroaten vergnügten sich, Kinder in die Flammen zu werfen – Pappenheims Wallonen, Säuglinge an den Brüsten ihrer Mütter zu spießen. Einige ligistische Offiziere, von diesem grausenvollen Anblick empört, unterstanden sich, den Grafen Tilly zu erinnern, daß er dem Blutbad möchte Einhalt thun lassen. „Kommt in einer Stunde wieder, war seine Antwort. Ich werde dann sehen, was ich thun werde; der Soldat muß für seine Gefahr und Arbeit etwas haben.“ In ununterbrochener Wuth dauerten diese Greuel fort, bis endlich Rauch und Flammen der Raubsucht Grenzen sezten. Um die Verwirrung zu vermehren, und den Widerstand der Bürger zu brechen, hatte man gleich anfangs an verschiedenen Orten Feuer angelegt. Jezt erhob sich ein Sturmwind, der die Flammen mit reißender Schnelligkeit durch die ganze Stadt verbreitete, und den Brand allgemein machte. Fürchterlich war das Gedränge durch Qualm und Leichen, durch gezuckte Schwerter, durch stürzende Trümmer, durch das strömende Blut. Die Atmosphäre kochte, und die unerträgliche Glut zwang endlich selbst diese Würger, sich in das Lager zu flüchten. In weniger als zwölf Stunden lag diese volkreiche, feste, große Stadt, eine der schönsten Deutschlands, in der Asche, zwey Kirchen und einige Hütten ausgenommen. Der [201] Administrator Christian Wilhelm ward mit drey Bürgermeistern nach vielen empfangenen Wunden gefangen; viele tapfere Offiziere und Magistrate hatten fechtend einen beneideten Tod gefunden. Vier hundert der reichsten Bürger entriß die Habsucht der Offiziere dem Tod, um ein theures Lösegeld von ihnen zu erpressen. Noch dazu waren es meistens Offiziere der Ligue, welche diese Menschlichkeit zeigten, und die blinde Mordbegier der kaiserlichen Soldaten ließ sie als rettende Engel betrachten.

Kaum hatte sich die Wuth des Brandes gemindert, als die kaiserlichen Schaaren mit erneuertem Hunger zurück kehrten, um unter Schutt und Asche ihren Raub aufzuwühlen. Manche erstickte der Dampf; viele machten große Beute, da die Bürger ihr Bestes in die Keller geflüchtet hatten. Am 13ten May erschien endlich Tilly selbst in der Stadt, nachdem die Hauptstraßen von Schutt und Leichen gereinigt waren. Schauderhaft gräßlich, empörend war die Scene, welche sich jezt der Menschlichkeit darstellte! Lebende, die unter den Leichen hervor krochen, herum irrende Kinder, die mit herzzerschneidendem Geschrey ihre Eltern suchten, Säuglinge, die an den todten Brüsten ihrer Mütter saugten! Mehr als 6000 Leichen mußte man in die Elbe werfen, um die Gassen zu räumen; eine ungleich größere Menge von Lebenden und Leichen hatte das Feuer verzehrt; die ganze Zahl der Getödteten wird auf 30,000 angegeben.

Der Einzug des Generals, welcher am 14ten erfolgte, machte der Plünderung ein Ende, und was bis dahin gerettet war, blieb leben. Gegen 1000 Menschen wurden aus der Domkirche gezogen, wo sie drey Tage und zwey Nächte in beständiger Todesfurcht und ohne Nahrung zugebracht hatten. Tilly ließ ihnen Pardon ankündigen, und Brod unter sie vertheilen. Den Tag darauf ward in dieser [202] Domkirche feyerliche Messe gehalten, und unter Abfeurung der Kanonen das TeDeum angestimmt. Der kaiserliche General durchritt die Straßen, um als Augenzeuge seinem Herrn berichten zu können, daß seit Trojas und Jerusalems Zerstörung kein solcher Sieg gesehen worden sey. Und in diesem Vorgeben war nichts Uebertriebenes, wenn man die Größe, den Wohlstand und die Wichtigkeit der Stadt, welche unterging, mit der Wuth ihrer Zerstörer zusammen denkt.

Das Gerücht von Magdeburgs grausenvollem Schicksal verbreitete Frohlocken durch das katholische, Entsezen und Furcht durch das ganze protestantische Deutschland. Aber Schmerz und Unwillen klagten allgemein den König von Schweden an, der, so nahe und so mächtig, diese bundsverwandte Stadt hülflos gelassen hatte. Auch der Billigste fand diese Unthätigkeit des Königs unerklärbar, und Gustav Adolph, um nicht unwiederbringlich die Herzen des Volks zu verlieren, zu dessen Befreyung er erschienen war, sah sich gezwungen, in einer eigenen Schuzschrift die Gründe seines Betragens der Welt vorzulegen.

Er hatte eben Landsberg angegriffen, und am 16ten April erobert, als er die Gefahr vernahm, in welcher Magdeburg schwebte. Sogleich ward sein Entschluß gefaßt, diese bedrängte Stadt zu befreyen, und er sezte sich deswegen mit seiner ganzen Reiterey und 10 Regimentern Fußvolk nach der Spree in Bewegung. Die Situation, in welcher sich dieser König auf Deutschem Boden befand, machte ihm zum unverbrüchlichen Klugheitsgeseze, keinen Schritt vorwärts zu thun, ohne den Rücken frey zu haben. Mit der mißtrauischten Behutsamkeit mußte er ein Land durchziehen, wo er von zweydeutigen Freunden und mächtigen offenbaren Feinden umgeben war, wo ein einziger übereilter Schritt ihn von seinem [203] Königreich abschneiden konnte. Der Churfürst von Brandenburg hatte vormals schon seine Festung Küstrin den flüchtigen Kaiserlichen aufgethan, und den nacheilenden Schweden verschlossen. Sollte Gustav jezt gegen Tilly verunglücken, so konnte eben dieser Churfürst den Kaiserlichen seine Festungen öffnen, und dann war der König, Feinde vor sich und hinter sich, ohne Rettung verloren. Diesem Zufall bey gegenwärtiger Unternehmung nicht ausgesezt zu seyn, verlangte er, ehe er sich zu der Befreyung Magdeburgs aufmachte, daß ihm von dem Churfürsten die beyden Festungen Küstrin und Spandau eingeräumt würden, bis er Magdeburg in Freyheit gesezt hätte.

Nichts schien gerechter zu seyn, als diese Foderung. Der grosse Dienst, welchen Gustav Adolph dem Churfürsten kürzlich erst durch Vertreibung der Kaiserlichen aus den Brandenburgischen Landen geleistet, schien ihm ein Recht an seine Dankbarkeit, das bisherige Betragen der Schweden in Deutschland einen Anspruch auf sein Vertrauen zu geben. Aber durch Uebergabe seiner Festungen machte der Churfürst den König von Schweden gewissermassen zum Herrn seines Landes, nicht zu gedenken, daß er eben dadurch zugleich mit dem Kaiser brach, und seine Staaten der ganzen künftigen Rache der kaiserlichen Heere bloß stellte. Georg Wilhelm kämpfte lange Zeit einen grausamen Kampf mit sich selbst, aber Kleinmuth und Eigennuz schienen endlich die Oberhand zu gewinnen. Ungerührt von Magdeburgs Schicksal, kalt gegen Religion und Deutsche Freyheit, sah er nichts als seine eigene Gefahr, und diese Besorglichkeit wurde durch seinen Minister von Schwarzenberg, der einen heimlichen Sold von dem Kaiser zog, aufs höchste getrieben. Unterdessen näherten sich die Schwedischen Truppen Berlin, und der König nahm bey dem Churfürsten seine Wohnung. Als er die furchtsame Bedenklichkeit dieses Prinzen wahrnahm, konnte er sich des Unwillens [204] nicht enthalten. „Mein Weg geht auf Magdeburg, sagte er, nicht mir, sondern den Evangelischen zum Besten. Will niemand mir beystehen, so nehme ich sogleich meinen Rückweg, biethe dem Kaiser einen Vergleich an, und ziehe wieder nach Stockholm. Ich bin gewiß, der Kaiser soll einen Frieden mit mir eingehen, wie ich ihn immer nur verlangen kann – aber geht Magdeburg verloren, und ist der Kaiser der Furcht vor mir erst entledigt, so sehet zu, wie es euch ergehen wird.“ Diese zu rechter Zeit hingeworfene Drohung, vielleicht auch der Blick auf die Schwedische Armee, welche mächtig genug war, dem Könige durch Gewalt zu verschaffen, was man ihm auf dem Wege der Güte verweigerte, brachte endlich den Churfürsten zum Entschluß, Spandau in seine Hände zu übergeben.

Nun standen dem König zwey Wege nach Magdeburg offen, wovon der eine gegen Abend durch ein erschöpftes Land und mitten durch feindliche Truppen führte, die ihm den Uebergang über die Elbe streitig machen konnten. Der andre gegen Mittag, ging über Dessau oder Wittenberg, wo er Brücken fand, die Elbe zu passieren, und aus Sachsen Lebensmittel ziehen konnte. Aber diß konnte ohne Einwilligung des Churfürsten von Sachsen nicht geschehen, in welchen Gustav ein gegründetes Mißtrauen sezte. Ehe er sich also in Marsch sezte, ließ er diesen Prinzen um einen freyen Durchzug, und um das Nöthige für seine Truppen gegen baare Bezahlung ersuchen. Sein Verlangen wurde ihm abgeschlagen, und keine Vorstellung konnte den Churfürsten bewegen, seinem Neutralitätssystem zu entsagen. Indem man noch im Streit darüber begriffen war, kam die Nachricht von Magdeburgs entsezlichem Schicksal.

Tilly verkündigte sie mit dem Tone eines Siegers allen protestantischen Fürsten, und verlor [205] keinen Augenblick, den allgemeinen Schrecken aufs beste zu benutzen. Das Ansehen des Kaisers, durch die bisherigen Progressen Gustavs merklich herunter gebracht, erhob sich furchtbarer als je nach diesem entscheidenden Vorgang, und schnell offenbarte sich diese Veränderung in der gebiethrischen Sprache, welche er gegen die protestantischen Reichsstände führte. Die Schlüsse des Leipziger Bundes wurden durch einen Machtspruch vernichtet, der Bund selbst durch ein kaiserliches Dekret aufgehoben, allen widersezlichen Ständen Magdeburgs Schicksal angedroht. Als Vollzieher dieses kaiserlichen Schlusses, ließ Tilly sogleich Truppen gegen den Bischof von Bremen marschieren, der ein Mitglied des Leipziger Bundes war, und Soldaten geworben hatte. Der in Furcht gesezte Bischof übergab die leztern sogleich in die Hände des Tilly, und unterzeichnete die Kassation der Leipziger Schlüsse. Eine kaiserliche Armee, welche unter dem Kommando des Grafen von Fürstenberg zu eben der Zeit aus Italien zurück kam, verfuhr auf gleiche Art gegen den Administrator von Wirtemberg. Der Herzog mußte sich dem Restitutionsedikt und allen Dekreten des Kaisers unterwerfen, ja noch ausserdem zu Unterhaltung der kaiserlichen Truppen einen monatlichen Geldbeytrag von 100,000 Thalern erlegen. Aehnliche Lasten wurden der Stadt Ulm und Nürnberg, dem ganzen Fränkischen und Schwäbischen Kreise auferlegt. Schrecklich war die Hand des Kaisers über Deutschland. Die Schnelle Uebermacht, welche er durch diesen Vorfall erlangte, mehr scheinbar als in der Wirklichkeit gegründet, führte ihn über die Grenzen der bisherigen Mäßigung hinweg, und verleitete ihn zu einem gewaltsamen übereilten Verfahren, welches endlich die Unentschlossenheit der Deutschen Fürsten zum Vortheil Gustav Adolphs besiegte. So unglücklich also die nächsten Folgen von Magdeburgs Untergang für die Protestanten auch seyn mochten, so wohlthätig waren die spätern. Die erste [206] Ueberraschung machte bald einem thätigen Unwillen Plaz, die Verzweiflung gab Kräfte, und die Deutsche Freyheit erhub sich aus Magdeburgs Asche.

Unter den Fürsten des Leipziger Bundes waren der Churfürst von Sachsen und der Landgraf von Hessen bey weitem am meisten zu fürchten, und die Herrschaft des Kaisers war in diesen Gegenden nicht befestigt, so lange er diese beyden nicht entwaffnet sah. Gegen den Landgrafen richtete Tilly seine Waffen zuerst, und brach unmittelbar von Magdeburg nach Thüringen auf. Die Sächsisch-Ernestinischen und Schwarzburgischen Lande wurden auf diesem Zuge äusserst gemißhandelt, Frankenhausen, selbst unter den Augen des Tilly, von seinen Soldaten ungestraft geplündert und in die Asche gelegt; schrecklich mußte der unglückliche Landmann dafür büssen, daß sein Landesherr die Schweden begünstigte. Erfurt, der Schlüssel zwischen Sachsen und Franken, wurde mit einer Belagerung bedroht, wovon es sich aber durch eine freywillige Lieferung von Proviant und eine Geldsumme los kaufte. Von da schickte Tilly seinen Abgesandten an den Landgrafen von Kassel, mit der Foderung, ungesäumt seine Truppen zu entlassen, dem Leipziger Bund zu entsagen, kaiserliche Regimenter in sein Land und seine Festungen aufzunehmen, Contributionen zu entrichten, und sich entweder als Freund oder Feind zu erklären. So mußte sich ein Deutscher Reichsfürst von einem kaiserlichen Diener behandelt sehen. Aber diese ausschweifende Foderung bekam ein furchtbares Gewicht durch die Heeresmacht, von der sie begleitet wurde, und das noch frische Andenken von Magdeburgs schauderhaftem Schicksal mußte den Nachdruck desselben vergrössern. Um so mehr Lob verdient die Unerschrockenheit, mit welcher der Landgraf diesen Antrag beantwortete: „Fremde Soldaten in seine Festungen und in seine Residenz aufzunehmen, sey er ganz und gar nicht gesonnen – Seine Truppen [207] brauche er selbst – Gegen einen Angriff würde er sich zu vertheidigen wissen. Fehlte es dem General Tilly an Geld und Lebensmitteln, so möchte er nur nach München aufbrechen, wo Vorrath an beydem sey.“ Der Einbruch zweyer kaiserlichen Schaaren in Hessen war die nächste Folge dieser herausfodernden Antwort; aber der Landgraf wußte ihnen so gut zu begegnen, daß nichts Erhebliches ausgerichtet ward. Nachdem aber Tilly selbst im Begriff stand, ihnen mit seiner ganzen Macht nachzufolgen, so würde das unglückliche Land die Standhaftigkeit seines Fürsten theuer genug haben büssen müssen, wenn nicht die Bewegungen des Königs von Schweden diesen General noch zu rechter Zeit zurück gerufen hätten.

Gustav Adolph hatte den Untergang Magdeburgs mit dem empfindlichsten Schmerz erfahren, der dadurch vergrößert ward, daß Georg Wilhelm nun, dem Vertrage gemäß, die Festung Spandau zurück verlangte. Der Verlust von Magdeburg hatte die Gründe, um derentwillen dem König der Besiz dieser Festung so wichtig war, eher vermehrt als vermindert; und je näher die Nothwendigkeit einer entscheidenden Schlacht zwischen ihm und Tilly heran rückte, desto schwerer ward es ihm, der einzigen Zuflucht zu entsagen, welche nach einem unglücklichen Ausgang für ihn übrig war. Nachdem er Vorstellungen und Bitten bey dem Churfürsten von Brandenburg fruchtlos erschöpft hatte, und die Kaltsinnigkeit desselben vielmehr mit jedem Tage stieg, so schickte er endlich seinem Kommandanten den Befehl zu, Spandau zu räumen, erklärte aber zugleich, daß von demselben Tage an der Churfürst als Feind behandelt werden sollte.

Dieser Erklärung Nachdruck zu geben, erschien er mit seiner ganzen Armee vor Berlin. „Ich will nicht schlechter behandelt seyn, als die Generale des Kaisers, antwortete er den Abgesandten, die der [208] bestürzte Churfürst in sein Lager schickte. Euer Herr hat sie in seine Staaten aufgenommen, mit allen Bedürfnissen versorgt, ihnen alle Pläze, welche sie nur wollten, übergeben, und durch alle diese Gefälligkeiten nicht erhalten können, daß sie menschlicher mit seinem Volke verfahren wären. Alles was ich von ihm verlange, ist Sicherheit, eine mäßige Geldsumme, und Brod für meine Truppen; dagegen verspreche ich ihm, seine Staaten zu beschüzen, und den Krieg von ihm zu entfernen. Auf diesen Punkten aber muß ich bestehen, und mein Bruder, der Churfürst, entschließe sich eilends, ob er mich zum Freunde haben, oder seine Hauptstadt geplündert sehen will.“ Dieser entschlossene Ton machte Eindruck, und die Richtung der Kanonen gegen die Stadt besiegte alle Zweifel Georg Wilhelms. In wenigen Tagen ward eine Allianz unterzeichnet, in welcher sich der Churfürst zu einer monatlichen Zahlung von 30,000 Thalern verstand, Spandau in den Händen des Königs ließ, und sich anheischig machte, auch Küstrin seinen Truppen zu allen Zeiten zu öffnen. Diese nunmehr entschiedene Verbindung des Churfürsten von Brandenburg mit den Schweden fand in Wien keine bessere Aufnahme, als der ähnliche Entschluß des Herzogs von Pommern vormals gefunden hatte; aber der ungünstige Wechsel des Glücks, den seine Waffen bald nachher erfuhren, erlaubte dem Kaiser nicht, seine Empfindlichkeit anders als durch Worte zu zeigen.

Das Vergnügen des Königs über diese glückliche Begebenheit wurde bald durch die angenehme Botschaft vergrößert, daß Greifswalde, der einzige feste Plaz, den die Kaiserlichen noch in Pommern besassen, übergegangen, und nunmehr das ganze Land von diesen schlimmen Feinden gereinigt sey. Er erschien selbst wieder in diesem Herzogthum, und genoß das entzückende Schauspiel der allgemeinen Volksfreude, deren Schöpfer er war. Ein Jahr [209] war jezt verstrichen, daß Gustav Deutschland betreten hatte, und diese Begebenheit wurde in dem ganzen Herzogthume Pommern durch ein allgemeines Dankfest gefeyert. Kurz vorher hatte ihn der Czar von Moskau durch Gesandte begrüssen, seine Freundschaft erneuern, und sogar Hülfstruppen antragen lassen. Zu diesen friedfertigen Gesinnungen der Russen durfte er sich um so mehr Glück wünschen, je wichtiger es ihm war, bey dem gefahrvollen Kriege, dem er entgegen ging, durch einen feindseligen Nachbar beunruhigt zu werden. Nicht lange darauf landete die Königin Maria Eleonora, seine Gemahlin, mit einer Verstärkung von acht tausend Schweden in Pommern; und die Ankunft von sechs tausend Engländern unter der Anführung des Marquis von Hamilton darf um so weniger übergangen werden, da ihre Ankunft alles ist, was die Geschichte von den Thaten der Engländer in dem dreyßigjährigen Kriege zu berichten hat.

Pappenheim behauptete während dem Thüringischen Zug des Tilly das Magdeburgische Gebieth, hatte aber nicht hindern können, daß die Schweden nicht mehrmalen die Elbe passirten, einige kaiserliche Detaschements niederhieben, und mehrere Pläze in Besitz nahmen. Er selbst, von der Annäherung des Königs geängstigt, rief den Grafen Tilly auf das dringendste zurück, und bewog ihn auch wirklich, in schnellen Märschen nach Magdeburg umzukehren. Tilly nahm sein Lager diesseits des Flusses zu Wolmirstädt; Gustav Adolph hatte das seinige auf eben dieser Seite bey Werben unweit dem Einfluß der Havel in die Elbe bezogen. Gleich seine Ankunft in diesen Gegenden verkündigte dem Tilly nichts Gutes. Die Schweden zerstreuten drey seiner Regimenter, welche entfernt von der Hauptarmee in Dörfern postirt standen, nahmen die eine Hälfte ihrer Bagage hinweg, und verbrannten die übrige. Umsonst näherte sich Tilly mit seiner Armee auf einen [210] Kanonenschuß weit dem Lager des Königs, um ihm eine Schlacht anzubiethen; Gustav, um die Hälfte schwächer, als Tilly, vermied sie mit Weisheit; sein Lager war zu fest, um dem Feind einen gewaltsamen Angriff zu erlauben. Es blieb bey einer bloßen Kanonade und einigen Scharmützeln, in welchen allen die Schweden die Oberhand behielten. Auf seinem Rückzuge nach Wolmirstädt verminderte sich die Armee des Tilly durch häufige Desertionen. Seit dem Blutbade zu Magdeburg floh ihn das Glück.

Desto ununterbrochener begleitete es von nun an den König von Schweden. Während er zu Werben im Lager stand, wurde das ganze Mecklenburg, bis auf wenige Pläze, durch seinen General Tott und den Herzog Adolph Friedrich erobert, und er genoß die königliche Lust, beyde Herzoge in ihre Staaten wieder einzusezen. Er reiste selbst nach Güstrow, wo die Einsezung vor sich ging, um durch seine Gegenwart den Glanz dieser Handlung zu erheben. Von beyden Herzogen wurde, ihren Erretter in der Mitte, und ein glänzendes Gefolge von Fürsten um sich her, ein festlicher Einzug gehalten, den die Freude der Unterthanen zu dem rührendsten Feste machte. Bald nach seiner Zurückkunft nach Werben erschien der Landgraf von Hessenkassel in seinem Lager, um ein enges Bündniß auf Vertheidigung und Angriff mit ihm zu schliessen; der erste regierende Fürst in Deutschland, der sich von freyen Stücken und öffentlich gegen den Kaiser erklärte, aber auch durch die triftigsten Gründe dazu aufgefordert war. Landgraf Wilhelm machte sich verbindlich, den Feinden des Königs als seinen eigenen zu begegnen, ihm seine Städte und sein ganzes Land aufzuthun, Proviant, und alles Nothwendige zu liefern. Dagegen erklärte sich der König zu seinem Freunde und Beschüzer, und versprach, keinen Frieden einzugehen, ohne dem Landgrafen völlige Genugthuung [211] von dem Kaiser verschafft zu haben. Beyde Theile hielten redlich Wort. Hessenkassel beharrte in diesem langen Kriege bey der Schwedischen Allianz bis ans Ende, und es hatte Ursache, sich im Westphälischen Frieden der Schwedischen Freundschaft zu rühmen.

Tilly, dem dieser kühne Schritt des Landgrafen nicht lange verborgen blieb, schickte den Grafen Fugger mit einigen Regimentern gegen ihn, zugleich versuchte er, die Heßischen Unterthanen durch aufrührerische Briefe gegen ihren Herrn zu empören. Seine Briefe fruchteten eben so wenig, als seine Regimenter, welche ihm nachher in der Breitenfelder Schlacht sehr zur Unzeit fehlten – und die Heßischen Landstände konnten keinen Augenblick zweifelhaft seyn, ob sie den Beschüzer ihres Eigenthums dem Räuber desselben vorziehen sollten.

Aber weit mehr als Hessenkassel beunruhigte den kaiserlichen General die zweydeutige Gesinnung des Churfürsten von Sachsen, der, des kaiserlichen Verboths ungeachtet, seine Rüstungen fortsezte, und den Leipziger Bund aufrecht hielt. Jezt, in dieser Nähe des Königs von Schweden, da es in kurzer Zeit zu einer entscheidenden Schlacht kommen mußte, schien es ihm äußerst bedenklich, Chursachsen in Waffen stehen zu lassen, jeden Augenblick bereit, sich für den Feind zu erklären. Eben hatte sich Tilly mit 25,000 Mann alter Truppen verstärkt, welche ihm Fürstenberg zuführte, und, voll Zuversicht auf seine Macht, glaubte er den Churfürsten entweder durch das blosse Schrecken seiner Ankunft entwaffnen, oder doch ohne Mühe überwinden zu können. Ehe er aber sein Lager bey Wolmirstädt verließ, forderte er ihn durch eine eigne Gesandtschaft auf, sein Land den kaiserlichen Truppen zu öffnen, seine eigenen zu entlassen, oder mit der kaiserlichen Armee zu vereinigen, und in Gemeinschaft mit ihr den König von Schweden aus [212] Deutschland zu verjagen. Er brachte ihm in Erinnerung, daß Chursachsen bisher unter allen Deutschen Ländern am meisten geschont worden sey, und bedrohte ihn im Weigerungsfalle mit der schrecklichsten Verheerung.

Tilly hatte zu diesem gebietherischen Antrag den ungünstigsten Zeitpunkt gewählt. Die Mißhandlung seiner Religions- und Bundesverwandten, Magdeburgs Zerstörung, die Ausschweifungen der Kaiserlichen in der Lausiz, alles kam zusammen, den Churfürsten gegen den Kaiser zu entrüsten. Gustav Adolphs Nähe, wie wenig Recht er auch an dem Schuz dieses Fürsten haben mochte, belebte ihn mit Muth. Er verbath sich die kaiserlichen Einquartierungen, und erklärte seinen standhalten Entschluß, in Rüstung zu bleiben. „So sehr es ihm auch auffallen müsse, (sezte er hinzu) die kaiserliche Armee zu einer Zeit gegen seine Lande im Anmarsch zu sehen, wo diese Armee genug zu thun hätte, den König von Schweden zu verfolgen, so erwarte er dennoch nicht, anstatt der versprochenen und wohlverdienten Belohnungen mit Undank und mit dem Ruin seines Landes bezahlt zu werden.“ Den Abgesandten des Tilly, welche prächtig bewirthet wurden, gab er eine noch verständlichere Antwort auf den Weg. „Meine Herren, sagte er, ich sehe wohl, daß man gesonnen ist, das lang gesparte Sächsische Confekt endlich auch auf die Tafel zu sezen. Aber man pflegt dabey allerley Nüsse und Schauessen aufzutragen, die hart zu beissen sind, und sehen Sie Sich wohl vor, daß Sie Sich die Zähne nicht daran ausbeissen.“

Jezt brach Tilly aus seinem Lager auf, rückte vor bis nach Halle unter fürchterlichen Verheerungen, und ließ von hier aus seinen Antrag an den Churfürsten in noch dringenderm und drohenderm Tone erneuern. Erinnert man sich der ganzen bisherigen [213] Denkungsart dieses Fürsten, der durch eigne Neigung und durch die Eingebungen seiner bestochenen Minister dem Interesse des Kaisers, selbst auf Unkosten seiner heiligsten Pflichten, ergeben war, den man bisher mit so geringem Aufwand von Kunst in Unthätigkeit erhalten, so muß man über die Verblendung des Kaisers oder seiner Minister erstaunen, ihrer bisherigen Politik gerade in dem bedenklichsten Zeitpunkte zu entsagen, und durch ein gewaltthätiges Verfahren diesen so leicht zu lenkenden Fürsten aufs äusserste zu bringen. Oder war eben dieses die Absicht des Tilly? War es ihm darum zu thun, einen zweydeutigen Freund in einen offenbaren Feind zu verwandeln, um dadurch der Schonung überhoben zu seyn, welche der geheime Befehl des Kaisers ihm bisher gegen die Länder dieses Fürsten aufgelegt hatte? War es vielleicht gar die Absicht des Kaisers, den Churfürsten zu einem feindseligen Schritt zu reizen, um seiner Verbindlichkeit dadurch quitt zu seyn, und eine beschwerliche Rechnung mit guter Art zerreißen zu können? So müßte man nicht weniger über den verwegenen Uebermuth des Tilly erstaunen, der kein Bedenken trug, im Angesicht eines furchtbaren Feindes sich einen neuen zu machen – und über die Sorglosigkeit eben dieses Feldherrn, die Vereinigung beyder ohne Widerstand zu gestatten.

Johann Georg, durch den Eintritt des Tilly in seine Staaten zur Verzweiflung gebracht, warf sich, nicht ohne grosses Widerstreben, dem König von Schweden in die Arme.

Gleich nach Abfertigung der ersten Gesandtschaft des Tilly hatte er seinen Feldmarschall von Arnheim aufs eilfertigste in Gustavs Lager gesendet, diesen lange vernachläßigten Monarchen um schleunige Hülfe anzugehn. Der König verbarg die innere Zufriedenheit, welche ihm diese sehnlich gewünschte Entwicklung gewährte. „Mir thut es leid um den [214] Churfürsten, gab er dem Abgesandten mit verstelltem Kaltsinn zur Antwort. Hätte er meine wiederholten Vorstellungen geachtet, so würde sein Land keinen Feind gesehen haben, und auch Magdeburg würde noch stehen. Jezt, da die höchste Noth ihm keinen andern Ausweg mehr übrig läßt, jezt wendet man sich an den König von Schweden. Aber melden Sie ihm, daß ich weit entfernt sey, um des Churfürsten von Sachsen willen mich und meine Bundsgenossen ins Verderben zu stürzen. Und wer leistet mir für die Treue eines Prinzen Gewähr, dessen Minister in Oesterreichischem Solde stehen, und der mich verlassen wird, sobald ihm der Kaiser schmeichelt, und seine Armee von den Grenzen zurück zieht? Tilly hat seitdem durch eine ansehnliche Verstärkung sein Heer vergrössert, welches mich aber nicht hindern soll, ihm herzhaft entgegen zu gehen, sobald ich nur meinen Rücken gedeckt weiß.“

Der Sächsische Minister wußte auf diese Vorwürfe nichts zu antworten, als daß es am besten gethan sey, geschehene Dinge in Vergessenheit zu begraben. Er drang in den König, sich über die Bedingungen zu erklären, unter welchen er Sachsen zu Hülfe kommen wolle, und verbürgte sich im voraus für die Gewährung derselben. „Ich verlange, erwiederte Gustav, daß mir der Churfürst die Festung Wittenberg einräume, mir seinen ältesten Prinzen als Geißel übergebe, meinen Truppen einen dreymonatlichen Sold auszahle und mir die Verräther in seinem Ministerium ausliefre. Unter diesen Bedingungen bin ich bereit, ihm Beystand zu leisten.“

„Nicht nur Wittenberg,“ rief der Churfürst, als ihm diese Antwort hinterbracht wurde, und trieb seinen Minister in das Schwedische Lager zurücke: „Nicht bloß Wittenberg, auch Torgau, ganz Sachsen soll ihm offen stehen; meine ganze Familie will ich ihm als Geißel übergeben; und, wenn ihm das [215] noch nicht genug ist, so will ich mich selbst ihm darbiethen. Eilen Sie zurück und sagen ihm, daß ich bereit sey, ihm die Verräther, die er mir nennen wird, auszuliefern, seiner Armee den verlangten Sold zu bezahlen, und Leben und Vermögen an die gute Sache zu sezen.“

Der König hatte die neuen Gesinnungen Johann Georgs nur auf die Probe stellen wollen; von dieser Aufrichtigkeit gerührt, nahm er seine harten Forderungen zurücke. „Das Mißtrauen, sagte er, welches man in mich sezte, als ich Magdeburg zu Hülfe kommen wollte, hat das meinige erweckt; das jezige Vertrauen des Churfürsten verdient, daß ich es erwiedre. Ich bin zufrieden, wenn er meiner Armee einen monatlichen Sold entrichtet, und ich hoffe, ihn auch für diese Ausgabe schadlos zu halten.“

Gleich nach geschlossener Allianz, ging der König über die Elbe, und vereinigte sich schon am folgenden Tage mit den Sachsen. Anstatt diese Vereinigung zu hindern, war Tilly gegen Leipzig vorgerückt, welches er aufforderte, kaiserliche Besazung einzunehmen. In Hoffnung eines schleunigen Entsazes machte der Kommendant, Hans von der Pforta, Anstalt sich zu vertheidigen, und ließ zu dem Ende die Hallische Vorstadt in die Asche legen. Aber der schlechte Zustand der Festungswerke machte den Widerstand vergeblich, und schon am zweyten Tage wurden die Thore geöffnet. Im Hause eines Todtengräbers, dem einzigen, welches in der Hallischen Vorstadt stehen geblieben war, hatte Tilly sein Quartier genommen; hier unterzeichnete er die Kapitulation, und hier wurde auch der Angriff des Königs von Schweden beschlossen. Beym Anblick der abgemahlten Schädel und Gebeine, mit denen der Besizer sein Haus geschmückt hatte, entfärbte sich Tilly. Leipzig erfuhr eine über alle Erwartung gnädige Behandlung.

[216] Unterdessen wurde zu Torgau von dem König von Schweden und dem Churfürsten von Sachsen, im Beyseyn des Churfürsten von Brandenburg, grosser Kriegsrath gehalten. Eine Entschliessung sollte jezt gefaßt werden, welche das Schicksal Deutschlands und der evangelischen Religion, das Glück vieler Völker und das Loos ihrer Fürsten unwiderruflich bestimmte. Die Bangigkeit der Erwartung, die auch die Brust des Helden vor jeder grossen Entscheidung beklemmt, schien jezt die Seele Gustav Adolphs in einem Augenblick zu umwölken. „Wenn wir uns jezt zu einer Schlacht entschliessen, sagte er, so steht nicht weniger als eine Krone und zwey Churhüte auf dem Spiele. Das Glück ist wandelbar, und der unerforschliche Rathschluß des Himmels kann, unsrer Sünden wegen, dem Feinde den Sieg verleihen. Zwar möchte meine Krone, wenn sie meine Armee und mich selbst auch verlöre, noch eine Schanze zum Besten haben. Weit entlegen, durch eine ansehnliche Flotte beschüzt, in ihren Grenzen wohl verwahrt, und durch ein streitbares Volk vertheidigt, würde sie wenigstens vor dem Aergsten gesichert seyn. Wo aber Rettung für euch, denen der Feind auf dem Nacken liegt, wenn das Treffen verunglücken sollte?“

Gustav Adolph zeigte das bescheidene Mißtrauen eines Helden, den das Bewußtseyn seiner Stärke gegen die Grösse der Gefahr nicht verblendet; Johann Georg die Zuversicht eines Schwachen, der einen Helden an seiner Seite weiß. Voll Ungeduld, seine Lande von zwey beschwerlichen Armeen baldmöglichst befreyt zu sehen, brannte er nach einer Schlacht, in welcher keine alten Lorbeern für ihn zu verlieren waren. Er wollte mit seinen Sachsen allein gegen Leipzig vorrücken und mit Tilly schlagen. Endlich trat Gustav Adolph seiner Meynung bey, und beschlossen war es, ohne Aufschub den Feind anzugreifen, ehe er die Verstärkungen, welche die Generale [217] Altringer und Tiefenbach ihm zuführten, an sich gezogen hätte. Die vereinigte Schwedisch-Sächsische Armee setzte über die Mulda; der Churfürst von Brandenburg reiste wieder in sein Land.

Früh Morgens am 7ten September 1631 bekamen die feindlichen Armeen einander zu Gesichte. Tilly, entschlossen, die herbey eilenden Hülfstruppen zu erwarten, nachdem er versäumt hatte, die Sächsische Armee vor ihrer Vereinigung mit den Schweden niederzuwerfen, hatte ohnweit Leipzig ein festes und vortheilhaftes Lager bezogen, wo er hoffen konnte, zu keiner Schlacht gezwungen zu werden. Das ungestüme Anhalten Pappenheims vermochte ihn endlich doch, sobald die feindlichen Armeen im Anzug begriffen waren, seine Stellung zu verändern, und sich linker Hand gegen die Hügel hin zu ziehen, welche sich vom Dorfe Wahren bis nach Lindenthal erheben. Am Fuß dieser Anhöhen war seine Armee in einer einzigen Linie ausgebreitet, seine Artillerie, auf den Hügeln vertheilt, konnte die ganze grosse Ebene von Breitenfeld bestreichen. Von daher näherte sich in zwey Colonnen die Schwedisch-Sächsische Armee, und hatte bey Podelwiz, einem vor der Tillyschen Fronte liegenden Dorfe, die Lober zu passieren. Um ihr den Uebergang über diesen Bach zu erschweren, wurde Pappenheim mit 2000 Kürassiers gegen sie beordert, doch erst nach langem Widerstreben des Tilly und mit dem ausdrücklichen Befehl, ja keine Schlacht anzufangen. Dieses Verboths ungeachtet wurde Pappenheim mit dem Schwedischen Vortrabe handgemein, aber nach einem kurzen Widerstand zum Rückzug genöthigt. Um den Feind aufzuhalten, steckte er Podelwiz in Brand, welches jedoch die beyden Armeen nicht hinderte, vorzurücken, und ihre Schlachtordnung zu machen.

Zur Rechten stellten sich die Schweden, in zwey Treffen abgetheilt, das Fußvolk in der Mitte, in [218] kleine Bataillons zerstückelt, welche leicht zu bewegen, und, ohne die Ordnung zu stören, der schnellesten Wendungen fähig waren; die Reiterey auf den Flügeln, auf ähnliche Art in kleine Schwadronen abgesondert, und durch mehrere Haufen Musketiers unterbrochen, welche ihre schwache Anzahl verbergen, und die feindlichen Reiter herunter schießen sollten. In der Mitte kommandirte der Oberste Teufel, auf dem linken Flügel Gustav Horn, der König selbst auf dem rechten, dem Grafen Pappenheim gegenüber.

Die Sachsen standen durch einen breiten Zwischenraum von den Schweden getrennt; eine Veranstaltung Gustavs, welche der Ausgang rechtfertigte. Den Plan der Schlachtordnung hatte der Churfürst selbst mit seinem Feldmarschall entworfen, und der König sich bloß begnügt, ihn zu genehmigen. Sorgfältig, schien es, wollte er die Schwedische Tapferkeit von der Sächsischen absondern, und das Glück vermengte sie nicht.

Unter den Anhöhen gegen Abend breitete sich der Feind aus in einer langen unübersehbaren Linie, welche weit genug reichte, das Schwedische Heer zu überflügeln; das Fußvolk in große Bataillons abgetheilt, die Reiterey in eben so große unbehülfliche Schwadronen. Sein Geschüz hatte er hinter sich auf den Anhöhen, und so stand er unter dem Gebieth seiner eigenen Kugeln, die über ihn hinweg ihren Bogen machten. Aus dieser Stellung des Geschüzes, wenn anders dieser ganzen Nachricht zu trauen ist, sollte man beynahe schliessen, daß Tilly’s Absicht vielmehr gewesen sey, den Feind zu erwarten, als anzugreifen, da diese Anordnung es ihm unmöglich machte, in die feindlichen Glieder einzubrechen, ohne sich in das Feuer seiner eigenen Kanonen zu stürzen. Tilly selbst befehligte das Mittel, Pappenheim den linken Flügel, den rechten der Graf von [219] Fürstenberg. Sämmtliche Truppen des Kaisers und der Ligue betrugen an diesem Tage nicht über 34 bis 35,000 Mann; von gleicher Stärke war die vereinigte Armee der Schweden und Sachsen.

Aber wäre auch eine Million der andern gegenüber gestanden – es hätte diesen Tag blutiger, nicht wichtiger, nicht entscheidender machen können. Dieser Tag war es, um dessentwillen Gustav das Baltische Meer durchschiffte, auf entlegener Erde der Gefahr nachjagte, Krone und Leben dem untreuen Glück anvertraute. Die zwey größten Heerführer ihrer Zeit, beyde bis hieher unüberwunden, sollen jezt in einem lange vermiedenen Kampfe mit einander ihre lezte Probe bestehen; einer von beyden muß seinen Ruhm auf dem Schlachtfeld zurück lassen. Beyde Hälften von Deutschland haben mit Furcht und Zittern diesen Tag herannahen sehen; bang erwartet die ganze Mitwelt den Ausschlag desselben, und die späte Nachwelt wird ihn segnen oder beweinen.

Die Entschlossenheit, welche den Grafen Tilly sonst nie verließ, fehlte ihm an diesem Tage. Kein fester Vorsaz, mit dem König zu schlagen, eben so wenig Standhaftigkeit, es zu vermeiden. Wider seinen Willen riß ihn Pappenheim dahin. Nie gefühlte Zweifel kämpften in seiner Brust, schwarze Ahndungen umwölkten seine immer freye Stirne. Der Geist von Magdeburg schien über ihm zu schweben.

Ein zweystündiges Kanonenfeuer eröffnete die Schlacht. Der Wind wehte von Abend, und trieb aus dem frisch beackerten ausgedörrten Gefilde dicke Wolken von Staub und Pulverrauch den Schweden entgegen. Dieß bewog den König, sich unvermerkt gegen Norden zu schwenken, und die Schnelligkeit, mit der solches ausgeführt war, ließ dem Feinde nicht Zeit, es zu verhindern.

[220] Endlich verließ Tilly seine Hügel und wagte den ersten Angriff auf die Schweden; aber von der Heftigkeit ihres Feuers wendete er sich zur Rechten, und fiel in die Sachsen mit solchem Ungestüm, daß ihre Glieder sich trennten und Verwirrung das ganze Heer ergriff. Der Churfürst selbst besann sich erst in Eilenburg wieder; wenige Regimenter hielten noch eine Zeit lang auf dem Schlachtfelde Stand, und retteten durch ihren männlichen Widerstand die Ehre der Sachsen. Kaum sah man diese in Unordnung gerathen, so stürzten die Kroaten zur Plünderung, und Eilboten wurden schon abgefertigt, die Zeitung des Siegs zu München und Wien zu verkündigen.

Auf den rechten Flügel der Schweden stürzte sich Graf Pappenheim mit der ganzen Stärke seiner Reiterey, aber ohne ihn zum Wanken zu bringen. Hier kommandirte der König selbst, und unter ihm der General Banner. Siebenmal erneuerte Pappenheim seinen Angriff, und siebenmal schlug man ihn zurück. Er entfloh mit einem großen Verluste, und überließ das Schlachtfeld dem Sieger.

Unterdessen hatte Tilly den Ueberrest der Sachsen niedergeworfen, und brach nunmehr in den linken Flügel der Schweden mit seinen siegenden Truppen. Diesem Flügel hatte der König, sobald sich die Verwirrung unter dem Sächsischen Heer entdeckte, mit schneller Besonnenheit drey Regimenter zur Verstärkung gesendet, um die Flanke zu decken, welche die Flucht der Sachsen entblößte. Gustav Horn, der hier das Kommando führte, leistete den feindlichen Kürassiers einen herzhaften Widerstand, den die Vertheilung des Fußvolks zwischen den Schwadronen nicht wenig unterstützte. Schon fing der Feind an zu ermatten, als Gustav Adolph erschien, dem Treffen den Ausschlag zu geben. Der linke Flügel der Kaiserlichen war geschlagen, und seine Truppen, die jezt keinen Feind mehr hatten, konnten anderswo [221] besser gebraucht werden. Er schwenkte sich also mit seinem rechten Flügel und dem Hauptcorps zur Linken, und griff die Hügel an, auf welche das feindliche Geschüz gepflanzt war. In kurzer Zeit war es in seinen Händen, und der Feind mußte jezt das Feuer seiner eignen Kanonen erfahren.

Auf seiner Flanke das Feuer des Geschüzes, von vorne den fürchterlichen Andrang der Schweden, trennte sich das nie überwundene Heer. Schneller Rückzug war alles, was dem Tilly nun übrig blieb; aber der Rückzug selbst mußte mitten durch den Feind genommen werden. Verwirrung ergriff jezt die ganze Armee, vier Regimenter ausgenommen, grauer versuchter Soldaten, welche nie von einem Schlachtfelde geflohen waren, und es auch jezt nicht wollten. In geschlossenen Gliedern drangen sie mitten durch die siegende Armee, und erreichten fechtend ein kleines Gehölz, wo sie aufs neue Fronte gegen die Schweden machten, und bis zu einbrechender Nacht, bis sie auf 600 geschmolzen waren, Widerstand leisteten. Mit ihnen entfloh der ganze Ueberrest des Tillyschen Heers, und die Schlacht war entschieden.

Mitten unter Verwundeten und Todten, warf Gustav Adolph sich nieder, und die erste feurigste Siegesfreude ergoß sich in einem glühenden Gebethe. Den flüchtigen Feind ließ er, so weit das tiefe Dunkel der Nacht es verstattete, durch seine Reiterey verfolgen. Das Geläute der Sturmglocken brachte in allen umliegenden Dörfern das Landvolk in Bewegung, und verloren war der Unglückliche, der dem ergrimmten Bauer in die Hände fiel. Mit dem übrigen Heere lagerte sich der König zwischen dem Schlachtfeld und Leipzig, da es nicht möglich war, die Stadt noch in derselben Nacht anzugreifen. Siebentausend waren von den Feinden auf dem Plaze geblieben, über fünftausend theils gefangen, theils verwundet. Ihre ganze [222] Artillerie, ihr ganzes Lager war erobert, über hundert Fahnen und Standarten erbeutet. Von den Sachsen wurden zweytausend, von den Schweden nicht über siebenhundert vermißt. Die Niederlage der Kaiserlichen war so groß, daß Tilly auf seiner Flucht nach Halle und Halberstadt nicht über 600 Mann, Pappenheim nicht über 1400 zusammen bringen konnte. So schnell war dieses furchtbare Heer zergangen, welches noch kürzlich ganz Italien und Deutschland in Schrecken gesezt hatte.

Tilly selbst dankte seine Rettung nur dem Ungefähr. Obgleich von vielen Wunden ermattet, wollte er sich einem Schwedischen Rittmeister, der ihn einholte, nicht gefangen geben, und schon war dieser im Begriff, ihn zu tödten, als ein Pistolenschuß ihn noch zu rechter Zeit zu Boden streckte. Aber schrecklicher als Todesgefahr und Wunden war ihm der Schmerz, seinen Ruhm zu überleben, und an einem einzigen Tage die Arbeit eines ganzen langen Lebens zu verlieren. Nichts waren jezt alle seine vergangenen Siege, da ihm der einzige entging, der jenen allen erst die Krone aufsezen sollte. Nichts blieb ihm übrig von seinen glänzenden Kriegesthaten, als die Flüche der Menschheit, von denen sie begleitet waren. Von diesem Tage an gewann Tilly seine Heiterkeit nicht wieder, und das Glück kehrte nicht mehr zu ihm zurück. Selbst seinen lezten Trost, die Rache, entzog ihm das ausdrückliche Verboth seines Herrn, kein entscheidendes Treffen mehr zu wagen. – Drey Fehler sind es vorzüglich, denen das Unglück dieses Tages beygemessen wird: daß er sein Geschüz hinter der Armee auf den Hügeln pflanzte, daß er sich nachher von diesen Hügeln entfernte, und daß er den Feind ungehindert sich in Schlachtordnung stellen ließ. Aber wie bald waren diese Fehler, ohne die kaltblütige Besonnenheit, ohne das überlegene Genie seines Gegners verbessert! – Tilly entfloh eilig von Halle nach [223] Halberstadt, wo er sich kaum Zeit nahm, die Heilung von seinen Wunden abzuwarten, und gegen die Weser eilte, sich mit den kaiserlichen Besazungen in Niedersachsen zu verstärken.

Der Churfürst von Sachsen hatte nicht gesäumt, sogleich nach überstandener Gefahr im Lager des Königs zu erscheinen. Der König dankte ihm, daß er zur Schlacht gerathen hätte, und Johann Georg, überrascht von diesem gütigen Empfang, versprach ihm in der ersten Freude – die Römische Königskrone. Gleich den folgenden Tag rückte Gustav gegen Merseburg, nachdem er es dem Churfürsten überlassen hatte, Leipzig wieder zu erobern. Fünftausend Kaiserliche, welche sich wieder zusammen gezogen hatten und ihm unterwegs in die Hände fielen, wurden theils niedergehauen, theils gefangen, und die meisten von diesen traten in seinen Dienst. Merseburg ergab sich sogleich; bald darauf wurde Halle erobert, wo sich der Churfürst von Sachsen nach der Einnahme von Leipzig bey dem Könige einfand, um über den künftigen Operationsplan das weitere zu berathschlagen.

Erfochten war der Sieg, aber nur eine weise Benutzung konnte ihn entscheidend machen. Die kaiserliche Armee war aufgerieben, Sachsen sah keinen Feind mehr, und der flüchtige Tilly hatte sich nach Braunschweig gezogen. Ihn bis dahin zu verfolgen, hätte den Krieg in Niedersachsen erneuert, welches von den Drangsalen des vorhergehenden Kriegs kaum erstanden war. Es ward also beschlossen, den Krieg in die feindlichen Lande zu wälzen, welche unvertheidigt und offen bis nach Wien, den Sieger einluden. Man konnte zur Rechten in die Länder der katholischen Fürsten fallen, man konnte zur Linken in die kaiserlichen Erbstaaten dringen, und den Kaiser selbst in seiner Residenz zittern machen. Beydes ward erwählt, und jezt war die Frage, wie die Rollen vertheilt werden [224] sollten. Gustav Adolph, an der Spize einer siegenden Armee, hätte von Leipzig bis Prag, Wien und Preßburg wenig Widerstand gefunden. Böhmen, Mähren, Oesterreich, Ungarn waren von Vertheidigern entblößt, die unterdrückten Protestanten dieser Länder nach einer Veränderung lüstern. Der Kaiser selbst nicht mehr sicher in seiner Burg; in dem Schrecken des ersten Ueberfalls hätte Wien seine Thore geöffnet. Mit den Staaten, die er dem Feind entzog, vertrockneten diesem auch die Quellen, aus denen der Krieg bestritten werden sollte, und bereitwillig hätte sich Ferdinand zu einem Frieden verstanden, der einen furchtbaren Feind aus dem Herzen seiner Staaten entfernte. Einem Eroberer hätte dieser kühne Kriegsplan geschmeichelt, und vielleicht auch ein glücklicher Erfolg ihn gerechtfertigt. Gustav Adolph, eben so vorsichtig als kühn, und mehr Staatsmann als Eroberer, verwarf ihn, weil er einen höhern Zweck zu verfolgen fand, weil er dem Glück und der Tapferkeit allein den Ausschlag nicht anvertrauen wollte.

Erwählte Gustav den Weg nach Böhmen, so mußte Franken und der Oberrhein dem Churfürsten von Sachsen überlassen werden. Aber schon fing Tilly an, aus den Trümmern seiner geschlagenen Armee, aus den Besazungen in Niedersachsen, und den Verstärkungen, die ihm zugeführt wurden, ein neues Heer an der Weser zusammen zu ziehen, an dessen Spize er wohl schwerlich lange säumen konnte, den Feind aufzusuchen. Einem so erfahrnen General durfte kein Arnheim entgegen gestellt werden, von dessen Fähigkeiten die Leipziger Schlacht ein sehr zweydeutiges Zeugniß ablegte. Was halfen aber dem König noch so rasche und glänzende Fortschritte in Böhmen und Oesterreich, wenn Tilly in den Reichslanden wieder mächtig wurde, wenn er den Muth der Katholischen durch neue Siege belebte, und die Bundsgenossen des Königs entwaffnete? Wozu diente es ihm, den [225] Kaiser aus seinen Erbstaaten vertrieben zu haben, wenn Tilly eben diesem Kaiser Deutschland eroberte? Konnte er hoffen, den Kaiser mehr zu bedrängen, als vor zwölf Jahren der Böhmische Aufruhr gethan hatte, der doch die Standhaftigkeit dieses Prinzen nicht erschütterte, der seine Hülfsquellen nicht erschöpfte, aus dem er nur desto furchtbarer erstand?

Weniger glänzend, aber weit gründlicher waren die Vortheile, welche er von einem persönlichen Einfall in die ligistischen Länder zu erwarten hatte. Entscheidend war hier seine gewaffnete Ankunft. Eben waren die Fürsten, des Restitutionsediktes wegen, auf einem Reichstage zu Frankfurt versammelt, wo Ferdinand alle Künste seiner arglistigen Politik in Bewegung sezte, die in Furcht gesezten Protestanten zu einem schnellen und nachtheiligen Vergleich zu bereden. Nur die Annäherung ihres Beschüzers konnte sie zu einem standhaften Widerstand ermuntern, und die Anschläge des Kaisers zernichten. Gustav Adolph konnte hoffen, alle diese mißvergnügten Fürsten durch seine siegreiche Gegenwart zu vereinigen, die übrigen durch das Schrecken seiner Waffen von dem Kaiser zu trennen. Hier im Mittelpunkte Deutschlands zerschnitt er die Nerven der kaiserlichen Macht, die sich ohne den Beystand der Ligue nicht behaupten konnte. Hier konnte er Frankreich, einen zweydeutigen Bundsgenossen, in der Nähe bewachen, und wenn ihm zu Erreichung eines geheimen Wunsches die Freundschaft der katholischen Churfürsten wichtig war, so mußte er sich vor allen Dingen zum Herrn ihres Schicksals machen, um durch eine großmüthige Schonung sich einen Anspruch auf ihre Dankbarkeit zu erwerben.

Er erwählte also für sich selbst den Weg nach Franken und dem Rhein, und überließ dem Churfürsten von Sachsen die Eroberung Böhmens.

[226] Aber ihn auf diesem siegreichen Gange zu begleiten, verbiethen mir die engen Grenzen dieser Erzählung. Ungern verlasse ich einen Schauplaz, der an schimmernden Thaten immer reicher wird, immer reicher an unsterblichen Männern, überraschenden Wechseln des Glücks, verworrenen Schicksalen, und wundervollen Krisen. Der Beyfall des Publikums aber wird mich ermuntern, den Faden dieser Geschichte im nächstfolgenden Jahre wieder aufzunehmen.



Ende des ersten Theils.




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