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Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs/Drittes Buch

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[227]
Geschichte


des


dreyßigjährigen Kriegs.



Drittes Buch.

[229] Die glorreiche Schlacht Gustav Adolphs bey Leipzig hatte in dem ganzen nachfolgenden Betragen dieses Monarchen, so wie in der Denkart seiner Feinde und Freunde, eine grosse Veränderung gewirkt. Er hatte sich jezt mit dem größten Heerführer seiner Zeit gemessen, er hatte die Kraft seiner Taktik und den Muth seiner Schweden an dem Kern der kaiserlichen Truppen, den geübtesten Europens, versucht, und in diesem Wettkampf überwunden. Von diesem Augenblick an schöpfte er eine feste Zuversicht zu sich selbst, und Zuversicht ist die Mutter großer Thaten. Hätte Alexanders Ungestümm nicht am Granikus gesiegt, nimmer hätte dieser Eroberer das Persische Reich zertrümmert. Man bemerkt fortan in allen Kriegs-Unternehmungen des Schwedischen Königs einen kühnern und sicherern Schritt, mehr Entschlossenheit auch in den mißlichsten Lagen, mehr trozige Verhöhnung der Gefahr, eine stolzere Sprache gegen seinen Feind, mehr Selbstgefühl gegen seine Bundsgenossen, und in seiner Milde selbst mehr die Herablassung des Gebieters. Seinem natürlichen Muth kam der andächtige Schwung seiner Einbildung zu Hülfe; gern verwechselte er seine Sache mit der Sache des Himmels, erblickte in Tillys Niederlage ein entscheidendes Urtheil Gottes zum Nachtheil seiner Gegner, in sich selbst aber ein Werkzeug der göttlichen Rache. Seine Krone, seinen vaterländischen Boden weit hinter sich, drang er jezt auf den Flügeln des Siegs in das Innere von Deutschland, das seit Jahrhunderten keinen auswärtigen Eroberer in seinem Schooße gesehen hatte. Der kriegerische Muth seiner Bewohner, die Wachsamkeit seiner zahlreichen Fürsten, der künstliche Zusammenhang seiner Staaten, die Menge seiner festen Schlösser, der Lauf seiner vielen Ströme, hatten schon seit undenklichen Zeiten die Ländersucht der Nachbarn in Schranken [230] gehalten; und so oft es auch an den Grenzen dieses weitläuftigen Staatskörpers gestürmt hatte, so war doch sein Inneres von jedem fremden Einbruch verschont geblieben. Von jeher genoß dieses Reich das zweydeutige Vorrecht, nur sein eigner Feind zu seyn, und von aussen unüberwunden zu bleiben. Auch jezt war es bloß die Uneinigkeit seiner Glieder und ein unduldsamer Glaubenseifer, was dem Schwedischen Eroberer die Brücke in seine innersten Staaten baute. Aufgelöst war längst schon das harmonische Band unter den Ständen, wodurch allein das Reich unbezwinglich war, und von Deutschland selbst entlehnte Gustav Adolph die Kräfte, womit er Deutschland sich unterwürfig machte. Mit so viel Klugheit als Muth benuzte er, was ihm die Gunst des Augenblicks darbot, und gleich geschickt im Kabinet wie im Felde, zerriß er die Fallstricke einer hinterlistigen Staatskunst, wie er die Mauern der Städte mit dem Donner seines Geschüzes zu Boden stürzte. Unaufgehalten verfolgte er seine Siege von einer Grenze Deutschlands zur andern, ohne den Ariadnischen Faden zu verlieren, der ihn sicher zurück leiten konnte, und an den Ufern des Rheins wie an der Mündung des Lechs hörte er niemals auf, seinen Erbländern nahe zu bleiben.

Die Bestürzung des Kaisers und der katholischen Ligue über die Niederlage des Tilly bey Leipzig konnte kaum grösser seyn, als das Erstaunen und die Verlegenheit der Schwedischen Bundsgenossen über das unerwartete Glück des Königs. Es war größer als man berechnet, größer als man gewünscht hatte. Vernichtet war auf einmal das furchtbare Heer, das seine Fortschritte gehemmt, seinem Ehrgeiz Schranken gesezt, ihn von ihrem guten Willen abhängig gemacht hatte. Einzig, ohne Nebenbuhler, ohne einen ihm gewachsenen Gegner, stand er jezt da in der Mitte von Deutschland; nichts konnte seinen Lauf aufhalten, nichts seine Anmaßungen beschränken, wenn die Trunkenheit des Glücks ihn zum Mißbrauch versuchen sollte. Hatte man anfangs vor der [231] Uebermacht des Kaisers gezittert, so war jezt nicht viel weniger Grund vorhanden, von dem Ungestüm eines fremden Eroberers alles für die Reichsverfassung, von dem Religionseifer eines protestantischen Königs alles für die katholische Kirche Deutschlands zu fürchten. Das Mißtrauen und die Eifersucht einiger von den verbundenen Mächten, durch die grössere Furcht vor dem Kaiser auf eine Zeitlang eingeschläfert, erwachte bald wieder, und kaum hatte Gustav Adolph durch seinen Muth und sein Glück ihr Vertrauen gerechtfertiget, so wurde von ferne schon an dem Umsturz seiner Entwürfe gearbeitet. In beständigem Kampfe mit der Hinterlist der Feinde und dem Mißtrauen seiner eigenen Bundesverwandten mußte er seine Siege erringen; aber sein entschloßner Muth, seine tiefdringende Klugheit machte sich durch alle diese Hindernisse Bahn. Indem der glückliche Erfolg seiner Waffen seine mächtigern Alliirten, Frankreich und Sachsen, besorglich machte, belebte er den Muth der Schwächern, die sich jezt erst erdreisteten, mit ihren wahren Gesinnungen an das Licht zu treten, und öffentlich seine Partey zu ergreifen. Sie, welche weder mit Gustav Adolphs Größe wetteifern, noch durch seine Ehrbegier leiden konnten, erwarteten desto mehr von der Großmuth dieses mächtigen Freundes, der sie mit dem Raub ihrer Feinde bereicherte, und gegen die Unterdrückung der Mächtigen in Schuz nahm. Seine Stärke verbarg ihre Unmacht, und, unbedeutend für sich selbst, erlangten sie ein Gewicht durch ihre Vereinigung mit dem Schwedischen Helden. Dieß war der Fall mit den meisten Reichsstädten, und überhaupt mit den schwächern protestantischen Ständen. Sie waren es, die den König in das Innere von Deutschland führten, und die ihm den Rücken deckten, die seine Heere versorgten, seine Truppen in ihre Festungen aufnahmen, in seinen Schlachten ihr Blut für ihn versprizten. Seine staatskluge Schonung des Deutschen Stolzes, sein leutseliges Betragen, einige glänzende Handlungen der Gerechtigkeit, seine [232] Achtung für die Geseze waren eben so viele Fesseln, die er dem besorglichen Geiste der Deutschen Protestanten anlegte; und die schreyenden Barbareyen der Kaiserlichen, der Spanier und der Lothringer wirkten kräftig mit, seine und seiner Truppen Mäßigung in das günstigste Licht zu sezen.

Wenn Gustav Adolph seinem eigenen Genie das meiste zu danken hatte, so darf man doch nicht in Abrede seyn, daß das Glück und die Lage der Umstände ihn nicht wenig begünstigten. Er hatte zwey große Vortheile auf seiner Seite, die ihm ein entscheidendes Uebergewicht über den Feind verschafften. Indem er den Schauplaz des Kriegs in die Ligistischen Länder versezte, die junge Mannschaft derselben an sich zog, sich mit Beute bereicherte, und über die Einkünfte der geflüchteten Fürsten als über sein Eigenthum schaltete, entzog er dem Feind alle Hülfsmittel, ihm mit Nachdruck zu widerstehen, und sich selbst machte er es dadurch möglich, einen kostbaren Krieg mit wenigem Aufwand zu unterhalten. Wenn ferner seine Gegner, die Fürsten der Ligue, unter sich selbst getheilt, von ganz verschiedenem, oft streitendem Interesse geleitet, ohne Einstimmigkeit und eben darum auch ohne Nachdruck handelten; wenn es ihren Feldherrn an Vollmacht, ihren Truppen an Gehorsam, ihren zerstreuten Heeren an Zusammenhang fehlte; wenn der Heerführer von dem Gesezgeber und Staatsmann getrennt war; so war hingegen in Gustav Adolph beydes vereinigt, Er die einzige Quelle, aus welcher alle Autorität floß, das einzige Ziel, auf welches der handelnde Krieger die Augen richtete, Er allein die Seele seiner ganzen Partey, der Schöpfer des Kriegsplans und zugleich der Vollstrecker desselben. In ihm erhielt also die Sache der Protestanten eine Einheit und Harmonie, welche durchaus der Gegenpartey mangelte. Kein Wunder, daß, von solchen Vortheilen begünstigt, an der Spize einer solchen Armee, mit einem solchen Genie begabt sie zu gebrauchen, und von einer solchen politischen [233] Klugheit geleitet, Gustav Adolph unwiderstehlich war. In der einen Hand das Schwert, in der andern die Gnade, sieht man ihn jezt Deutschland von einem Ende zum andern als Eroberer, Gesezgeber und Richter durchschreiten, in nicht viel mehr Zeit durchschreiten, als ein anderer gebraucht hätte, es auf einer Lustreise zu besehen; gleich dem gebornen Landesherrn werden ihm von Städten und Festungen die Schlüssel entgegen getragen. Kein Schloß ist ihm unersteiglich, kein Strom hemmt seine siegreiche Bahn, oft siegt er schon durch seinen gefürchteten Namen. Längs dem ganzen Mainstrom sieht man die Schwedischen Fahnen aufgepflanzt, die untere Pfalz ist frey, die Spanier und Lothringer über den Rhein und die Mosel gewichen. Ueber die Churmainzischen, Würzburgischen und Bambergischen Lande haben sich Schweden und Hessen wie eine reißende Fluth ergossen, und drey flüchtige Bischöfe büßen, ferne von ihren Sizen, ihre unglückliche Ergebenheit gegen den Kaiser. Die Reihe trift endlich auch den Schuldigsten von allen, und den Anführer der Ligue, Maximilian, auf seinem eigenen Boden das Elend zu erfahren, das er andern bereitet hatte. Weder das abschreckende Schiksal seiner Bundsgenossen, noch die gütlichen Anerbietungen Gustavs, der mitten im Laufe seiner Eroberungen die Hände zum Frieden bot, hatten die Hartnäckigkeit dieses Prinzen besiegen können. Ueber den Leichnam des Tilly, der sich wie ein bewachender Cherub vor den Eingang derselben stellt, wälzt sich der Krieg in die Bayrischen Lande. Gleich den Ufern des Rheins wimmeln jezt die Ufer des Lechs und der Donau von Schwedischen Kriegern; in seine festen Schlösser verkrochen, überläßt der geschlagene Churfürst seine entblößten Staaten dem Feinde, den die gesegneten, von keinem Krieg noch verheerten Fluren zum Raube, und die Religionswuth des Bayrischen Landmanns zu gleichen Gewaltthaten einladen. München selbst öffnet seine Thore dem unüberwindlichen König, und der flüchtige Pfalzgraf [234] Friedrich der Fünfte tröstet sich einige Augenblicke in der verlassenen Residenz seines Thronreichs über den Verlust seiner Länder.

Indem Gustav Adolph in den südlichen Grenzen des Reichs seine Eroberungen ausbreitet, und mit unaufhaltsamer Gewalt jeden Feind vor sich niederwirft, werden von seinen Bundesgenossen und Feldherren ähnliche Triumphe in den übrigen Provinzen erfochten. Niedersachsen entzieht sich dem kaiserlichen Joche; die Feinde verlassen Mecklenburg; von allen Ufern der Weser und Elbe weichen die Oesterreichischen Garnisonen. In Westphalen und am obern Rhein macht sich Landgraf Wilhelm von Hessen, in Thüringen die Herzoge von Weimar, in Chur-Trier die Franzosen furchtbar; ostwärts wird beynahe das ganze Königreich Böhmen von den Sachsen bezwungen. Schon rüsten sich die Türken zu einem Angriff auf Ungarn, und in dem Mittelpunkt der Oesterreichischen Lande will sich ein gefährlicher Aufruhr entzünden. Trostlos blickt Kaiser Ferdinand an allen Höfen Europens umher, sich gegen so zahlreiche Feinde durch fremden Beystand zu stärken. Umsonst ruft er die Waffen der Spanier herbey, welche die Niederländische Tapferkeit jenseit des Rheins beschäftiget; umsonst strebt er den Römischen Hof und die ganze katholische Kirche zu seiner Rettung aufzubieten. Der beleidigte Papst spottet mit geprängvollen Prozessionen und eiteln Anathemen der Verlegenheit Ferdinands, und statt des gefoderten Geldes zeigt man ihm Mantuas verwüstete Fluren.

Jezt wird der hochfahrende Despot seiner Menschlichkeit gewahr, und der Abfall seiner Freunde, der Ruin seiner Bundsgenossen, die immer wachsende Gefahr überzeugen ihn von der Nichtigkeit seiner stolzen Entwürfe. Von allen Enden seiner weitläufigen Monarchie umfangen ihn feindliche Waffen; mit den voran liegenden Ligistischen Staaten, welche der Feind überschwemmt hat, sind alle Brustwehren eingestürzt, hinter welchen sich die Oesterreichische Macht [235] so lange Zeit sicher wußte, und das Kriegsfeuer lodert schon nahe an den unvertheidigten Grenzen. Entwaffnet sind seine eifrigsten Bundsgenossen; Maximilian von Bayern, seine mächtigste Stüze, kaum noch fähig, sich selbst zu vertheidigen. Seine Armeen, durch Desertion und wiederholte Niederlagen geschmolzen, und durch ein langes Mißgeschick muthlos, haben unter geschlagenen Generalen jenes kriegrische Ungestüm verlernt, das, eine Frucht des Siegs, im voraus den Sieg versichert. Die Gefahr ist die höchste; nur ein außerordentliches Mittel kann die kaiserliche Macht aus ihrer tiefen Erniedrigung reißen. Das dringendste Bedürfniß ist ein Feldherr, und den einzigen, von dem die Wiederherstellung des vorigen Ruhms zu erwarten steht, hat die Kabale des Neides von der Spize der Armee hinweg gerissen. So tief sank der so furchtbare Kaiser herab, daß er mit seinem beleidigten Diener und Unterthan beschämende Verträge errichten, und dem hochmüthigen Friedland eine Gewalt, die er ihm schimpflich raubte, schimpflicher jezt aufdringen muß. Ein neuer Geist fängt jezt an, den halb erstorbenen Körper der Oesterreichischen Macht zu beseelen, und die schnelle Umwandlung der Dinge verräth die feste Hand, die sie leitet. Dem unumschränkten König von Schweden steht jezt ein gleich unumschränkter Feldherr gegenüber, ein siegreicher Held dem siegreichen Helden. Beyde Kräfte ringen wieder in zweifelhaftem Streit, und der Preis des Krieges, zur Hälfte schon von Gustav Adolph erfochten, wird einem neuen und schwerern Kampf unterworfen. Im Angesicht Nürnbergs lagern sich, zwey Gewitter tragende Wolken, beyde kämpfende Armeen drohend gegen einander, beyde sich mit fürchtender Achtung betrachtend, beyde nach dem Augenblick dürstend, beyde vor dem Augenblick zagend, der sie im Sturme mit einander vermengen wird. Aus allen Gegenden Deutschlands scheint sich die Kraft des Kriegs auf diesen Punkt der Entscheidung zusammen zu drängen, dieser Augenblick [236] von dem Ausschlag eines zwölfjährigen Kampfes zu kreißen. Europens Augen heften sich mit Furcht und Neugier auf diesen wichtigen Schauplaz, und das geängstigte Nürnberg erwartet schon, einer noch entscheidendern Feldschlacht, als sie bey Leipzig geliefert ward, den Namen zu geben. Auf einmal bricht sich das Gewölke, das Kriegs-Gewitter verschwindet aus Franken, um sich in Sachsens Ebenen desto schrecklicher zu entladen. Ohnweit Lüzen fällt der Donner nieder, der Nürnberg bedrohte, und die schon halb verlorne Schlacht wird durch den königlichen Leichnam gewonnen. Das Glück, das ihn auf seinem ganzen Laufe nie verlassen hatte, begnadigte den König auch im Tode noch mit der seltenen Gunst, in der Fülle seines Ruhms und in der Reinigkeit seines Namens zu sterben. Durch einen zeitigen Tod flüchtete ihn sein schüzender Genius vor dem unvermeidlichen Schicksal der Menschheit, auf der Höhe des Glücks die Bescheidenheit, in der Fülle der Macht die Gerechtigkeit zu verlernen. Es ist uns erlaubt zu zweifeln, ob er bey längerm Leben die Thränen verdient hätte, welche Deutschland an seinem Grabe weinte, die Bewunderung verdient hätte, welche die Nachwelt dem ersten und einzigen gerechten Eroberer zollt. Bey dem frühen Fall ihres großen Führers fürchtet man den Untergang der ganzen Partey – aber der weltregirenden Macht ist kein einzelner Mann unersezlich. Zwey große Staatsmänner, Axel Oxenstierna in Deutschland, und in Frankreich Richelieu, übernehmen das Steuer des Krieges, das dem sterbenden Helden entfällt; über ihm hinweg wandelt das unempfindliche Schicksal, und noch sechzehn volle Jahre lodert die Kriegsflamme über dem Staube des längst Vergessenen.

Man erlaube mir, in einer kurzen Uebersicht den siegreichen Marsch Gustav Adolphs zu verfolgen, den ganzen Schauplaz, auf welchem Er allein handelnder Held ist, mit schnellen Blicken zu durcheilen, und dann erst, wenn, durch das Glück der Schweden aufs [237] Aeußerste gebracht, und durch eine Reihe von Unglücksfällen gebeugt, Oesterreich von der Höhe seines Stolzes zu erniedrigenden und verzweifelten Hülfsmitteln herab steigt, den Faden der Geschichte zu dem Kaiser zurück zu führen.

Nicht so bald war der Kriegsplan zwischen dem König von Schweden und dem Churfürsten von Sachsen zu Halle entworfen, und für den leztern der Angriff auf Böhmen, für Gustav Adolph der Einfall in die Ligistischen Länder bestimmt, nicht so bald die Allianzen mit den benachbarten Fürsten von Weimar und von Anhalt geschlossen, und zu Wiedereroberung des Magdeburgischen Stiftes die Vorkehrungen gemacht, als sich der König zu seinem Einmarsch in das Reich in Bewegung sezte. Keinem verächtlichen Feinde gieng er jezt entgegen. Der Kaiser war noch mächtig im Reich, durch ganz Franken, Schwaben und die Pfalz waren kaiserliche Besazungen ausgebreitet, denen jeder bedeutende Ort erst mit dem Schwert in der Hand entrissen werden mußte. Am Rhein erwarteten ihn die Spanier, welche alle Lande des vertriebenen Pfalz-Grafen überschwemmt hatten, alle festen Plätze besezt hielten, ihm jeden Uebergang über diesen Strom streitig machten. Hinter seinem Rücken war Tilly, der schon neue Kräfte sammelte; bald sollte auch ein Lothringisches Hülfsheer zu dessen Fahnen stoßen. In der Brust jedes Papisten sezte sich ihm ein erbitterter Feind, Religionshaß, entgegen; und doch ließen ihn seine Verhältnisse mit Frankreich nur mit halber Freyheit gegen die Katholischen handeln. Gustav Adolph übersah alle diese Hindernisse, aber auch die Mittel, sie zu besiegen. Die kaiserliche Kriegsmacht lag in Besazungen zerstreut, und er hatte den Vortheil, sie mit vereinigter Macht anzugreifen. War ihm der Religionsfanatismus der Römischkatholischen und die Furcht der kleinern Reichsstände vor dem Kaiser entgegen, so konnte er von der Freundschaft der Protestanten und von ihrem Haß gegen die Oesterreichische Unterdrückung [238] thätigen Beystand erwarten. Die Ausschweifungen der kaiserlichen und Spanischen Truppen hatten ihm in diesen Gegenden nachdrücklich vorgearbeitet; längst schon schmachteten der mißhandelte Landmann und Bürger nach einem Befreyer, und manchem schien es schon Erleichterung, das Joch umzutauschen. Einige Agenten waren bereits voran geschickt worden, die wichtigern Reichsstädte, vorzüglich Nürnberg und Frankfurt, auf Schwedische Seite zu neigen. Erfurt war der erste Plaz, an dessen Besize dem König gelegen war, und den er nicht unbesezt hinter dem Rücken lassen durfte. Ein gütlicher Vertrag mit der protestantisch gesinnten Bürgerschaft öffnete ihm ohne Schwertstreich die Thore der Stadt und der Festung. Hier, wie in jedem wichtigen Plaze, der nachher in seine Hände fiel, ließ er sich von den Einwohnern Treue schwören, und versicherte sich derselben durch eine hinlängliche Besazung. Seinem Alliirten, dem Herzog Wilhelm von Weimar, wurde das Commando eines Heeres übergeben, das in Thüringen geworben werden sollte. Der Stadt Erfurt wollte er auch seine Gemahlin anvertrauen, und versprach ihre Freyheiten zu vermehren. In zwey Colonnen durchzog nun die Schwedische Armada über Gotha und Arnstadt den Thüringer Wald, entriß im Vorübergehen die Grafschaft Henneberg den Händen der Kaiserlichen, und vereinigte sich am dritten Tage vor Königshofen, an der Grenze von Franken.

Franz, Bischof von Würzburg, der erbittertste Feind der Protestanten, und das eifrigste Mitglied der katholischen Ligue, war auch der erste, der die schwere Hand Gustav Adolphs fühlte. Einige Drohworte waren genug, seine Grenzfestung Königshofen, und mit ihr den Schlüssel zu der ganzen Provinz, den Schweden in die Hände zu liefern. Bestürzung ergriff auf die Nachricht dieser schnellen Eroberung alle katholischen Stände des Kreises; die Bischöffe von Würzburg und Bamberg zagten in ihrer Burg. Schon sahen sie ihre Stühle wanken, [239] ihre Kirchen entweihet, ihre Religion im Staube. Die Bosheit seiner Feinde hatte von dem Verfolgungsgeist und der Kriegsmanier des Schwedischen Königs und seiner Truppen die schrecklichsten Schilderungen verbreitet, welche zu widerlegen weder die wiederholtesten Versicherungen des Königs, noch die glänzendsten Beyspiele der Menschlichkeit und Duldung nie ganz vermögend gewesen sind. Man fürchtete von einem andern zu leiden, was man in ähnlichem Fall selbst auszuüben sich bewußt war. Viele der reichsten Katholiken eilten schon jezt, ihre Güter, ihre Gewissen und Personen vor dem blutdürstigen Fanatismus der Schweden in Sicherheit zu bringen. Der Bischof selbst gab seinen Unterthanen das Beyspiel. Mitten in dem Feuerbrande, den sein bigotter Eifer entzündet hatte, ließ er seine Länder im Stich, und flüchtete nach Paris, um wo möglich das Französische Ministerium gegen den gemeinschaftlichen Religionsfeind zu empören.

Die Fortschritte, welche Gustav Adolph unterdessen in dem Hochstifte machte, waren ganz dem glücklichen Anfange gleich. Von der kaiserlichen Besazung verlassen, ergab sich ihm Schweinfurt, und bald darauf Würzburg; der Marienberg mußte mit Sturm erobert werden. In diesen unüberwindlich geglaubten Ort hatte man einen großen Vorrath von Lebensmitteln und Kriegsmunition geflüchtet, welches alles dem Feind in die Hände fiel. Ein sehr angenehmer Fund war für den König die Büchersammlung der Jesuiten, die er nach Upsal bringen ließ, ein noch weit angenehmerer für seine Soldaten der reichlich gefüllte Weinkeller des Prälaten. Seine Schäze hatte der Bischof noch zu rechter Zeit geflüchtet. Dem Beyspiele der Hauptstadt folgte bald das ganze Bisthum, alles unterwarf sich den Schweden. Der König ließ sich von allen Unterthanen des Bischofs die Huldigung leisten, und stellte wegen Abwesenheit des rechtmäßigen Regenten eine Landesregierung auf, welche zur Hälfte mit Protestanten besezt wurde. An jedem katholischen Orte, den Gustav Adolph unter seine [240] Botmäßigkeit brachte, schloß er der protestantischen Religion die Kirchen auf, doch ohne den Papisten den Druck zu vergelten, unter welchem sie seine Glaubensbrüder so lange gehalten hatten. Nur an denen, die sich ihm mit dem Degen in der Hand widersezten, wurde das schreckliche Recht des Kriegs ausgeübt; für einzelne Greuelthaten, welche sich eine gesezlose Soldateska in der blinden Wuth des ersten Angriffs erlaubt, kann man den menschenfreundlichen Führer nicht verantwortlich machen. Dem Friedfertigen und Wehrlosen widerfuhr eine gnädige Behandlung. Es war Gustav Adolphs heiligstes Gesez, das Blut der Feinde wie der Seinigen zu sparen.

Gleich auf die erste Nachricht des Schwedischen Einbruchs hatte der Bischof von Würzburg, unangesehen der Tractaten, die er, um Zeit zu gewinnen, mit dem König von Schweden anknüpfte, den Feldherrn der Ligue flehentlich aufgefodert, dem bedrängen Hochstift zu Hülfe zu eilen. Dieser geschlagene General hatte unterdessen die Trümmer seiner zerstreuten Armee an der Weser zusammengezogen, durch die kaiserlichen Garnisonen in Niedersachsen verstärkt, und sich in Hessen mit seinen Untergeneralen Altringer und Fugger vereinigt. An der Spize dieser ansehnlichen Kriegsmacht brannte Graf Tilly vor Ungeduld, die Schande seiner ersten Niederlage durch einen glänzendern Sieg wieder auszulöschen. In seinem Lager bey Fulda, wohin er mit dem Heere gerückt war, harrte er sehnsuchtsvoll auf Erlaubniß von dem Herzoge von Bayern, mit Gustav Adolph zu schlagen. Aber die Ligue hatte außer der Armee des Tilly keine zweyte mehr zu verlieren, und Maximilian war viel zu behutsam, das ganze Schicksal seiner Partey auf den Glückswurf eines neuen Treffens zu sezen. Mit Thränen in den Augen empfing Tilly die Befehle seines Herrn, welche ihn zur Unthätigkeit zwangen. So wurde der Marsch dieses Generals nach Franken verzögert, und Gustav Adolph gewann Zeit, das ganze Hochstift zu überschwemmen. Umsonst, daß sich Tilly [241] nachher zu Aschaffenburg durch zwölftausend Lothringer verstärkte, und mit einer überlegenen Macht zum Entsaz der Stadt Würzburg herbey eilte. Stadt und Citadelle waren bereits in der Schweden Gewalt, und Maximilian von Bayern wurde, vielleicht nicht ganz unverdienter Weise, durch die allgemeine Stimme beschuldigt, den Ruin des Hochstifts durch seine Bedenklichkeiten beschleunigt zu haben. Gezwungen, eine Schlacht zu vermeiden, begnügte sich Tilly, den Feind am fernern Vorrücken zu verhindern; aber nur sehr wenige Pläze konnte er dem Ungestüm der Schweden entreißen. Nach einem vergeblichen Versuch, eine Truppenverstärkung in die, von den Kaiserlichen schwach besezte, Stadt Hanau zu werfen, deren Besiz dem König einen zu großen Vortheil gab, gieng er bey Seligenstadt über den Main, und richtete seinen Lauf nach der Bergstraße, um die Pfälzischen Lande gegen den Andrang des Siegers zu schüzen.

Graf Tilly war nicht der einzige Feind, den Gustav Adolph in Franken auf seinem Wege fand, und vor sich hertrieb. Auch Herzog Karl von Lothringen, durch den Unbestand seines Charakters, seine eiteln Entwürfe, und sein schlechtes Glück in den Jahrbüchern des damaligen Europens berüchtigt, hatte seinen kleinen Arm gegen den Schwedischen Helden aufgehoben, um sich bey Kaiser Ferdinand dem zweyten den Churhut zu verdienen. Taub gegen die Vorschriften einer vernünftigen Staatskunst, folgte er bloß den Eingebungen einer stürmischen Ehrbegierde, reizte durch Unterstützung des Kaisers Frankreich, seinen furchtbaren Nachbar, und entblößte, um auf fernem Boden ein schimmerndes Phantom, das ihn doch immer floh, zu verfolgen, seine Erblande, welche ein Französisches Kriegsheer gleich einer reißenden Fluth überschwemmte. Gerne gönnte man ihm in Oesterreich die Ehre, sich, gleich den übrigen Fürsten der Ligue, für das Wohl des Erzhauses zu Grunde zu richten. Von eiteln Hoffnungen trunken, brachte dieser Prinz ein Heer von siebzehn tausend Mann [242] zusammen, das er in eigner Person gegen die Schweden ins Feld führen wollte. Wenn es gleich diesen Truppen an Mannszucht und Tapferkeit gebrach, so reizten sie doch durch einen glänzenden Aufpuz die Augen; und so sehr sie im Angesicht des Feindes ihre Bravur verbargen, so freygebig ließen sie solche an dem wehrlosen Bürger und Landmann aus, zu deren Vertheidigung sie gerufen waren. Gegen den kühnen Muth und die furchtbare Disciplin der Schweden konnte diese zierlich gepuzte Armee nicht lange Stand halten. Ein panischer Schrecken ergriff sie, als die Schwedische Reiterey gegen sie ansprengte, und mit leichter Mühe waren sie aus ihren Quartieren im Würzburgischen verscheucht. Das Unglück einiger Regimenter verursachte ein allgemeines Ausreißen unter den Truppen, und der schwache Ueberrest eilte, sich in einigen Städten jenseits des Rheins vor der nordischen Tapferkeit zu verbergen. Ein Spott der Deutschen und mit Schande bedeckt, sprengte ihr Anführer über Strasburg nach Hause, mehr als zu glücklich, den Zorn seines Ueberwinders, der ihn vorher aus dem Felde schlug, und dann erst wegen seiner Feindseligkeiten zur Rechenschaft sezte, durch einen demüthigen Entschuldigungsbrief zu besänftigen. Ein Bauer aus einem Rheinischen Dorfe, sagt man, erdreistete sich, dem Pferde des Herzogs, als er auf seiner Flucht vorbey geritten kam, einen Schlag zu versezen. „Frisch zu, Herr,“ sagte der Bauer, „ihr müßt schneller laufen, wenn ihr vor dem großen Schweden-König ausreißt.“

Das unglückliche Beyspiel seines Nachbars hatte dem Bischoff von Bamberg klügere Maßregeln eingegeben. Um die Plünderung seiner Lande zu verhüten, kam er dem König mit Anerbietungen des Friedens entgegen, welche aber blos dazu dienen sollten, den Lauf seiner Waffen so lange, bis Hülfe herbey käme, zu verzögern. Gustav Adolph, selbst viel zu redlich, um bey einem andern Arglist zu befürchten, nahm bereitwillig die Erbietungen des Bischofs an, und nannte schon die Bedingungen, unter welchen [243] er das Hochstift mit jeder feindlichen Behandlung verschonen wollte. Er zeigte sich um so mehr dazu geneigt, da ohnehin seine Absicht nicht war, mit Bambergs Eroberung die Zeit zu verlieren, und seine übrigen Entwürfe ihn nach den Rheinländern riefen. Die Eilfertigkeit, mit der er die Ausführung dieser Entwürfe verfolgte, brachte ihn um die Geldsummen, welche er durch ein längeres Verweilen in Franken dem ohnmächtigen Bischof leicht hätte abängstigen können; denn dieser schlaue Prälat ließ die Unterhandlung fallen, sobald sich das Kriegsgewitter von seinen Grenzen entfernte. Kaum hatte ihm Gustav Adolph den Rücken zugewendet, so warf er sich dem Grafen Tilly in die Arme, und nahm die Truppen des Kaisers in die nehmlichen Städte und Festungen auf, welche er kurz zuvor dem Könige zu öffnen sich bereitwillig gezeigt hatte. Aber er hatte den Ruin seines Bisthums durch diesen Kunstgriff nur auf kurze Zeit verzögert; ein Schwedischer Feldherr, der in Franken zurück gelassen ward, übernahm es, den Bischoff dieser Treulosigkeit wegen zu züchtigen, und das Bisthum wurde eben dadurch zu einem unglücklichen Schauplaz des Kriegs, welchen Freund und Feind auf gleiche Weise verwüsteten.

Die Flucht der Kaiserlichen, deren drohende Gegenwart den Entschließungen der Fränkischen Stände bisher Zwang angethan hatte, und das menschenfreundliche Betragen des Königs machten dem Adel sowohl als den Bürgern dieses Kreises Muth, sich den Schweden günstig zu bezeigen. Nürnberg übergab sich feyerlich dem Schuze des Königs; die Fränkische Ritterschaft wurde von ihm durch schmeichelhafte Manifeste gewonnen, in denen er sich herabließ, sich wegen seiner unfreundlichen Erscheinung in ihrem Lande zu entschuldigen. Der Wohlstand Frankens, und die Gewissenhaftigkeit, welche der Schwedische Krieger bey seinem Verkehr mit den Eingebohrnen zu beobachten pflegte, brachte den Ueberfluß in das königliche Lager. Die Gunst, in [244] welche sich Gustav Adolph bey dem Adel des ganzen Kreises zu sezen gewußt hatte, die Bewunderung und Ehrfurcht, welche ihm seine glänzenden Thaten selbst bey dem Feind erweckten, die reiche Beute, die man sich im Dienst eines stets siegreichen Königs versprach, kamen ihm bey der Truppenwerbung sehr zu Statten, die der Abgang so vieler Besazungen von dem Hauptheere nothwendig machte. Aus allen Gegenden des Frankenlandes eilte man haufenweise herbey, sobald nur die Trommel gerührt wurde.

Der König hatte auf die Einnahme Frankens nicht viel mehr Zeit verwenden können, als er überhaupt gebraucht hatte, es zu durcheilen; die Unterwerfung des ganzen Kreises zu vollenden, und das Eroberte zu behaupten, wurde Gustav Horn, einer seiner tüchtigsten Generale, mit einem achttausend Mann starken Kriegsheere zurück gelassen. Er selbst eilte mit der Hauptarmee, die durch die Werbungen in Franken verstärkt war, gegen den Rhein, um sich dieser Grenze des Reichs gegen die Spanier zu versichern, die geistlichen Churfürsten zu entwaffnen, und in diesen wohlhabenden Ländern neue Hülfsquellen zur Fortsezung des Kriegs zu eröffnen. Er folgte dem Lauf des Mainstroms; Seligenstadt, Aschaffenburg, Steinheim, alles Land an beyden Ufern des Flusses ward auf diesem Zuge zur Unterwerfung gebracht; selten erwarteten die kaiserlichen Besazungen seine Ankunft, niemals behaupteten sie sich. Schon einige Zeit vorher war es einem seiner Obersten geglückt, die Stadt und Citadelle Hanau, auf deren Erhaltung Graf Tilly so bedacht gewesen war, den Kaiserlichen durch einen Ueberfall zu entreißen; froh, von dem unerträglichen Druck dieser Soldateska befreyt zu seyn, unterwarf sich der Graf bereitwillig dem gelindern Joche des Schwedischen Königs.

Auf die Stadt Frankfurt war jezt das vorzügliche Augenmerk Gustav Adolphs gerichtet, dessen Maxime es überhaupt auf Deutschem Boden war, sich durch die Freundschaft und den Besiz der wichtigern [245] Städte den Rücken zu decken. Frankfurt war eine von den ersten Reichsstädten gewesen, die er schon von Sachsen aus zu seinem Empfang hatte vorbereiten lassen, und nun ließ er es von Offenbach aus durch neue Abgeordnete abermals auffordern, ihm den Durchzug zu gestatten und Besazung einzunehmen. Gerne wäre diese Reichsstadt mit der bedenklichen Wahl zwischen dem Könige von Schweden und dem Kaiser verschont geblieben; denn welche Partey sie auch ergriff, so hatte sie für ihre Privilegien und ihren Handel zu fürchten. Schwer konnte der Zorn des Kaisers auf sie fallen, wenn sie sich voreilig dem König von Schweden unterwarf, und dieser nicht mächtig genug bleiben sollte, seine Anhänger in Deutschland gegen den kaiserlichen Despotismus zu schüzen. Aber noch weit verderblicher für sie war der Unwille eines unwiderstehlichen Siegers, der mit einer furchtbaren Armee schon gleichsam vor ihren Thoren stand, und sie auf Unkosten ihres ganzen Handels und Wohlstandes für ihre Widersezlichkeit züchtigen konnte. Umsonst führte sie durch ihre Abgeordneten zu ihrer Entschuldigung die Gefahren an, welche ihre Messen, ihre Privilegien, vielleicht ihre Reichsfreyheit selbst bedrohten, wenn sie durch Ergreifung der Schwedischen Partey den Zorn des Kaisers auf sich laden sollte. Gustav Adolph stellte sich verwundert, daß die Stadt Frankfurt in einer so äußerst wichtigen Sache, als die Freyheit des ganzen Deutschlandes und das Schicksal der protestantischen Kirche sey, von ihren Jahrmärkten spreche, und für zeitliche Vortheile die große Angelegenheit des Vaterlandes und ihres Gewissens hintan seze. Er habe, sezte er drohend hinzu, von der Insel Rügen an bis zu allen Festungen und Städten am Main den Schlüssel gefunden, und werde ihn auch zu der Stadt Frankfurt zu finden wissen. Das Beste Deutschlands und die Freyheit der protestantischen Kirche seyen allein der Zweck seiner gewaffneten Ankunft, und bey dem Bewußtseyn einer so gerechten Sache sey er schlechterdings nicht [246] gesonnen, sich durch irgend ein Hinderniß in seinem Lauf aufhalten zu lassen. Er sehe wohl, daß ihm die Frankfurter nichts als die Finger reichen wollten, aber die ganze Hand müsse er haben, um sich daran halten zu können. Den Deputirten der Stadt, welche diese Antwort zurück brachten, folgte er mit seiner ganzen Armee auf dem Fusse nach, und erwartete in völliger Schlachtordnung vor Sachsenhausen die lezte Erklärung des Raths.

Wenn die Stadt Frankfurt Bedenken getragen hatte, sich den Schweden zu unterwerfen, so war es blos aus Furcht vor dem Kaiser geschehen; ihre eigene Neigung ließ die Bürger keinen Augenblick zweifelhaft zwischen dem Unterdrücker der Deutschen Freyheit und dem Beschüzer derselben. Die drohenden Zurüstungen, unter welchen Gustav Adolph ihre Erklärung jezt forderte, konnten die Strafbarkeit ihres Abfalls in den Augen des Kaisers vermindern, und den Schritt, den sie gern thaten, durch den Schein einer erzwungenen Handlung beschönigen. Jezt also öffnete man dem König von Schweden die Thore, der seine Armee in prachtvollem Zuge und bewundernswürdiger Ordnung mitten durch diese Kaiserstadt führte. Sechshundert Mann blieben in Sachsenhausen zur Besazung zurück; der König selbst rückte mit der übrigen Armee noch an demselben Abend gegen die Mainzische Stadt Höchst an, welche vor einbrechender Nacht schon erobert war.

Während daß Gustav Adolph längs dem Mainstrom Eroberungen machte, krönte das Glück die Unternehmungen seiner Generale und Bundesverwandten auch im nördlichen Deutschland. Rostock, Wismar und Dömiz, die einzigen noch übrigen festen Oerter im Herzogthum Mecklenburg, welche noch unter dem Joche kaiserlicher Besazungen seufzten, wurden von dem rechtmäßigen Besizer, Herzog Johann Albrecht, unter der Leitung des Schwedischen Feldherrn Achatius Tott bezwungen. Umsonst versuchte es der kaiserliche General Wolf, Graf von [247] Mannsfeld, den Schweden das Stift Halberstadt, von welchem sie sogleich nach dem Leipziger Siege Besiz genommen, wieder zu entreißen; er mußte bald darauf auch das Stift Magdeburg in ihren Händen lassen. Ein Schwedischer General Banner, der mit einem achttausend Mann starken Heere an der Elbe zurück geblieben war, hielt die Stadt Magdeburg auf das engste eingeschlossen, und hatte schon mehrere kaiserliche Regimenter niedergeworfen, welche zum Entsaz dieser Stadt herbey geschickt worden. Der Graf von Mannsfeld vertheidigte sie zwar in Person mit sehr vieler Herzhaftigkeit; aber zu schwach an Mannschaft, um dem zahlreichen Heere der Belagerer lange Widerstand leisten zu können, dachte er schon auf die Bedingungen, unter welchen er die Stadt übergeben wollte, als der General Pappenheim zu seinem Entsaz herbey kam, und die feindlichen Waffen anderswo beschäftigte. Dennoch wurde Magdeburg, oder vielmehr die schlechten Hütten, die aus den Ruinen dieser großen Stadt traurig hervorblickten, in der Folge von den Kaiserlichen freywillig geräumt, und gleich darauf von den Schweden in Besiz genommen.

Auch die Stände des Niedersächsischen Kreises wagten es, nach den glücklichen Unternehmungen des Königs ihr Haupt wieder von dem Schlage zu erheben, den sie in dem unglücklichen Dänischen Kriege durch Wallenstein und Tilly erlitten hatten. Sie hielten zu Hamburg eine Zusammenkunft, auf welcher die Errichtung von drey Regimentern verabredet wurde, mit deren Hülfe sie sich der äußerst drückenden kaiserlichen Besazungen zu entledigen hofften. Dabey ließ es der Bischof von Bremen, ein Verwandter des Schwedischen Königs, noch nicht bewenden; er brachte auch für sich besonders Truppen zusammen, und ängstigte mit denselben wehrlose Pfaffen und Mönche, hatte aber das Unglück, durch den kaiserlichen General, Grafen von Grousfeld, bald entwaffnet zu werden. Auch Georg, Herzog von [248] Lüneburg, vormals Oberster in Ferdinands Diensten, ergriff jezt Gustav Adolphs Partey, und warb einige Regimenter für diesen Monarchen wodurch die kaiserlichen Truppen in Niedersachsen zu nicht geringem Vortheil des Königs beschäftigt wurden.

Noch weit wichtigere Dienste aber leistete dem König Landgraf Wilhelm von Hessen-Kassel, dessen siegreiche Waffen einen großen Theil von Westphalen und Niedersachsen, das Stift Fulda, und selbst das Churfürstenthum Cölln zittern machten. Man erinnert sich, daß unmittelbar nach dem Bündniß, welches der Landgraf im Lager zu Werben mit Gustav Adolph geschlossen hatte, zwey kaiserliche Generale, von Fugger und Altringer, von dem Grafen Tilly nach Hessen beordert wurden, den Landgrafen wegen seines Abfalls vom Kaiser zu züchtigen. Aber mit männlichem Muth hatte dieser Fürst den Waffen des Feindes, so wie seine Landstände den Aufruhr-predigenden Manifesten des Grafen Tilly widerstanden, und bald befreyte ihn die Leipziger Schlacht von diesen verwüstenden Schaaren. Er benuzte ihre Entfernung mit eben so viel Muth als Entschlossenheit, eroberte in kurzer Zeit Vach, Münden und Höxter, und ängstigte durch seine schleunigen Fortschritte das Stift Fulda, Paderborn und alle an Hessen grenzende Stifter. Die in Furcht gesezten Staaten eilten, durch eine zeitige Unterwerfung seinen Fortschritten Grenzen zu sezen, und entgingen der Plünderung durch beträchtliche Geldsummen, die sie ihm freywillig entrichteten. Nach diesen glücklichen Unternehmungen vereinigte der Landgraf sein siegreiches Heer mit der Hauptarmee Gustav Adolphs, und er selbst fand sich zu Frankfurt bey diesem Monarchen ein, um den fernern Operationsplan mit ihm zu verabreden.

Mehrere Prinzen und auswärtige Gesandte waren mit ihm in dieser Stadt erschienen, um der Größe Gustav Adolphs zu huldigen, seine Gunst anzuflehn, oder seinen Zorn zu besänftigen. Unter [249] diesen war der merkwürdigste der vertriebene König von Böhmen und Pfalzgraf Friedrich der Fünfte, der aus Holland dahin geeilt war, sich seinem Rächer und Beschüzer in die Arme zu werfen. Gustav Adolph erwies ihm die unfruchtbare Ehre, ihn als ein gekröntes Haupt zu begrüßen, und bemühte sich, ihm durch eine edle Theilnahme sein Unglück zu erleichtern. Aber so viel sich auch Friedrich von der Macht und dem Glück seines Beschüzers versprach, so viel er auf die Gerechtigkeit und Großmuth desselben baute, so weit entfernt war dennoch die Hoffnung zur Wiederherstellung dieses Unglücklichen in seinen verlornen Ländern. Die Unthätigkeit und die widersinnige Politik des Englischen Hofes hatte den Eifer Gustav Adolphs erkältet, und eine Empfindlichkeit, über die er nicht ganz Meister werden konnte, ließ ihn hier den glorreichen Beruf eines Beschüzers der Unterdrückten vergessen, den er bey seiner Erscheinung im Deutschen Reiche so laut angekündigt hatte. Auch den Landgrafen Georg von Hessen-Darmstadt hatte die Furcht vor der unwiderstehlichen Macht und der nahen Rache des Königs herbey gelockt, und zu einer zeitigen Unterwerfung bewogen. Die Verbindungen, in welchen dieser zweydeutige Fürst mit dem Kaiser stand, und sein schlechter Eifer für die protestantische Sache waren dem König kein Geheimniß; aber der Haß eines so ohnmächtigen Feindes konnte ihn bloß zum Mitleid, und die Wichtigkeit, welche der Schwachkopf sich gab, nur zum Lachen bewegen. Da der Landgraf sich selbst und die politische Lage Deutschlands wenig genug kannte, um sich, eben so unwissend als dreist, zum Mittler zwischen beyden Parteyen aufzuwerfen, so pflegte ihn Gustav Adolph spottweise nur den Friedensstifter zu nennen. Oft hörte man ihn sagen, wenn er mit dem Landgrafen spielte, und ihm Geld abgewann: „Er freue sich doppelt des gewonnenen Geldes, weil es kaiserliche Münze sey.“ Landgraf Georg dankte es bloß seiner Verwandtschaft [250] mit dem Churfürsten von Sachsen, den Gustav Adolph zu schonen Ursache hatte, daß sich dieser Monarch mit Uebergabe seiner Festung Rüsselsheim und mit der Zusage begnügte, eine strenge Neutralität in diesem Kriege zu beobachten. Auch die Grafen des Westerwaldes und der Wetterau waren in Frankfurt bey dem König erschienen, um ein Bündniß mit ihm zu errichten, und ihm gegen die Spanier ihren Beystand anzubieten, der ihm in der Folge sehr nüzlich war. Die Stadt Frankfurt selbst hatte alle Ursachen, sich der Gegenwart des Monarchen zu rühmen, der durch seine königliche Autorität ihren Handel in Schuz nahm, und die Sicherheit der Messen, die der Krieg sehr gestört hatte, durch die nachdrücklichsten Vorkehrungen wieder herstellte.

Die Schwedische Armee war jezt durch zehntausend Hessen verstärkt, welche Landgraf Wilhelm von Kassel dem König zugeführt hatte. Schon hatte Gustav Adolph Königstein angreifen lassen, Kostheim und Fliershain ergaben sich ihm nach einer kurzen Belagerung, er beherrschte den ganzen Mainstrom, und zu Höchst wurden in aller Eile Fahrzeuge gezimmert, um die Truppen über den Rhein zu sezen. Diese Anstalten erfüllten den Churfürsten von Mainz, Anselm Kasimir, mit Furcht, und er zweifelte keinen Augenblick mehr, daß Er der nächste sey, den der Sturm des Krieges bedrohte. Als ein Anhänger des Kaisers und eins der thätigsten Mitglieder der katholischen Ligue, hatte er kein besseres Loos zu hoffen, als seine beyden Amtsbrüder, die Bischöfe von Würzburg und Bamberg, bereits betroffen hatte. Die Lage seiner Länder am Rheinstrom machte es dem Feinde zur Nothwendigkeit, sich ihrer zu versichern, und überdem war dieser gesegnete Strich Landes für das bedürftige Heer eine unüberwindliche Reizung. Aber zu wenig mit seinen Kräften und dem Gegner bekannt, den er vor sich hatte, schmeichelte sich der Churfürst, Gewalt durch Gewalt abzutreiben, und durch die Festigkeit seiner Wälle die [251] Schwedische Tapferkeit zu ermüden. Er ließ in aller Eile die Festungswerke seiner Residenzstadt ausbessern, versah sie mit allem, was sie fähig machte, eine lange Belagerung auszuhalten, und nahm noch überdieß zweytausend Spanier in seine Mauern auf, welche ein Spanischer General, Don Philipp von Sylva, kommandirte. Um den Schwedischen Fahrzeugen die Annäherung unmöglich zu machen, ließ er die Mündung des Mains durch viele eingeschlagene Pfähle verrammeln, auch grosse Steinmassen und ganze Schiffe in dieser Gegend versenken. Er selbst flüchtete sich, in Begleitung des Bischofs von Worms, mit seinen besten Schäzen nach Cölln, und überließ Stadt und Land der Raubgier einer tyrannischen Besazung. Alle diese Vorkehrungen, welche weniger wahren Muth als ohnmächtigen Troz verriethen, hielten die Schwedische Armee nicht ab, gegen Mainz vorzurücken, und die ernstlichsten Anstalten zum Angriff der Stadt zu machen. Während daß sich ein Theil der Truppen in dem Rheingau verbreitete, alles was sich von Spaniern dort fand, niedermachte, und übermäßige Contributionen erpreßte, ein anderer die katholischen Oerter des Westerwaldes und der Wetterau brandschazte, hatte sich die Hauptarmee schon bey Kassel, Mainz gegenüber, gelagert, und Herzog Bernhard von Weimar sogar am jenseitigen Rheinufer den Mäusethurm und das Schloß Ehrenfels erobert. Schon beschäftigte sich Gustav Adolph ernstlich damit, den Rhein zu passiren, und die Stadt von der Landseite einzuschließen, als ihn die Fortschritte des Grafen Tilly in Franken eilfertig von dieser Belagerung abriefen, und dem Churfürstenthum eine, obgleich nur kurze, Ruhe verschafften.

Die Gefahr der Stadt Nürnberg, welche Graf Tilly während der Abwesenheit Gustav Adolphs am Rheinstrom Miene machte zu belagern, und im Fall eines Widerstandes mit dem schrecklichen Schicksal Magdeburgs bedrohte, hatte den König von Schweden zu diesem schnellen Aufbruch von Mainz bewogen. Um sich nicht zum zweytenmal vor ganz Deutschland [252] den Vorwürfen und der Schande auszusezen, eine bundsverwandte Stadt der Willkür eines grausamen Feindes geopfert zu haben, machte er sich in beschleunigten Märschen auf, diese wichtige Reichsstadt zu entsezen; aber schon zu Frankfurt erfuhr er den herzhaften Widerstand der Nürnberger, und den Abzug des Tilly, und säumte jezt keinen Augenblick, seine Absichten auf Mainz zu verfolgen. Da es ihm bey Kassel mißlungen war, unter den Kanonen der Belagerten den Uebergang über den Rhein zu gewinnen, so richtete er jezt, um von einer andern Seite der Stadt beyzukommen, seinen Lauf nach der Bergstraße, bemächtigte sich auf diesem Wege jedes wichtigen Plazes, und erschien zum zweytenmale an den Ufern des Rheins bey Stockstadt zwischen Gernsheim und Oppenheim. Die ganze Bergstraße hatten die Spanier verlassen, aber das jenseitige Rheinufer suchten sie noch mit vieler Hartnäckigkeit zu vertheidigen. Sie hatten zu diesem Ende alle Fahrzeuge aus der Nachbarschaft zum Theil verbrannt, zum Theil in die Tiefe versenkt, und standen jenseit des Stroms zum furchtbarsten Angriff gerüstet, wenn etwa der König an diesem Ort den Uebergang wagen würde. Der Muth des Königs sezte ihn bey dieser Gelegenheit einer sehr großen Gefahr aus, in feindliche Hände zu gerathen. Um das jenseitige Ufer zu besichtigen, hatte er sich in einem kleinen Nachen über den Fluß gewagt; kaum aber war er gelandet, so überfiel ihn ein Haufen Spanischer Reiter, aus deren Händen ihn nur die eilfertigste Rückkehr befreyte. Endlich gelang es ihm, durch Vorschub etlicher benachbarten Schiffer sich einiger Fahrzeuge zu bemächtigen, auf deren zween er den Grafen von Brahe mit dreyhundert Schweden übersezen ließ. Nicht so bald hatte dieser Zeit gewonnen sich am jenseitigen Ufer zu verschanzen, als er von vierzehn Kompagnien Spanischer Dragoner und Kürassierer überfallen wurde. So groß die Ueberlegenheit des Feindes war, so tapfer wehrte sich Brahe mit seiner kleinen Schaar, [253] und sein heldenmüthiger Widerstand verschaffte dem König Zeit, ihn in eigner Person mit frischen Truppen zu unterstüzen. Nun ergriffen die Spanier, nach einem Verlust von sechshundert Todten, die Flucht; einige eilten die feste Stadt Oppenheim, andre Mainz zu gewinnen. Ein marmorner Löwe auf einer hohen Säule, in der rechten Klaue ein bloßes Schwert, auf dem Kopf eine Sturmhaube tragend, zeigte noch siebenzig Jahre nachher dem Wanderer die Stelle, wo der unsterbliche König den Hauptstrom Germaniens passirte.

Gleich nach dieser glücklichen Action sezte Gustav Adolph das Geschüz und den größten Theil der Truppen über den Fluß, und belagerte Oppenheim, welches nach einer verzweifelten Gegenwehr am achten December 1631 mit stürmender Hand erstiegen ward. Fünfhundert Spanier, welche diesen Ort so herzhaft vertheidigt hatten, wurden insgesammt ein Opfer der Schwedischen Furie. Die Nachricht von Gustavs Uebergang über den Rheinstrom erschreckte alle Spanier und Lothringer, welche das jenseitige Land besezt, und sich hinter diesem Flusse vor der Rache der Schweden geborgen geglaubt hatten. Schnelle Flucht war jezt ihre einzige Sicherheit; jeder nicht ganz haltbare Ort ward aufs eilfertigste verlassen. Nach einer langen Reihe von Gewaltthätigkeiten gegen den wehrlosen Bürger räumten die Lothringer die Stadt Worms, welche sie noch vor ihrem Abzuge mit muthwilliger Grausamkeit mißhandelten. Die Spanier eilten, sich in Frankenthal einzuschließen, in welcher Stadt sie sich Hoffnung machten, den siegreichen Waffen Gustav Adolphs zu trozen.

Der König verlor nunmehr keine Zeit, seine Absichten auf die Stadt Mainz auszuführen, in welche sich der Kern der Spanischen Truppen geworfen hatte. Indem er jenseit des Rheinstroms gegen diese Stadt anrückte, hatte sich der Landgraf von Hessen-Kassel diesseits des Flusses derselben genähert, und [254] auf dem Wege dahin mehrere feste Pläze unter seine Botmäßigkeit gebracht. Die belagerten Spanier, obgleich von beyden Seiten eingeschlossen, zeigten anfänglich viel Muth und Entschlossenheit, das Aeußerste zu erwarten, und ein ununterbrochenes heftiges Bombenfeuer regnete mehrere Tage lang in das Schwedische Lager, welches dem Könige manchen braven Soldaten kostete. Aber, dieses muthvollen Widerstands ungeachtet, gewannen die Schweden immer mehr Boden, und waren dem Stadtgraben schon so nahe gerückt, daß sie sich ernstlich zum Sturm anschickten. Jezt sank den Belagerten der Muth. Mit Recht zitterten sie vor dem wilden Ungestüm des Schwedischen Soldaten, wovon der Marienberg bey Würzburg ein schreckhaftes Zeugniß ablegte. Ein fürchterliches Loos erwartete die Stadt Mainz, wenn sie im Sturm erstiegen werden sollte und leicht konnte der Feind sich versucht fühlen, Magdeburgs schauderhaftes Schicksal an dieser reichen und prachtvollen Residenz eines katholischen Fürsten zu rächen. Mehr um die Stadt als um ihr eigenes Leben zu schonen, kapitulirte am vierten Tag die Spanische Besazung, und erhielt von der Großmuth des Königs ein sicheres Geleite bis nach Luxenburg; doch stellte sich der größte Theil derselben, wie bisher schon von mehrern geschehen war, unter Schwedische Fahnen.

Am dreyzehnten December 1631 hielt der König von Schweden seinen Einzug in die eroberte Stadt, und nahm im Pallast des Churfürsten seine Wohnung. Achtzig Kanonen fielen als Beute in seine Hände, und mit achtzigtausend Gulden mußte die Bürgerschaft die Plünderung abkaufen. Von dieser Schazung waren die Juden und die Geistlichkeit ausgeschlossen, welche noch für sich besonders große Summen zu entrichten hatten. Die Bibliothek des Churfürsten nahm der König als sein Eigenthum zu sich, und schenkte sie seinem Reichskanzler Oxenstierna, der sie dem Gymnasium zu Westerähs abtrat; aber das Schiff, [255] das sie nach Schweden bringen sollte, scheiterte, und die Ostsee verschlang diesen unersezlichen Schaz.

Nach dem Verlust der Stadt Mainz hörte das Unglück nicht auf, die Spanier in den Gegenden des Rheins zu verfolgen. Kurz vor Eroberung jener Stadt hatte der Landgraf von Hessen-Kassel Falkenstein und Reifenberg eingenommen; die Festung Königstein ergab sich den Hessen; der Rheingraf Otto Ludwig, einer von den Generalen des Königs, hatte das Glück, neun Spanische Schwadronen zu schlagen, die gegen Frankenthal im Anzuge waren, und sich der wichtigsten Städte am Rheinstrom von Poppart bis Baccharach zu bemächtigen: Nach Einnahme der Festung Braunfels, welche die Wetterauischen Grafen mit Schwedischer Hülfe zu Stande brachten, verloren die Spanier jeden Plaz in der Wetterau, und in der ganzen Pfalz konnten sie, außer Frankenthal, nur sehr wenige Städte retten. Landau und Kronweißenburg erklärten sich laut für die Schweden. Speyer bot sich an, Truppen zum Dienst des Königs zu werben. Mannheim ging durch die Besonnenheit des jungen Herzogs Bernhard von Weimar und durch die Nachlässigkeit des dortigen Kommendanten verloren, der auch dieses Unglücks wegen zu Heidelberg vor das Kriegsgericht gefodert und enthauptet ward.

Der König hatte den Feldzug bis tief in den Winter verlängert, und wahrscheinlich war selbst die Rauhigkeit der Jahrszeit mit eine Ursache der Ueberlegenheit gewesen, welche der Schwedische Soldat über den Feind behauptete. Jetzt aber bedurften die erschöpften Truppen der Erholung in den Winterquartieren, welche ihnen Gustav Adolph auch bald nach Eroberung der Stadt Mainz in der umliegenden Gegend bewilligte. Er selbst benuzte die Ruhe, welche die Jahrszeit seinen kriegerischen Operationen auflegte, dazu, die Geschäfte des Kabinets mit seinem Reichskanzler abzuthun, der Neutralität wegen mit dem Feind Unterhandlungen zu pflegen, und einige [256] politische Streitigkeiten mit einer bundsverwandten Macht zu beendigen, zu denen sein bisheriges Betragen den Grund gelegt hatte. Zu seinem Winteraufenthalt und zum Mittelpunkt dieser Staatsgeschäfte erwählte er die Stadt Mainz, gegen die er überhaupt eine größere Neigung blicken ließ, als sich mit dem Interesse der Deutschen Fürsten, und mit dem kurzen Besuche vertrug, den er dem Reiche hatte abstatten wollen. Nicht zufrieden, die Stadt auf das stärkste befestigt zu haben, ließ er auch ihr gegenüber, in dem Winkel, den der Main mit dem Rheine macht, eine neue Citadelle anlegen, die nach ihrem Stifter Gustavsburg genannt, aber unter dem Namen Pfaffenraub, Pfaffenzwang bekannter geworden ist.

Indem Gustav Adolph sich Meister vom Rhein machte, und die drey angrenzenden Churfürstenthümer mit seinen siegreichen Waffen bedrohte, wurde in Paris und Saint Germain von seinen wachsamen Feinden jeder Kunstgriff der Politik in Bewegung gesezt, ihm den Beystand Frankreichs zu entziehen, und ihn wo möglich mit dieser Macht in Krieg zu verwickeln. Er selbst hatte durch die unerwartete und zweydeutige Wendung seiner Waffen gegen den Rheinstrom seine Freunde stuzen gemacht, und seinen Gegnern die Mittel dargereicht, ein gefährliches Mißtrauen in seine Absichten zu erregen. Nachdem er das Hochstift Würzburg und den größten Theil Frankens seiner Macht unterworfen hatte, stand es bey ihm, durch das Hochstift Bamberg und durch die obere Pfalz in Bayern und Oesterreich einzubrechen; und die Erwartung war so allgemein als natürlich, daß er nicht säumen würde, den Kaiser und den Herzog von Bayern im Mittelpunkt ihrer Armee anzugreifen, und durch Ueberwältigung dieser beyden Hauptfeinde den Krieg auf das schnellste zu endigen. Aber zu nicht geringem Erstaunen beyder streitenden Theile verließ Gustav Adolph die von der allgemeinen Meinung ihm vorgezeichnete [257] Bahn, und anstatt seine Waffen zur Rechten zu kehren, wendete er sie zur Linken, um die minder schuldigen und minder zu fürchtenden Fürsten des Churrheins seine Macht empfinden zu lassen, indem er seinen zwey wichtigsten Gegnern Frist gab, neue Kräfte zu sammeln. Nichts als die Absicht, durch Vertreibung der Spanier vor allen Dingen den unglücklichen Pfalzgrafen Friedrich den Fünften wieder in den Besiz seiner Länder zu sezen, konnte diesen überraschenden Schritt erklärlich machen, und der Glaube an die nahe Wiederherstellung Friedrichs brachte anfangs auch wirklich den Argwohn seiner Freunde und die Verleumdungen seiner Gegner zum Schweigen. Jezt aber war die untere Pfalz fast durchgängig von Feinden gereinigt, und Gustav Adolph fuhr fort, neue Eroberungsplane am Rhein zu entwerfen; er fuhr fort, die eroberte Pfalz dem rechtmäßigen Besizer zurück zu halten. Vergebens erinnerte der Abgesandte des Königs von England den Eroberer an das, was die Gerechtigkeit von ihm forderte, und sein eigenes feyerlich ausgestelltes Versprechen ihm zur Ehrenpflicht machte. Gustav Adolph beantwortete diese Aufforderung mit bittern Klagen über die Unthätigkeit des Englischen Hofes, und rüstete sich lebhaft, seine sieghaften Fahnen mit nächstem im Elsaß und selbst in Lothringen auszubreiten.

Jezt wurde das Mißtrauen gegen den Schwedischen Monarchen laut, und der Haß seiner Gegner zeigte sich äußerst geschäftig, die nachtheiligsten Gerüchte von seinen Absichten zu verbreiten. Schon längst hatte der Minister Ludwigs des Dreyzehnten, Richelieu, der Annäherung des Königs gegen die Französischen Grenzen mit Unruhe zugesehn, und das mißtrauische Gemüth seines Herrn öffnete sich nur allzu leicht den schlimmen Muthmaßungen, welche darüber angestellt wurden. Frankreich war um eben diese Zeit in einen bürgerlichen Krieg mit dem protestantischen Theil seiner Bürger verwickelt, und die Furcht war in der That nicht ganz grundlos, daß die [258] Annäherung eines siegreichen Königs von ihrer Partey ihren gesunkenen Muth neu beleben und sie zu dem gewaltsamsten Widerstand aufmuntern möchte. Dieß konnte geschehn, auch wenn Gustav Adolph auf das weiteste davon entfernt war, ihnen Hoffnung zu machen, und an seinem Bundsgenossen, dem König von Frankreich eine wirkliche Untreue zu begehn. Aber der rachgierige Sinn des Bischofs von Würzburg, der den Verlust seiner Länder am Französischen Hole zu verschmerzen suchte, die giftvolle Beredsamkeit der Jesuiten, und der geschäftige Eifer des Bayrischen Ministers stellten dieses gefährliche Verständniß zwischen den Hugenotten und dem König von Schweden als ganz erwiesen dar, und wußten den furchtsamen Geist Ludwigs mit den schrecklichsten Besorgnissen zu bestürmen. Nicht blos thörichte Politiker, auch manche nicht unverständige Katholiken glaubten in vollem Ernst, der König werde mit nächstem in das innerste Frankreich eindringen, mit den Hugenotten gemeine Sache machen, und die katholische Religion in dem Königreich umstürzen. Fanatische Eiferer sahen ihn schon mit einer Armee über die Alpen klimmen, und den Statthalter Christi selbst in Italien entthronen. So leicht sich Träumereyen dieser Art von selbst widerlegten, so schnell auch die Ehrliebe und Toleranz des Königs dergleichen lächerliche Anklagen zu Boden schlug, so war dennoch nicht zu läugnen, daß er durch seine Kriegsunternehmungen am Rhein dem Argwohn seiner Gegner eine gefährliche Blöße gab, und einigermaßen den Verdacht rechtfertigte, als ob er seine Waffen weniger gegen den Kaiser und den Herzog von Bayern, als gegen die katholische Religion überhaupt habe richten wollen.




[259]
Geschichte


des


dreyßigjährigen Kriegs.




Fortsetzung des dritten Buchs.



[261] Das allgemeine Geschrey des Unwillens, welches die katholischen Höfe, von den Jesuiten aufgereitzt, gegen Frankreichs Verbindungen mit den Feinden der Kirche erhuben, bewog endlich den Kardinal von Richelieu, für die Sicherstellung seiner Religion einen entscheidenden Schritt zu thun, und die katholische Welt zugleich von dem ernstlichen Religionseifer Frankreichs und von der eigennützigen Politik der geistlichen Reichsstände zu überführen. Ueberzeugt, daß die Absichten des Königs von Schweden, so wie seine eignen, nur auf die Demüthigung des Hauses Oesterreich gerichtet seyen, trug er kein Bedenken, den ligistischen Fürsten von Seiten Schwedens eine vollkommene Neutralität zu versprechen, so bald sie sich der Allianz mit dem Kaiser entschlagen und ihre Truppen zurückziehen würden. Welchen Entschluß nun die Fürsten faßten, so hatte Richelieu seinen Zweck erreicht. Durch ihre Trennung von der Oesterreichischen Partey wurde Ferdinand den vereinigten Waffen Frankreichs und Schwedens wehrlos bloßgestellt, und Gustav Adolph, von allen seinen übrigen Feinden in Deutschland befreyt, konnte seine ungetheilte Macht gegen die kaiserlichen Erbländer kehren. Unvermeidlich war dann der Fall des Oesterreichischen Hauses, und dieses letzte große Ziel aller Bestrebungen Richelieus ohne Nachtheil der Kirche errungen. Ungleich mißlicher hingegen war der Erfolg, wenn die Fürsten der Ligue auf ihrer Weigerung bestehn, und dem Oesterreichischen Bündniß noch fernerhin getreu bleiben sollten. Dann aber hatte Frankreich vor dem ganzen Europa seine katholische Gesinnung erwiesen, und [262] seinen Pflichten als Glied der Römischen Kirche ein Genüge gethan. Die Fürsten der Ligue erschienen dann allein als die Urheber alles Unglücks, welches die Fortdauer des Kriegs über das katholische Deutschland unausbleiblich verhängen mußte; sie allein waren es, die durch ihre eigensinnige Anhänglichkeit an den Kaiser die Maßregeln ihres Beschützers vereitelten, die Kirche in die äusserste Gefahr und sich selbst ins Verderben stürzten.

Richelieu verfolgte diesen Plan um so lebhafter, je mehr er durch die wiederholten Aufforderungen des Churfürsten von Bayern um Französische Hülfe ins Gedränge gebracht wurde. Man erinnert sich, daß dieser Fürst schon seit der Zeit, als er Ursache gehabt hatte, ein Mißtrauen in die Gesinnungen des Kaisers zu setzen, in ein geheimes Bündniß mit Frankreich getreten war, wodurch er sich den Besitz der Pfälzischen Churwürde gegen eine künftige Sinnesänderung Ferdinands zu versichern hoffte. So deutlich auch schon der Ursprung dieses Traktats zu erkennen gab, gegen welchen Feind er errichtet worden, so dehnte ihn Maximilian jezt, willkürlich genug, auch auf die Angriffe des Königs von Schweden aus, und trug kein Bedenken, dieselbe Hülfleistung, welche man ihm bloß gegen Oesterreich zugesagt hatte, auch gegen Gustav Adolph, den Alliirten der Französischen Krone, zu fodern. Durch diese widersprechende Allianz mit zwey einander entgegengesetzten Mächten in Verlegenheit gesetzt, wußte sich Richelieu nur dadurch zu helfen, daß er den Feindseligkeiten zwischen beyden ein schleuniges Ende machte; und eben so wenig geneigt Bayern preis zu geben, als durch seinen Vertrag mit Schweden außer Stand gesetzt es zu schützen, verwendete er sich mit ganzem Eifer für die Neutralität, als das einzige Mittel, seinen doppelten Verbindungen ein Genüge zu leisten. Ein eigner Bevollmächtigter, Marquis von Breze, wurde zu diesem Ende an den König von Schweden nach Mainz abgeschickt, seine [263] Gesinnungen über diesen Punkt zu erforschen, und für die alliirten Fürsten günstige Bedingungen von ihm zu erhalten. Aber so wichtige Ursachen Ludwig der Dreyzehnte hatte, diese Neutralität zu Stande gebracht zu sehen, so triftige Gründe hatte Gustav Adolph, das Gegentheil zu wünschen. Durch zahlreiche Proben überzeugt, daß der Abscheu der ligistischen Fürsten vor der protestantischen Religion unüberwindlich, ihr Haß gegen die ausländische Macht der Schweden unauslöschlich, ihre Anhänglichkeit an das Haus Oesterreich unvertilgbar sey, fürchtete er ihre offenbare Feindschaft weit weniger, als er einer Neutralität mißtraute, die mit ihrer Neigung so sehr im Widerspruche stand. Da er sich überdieß durch seine Lage auf Deutschem Boden genöthigt sah, auf Kosten der Feinde den Krieg fortzusetzen, so verlor er augenscheinlich, wenn er, ohne neue Freunde dadurch zu gewinnen, die Zahl seiner öffentlichen Feinde verminderte. Kein Wunder also, wenn Gustav Adolph wenig Neigung blicken ließ, die Neutralität der katholischen Fürsten, wodurch ihm so wenig geholfen war, durch Aufopferung seiner errungenen Vortheile zu erkaufen!

Die Bedingungen, unter welchen er dem Churfürsten von Bayern die Neutralität bewilligte, waren drückend und diesen Gesinnungen gemäß. Er foderte von der katholischen Ligue eine gänzliche Unthätigkeit, Zurückziehung ihrer Truppen von der kaiserlichen Armee, aus den eroberten Plätzen, aus allen protestantischen Ländern. Noch ausserdem wollte er die ligistische Kriegsmacht auf eine geringe Anzahl herabgesezt wissen. Alle ihre Länder sollten den kaiserlichen Armeen verschlossen seyn, und dem Hause Oesterreich weder Mannschaft noch Lebensmittel und Munition aus denselben gestattet werden. So hart das Gesetz war, welches der Ueberwinder den Ueberwundenen auflegte, so schmeichelte sich der Französische Mediateur noch immer, den Churfürsten von Bayern zu Annehmung desselben vermögen zu können. [264] Dieses Geschäft zu erleichtern, hatte sich Gustav Adolph bewegen lassen, dem letztern einen Waffenstillstand auf vierzehn Tage zu bewilligen. Aber zur nehmlichen Zeit, als dieser Monarch durch den Französischen Agenten wiederholte Versicherungen von dem guten Fortgang dieser Unterhandlung erhielt, entdeckte ihm ein aufgefangener Brief des Churfürsten an den General Pappenheim in Westphalen die Treulosigkeit dieses Prinzen, der bey der ganzen Negotiation nichts gesucht hatte, als Zeit zur Vertheidigung zu gewinnen. Weit davon entfernt, sich durch einen Vergleich mit Schweden in seinen Kriegsunternehmungen Fesseln anlegen zu lassen, beschleunigte vielmehr der hinterlistige Fürst seine Rüstung, und benutzte die Muße, die ihm der Feind ließ, desto nachdrücklichere Anstalten zur Gegenwehr zu treffen. Diese ganze Neutralitätsunterhandlung zerriß also fruchtlos, und hatte zu nichts gedient, als die Feindseligkeit zwischen Bayern und Schweden mit desto größrer Erbitterung zu erneuern.

Tillys vermehrte Macht, womit dieser Feldherr Franken zu überschwemmen drohte, foderte den König dringend nach diesem Kreise; zuvor aber mußten die Spanier von dem Rheinstrom vertrieben, und ihnen der Weg versperrt werden, von den Niederlanden aus die Deutschen Provinzen zu bekriegen. In dieser Absicht hatte Gustav Adolph bereits dem Churfürsten von Trier, Philipp von Zeltern, die Neutralität unter der Bedingung angeboten, daß ihm die Trierische Festung Hermannstein eingeräumt und den Schwedischen Truppen ein freyer Durchzug durch Coblenz bewillig würde. Aber so ungern der Churfürst seine Länder in Spanischen Händen sah, so viel weniger konnte er sich entschließen, sie dem verdächtigen Schutz eines Ketzers zu übergeben, und den Schwedischen Eroberer zum Herrn seines Schicksals zu machen. Da er sich jedoch außer Stand sah, gegen zwey so furchtbare Mitbewerber seine Unabhängigkeit zu behaupten, so suchte er unter den [265] mächtigen Flügeln Frankreichs Schutz gegen beyde. Mit gewohnter Staatsklugheit hatte Richelieu die Verlegenheit dieses Fürsten benutzt, Frankreichs Macht zu vergrößern und ihm einen wichtigen Alliirten an Deutschlands Grenze zu erwerben. Eine zahlreiche Französische Armee sollte die Trierischen Lande decken, und die Festung Ehrenbreitstein Französische Besatzung einnehmen. Aber die Absicht, welche den Churfürsten zu diesem gewagten Schritte vermocht hatte, wurde nicht ganz erfüllt; denn die gereitzte Empfindlichkeit Gustav Adolphs ließ sich nicht eher besänftigen, als bis auch den Schwedischen Truppen ein freyer Durchzug durch die Trierischen Lande gestattet wurde.

Indem dieses mit Trier und Frankreich verhandelt wurde, hatten die Generale des Königs das ganze Erzstift Mainz von dem Ueberreste der Spanischen Garnisonen gereinigt, und Gustav Adolph selbst durch die Einnahme von Kreuznach die Eroberung dieses Landstrichs vollendet. Das Eroberte zu beschützen, mußte der Reichskanzler Oxenstierna mit einem Theile der Armee an dem mittlern Rheinstrome zurückbleiben, und das Hauptheer setzte sich unter Anführung des Königs in Marsch, auf Fränkischen Boden den Feind aufzusuchen.

Um den Besitz dieses Kreises hatten unterdessen Graf Tilly und der Schwedische General von Horn, den Gustav Adolph mit achttausend Mann darin zurückließ, mit abwechselndem Kriegsglück gestritten, und das Hochstift Bamberg besonders war zugleich der Preis und der Schauplatz ihrer Verwüstungen. Von seinen übrigen Entwürfen an den Rheinstrom gerufen, überließ der König seinem Feldherrn die Züchtigung des Bischofs, der durch sein treuloses Betragen seinen Zorn gereitzt hatte, und die Thätigkeit des Generals rechtfertigte die Wahl des Monarchen. In kurzer Zeit unterwarf er einen großen Theil des Bisthums den Schwedischen Waffen, und die Hauptstadt selbst, von der kaiserlichen Besatzung [266] im Stich gelassen, lieferte ihm ein stürmender Angriff in die Hände. Dringend foderte nun der verjagte Bischof den Churfürsten von Bayern zum Beystand auf, der sich endlich bewegen ließ, Tillys Unthätigkeit zu verkürzen. Durch den Befehl seines Herrn zur Wiedereinsetzung des Bischofs bevollmächtigt, zog dieser General seine durch die Oberpfalz zerstreuten Truppen zusammen, und näherte sich Bamberg mit einem zwanzigtausend Mann starken Heere. Gustav Horn, entschlossen, seine Eroberung gegen diese überlegene Macht zu behaupten, erwartete hinter den Wällen Bambergs den Feind, mußte sich aber durch den bloßen Vortrab des Tilly entrissen sehn, was er der ganzen versammelten Armee gehofft hatte streitig zu machen. Eine Verwirrung unter seinen Truppen, die keine Geistesgegenwart des Feldherrn zu verbessern vermochte, öffnete dem Feinde die Stadt, daß Truppen, Bagage und Geschütz nur mit Mühe gerettet werden konnten. Bambergs Wiedereroberung war die Frucht dieses Sieges; aber den Schwedischen General, der sich in guter Ordnung über den Mainstrom zurückzog, konnte Graf Tilly, aller angewandten Geschwindigkeit ungeachtet, nicht mehr einholen. Die Erscheinung des Königs in Franken, welchem Gustav Horn den Rest seiner Truppen bey Kitzingen zuführte, setzte seinen Eroberungen ein schnelles Ziel, und zwang ihn, durch einen zeitigen Rückzug für seine eigne Rettung zu sorgen.

Zu Aschaffenburg hatte der König allgemeine Heerschau über seine Truppen gehalten, deren Anzahl nach der Vereinigung mit Gustav Horn, Banner und Herzog Wilhelm von Weimar auf beynahe vierzig tausend stieg. Nichts hemmte seinen Marsch durch Franken; denn Graf Tilly, viel zu schwach, einen so sehr überlegenen Feind zu erwarten, hatte sich in schnellen Märschen gegen die Donau gezogen. Böhmen und Bayern lagen jetzt dem König gleich nahe, und in der Ungewißheit, wohin dieser [267] Eroberer seinen Lauf richten würde, konnte Maximilian nicht sogleich eine Entschließung fassen. Der Weg, welchen man Tilly jetzt nehmen ließ, mußte die Wahl des Königs und das Schicksal beyder Provinzen entscheiden. Gefährlich war es, bey der Annäherung eines so furchtbaren Feindes Bayern unvertheidigt zu lassen, um Oesterreichs Grenzen zu schirmen; gefährlicher noch, durch Aufnahme des Tilly in Bayern zugleich auch den Feind in dieß Land zu rufen, und es zum Schauplatz eines verwüstenden Kampfes zu machen. Die Sorge des Landesvaters siegte endlich über die Bedenklichkeiten des Staatsmanns, und Tilly erhielt Befehl, was auch daraus erfolgen möchte, Bayerns Grenzen mit seiner ganzen Macht zu vertheidigen.

Mit triumphirender Freude empfing die Reichsstadt Nürnberg den Beschützer protestantischer Religion und Deutscher Freyheit, und der schwärmerische Enthusiasmus der Bürger ergoß sich bey seinem Anblick in rührende Aeußerungen des Jubels und der Bewunderung. Gustav selbst konnte sein Erstaunen nicht unterdrücken, sich hier in dieser Stadt, im Mittelpunkte Deutschlands zu sehen, bis wohin er nie gehofft hatte seine Fahnen auszubreiten. Der edle schöne Anstand seiner Person vollendete den Eindruck seiner glorreichen Thaten, und die Herablassung, womit er die Begrüßungen dieser Reichsstadt erwiederte, hatte ihm in wenig Augenblicken alle Herzen erobert. In Person bestätigte er jetzt das Bündniß, das er noch an den Ufern des Belts mit derselben errichtet hatte, und verband alle Bürger zu einem glühenden Thateneifer und brüderlicher Eintracht gegen den gemeinschaftlichen Feind. Nach einem kurzen Aufenthalt in Nürnbergs Mauern folgte er seiner Armee gegen die Donau, und stand vor der Grenzfestung Donauwerth, ehe man einen Feind da vermuthete. Eine zahlreiche Bayrische Besatzung vertheidigte diesen Platz, und der Anführer derselben, Rudolph Maximilian [268] Herzog von Sachsen-Lauenburg, zeigte anfangs die muthigste Entschlossenheit, sich bis zur Ankunft des Tilly zu halten. Bald aber zwang ihn der Ernst, mit welchem Gustav Adolph die Belagerung anfing, auf einen schnellen und sichern Abzug zu denken, den er auch unter dem heftigsten Feuer des Schwedischen Geschützes glücklich ins Werk richtete.

Die Einnahme Donauwerths öffnete dem König das jenseitige Ufer der Donau, und nur der kleine Lechstrom trennte ihn noch von Bayern. Diese nahe Gefahr seiner Länder weckte die ganze Thätigkeit Maximilians, und so leicht er es bis jetzt dem Feind gemacht hatte, bis an die Schwelle seiner Staaten zu dringen, so entschlossen zeigte er sich nun, ihm den letzten Schritt zu erschweren. Jenseits des Lechs, bey der kleinen Stadt Rain, bezog Tilly ein wohlbefestigtes Lager, welches, von drey Flüssen umgeben, jedem Angriffe Trotz bot. Alle Brücken über den Lech hatte man abgeworfen, die ganze Länge des Stroms bis Augsburg durch starke Besatzungen vertheidigt, und sich diese Reichsstadt selbst, welche längst schon ihre Ungeduld blicken ließ, dem Beyspiel Nürnbergs und Frankfurts zu folgen, durch Einführung einer Bayrischen Garnison und Entwaffnung der Bürger versichert. Der Churfürst selbst schloß sich mit allen Truppen, die er hatte aufbringen können, in das Tillysche Lager ein, gleich als ob an diesem einzigen Posten alle seine Hoffnungen hafteten, und das Glück der Schweden an dieser äußersten Grenzmauer scheitern sollte.

Bald erschien Gustav Adolph am Ufer, den Bayrischen Verschanzungen gegenüber, nachdem er sich das ganze Augsburgische Gebiet diesseits des Lechs unterworfen, und seinen Truppen eine reiche Zufuhr aus diesem Landstrich geöffnet hatte. Es war im Märzmonat, wo dieser Strom von häufigen Regengüssen und von dem Schnee der Tyrolischen Gebirge zu einer ungewöhnlichen Höhe schwillt, und zwischen steilen Ufern mit reißender [269] Schnelligkeit flutet. Ein gewisses Grab öffnete sich dem waghälsigen Stürmer in seinen Wellen, und am entgegenstehenden Ufer zeigten ihm die feindlichen Kanonen ihre mördrischen Schlünde. Ertrotzte er dennoch mitten durch die Wuth des Wassers und des Feuers den fast unmöglichen Uebergang, so erwartet die ermatteten Truppen ein frischer und muthiger Feind in einem unüberwindlichen Lager, und nach Erholung schmachtend, finden sie – eine Schlacht. Mit erschöpfter Kraft müssen sie die feindlichen Schanzen ersteigen, deren Festigkeit jedes Angriffs zu spotten scheint. Eine Niederlage, an diesem Ufer erlitten, führt sie unvermeidlich zum Untergange; denn derselbe Strom, der ihnen die Bahn zum Siege erschwert, versperrt ihnen alle Wege zur Flucht, wenn das Glück sie verlassen sollte.

Der Schwedische Kriegsrath, den der Monarch jetzt versammelte, machte das ganze Gewicht dieser Gründe gelten, um die Ausführung eines so gefahrvollen Unternehmens zu hindern. Auch die Tapfersten zagten, und eine ehrwürdige Schaar im Dienste grau gewordener Krieger erröthete nicht, ihre Besorgnisse zu gestehn. Aber der Entschluß des Königs war gefaßt. „Wie?“ sagte er zu Gustav Horn, der das Wort für die übrigen führte: „über die Ostsee, über so viele große Ströme Deutschlands hätten wir gesetzt, und vor einem Bache, vor diesem Lech hier, sollten wir ein Unternehmen aufgeben?“ Er hatte bereits bey Besichtigung der Gegend, die er mit mancher Lebensgefahr anstellte, die Entdeckung gemacht, daß das diesseitige Ufer über das jenseitige merklich hervorrage, und die Wirkung des Schwedischen Geschützes, vorzugsweise vor dem des Feindes, begünstige. Mit schneller Besonnenheit wußte er diesen Umstand zu nützen. Unverzüglich ließ er an der Stelle, wo sich das linke Ufer des Lechs gegen das rechte zu krümmte, drey Batterien aufwerfen, von welchen zwey und siebenzig Feldstücke ein kreuzweises Feuer gegen den Feind [270] unterhielten. Während daß diese wüthende Kanonade die Bayern von dem jenseitigen Ufer entfernte, ließ er in größter Eilfertigkeit über den Lech eine Brücke schlagen; ein dicker Dampf, aus angezündetem Holz und nassem Stroh in einem fort unterhalten, entzog das aufsteigende Werk lange Zeit den Augen der Feinde, indem zugleich der fast ununterbrochene Donner des Geschützes das Getöse der Zimmeräxte unhörbar machte. Er selbst ermunterte durch sein eigenes Beyspiel den Eifer der Truppen, und brannte mit eigner Hand über sechzig Kanonen ab. Mit gleicher Lebhaftigkeit wurde diese Kanonade zwey Stunden lang von den Bayern, wiewohl mit ungleichem Vortheil, erwiedert, da die hervorragenden Batterien der Schweden das jenseitige niedre Ufer beherrschten, und die Höhe des ihrigen ihnen gegen das feindliche Geschütz zur Brustwehre diente. Umsonst strebten die Bayern, die feindlichen Werke vom Ufer aus zu zerstören; das überlegene Geschütz der Schweden verscheuchte sie, und sie mußten die Brücke, fast unter ihren Augen, vollendet sehen. Tilly that an diesem schrecklichen Tage das äußerste, den Muth der Seinigen zu entflammen, und keine noch so drohende Gefahr konnte ihn von dem Ufer abhalten. Endlich fand ihn der Tod, den er suchte. Eine Falconetkugel zerschmetterte ihm das Bein, und bald nach ihm ward auch Altringer, sein gleich tapfrer Streitgenosse, am Kopfe gefährlich verwundet. Von der begeisternden Gegenwart dieser beyden Führer verlassen, wankten endlich die Bayern, und wider seine Neigung wurde selbst Maximilian zu einem kleinmüthigen Entschluß fortgerissen. Von den Vorstellungen des sterbenden Tilly besiegt, dessen gewohnte Festigkeit der annähernde Tod überwältigt hatte, gab er voreilig seinen unüberwindlichen Posten verloren, und eine von den Schweden entdeckte Furt, durch welche die Reiterey im Begriff war den Uebergang zu wagen, beschleunigte seinen [271] muthlosen Abzug. Noch in derselben Nacht brach er, ehe noch ein feindlicher Soldat über den Lechstrom gesetzt hatte, sein Lager ab, und ohne dem Könige Zeit zu lassen, ihn auf seinem Marsch zu beunruhigen, hatte er sich in bester Ordnung nach Neuburg und Ingolstadt gezogen. Mit Befremdung sahe Gustav Adolph, der am folgenden Tage den Uebergang vollführte, das feindliche Lager leer, und die Flucht des Churfürsten erregte seine Verwunderung noch mehr, als er die Festigkeit des verlassenen Lagers entdeckte. „Wär’ ich der Bayer gewesen,“ rief er erstaunt aus, „nimmermehr – und hätte mir auch eine Stückkugel Bart und Kinn weggenommen – nimmermehr würde ich einen Posten, wie dieser da, verlassen und dem Feind meine Staaten geöffnet haben.“

Jetzt also lag Bayern dem Sieger offen, und die Kriegesflut, die bis jetzt nur an den Grenzen dieses Landes gestürmt hatte, wälzte sich zum erstenmal über seine lange verschonten gesegneten Fluren. Bevor sich aber der König an Eroberung dieses feindlich gesinnten Landes wagte, entriß er erst die Reichsstadt Augsburg dem Bayrischen Joche, nahm ihre Bürger in Pflichten, und versicherte sich ihrer Treue durch eine zurückgelaßne Besatzung. Darauf rückte er in beschleunigten Märschen gegen Ingolstadt an, um durch Einnahme dieser wichtigen Festung, welche der Churfürst mit einem großen Theile seines Heeres deckte, seine Eroberungen in Bayern zu sichern, und festen Fuß an der Donau zu fassen.

Bald nach seiner Ankunft vor Ingolstadt, beschloß der verwundete Tilly in den Mauern dieser Stadt seine Laufbahn, an welcher das untreue Glück alle seine Launen erschöpft hatte. Von der überlegenen Feldherrngröße Gustav Adolphs zermalmt, sah er am Abend seiner Tage alle Lorbeern seiner frühern Siege dahin welken, und befriedigte durch eine Kette von Widerwärtigkeiten die Gerechtigkeit des Schicksals und Magdeburgs zürnende Manen. In ihm verlor die [272] Armee des Kaisers und der Ligue einen unersetzlichen Führer, die katholische Religion den eifrigsten ihrer Vertheidiger, und Maximilian von Bayern den treusten seiner Diener, der seine Treue durch den Tod versiegelte, und die Pflichten des Feldherrn auch noch sterbend erfüllte. Sein letztes Vermächtniß an den Churfürsten war die Ermahnung, die Stadt Regensburg zu besetzen, um Herr der Donau und mit Böhmen in Verbindung zu bleiben.

Mit der Zuversicht, welche die Frucht so vieler Siege zu seyn pflegt, unternahm Gustav Adolph die Belagerung der Stadt, und hoffte durch das Ungestüm der ersten Attaken ihren Widerstand zu besiegen. Aber die Festigkeit ihrer Werke und die Tapferkeit der Besatzung setzten ihm Hindernisse entgegen, die er seit der Breitenfelder Schlacht nicht zu bekämpfen gehabt hatte, und wenig fehlte, daß die Wälle von Ingolstadt nicht das Ziel seiner Thaten wurden. Beym Recognosciren der Festung streckte ein Vierundzwanzigpfünder sein Pferd unter ihm in den Staub, daß er zu Boden stürzte, und kurz darauf ward sein Liebling, der junge Markgraf von Baden, durch eine Stückkugel von seiner Seite weggerissen. Mit schneller Fassung erhob sich der König wieder, und beruhigte sein erschrockenes Volk, indem er sogleich auf einem andern Pferde seinen Weg fortsetzte. Verloren war dieser warnende Wink seines Genius, und unentrinnbar sollte ihn bey Lützen der Tod ereilen, dessen Schreckbild ihm an Ingolstadts Wällen entgegen trat.

Die Besitznehmung der Bayern von Regensburg, welche Reichsstadt der Churfürst, dem Rath des Tilly gemäß, durch List überraschte, und durch eine starke Besatzung in seinen Fesseln hielt, änderte schnell den Kriegsplan des Königs. Er selbst hatte sich mit der Hoffnung geschmeichelt, diese protestantisch gesinnte Reichsstadt in seine Gewalt zu bekommen, und an ihr eine nicht minder ergebene Bundsgenossin als an Nürnberg, Augsburg und Frankfurt [273] zu finden. Die Unterjochung derselben durch die Bayern entfernte auf lange Zeit die Erfüllung seines vornehmsten Wunsches, sich der Donau zu bemächtigen, und seinem Gegner alle Hülfe von Böhmen aus abzuschneiden. Schnell verließ er Ingolstadt, an dessen Wällen er Zeit und Volk fruchtlos verschwendete, und drang in das Innerste von Bayern, um den Churfürsten zur Beschützung seiner Staaten herbey zu locken, und so die Ufer der Donau von ihren Vertheidigern zu entblößen.

Das ganze Land bis München lag dem Eroberer offen. Mosburg, Landshut, das ganze Stift Freysingen unterwarfen sich ihm; nichts konnte seinen Waffen widerstehn. Fand er aber gleich keine ordentliche Kriegsmacht auf seinem Wege, so hatte er in der Brust jedes Bayern einen desto unversöhnlichern Feind, den Religionsfanatismus, zu bekämpfen. Soldaten, die nicht an den Papst glaubten, waren auf diesem Boden eine neue, eine unerhörte Erscheinung; der blinde Eifer der Pfaffen hatte sie dem Landmann als Ungeheuer, als Kinder der Hölle, und ihren Anführer als den Antichrist abgeschildert. Kein Wunder, wenn man sich von allen Pflichten der Natur und der Menschlichkeit gegen diese Satansbrut lossprach, und zu den schrecklichsten Gewaltthaten sich berechtigt glaubte. Wehe dem Schwedischen Soldaten, der einem Haufen dieser Wilden einzeln in die Hände fiel! Alle Martern, welche die erfinderische Wuth nur erdenken mag, wurden an diesen unglücklichen Schlachtopfern ausgeübt, und der Anblick ihrer verstümmelten Körper entflammte die Armee zu einer schrecklichen Wiedervergeltung. Nur Gustav Adolph befleckte durch keine Handlung der Rache seinen Heldencharakter, und das schlechte Vertrauen der Bayern zu seinem Christenthum, weit entfernt ihn von den Vorschriften der Menschlichkeit gegen dieses unglückliche Volk zu entbinden, machte ihm vielmehr zu der heiligsten [274] Pflicht, durch eine desto strengere Mäßigung seinen Glauben zu ehren.

Die Annäherung des Königs verbreitete Schrecken und Furcht in der Hauptstadt, die, von Vertheidigern entblößt und von den vornehmsten Einwohnern verlassen, bey der Großmuth des Siegers allein ihre Rettung suchte. Durch eine unbedingte freywillige Unterwerfung hoffte sie seinen Zorn zu besänftigen, und schickte schon bis Freysingen Deputirte voraus, ihm ihre Thorschlüssel zu Füßen zu legen. Wie sehr auch der König durch die Unmenschlichkeit der Bayern und durch die feindselige Gesinnung ihres Herrn zu einem grausamen Gebrauch seiner Eroberungsrechte gereitzt, wie dringend er, selbst von Deutschen, bestürmt wurde, Magdeburgs Schicksal an der Residenz ihres Zerstörers zu ahnden, so verachtete doch sein großes Herz diese niedrige Rache, und die Wehrlosigkeit des Feindes entwaffnete seinen Grimm. Zufrieden mit dem edlern Triumph, den Pfalzgrafen Friedrich mit siegreichem Pomp in die Residenz desselben Fürsten zu führen, der das vornehmste Werkzeug seines Falls, und der Räuber seiner Staaten war, erhöhte er die Pracht seines Einzugs durch den schöneren Glanz der Mäßigung und der Milde.

Der König fand in München nur einen verlassenen Pallast, denn die Schätze des Churfürsten hatte man nach Werfen geflüchtet. Die Pracht des churfürstlichen Schlosses setzte ihn in Erstaunen, und er fragte den Aufseher, der ihm die Zimmer zeigte, nach dem Namen des Baumeisters. „Es ist kein andrer,“ versetzte dieser, „als der Churfürst selbst.“ – „Ich möchte ihn haben, diesen Baumeister,“ erwiederte der König, „um ihn nach Stockholm zu schicken.“ – „Dafür,“ antwortete jener, „wird sich der Baumeister zu hüten wissen.“ – Als man das Zeughaus durchsuchte, fanden sich bloße Laveten, zu denen die Kanonen fehlten. Die letztern hatte man so künstlich unter dem Fußboden eingescharrt, daß [275] sich keine Spur davon zeigte, und ohne die Verrätherey eines Arbeiters, hätte man den Betrug nie erfahren. „Stehet auf von den Todten, rief der König, und kommet zum Gericht.“ – Der Boden ward aufgerissen, und man entdeckte gegen hundert und vierzig Stücke, manche von außerordentlicher Größe, welche größtentheils aus der Pfalz und aus Böhmen erbeutet waren. Ein Schatz von dreyßigtausend Dukaten in Golde, der in einem der größern versteckt war, machte das Vergnügen vollkommen, womit dieser kostbare Fund den König überraschte.

Aber eine weit willkommnere Erscheinung würde die Bayrische Armee selbst ihm gewesen seyn, welche aus ihren Verschanzungen hervorzulocken, er ins Herz von Bayern gedrungen war. In dieser Erwartung sah sich der König betrogen. Kein Feind erschien, keine noch so dringende Aufforderung seiner Unterthanen konnte den Churfürsten vermögen, den letzten Ueberrest seiner Macht in einer Feldschlacht aufs Spiel zu setzen. In Regensburg eingeschlossen, harrte er auf die Hülfe, welche ihm der Herzog von Friedland von Böhmen aus zuführen sollte, und versuchte einstweilen, bis der erwartete Beystand erschien, durch Erneurung der Neutralitätsunterhandlungen seinen Feind außer Thätigkeit zu setzen. Aber das zu oft gereitzte Mißtrauen des Monarchen vereitelte diesen Zweck, und die vorsetzliche Zögerung Wallensteins ließ Bayern unterdessen den Schweden zum Raub werden.

So weit war Gustav Adolph von Sieg zu Sieg, von Eroberung zu Eroberung fortgeschritten, ohne auf seinem Weg einen Feind zu finden, der ihm gewachsen gewesen wäre. Ein Theil von Bayern und Schwaben, Frankens Bisthümer, die untere Pfalz, das Erzstift Mainz lagen bezwungen hinter ihm; bis an die Schwelle der Oesterreichischen Monarchie hatte ein nie unterbrochenes Glück ihn begleitet, und ein glänzender Erfolg den Operationsplan gerechtfertigt, den er sich nach dem Breitenfelder Sieg vorgezeichnet [276] hatte. Wenn es ihm gleich nicht, wie er wünschte, gelungen war, die gehoffte Vereinigung unter den protestantischen Reichsständen durchzusetzen, so hatte er doch die Glieder der katholischen Ligue entwaffnet oder geschwächt, den Krieg größtentheils auf ihre Kosten bestritten, die Hülfsquellen des Kaisers vermindert, den Muth der schwächern Stände gestärkt, und durch die gebrandschatzten Länder der kaiserlichen Alliirten einen Weg nach den Oesterreichischen Staaten gefunden. Wo er durch die Gewalt der Waffen keinen Gehorsam erpressen konnte, da leistete ihm die Freundschaft der Reichsstädte, die er durch die vereinigten Bande der Politik und Religion an sich zu fesseln gewußt hatte, die wichtigsten Dienste, und er konnte, so lange er die Ueberlegenheit im Felde behielt, alles von ihrem Eifer erwarten. Durch seine Eroberungen am Rhein waren die Spanier von der Unterpfalz abgeschnitten, wenn ihnen der Niederländische Krieg auch noch Kräfte ließ, Theil an dem Deutschen zu nehmen; auch der Herzog von Lothringen hatte nach seinem verunglückten Feldzuge die Neutralität vorgezogen. Noch so viele längs seines Zuges durch Deutschland zurückgelaßne Besatzungen, hatten sein Heer nicht vermindert, und noch eben so frisch, als es diesen Zug angetreten hatte, stand es jetzt mitten in Bayern, entschlossen und gerüstet, den Krieg in das Innerste von Oesterreich zu wälzen.

Während daß Gustav Adolph den Krieg im Reiche mit solcher Ueberlegenheit führte, hatte das Glück seinen Bundsgenossen, den Churfürsten von Sachsen, auf einem andern Schauplatz nicht weniger begünstigt. Man erinnert sich, daß bey der Berathschlagung, welche nach der Leipziger Schlacht zwischen beyden Fürsten zu Halle angestellt worden, die Eroberung Böhmens dem Churfürsten von Sachsen zum Antheil fiel, indem der König für sich selbst den Weg nach den Ligistischen Ländern erwählte. Die erste Frucht, welche der Churfürst von dem Siege bey Breitenfeld ärntete, war die Wiedereroberung von Leipzig, worauf in [277] kurzer Zeit die Befreyung des ganzen Kreises von den kaiserlichen Besatzungen folgte. Durch die Mannschaft verstärkt, welche von der feindlichen Garnison zu ihm übertrat, richtete der Sächsische General von Arnheim seinen Marsch nach der Lausitz, welche Provinz ein kaiserlicher General, Rudolph von Tiefenbach, mit einer Armee überschwemmt hatte, den Churfürsten von Sachsen wegen seines Uebertritts zu der Partey des Feindes zu züchtigen. Schon hatte er in dieser schlechtvertheidigten Provinz die gewöhnlichen Verwüstungen angefangen, mehrere Städte erobert, und Dresden selbst durch seine drohende Annäherung erschreckt. Aber diese reißenden Fortschritte hemmte plötzlich ein ausdrücklicher wiederholter Befehl des Kaisers, alle Sächsischen Besitzungen mit Krieg zu verschonen.

Zu spät erkannte Ferdinand die fehlerhafte Politik, die ihn verleitet hatte, den Churfürsten von Sachsen aufs äußerste zu bringen, und dem König von Schweden diesen wichtigen Bundsgenossen gleichsam mit Gewalt zuzuführen. Was er durch einen unzeitigen Trotz verdarb, wollte er jetzt durch eine eben so übel angebrachte Mäßigung wieder gut machen, und er beging einen zweyten Fehler, indem er den ersten verbessern wollte. Seinem Feind einen so mächtigen Alliirten zu rauben, erneuerte er durch Vermittelung der Spanier die Unterhandlungen mit dem Churfürsten, und, den Fortgang derselben zu erleichtern, mußte Tiefenbach sogleich alle Sächsischen Länder verlassen. Aber diese Demüthigung des Kaisers, weit entfernt die gehoffte Wirkung hervorzubringen, entdeckte dem Churfürsten nur die Verlegenheit seines Feindes und seine eigene Wichtigkeit, und ermunterte ihn vielmehr, die errungenen Vortheile desto lebhafter zu verfolgen. Wie konnte er auch, ohne sich durch den schändlichsten Undank verächtlich zu machen, einem Alliirten entsagen, dem er die heiligsten Versicherungen seiner [278] Treue gegeben, dem er für die Rettung seiner Staaten, ja selbst seines Churhuts verpflichtet war?

Die Sächsische Armee, des Zugs nach der Lausitz überhoben, nahm also ihren Weg nach Böhmen, wo ein Zusammenfluß günstiger Ereignisse ihr im voraus den Sieg zu versichern schien. Noch immer glimmte in diesem Königreiche, dem ersten Schauplatz dieses verderblichen Kriegs, das Feuer der Zwietracht unter der Asche, und durch den fortgesetzten Druck der Tyranney wurde dem Unwillen der Nation mit jedem Tag neue Nahrung gegeben. Wohin man die Augen richtete, zeigte dieses unglückliche Land Spuren der traurigsten Veränderung. Ganze Ländereyen hatten ihre Besitzer gewechselt, und seufzten unter dem verhaßten Joche katholischer Herren, welche die Gunst des Kaisers und der Jesuiten mit dem Raube der vertriebenen Protestanten bekleidet hatte. Andre hatten das öffentliche Elend benutzt, die eingezogenen Güter der Verwiesenen um geringe Preise an sich zu kaufen. Das Blut der vornehmsten Freyheitsverfechter war auf Henkerbühnen versprützt worden, und welche durch eine zeitige Flucht dem Verderben entrannen, irrten ferne von ihrer Heimat im Elend umher, während daß die geschmeidigen Sklaven des Despotismus ihr Erbe verschwelgten. Unerträglicher als der Druck dieser kleinen Tyrannen, war der Gewissenszwang, welcher die ganze protestantische Partey dieses Königreichs ohne Unterschied belastete. Keine Gefahr von außen, keine noch so ernstliche Widersetzung der Nation, keine noch so abschreckende Erfahrung hatte dem Bekehrungseifer der Jesuiten ein Ziel setzen können: wo der Weg der Güte nichts fruchtete, bediente man sich soldatischer Hülfe, die Verirrten in den Schafstall der Kirche zurück zu ängstigen. Am härtesten traf dieses Schicksal die Bewohner des Joachimsthals, im Grenzgebirge zwischen Böhmen und Meißen. Zwey kaiserliche Kommissarien, durch eben so viel Jesuiten und funfzehn Musketier unterstützt, zeigten [279] sich in diesem friedlichen Thale, das Evangelium den Ketzern zu predigen. Wo die Beredsamkeit der Erstern nicht zulangte, suchte man durch gewaltsame Einquartierung der Letztern in die Häuser, durch angedrohte Verbannung, durch Geldstrafen seinen Zweck durchzusetzen. Aber für dießmal siegte die gute Sache, und der herzhafte Widerstand dieses kleinen Volks nöthigte den Kaiser, sein Bekehrungsmandat schimpflich zurückzunehmen. Das Beyspiel des Hofes diente den Katholiken des Königreichs zur Richtschnur ihres Betragens, und rechtfertigte alle Arten der Unterdrückung, welche ihr Uebermuth gegen die Protestanten auszuüben versucht war. Kein Wunder wenn diese schwer verfolgte Partey einer Veränderung günstig wurde, und ihrem Befreyer, der sich jetzt an der Grenze zeigte, mit Sehnsucht entgegen sah.

Schon war die Sächsische Armee im Anzuge gegen Prag. Aus allen Plätzen, vor denen sie erschien, waren die kaiserlichen Besatzungen gewichen. Schlöckenau, Tetschen, Außig, Leutmeritz fielen schnell nach einander in Feindes Hand, jeder katholische Ort wurde der Plünderung Preis gegeben. Schrecken ergriff alle Papisten des Königreichs, und eingedenk der Mißhandlung, welche sie an den Evangelischen ausgeübt hatten, wagten sie es nicht, die rächende Ankunft eines protestantischen Heers zu erwarten. Alles, was katholisch war, und etwas zu verlieren hatte, eilte vom Lande nach der Hauptstadt, um auch die Hauptstadt eben so schnell wieder zu verlassen. Auch Prag war auf keinen Angriff bereitet, und an Mannschaft zu arm, um eine lange Belagerung aushalten zu können. Zu spät hatte man sich am Hofe des Kaisers entschlossen, den Feldmarschall Tiefenbach zu Vertheidigung dieser Hauptstadt herbey zu rufen. Ehe der kaiserliche Befehl die Standquartiere dieses Generals in Schlesien erreichte, waren die Sachsen nicht ferne mehr von Prag, die halb protestantische Bürgerschaft versprach [280] wenig Eifer, und die schwache Garnison ließ keinen langen Widerstand hoffen. In dieser schrecklichen Bedrängniß erwarteten die katholischen Einwohner ihre Rettung von Wallenstein, der in den Mauern dieser Stadt als Privatmann lebte. Aber weit entfernt, seine Kriegserfahrenheit und das Gewicht seines Ansehens zu Erhaltung der Stadt anzuwenden, ergriff er vielmehr den willkommenen Augenblick, seine Rache zu befriedigen. Wenn Er es auch nicht war, der die Sachsen nach Prag lockte, so war es doch gewiß sein Betragen, was ihnen die Einnahme dieser Stadt erleichterte. Wie wenig sie auch zu einem langen Widerstande geschickt war, so fehlte es ihr dennoch nicht an Mitteln, sich bis zur Ankunft eines Entsatzes zu behaupten; und ein kaiserlicher Oberster, Graf von Maradas, bezeigte wirklich Lust, ihre Vertheidigung zu übernehmen. Aber ohne Kommando, und durch nichts als seinen Eifer und seine Tapferkeit zu diesem Wagestück aufgefodert, unterstand er sich nicht, es auf eigne Gefahr ohne die Beystimmung eines Höhern ins Werk zu setzen. Er suchte also Rath bey dem Herzog von Friedland, dessen Billigung den Mangel einer kaiserlichen Vollmacht ersetzte, und an den die Böhmische Generalität durch einen ausdrücklichen Befehl vom Hof in dieser Extremität angewiesen war. Aber arglistig hüllte sich dieser in seine Dienstlosigkeit und seine gänzliche Zurückziehung von der politischen Bühne, und schlug die Entschlossenheit des Subalternen durch die Bedenklichkeiten darnieder, die er, als der Mächtige, blicken ließ. Die Muthlosigkeit allgemein und vollkommen zu machen, verließ er endlich gar mit seinem ganzen Hofe die Stadt, so wenig er auch bey Einnahme derselben von dem Feinde zu fürchten hatte; und sie ging eben dadurch verloren, daß er sie durch seinen Abzug verloren gab. Seinem Beyspiele folgte der ganze katholische Adel, die Generalität mit den Truppen, die Geistlichkeit, alle Beamten der Krone; die ganze Nacht brachte man damit [281] zu, seine Personen, seine Güter zu flüchten. Alle Straßen bis Wien waren mit Fliehenden angefüllt, die sich nicht eher als in der Kaiserstadt von ihrem Schrecken erholten. Maradas selbst, an Prags Errettung verzweifelnd, folgte den übrigen, und führte seine kleine Mannschaft bis Tabor, wo er den Ausgang erwarten wollte.

Tiefe Stille herrschte in Prag, als die Sachsen am andern Morgen davor erschienen; keine Anstalt zur Vertheidigung; nicht ein einziger Schuß von den Wällen, der eine Gegenwehr der Bewohner verkündigte. Vielmehr sammelte sich eine Menge von Zuschauern um sie her, welche die Neugier aus der Stadt gelockt hatte, das feindliche Heer zu betrachten; und die friedliche Vertraulichkeit, womit sie sich näherten, glich vielmehr einer freundschaftlichen Begrüßung, als einem feindlichen Empfange. Aus dem übereinstimmenden Bericht dieser Leute erfuhr man, daß die Stadt leer an Soldaten und die Regierung nach Budweiß geflüchtet sey. Dieser unerwartete, unerklärbare Mangel an Widerstand erregte Arnheims Mißtrauen um so mehr, da ihm die eilfertige Annäherung des Entsatzes aus Schlesien kein Geheimniß, und die Sächsische Armee mit Belagerungswerkzeugen zu wenig versehen, auch an Anzahl bey weitem zu schwach war, um eine so große Stadt zu bestürmen. Vor einem Hinterhalt bange, verdoppelte er seine Wachsamkeit; und er schwebte in dieser Furcht, bis ihm der Haushofmeister des Herzogs von Friedland, den er unter dem Haufen entdeckte, diese unglaubliche Nachricht bekräftigte. „Die Stadt ist ohne Schwertstreich unser,“ rief er jezt voll Verwunderung seinen Obersten zu, und ließ sie unverzüglich durch einen Trompeter auffordern.

Die Bürgerschaft von Prag, von ihren Vertheidigern schimpflich im Stich gelassen, hatte ihren Entschluß längst gefaßt, und es kam bloß darauf an, Freyheit und Eigenthum durch eine vortheilhafte [282] Kapitulation in Sicherheit zu setzen. Sobald diese von dem Sächsischen General im Namen seines Herrn unterzeichnet war, öffnete man ihm ohne Widersetzung die Thore, und die Armee hielt am eilften November des Jahrs 1631 ihren triumphirenden Einzug. Bald folgte der Churfürst selbst nach, um die Huldigung seiner neuen Schutzbefohlenen in Person zu empfangen; denn nur unter diesem Namen hatten sich ihm die drey Prager Städte ergeben; ihre Verbindung mit der Oesterreichischen Monarchie sollte durch diesen Schritt nicht zerrissen seyn. So übertrieben groß die Furcht der Papisten vor den Repressalien der Sachsen gewesen war, so angenehm überraschte sie die Mäßigung des Churfürsten und die gute Mannszucht der Truppen. Besonders legte der Feldmarschall von Arnheim seine Ergebenheit gegen den Herzog von Friedland bey dieser Gelegenheit an den Tag. Nicht zufrieden, alle Ländereyen desselben auf seinem Hermarsch verschont zu haben, stellte er jetzt noch Wachen an seinen Pallast, damit ja nichts daraus entwendet würde. Die Katholiken der Stadt erfreuten sich der vollkommensten Gewissensfreyheit, und von allen Kirchen, welche sie den Protestanten entrissen hatten, wurden diesen nur vier zurückgegeben. Die Jesuiten allein, welchen die allgemeine Stimme alle bisherigen Bedrückungen Schuld gab, waren von dieser Duldung ausgeschlossen und mußten das Königreich meiden.

Johann Georg verläugnete selbst als Sieger die subalterne Demuth und Unterwürfigkeit nicht, die ihm der kaiserliche Name einflößte, und was sich ein kaiserlicher General, wie Tilly und Wallenstein, zu Dresden gegen ihn unfehlbar würde herausgenommen haben, erlaubte Er sich zu Prag nicht gegen den Kaiser. Sorgfältig unterschied er den Feind, mit dem er Krieg führte, von dem Reichsoberhaupt, dem er Ehrfurcht schuldig war. Er unterstand sich nicht das Hausgeräthe des Letztern zu berühren, indem er sich ohne Bedenken die Kanonen des Erstern [283] als gute Beute zueignete und nach Dresden bringen ließ. Nicht im kaiserlichen Pallast, sondern im Lichtensteinischen Hause nahm er seine Wohnung, zu bescheiden, die Zimmer desjenigen zu beziehen, dem er ein Königreich entriß. Würde uns dieser Zug von einem großen Mann und einem Helden berichtet, er würde uns mit Recht zur Bewunderung hinreißen. Der Charakter des Fürsten, bey dem er gefunden wird, berechtigt uns zu dem Zweifel, ob wir in dieser Enthaltung mehr den schönen Sieg der Bescheidenheit ehren, oder die kleinliche Gesinnung des schwachen Geistes bemitleiden sollen, den das Glück selbst nie kühn macht, und die Freyheit selbst nie der gewohnten Fesseln entledigt.

Die Einnahme von Prag, auf welche in kurzer Zeit die Unterwerfung der mehresten Städte folgte, bewirkte eine schnelle und große Veränderung in dem Königreiche. Viele von dem protestantischen Adel, welche bisher im Elend herumgeirrt waren, fanden sich wieder in ihrem Vaterlande ein, und der Graf von Thurn, der berüchtigte Urheber des Böhmischen Aufruhrs, erlebte die Herrlichkeit, auf dem ehemaligen Schauplatze seines Verbrechens und seiner Verurtheilung sich als Sieger zu zeigen. Ueber dieselbe Brücke, wo ihm die aufgespießten Köpfe seiner Anhänger das ihn selbst erwartende Schicksal furchtbar vor Augen mahlten, hielt er jetzt seinen triumphirenden Einzug, und sein erstes Geschäft war, diese Schreckbilder zu entfernen. Die Verwiesenen setzten sich sogleich in Besitz ihrer Güter, deren jetzige Eigenthümer die Flucht ergriffen hatten. Unbekümmert, wer diesen die aufgewandten Summen erstatten würde, rissen sie alles, was ihre gewesen war, an sich, auch wenn sie selbst den Kaufpreis dafür gezogen hatten, und mancher unter ihnen fand Ursache, die gute Wirthschaft der bisherigen Verwalter zu rühmen. Felder und Herden hatten unterdessen in der zweyten Hand vortrefflich gewuchert. Mit dem kostbarsten Hausrath waren die Zimmer geschmückt, die Keller, [284] welche sie leer verlassen hatten, reichlich gefüllt, die Ställe bevölkert, die Magazine beladen. Aber mißtrauisch gegen ein Glück, das so unverhofft auf sie hereinstürmte, eilten sie diese unsichern Besitzungen wieder loszuschlagen, und den unbeweglichen Segen in bewegliche Güter zu verwandeln.

Die Gegenwart der Sachsen belebte den Muth aller Protestantischgesinnten des Königreichs, und auf dem Lande wie in der Hauptstadt sah man ganze Schaaren zu den neueröffneten evangelischen Kirchen eilen. Viele, welche nur die Furcht im Gehorsam gegen das Papstthum erhalten hatte, wandten sich jetzt öffentlich zu der neuen Lehre, und manche der neubekehrten Katholiken schworen freudig ein erzwungnes Bekenntniß ab, um ihren frühern Ueberzeugungen zu folgen. Alle bewiesene Duldsamkeit der neuen Regierung konnte den Ausbruch des gerechten Unwillens nicht verhindern, den dieses mißhandelte Volk die Unterdrücker seiner heiligsten Freyheit empfinden ließ. Fürchterlich bediente es sich seiner wieder erlangten Rechte, und seinen Haß gegen die aufgedrungene Religion stillte an manchen Orten nur das Blut ihrer Verkündiger.

Unterdessen war der Succurs, den die kaiserlichen Generale, von Götz und von Tiefenbach, aus Schlesien herbeyführten, in Böhmen angelangt, wo einige Regimenter des Grafen Tilly aus der obern Pfalz zu ihm stießen. Ihn zu zerstreuen, ehe sich seine Macht vermehrte, rückte Arnheim mit einem Theil der Armee aus Prag ihm entgegen, und that bey Nimburg an der Elbe einen muthigen Angriff auf seine Verschanzungen. Nach einem hitzigen Gefechte, schlug er endlich – nicht ohne großen Verlust, die Feinde aus ihrem befestigten Lager, und zwang sie durch die Heftigkeit seines Feuers, den Rückweg über die Elbe zu nehmen, und die Brücke abzubrechen, die sie herüber gebracht hatte. Doch konnte er nicht verhindern, daß ihm die Kaiserlichen nicht in mehrern kleinern Gefechten Abbruch [285] thaten, und die Kroaten selbst bis an die Thore von Prag ihre Streifereyen erstreckten. Wie glänzend und vielversprechend auch die Sachsen den Böhmischen Feldzug eröffnet hatten, so rechtfertigte der Erfolg doch keineswegs Gustav Adolphs Erwartungen. Anstatt mit unaufhaltsamer Gewalt die errungenen Vortheile zu verfolgen, durch das bezwungene Böhmen sich zu der Schwedischen Armee durchzuschlagen, und in Vereinigung mit ihr den Mittelpunkt der kaiserlichen Macht anzugreifen, schwächten sie sich in einem anhaltenden kleinen Krieg mit dem Feinde, wobey der Vortheil nicht immer auf ihrer Seite war, und die Zeit für eine größre Unternehmung fruchtlos verschwendet wurde. Aber Johann Georgs nachfolgendes Betragen deckte die Triebfedern auf, welche ihn abgehalten hatten, sich seines Vortheils über den Kaiser zu bedienen, und die Entwürfe des Königs von Schweden durch eine zweckmäßige Wirksamkeit zu befördern.

Der größte Theil von Böhmen war jetzt für den Kaiser verloren, und die Sachsen von dieser Seite her gegen Oesterreich im Anzug, während daß der Schwedische Monarch durch Franken, Schwaben und Bayern nach den kaiserlichen Erbstaaten einen Weg sich bahnte. Ein langer Krieg hatte die Kräfte der Oesterreichischen Monarchie verzehrt, die Länder erschöpft, die Armeen vermindert. Dahin war der Ruhm ihrer Siege, das Vertrauen auf Unüberwindlichkeit, der Gehorsam, die gute Mannszucht der Truppen, welche dem Schwedischen Heerführer eine so entschiedne Ueberlegenheit im Felde verschaffte. Entwaffnet waren die Bundsgenossen des Kaisers, oder die auf sie selbst hereinstürmende Gefahr hatte ihre Treue erschüttert. Selbst Maximilian von Bayern, Oesterreichs mächtigste Stütze, schien den verführerischen Einladungen zur Neutralität nachzugeben; die verdächtige Allianz dieses Fürsten mit Frankreich hatte den Kaiser längst schon mit Besorgnissen erfüllt. Die Bischöfe von [286] Würzburg und Bamberg, der Churfürst von Mainz, der Herzog von Lothringen waren aus ihren Ländern vertrieben, oder doch gefährlich bedroht; Trier stand im Begriff, sich unter Französischen Schutz zu begeben. Spaniens Waffen beschäftigte die Tapferkeit der Holländer in den Niederlanden, während daß Gustav Adolph sie vom Rheinstrom zurückschlug; Pohlen fesselte noch der Stillstand mit diesem Fürsten. Die Ungarischen Grenzen bedrohte der Siebenbürgische Fürst Ragotzy, ein Nachfolger Bethlen Gabors und der Erbe seines unruhigen Geistes; die Pforte selbst machte bedenkliche Zurüstungen, den günstigen Zeitpunkt zu nutzen. Die mehresten protestantischen Reichsstände, kühn gemacht durch das Waffenglück ihres Beschützers, hatten öffentlich und thätig gegen den Kaiser Partey ergriffen. Alle Hülfsquellen, welche sich die Frechheit eines Tilly und Wallenstein durch gewaltsame Erpressungen in diesen Ländern geöffnet hatte, waren nunmehr vertrocknet, alle diese Werbeplätze, diese Magazine, diese Zufluchtsörter für den Kaiser verloren, und der Krieg konnte nicht mehr wie vormals auf fremde Kosten bestritten werden. Seine Bedrängnisse vollkommen zu machen, entzündet sich im Land ob der Ens ein gefährlicher Aufruhr; der unzeitige Bekehrungseifer der Regierung bewaffnet das protestantische Landvolk, und der Fanatismus schwingt seine Fackel, indem der Feind schon an den Pforten des Reiches stürmt. Nach einem so langen Glücke, nach einer so glänzenden Reihe von Siegen, nach so herrlichen Eroberungen, nach so viel unnütz versprütztem Blute, sieht sich der Oesterreichische Monarch zum zweytenmal an denselben Abgrund geführt, in den er beym Antritt seiner Regierung zu stürzen drohte. Ergriff Bayern die Neutralität, widerstand Chursachsen der Verführung, und entschloß sich Frankreich, die Spanische Macht zugleich in den Niederlanden, in Italien und Katalonien anzufallen, so stürzte der stolze Bau von [287] Oesterreichs Größe zusammen, die alliirten Kronen theilten sich in seinen Raub, und der Deutsche Staatskörper sah einer gänzlichen Verwandlung entgegen.

Die ganze Reihe dieser Ungücksfälle, begann mit der Breitenfelder Schlacht, deren unglücklicher Ausgang den längst schon entschiedenen Verfall der Oesterreichischen Macht, den bloß der täuschende Schimmer eines großen Namens versteckt hatte, sichtbar machte. Ging man zu den Ursachen zurück, welche den Schweden eine so furchtbare Ueberlegenheit im Felde verschafften, so fand man sie größtentheils in der unumschränkten Gewalt ihres Anführers, der alle Kräfte seiner Partey in einem einzigen Punkte vereinigte, und, durch keine höhere Autorität in seinen Unternehmungen gefesselt, vollkommener Herr jedes günstigen Augenblicks, alle Mittel zu seinem Zwecke beherrschte, und von niemand als sich selbst Gesetze empfing. Aber seit Wallensteins Abdankung und Tillys Niederlage zeigte sich auf Seiten des Kaisers und der Ligue von diesem allen gerade das Widerspiel. Den Generalen gebrach es an Ansehen bey den Truppen und an der so nöthigen Freyheit zu handeln, den Soldaten an Gehorsam und Mannszucht, den zerstreuten Korps an übereinstimmender Wirksamkeit, den Ständen an gutem Willen, den Oberhäuptern an Eintracht, an Schnelligkeit des Entschlusses, und an Festigkeit bey Vollstreckung desselben. Nicht ihre größere Macht, nur der beßre Gebrauch, den sie von ihren Kräften zu machen wußten, war es, was den Feinden des Kaisers ein so entschiedenes Uebergewicht gab. Nicht an Mitteln, nur an einem Geiste, der sie anzuwenden Fähigkeit und Vollmacht besaß, fehlte es der Ligue und dem Kaiser. Hätte Graf Tilly auch nie seinen Ruhm verloren, so ließ das Mißtrauen gegen Bayern doch nicht zu, das Schicksal der Monarchie in die Hände eines Mannes zu geben, der seine Anhänglichkeit an das Bayrische [288] Haus nie verläugnete. Ferdinands dringendstes Bedürfniß war also ein Feldherr, der gleich viel Erfahrenheit besaß, eine Armee zu bilden und anzuführen, und der seine Dienste dem Oesterreichischen Hause mit blinder Ergebenheit widmete.

Die Wahl eines solchen war es, was nunmehr den geheimen Rath des Kaisers beschäftigte, und die Mitglieder desselben unter einander entzweyte. Einen König dem andern gegenüber zu stellen, und durch die Gegenwart ihres Herrn den Muth der Truppen zu entflammen, stellte sich Ferdinand im ersten Feuer des Affekts selbst als den Führer seiner Armee dar; aber es kostete wenig Mühe, einen Entschluß umzustoßen, den nur Verzweiflung eingab, und das erste ruhige Nachdenken widerlegte. Doch was dem Kaiser seine Würde und die Last des Regentenamts verbot, erlaubten die Umstände seinem Sohne, einem Jüngling von Fähigkeit und Muth, auf den die Oesterreichischen Unterthanen mit frohen Hoffnungen blickten. Schon durch seine Geburt zur Vertheidigung einer Monarchie aufgefordert, von deren Kronen er zwey schon auf seinem Haupte trug, verband Ferdinand der Dritte, König von Böhmen und Ungarn, mit der natürlichen Würde des Thronfolgers die Achtung der Armeen und die volle Liebe der Völker, deren Beystand ihm zu Führung des Krieges so unentbehrlich war. Der geliebte Thronfolger allein durfte es wagen, dem hart beschwerten Unterthan neue Lasten aufzulegen; nur seiner persönlichen Gegenwart bey der Armee schien es aufbehalten zu seyn, die verderbliche Eifersucht der Häupter zu ersticken, und die erschlaffte Mannszucht der Truppen durch die Kraft seines Namens zu der vorigen Strenge zurückzuführen. Gebrach es auch dem Jünglinge noch an der nöthigen Reife des Urtheils, Klugheit und Kriegeserfahrung, welche nur durch Uebung erworben wird, so konnte man diesen Mangel durch eine glückliche Wahl von Rathgebern und Gehülfen [289] ersetzen, die man unter der Hülle seines Namens mit der höchsten Autorität bekleidete.

So scheinbar die Gründe waren, womit ein Theil der Minister diesen Vorschlag unterstützte, so große Schwierigkeiten setzte ihm das Mißtrauen, vielleicht auch die Eifersucht des Kaisers, und die verzweifelte Lage der Dinge entgegen. Wie gefährlich war es, das ganze Schicksal der Monarchie einem Jüngling anzuvertrauen, der fremder Führung selbst so bedürftig war! Wie gewagt, dem größten Feldherrn seines Jahrhunderts einen Anfänger entgegen zu stellen, dessen Fähigkeit zu diesem wichtigen Posten noch durch keine Unternehmung geprüft, dessen Name, von dem Ruhme noch nie genannt, viel zu kraftlos war, um der muthlosen Armee im voraus den Sieg zu verbürgen! Welche neue Last zugleich für den Unterthan, den kostbaren Staat zu bestreiten, der einem königlichen Heerführer zukam, und den der Wahn des Zeitalters mit seiner Gegenwart beym Heer unzertrennlich verknüpfte! Wie bedenklich endlich für den Prinzen selbst, seine politische Laufbahn mit einem Amte zu eröffnen, das ihn zur Geißel seines Volks und zum Unterdrücker der Länder machte, die er künftig beherrschen sollte!

Und dann war es noch nicht damit gethan, den Feldherrn für die Armee aufzusuchen; man mußte auch die Armee für den Feldherrn finden. Seit Wallensteins gewaltsamer Entfernung hatte sich der Kaiser mehr mit Ligistischer und Bayrischer Hülfe als durch eigene Armeen vertheidigt, und eben diese Abhängigkeit von zweydeutigen Freunden war es ja, der man durch Aufstellung eines eigenen Generals zu entfliehen suchte. Welche Möglichkeit aber, ohne die alles zwingende Macht des Goldes und ohne den begeisternden Namen eines siegreichen Feldherrn eine Armee aus dem Nichts hervorzurufen – und eine Armee, die es an Mannszucht, an kriegerischem Geist und an Fertigkeit mit den geübten Schaaren des Nordischen Eroberers [290] aufnehmen konnte? In ganz Europa war nur ein Einziger Mann, der solch eine That gethan, und diesem Einzigen hatte man eine tödtliche Kränkung bewiesen.

Jetzt endlich war der Zeitpunkt herbey gerückt, der dem beleidigten Stolze des Herzogs von Friedland eine Genugthuung ohne Gleichen verschaffte. Das Schicksal selbst hatte sich zu seinem Rächer aufgestellt, und eine ununterbrochene Reihe von Unglücksfällen, die seit dem Tage seiner Abdankung über Oesterreich hereinstürmte dem Kaiser selbst das Geständniß entrissen, daß mit diesem Feldherrn sein rechter Arm ihm abgehauen worden sey. Jede Niederlage seiner Truppen erneuerte diese Wunde, jeder verlorene Platz warf dem betrogenen Monarchen seine Schwäche und seinen Undank vor. Glücklich genug, hätte er in dem beleidigten General nur einen Anführer seiner Heere, nur einen Vertheidiger seiner Staaten verloren – aber er fand in ihm einen Feind, und den gefährlichsten von allen, weil er gegen den Streich des Verräthers am wenigsten vertheidigt war.

Entfernt von der Kriegesbühne, und zu einer folternden Unthätigkeit verurtheilt, während daß seine Nebenbuhler auf dem Felde des Ruhms sich Lorbeer sammelten, hatte der stolze Herzog dem Wechsel des Glücks mit verstellter Gelassenheit zugesehen, und im schimmernden Gepränge eines Theaterhelden die düstern Entwürfe seines arbeitenden Geistes verborgen. Von einer glühenden Leidenschaft aufgerieben, während daß eine fröhliche Außenseite Ruhe und Müßiggang log, brütete er still die schreckliche Geburt der Rachbegierde und Ehrsucht zur Reife, und näherte sich langsam aber sicher dem Ziele. Erloschen war alles in seiner Erinnerung, was er durch den Kaiser geworden war; nur, was Er für den Kaiser gethan hatte, stand mit glühenden Zügen in sein Gedächtniß geschrieben. Seinem unersättlichen Durst nach Größe und Macht war [291] der Undank des Kaisers willkommen, der seinen Schuldbrief zu zerreißen, und ihn jeder Pflicht gegen den Urheber seines Glücks zu entbinden schien. Entsündigt und gerechtfertigt erschienen ihm jetzt die Entwürfe seiner Ehrsucht im Gewand einer rechtmäßigen Wiedervergeltung. In eben dem Maß, als sein äußrer Wirkungskreis sich verengte, erweiterte sich die Welt seiner Hoffnungen, und seine schwärmende Einbildungskraft verlor sich in unbegrenzten Entwürfen, die in jedem andern Kopf als dem seinigen nur der Wahnsinn erzeugen kann. So hoch, der Mensch nur immer durch eigene Kraft sich zu erheben vermag, hatte sein Verdienst ihn emporgetragen; nichts von allem dem, was dem Privatmann und Bürger innerhalb seiner Pflichten erreichbar bleibt, hatte das Glück ihm verweigert. Bis auf den Augenblick seiner Entlassung hatten seine Ansprüche keinen Widerstand, sein Ehrgeitz keine Grenzen erfahren; der Schlag, der ihn auf dem Regensburger Reichstage zu Boden streckte, zeigte ihm den Unterschied zwischen ursprünglicher und übertragener Gewalt, und den Abstand des Unterthans von dem Gebieter. Aus dem bisherigen Taumel seiner Herrschergröße durch diesen überraschenden Glückswechsel aufgeschreckt, verglich er die Macht, die er besessen, mit derjenigen, durch welche sie ihm entrissen wurde, und sein Ehrgeitz bemerkte die Stufe, die auf der Leiter des Glückes noch für ihn zu ersteigen war. Erst nachdem er das Gewicht der höchsten Gewalt mit schmerzhafter Wahrheit erfahren, streckte er lüstern die Hände darnach aus; der Raub, der an ihm selbst verübt wurde, machte ihn zum Räuber. Durch keine Beleidigung gereitzt, hätte er folgsam seine Bahn um die Majestät des Thrones beschrieben, zufrieden mit dem Ruhme, der glänzendste seiner Trabanten zu seyn; erst nachdem man ihn gewaltsam aus seinem Kreise stieß, verwirrte er das System, dem er angehörte, und stürzte sich zermalmend auf seine Sonne.

[292] Gustav Adolph durchwanderte den Deutschen Norden mit siegendem Schritte; ein Platz nach dem andern gieng an ihn verloren, und bey Leipzig fiel der Kern der kaiserlichen Macht. Das Gerücht dieser Niederlagen drang bald auch zu Wallensteins Ohren, der, zu Prag in die Dunkelheit des Privatstands zurückgeschwunden, aus ruhiger Ferne den tobenden Kriegssturm betrachtete. Was die Brust aller Katholiken mit Unruhe erfüllte, verkündigte ihm Größe und Glück; nur für ihn arbeitete Gustav Adolph. Kaum hatte der Letztere angefangen, sich durch seine Kriegesthaten in Achtung zu setzen, so verlor der Herzog von Friedland keinen Augenblick, seine Freundschaft zu suchen, und mit diesem glücklichen Feinde Oesterreichs gemeine Sache zu machen. Der vertriebne Graf von Thurn, der dem Könige von Schweden schon längst seine Dienste gewidmet, übernahm es, dem Monarchen Wallensteins Glückswünsche zu überbringen, und ihn zu einem engern Bündnisse mit dem Herzog einzuladen. Funfzehntausend Mann begehrte Wallenstein von dem Könige, um mit Hülfe derselben und mit den Truppen, die er selbst zu werben sich anheischig machte, Böhmen und Mähren zu erobern, Wien zu überfallen, und den Kaiser, seinen Herrn, bis nach Italien zu verjagen. So sehr das Unerwartete dieses Antragen und das Uebertriebne der gemachten Versprechungen das Mißtrauen Gustav Adolphs erregte, so war er doch ein zu guter Kenner des Verdiensts, um einen so wichtigen Freund mit Kaltsinn zurückzuweisen. Nachdem aber Wallenstein, durch die günstige Aufnahme dieses ersten Versuchs ermuntert, nach der Breitenfelder Schlacht seinen Antrag erneuerte, und auf eine bestimmte Erklärung drang, trug der vorsichtige Monarch Bedenken, an die schimärischen Entwürfe dieses verwegenen Kopfs seinen Ruhm zu wagen, und der Redlichkeit eines Mannes, der sich ihm als Verräther ankündigte, eine so zahlreiche Mannschaft [293] anzuvertrauen. Er entschuldigte sich mit der Schwäche seiner Armee, die auf ihrem Zug in das Reich durch eine so starke Verminderung leiden würde, und verscherzte aus übergroßer Vorsicht vielleicht die Gelegenheit, den Krieg auf das schnellste zu endigen. Zu spät versuchte er in der Folge, die zerrissenen Unterhandlungen zu erneuern; der günstige Moment war vorüber, und Wallensteins beleidigter Stolz vergab ihm diese Geringschätzung nie.

Aber diese Weigerung des Königs beschleunigte wahrscheinlich nur den Bruch, den die Form dieser beyden Charaktere ganz unvermeidlich machte. Beyde geboren Gesetze zu geben, nicht sie zu empfangen, konnten nimmermehr in einer Unternehmung vereinigt bleiben, die mehr als jede andre Nachgiebigkeit und gegenseitige Opfer nochwendig macht. Wallenstein war Nichts, wo er nicht Alles war; er mußte entweder gar nicht, oder mit vollkommenster Freyheit handeln. Eben so herzlich haßte Gustav Adolph jede Abhängigkeit, und wenig fehlte, daß er selbst die so vortheilhafte Verbindung mit dem Französischen Hofe nicht zerrissen hätte, weil die Anmaßungen desselben seinem selbstthätigen Geiste Fesseln anlegten. Jener war für die Partey verloren, die er nicht lenken durfte; dieser noch weit weniger dazu gemacht, dem Gängelbande zu folgen. Waren die gebieterischen Anmaßungen dieses Bundsgenossen dem Herzog von Friedland bey ihren gemeinschaftlichen Operationen schon so lästig, so mußten sie ihm unerträglich seyn, wenn es dazu kam, sich in die Beute zu theilen. Der stolze Monarch konnte sich herablassen, den Beystand eines rebellischen Unterthans gegen den Kaiser anzunehmen, und diesen wichtigen Dienst mit königlicher Großmuth belohnen; aber nie konnte er seine eigene und aller Könige Majestät so sehr aus den Augen setzen, um den Preis zu bestätigen, den die ausschweifende Ehrsucht des Herzogs darauf zu setzen wagte; nie eine nützliche Verrätherey mit einer Krone bezahlen. Von ihm [294] also war, auch wenn ganz Europa schwieg, ein furchtbarer Widerspruch zu fürchten, sobald Wallenstein nach dem Böhmischen Scepter die Hand ausstreckte – und Er war auch in ganz Europa der Mann, der einem solchen Veto Kraft geben konnte. Durch den eignen Arm Wallensteins zum Diktator von Deutschland gemacht, konnte er gegen diesen selbst seine Waffen kehren, und sich von jeder Pflicht der Erkenntlichkeit gegen einen Verräther für losgezählt halten. Neben einem solchen Alliirten hatte also kein Wallenstein Raum; und wahrscheinlich war es dieß, nicht seine vermeintliche Absicht auf den Kaiserthron, worauf er anspielte, wenn er nach dem Tode des Königs in die Worte ausbrach: „Ein Glück für mich und ihn, daß er dahin ist! Das Deutsche Reich konnte nicht zwey solche Häupter brauchen.“

Der erste Versuch zur Rache an dem Haus Oesterreich war fehlgeschlagen; aber fest stand der Vorsatz, und nur die Wahl der Mittel erlitt eine Veränderung. Was ihm bey dem König von Schweden mißlungen war, hoffte er mit minder Schwierigkeit und mehr Vortheil bey dem Churfürsten von Sachsen zu erreichen, den er eben so gewiß war nach seinem Willen zu lenken, als er bey Gustav Adolph daran verzweifelte. In fortdauerndem Einverständniß mit Arnheim, seinem alten Freunde, arbeitete er von jetzt an an einer Verbindung mit Sachsen, wodurch er dem Kaiser und dem König von Schweden gleich fürchterlich zu werden hoffte. Er konnte sich von einem Entwurfe, der, wenn er einschlug, den Schwedischen Monarchen um seinen Einfluß in Deutschland brachte, desto leichter Eingang bey Johann Georg versprechen, je mehr die eifersüchtige Gemüthsart dieses Prinzen durch die Macht Gustav Adolphs gereitzt, und seine ohnehin schwache Neigung zu demselben durch die erhöhten Ansprüche des Königs erkältet ward. Gelang es ihm, Sachsen von dem Schwedischen Bündniß zu trennen, und in [295] Verbindung mit demselben eine Dritte Partey im Reiche zu errichten, so lag der Ausschlag des Krieges in seiner Hand, und er hatte durch diesen einzigen Schritt zugleich seine Rache an dem Kaiser befriedigt, seine verschmähte Freundschaft an dem Schwedischen König gerächt, und auf den Ruin von beyden den Bau seiner eigenen Größe gegründet.

Aber auf welchem Wege er auch seinen Zweck verfolgte, so konnte er denselben, ohne den Beystand einer ihm ganz ergebenen Armee, nicht zur Ausführung bringen. Diese Armee konnte so geheim nicht geworben werden, daß am kaiserlichen Hofe nicht Verdacht geschöpft, und der Anschlag gleich in seiner Entstehung vereitelt wurde. Diese Armee durfte ihre gesetzwidrige Bestimmung vor der Zeit nicht erfahren, indem schwerlich zu erwarten war, daß sie dem Ruf eines Verräthers gehorchen, und gegen ihren rechtmäßigen Oberherrn dienen würde. Wallenstein mußte also unter kaiserlicher Autorität und öffentlich werben, und von dem Kaiser selbst zur unumschränkten Herrschaft über die Truppen berechtigt seyn. Wie konnte dieß aber anders geschehen, als wenn ihm das entzogene Generalat aufs neue übertragen, und die Führung des Kriegs unbedingt überlassen ward? Dennoch erlaubte ihm weder sein Stolz noch sein Vortheil, sich selbst zu diesem Posten zu drängen, und als ein Bittender von der Gnade des Kaisers eine beschränkte Macht zu erflehen, die von der Furcht desselben uneingeschränkt zu ertrotzen stand. Um sich zum Herrn der Bedingungen zu machen, unter welchen das Kommando von ihm übernommen würde, mußte er abwarten, bis es ihm von seinem Herrn aufgedrungen ward – Dieß war der Rath, den ihm Arnheim ertheilte, und dieß das Ziel, wornach er mit tiefer Politik und rastloser Thätigkeit strebte.

Ueberzeugt, daß nur die äußerste Noth die Unentschlossenheit des Kaisers besiegen, und den Widerspruch Bayerns und Spaniens, seiner beyden eifrigsten Gegner, unkräftig machen könne, bewies er sich [296] von jetzt an geschäftig, die Fortschritte des Feindes zu befördern, und die Bedrängnisse seines Herrn zu vermehren. Sehr wahrscheinlich geschah es auf seine Einladung und Ermunterung, daß die Sachsen, schon auf dem Wege nach der Lausitz und Schlesien, sich nach Böhmen wandten, und dieses unvertheidigte Reich mit ihrer Macht überschwemmten; ihre schnellen Eroberungen in demselben waren nicht weniger sein Werk. Durch den Kleinmuth, den er heuchelte, erstickte er jeden Gedanken an Widerstand, und überlieferte die Hauptstadt, durch seinen voreiligen Abzug, dem Sieger. Bey einer Zusammenkunft mit dem Sächsischen General zu Kaunitz, wozu eine Friedensunterhandlung ihm den Vorwand darreichte, wurde wahrscheinlich das Siegel auf die Verschwörung gedrückt, und Böhmens Eroberung war die erste Frucht dieser Verabredung. Indem er selbst nach Vermögen dazu beytrug, die Unglücksfälle über Oesterreich zu häufen, und durch die raschen Fortschritte der Schweden am Rheinstrom aufs nachdrücklichste dabey unterstützt wurde, ließ er seine freywilligen und gedungenen Anhänger in Wien über das öffentliche Unglück die heftigsten Klagen führen, und die Absetzung des vorigen Feldherrn als den einzigen Grund der erlittenen Verluste abschildern. „Dahin hätte Wallenstein es nicht kommen lassen, wenn er am Ruder geblieben wäre!“ riefen jetzt tausend Stimmen, und selbst im geheimen Rathe des Kaisers fand diese Meinung feurige Verfechter.

Es bedurfte ihrer wiederholten Bestürmung nicht, dem bedrängten Monarchen die Augen über die Verdienste seines Generals und die begangene Uebereilung zu öffnen. Bald genug ward ihm die Abhängigkeit von Bayern und der Ligue unerträglich; aber eben diese Abhängigkeit verstattete ihm nicht, sein Mißtrauen zu zeigen, und durch Zurückberufung des Herzogs von Friedland den Churfürsten aufzubringen. Jetzt aber, da die Noth mit [297] jedem Tage stieg, und die Schwäche des Bayrischen Beystandes immer sichtbarer wurde, bedachte er sich nicht länger, den Freunden des Herzogs sein Ohr zu leihen, und ihre Vorschläge wegen Zurückberufung dieses Feldherrn in Ueberlegung zu nehmen. Die unermeßlichen Reichthümer, die der Letztere besaß, die allgemeine Achtung, in der er stand, die Schnelligkeit, womit er sechs Jahre vorher ein Heer von vierzig tausend Streitern ins Feld gestellt, der geringe Kostenaufwand, womit er dieses zahlreiche Heer unterhalten, die Thaten, die er an der Spitze desselben verrichtet, der Eifer endlich und die Treue, die er für des Kaisers Ehre bewiesen hatte, lebten noch in dauerndem Andenken bey dem Monarchen, und stellten ihm den Herzog als das schicklichste Werkzeug dar, das Gleichgewicht der Waffen zwischen den kriegführenden Mächten wieder herzustellen, Oesterreich zu retten, und die katholische Religion aufrecht zu erhalten. Wie empfindlich auch der kaiserliche Stolz die Erniedrigung fühlte, ein so unzweydeutiges Geständniß seiner ehmaligen Uebereilung und seiner gegenwärtigen Noth abzulegen, wie sehr es ihn schmerzte, von der Höhe seiner Herrscherwürde zu Bitten herabzusteigen, wie verdächtig auch die Treue eines so bitter beleidigten und so unversöhnlichen Mannes war, wie laut und nachdrücklich endlich auch die Spanischen Minister und der Churfürst von Bayern ihr Mißfallen über diesen Schritt zu erkennen gaben, so siegte jetzt die dringende Noth über jede andre Betrachtung, und die Freunde des Herzogs erhielten den Auftrag, seine Gesinnungen zu erforschen, und ihm die Möglichkeit seiner Wiederherstellung von ferne zu zeigen.

Unterrichtet von allem, was im Kabinet des Kaisers zu seinem Vortheil verhandelt wurde, gewann dieser Herrschaft genug über sich selbst, seinen innern Triumph zu verbergen, und die Rolle des Gleichgültigen zu spielen. Die Zeit der Rache war gekommen, und sein stolzes Herz frohlockte, die [298] erlittene Kränkung dem Kaiser mit vollen Zinsen zu erstatten. Mit kunstvoller Beredsamkeit verbreitete er sich über die glückliche Ruhe des Privatlebens, die ihn seit seiner Entfernung von dem politischen Schauplatz beselige. Zu lange, erklärte er, habe er die Reitze der Unabhängigkeit und Muße gekostet, um sie dem nichtigen Phantom des Ruhms und der unsichern Fürstengunst aufzuopfern. Alle seine Begierden nach Größe und Macht seyen ausgelöscht, und Ruhe das einzige Ziel seiner Wünsche. Um ja keine Ungeduld zu verrathen, schlug er die Einladung an den Hof des Kaisers aus, rückte aber doch bis nach Znaim in Mähren vor, um die Unterhandlungen mit dem Hofe zu erleichtern.

Anfangs versuchte man, die Größe der Gewalt, welche ihm eingeräumt werden sollte, durch die Gegenwart eines Aufsehers zu beschränken, und durch diese Auskunft den Churfürsten von Bayern um so eher zum Stillschweigen zu bringen. Die Abgeordneten des Kaisers, von Questenberg und von Werdenberg, die, als alte Freunde des Herzogs, zu dieser schlüpfrigen Unterhandlung gebraucht wurden, hatten den Befehl, in ihrem Antrage an ihn des Königs von Ungarn zu erwähnen, der bey der Armee zugegen seyn und unter Wallensteins Führung die Kriegskunst erlernen sollte. Aber schon die bloße Nennung dieses Namens drohte die ganze Unterhandlung zu zerreißen. „Nie und nimmermehr,“ erklärte der Herzog, „würde er einen Gehülfen in seinem Amte dulden, und wenn es Gott selbst wäre, mit dem er das Kommando theilen sollte.“ Aber auch noch dann, als man von diesem verhaßten Punkt abgestanden war, erschöpfte der kaiserliche Günstling und Minister, Fürst von Eggenberg, Wallensteins standhafter Freund und Verfechter, den man in Person an ihn abgeschickt hatte, lange Zeit seine Beredsamkeit vergeblich, die verstellte Abneigung des Herzogs zu besiegen. „Der Monarch,“ gestand der Minister, „habe mit Wallenstein den [299] kostbarsten Stein aus seiner Krone verloren: aber nur gezwungen und widerstrebend habe er diesen, genug bereuten, Schritt gethan, und seine Hochachtung für ihn sey unverändert, seine Gunst ihm unverloren geblieben. Zum entscheidenden Beweis davon diene das ausschließende Vertrauen, das man jetzt in seine Treue und Fähigkeit setze, die Fehler seiner Vorgänger zu verbessern, und die ganze Gestalt der Dinge zu verwandeln. Groß und edel würde es gehandelt seyn, seinen gerechten Unwillen dem Wohl des Vaterlands zum Opfer zu bringen, groß und seiner würdig, die übeln Nachreden seiner Gegner durch die verdoppelte Wärme seines Eifers zu widerlegen. Dieser Sieg über sich selbst,“ schloß der Fürst, „würde seinen übrigen unerreichbaren Verdiensten die Krone aufsetzen, und ihn zum größten Mann seiner Zeiten erklären.“

So beschämende Geständnisse, so schmeichelhafte Versicherungen schienen endlich den Zorn des Herzogs zu entwaffnen: doch nicht eher, als bis sich sein volles Herz aller Vorwürfe gegen den Kaiser entladen, bis er den ganzen Umfang seiner Verdienste in prahlerischem Pomp ausgebreitet, und den Monarchen, der jetzt seine Hülfe brauchte, aufs tiefste erniedrigt hatte, öffnete er sein Ohr den lockenden Anträgen des Ministers. Als ob er nur der Kraft dieser Gründe nachgäbe, bewilligte er mit stolzer Großmuth, was der feurigste Wunsch seiner Seele war, und begnadigte den Abgesandten mit einem Strale von Hoffnung. Aber weit entfernt, die Verlegenheit des Kaisers durch eine unbedingte volle Gewährung auf einmal zu endigen, erfüllte er bloß einen Theil seiner Forderung, um einen desto größern Preis auf die übrige wichtigere Hälfte zu setzen. Er nahm das Kommando an; aber nur auf drey Monate; nur um eine Armee auszurüsten, nicht sie selbst anzuführen. Bloß seine Fähigkeit und Macht wollte er durch diesen Schöpfungsakt kund thun, und dem Kaiser die Größe der Hülfe in der [300] Nähe zeigen, deren Gewährung in Wallensteins Händen stände. Ueberzeugt, daß eine Armee, die sein Name allein aus dem Nichts gezogen, ohne ihren Schöpfer in ihr Nichts zurückkehren würde, sollte sie ihm nur zur Lockspeise dienen, seinem Herrn desto wichtigere Bewilligungen zu entreißen; und doch wünschte Ferdinand sich Glück, daß auch nur so viel gewonnen war.

Nicht lange säumte Wallenstein, seine Zusage wahr zu machen, welche ganz Deutschland als schimärisch verlachte, und Gustav Adolph selbst übertrieben fand. Aber lange schon war der Grund zu dieser Unternehmung gelegt, und er ließ jetzt nur die Maschinen spielen, die er seit mehrern Jahren zu diesem Endzweck in Gang gebracht hatte. Kaum verbreitete sich das Gerücht von Wallensteins Rüstung, als von allen Enden der Oesterreichischen Monarchie Schaaren von Kriegern herbeyeilten, unter diesem erfahrnen Feldherrn ihr Glück zu versuchen. Viele, welche schon ehedem unter seinen Fahnen gefochten hatten, seine Größe als Augenzeugen bewundert, und seine Großmuth erfahren hatten, traten bey diesem Rufe aus der Dunkelheit hervor, zum zweytenmal Ruhm und Beute mit ihm zu theilen. Die Größe des versprochnen Soldes lockte Tausende herbey, und die reichliche Verpflegung, welche dem Soldaten auf Kosten des Landmanns zu Theil wurde, war für den Letztern eine unüberwindliche Reitzung, lieber selbst diesen Stand zu ergreifen, als unter dem Druck desselben zu erliegen. Alle Oesterreichische Provinzen strengte man an, zu dieser kostbaren Rüstung beyzutragen; kein Stand blieb von Taxen verschont, von der Kopfsteuer befreyte keine Würde, kein Privilegium. Der Spanische Hof, wie der König von Ungarn, verstanden sich zu einer beträchtlichen Summe; die Minister machten ansehnliche Schenkungen, und Wallenstein selbst ließ es sich zweymal hundert tausend Thaler von seinem eignen Vermögen kosten, [301] die Ausrüstung zu beschleunigen. Die ärmern Offiziere unterstützte er aus seiner eigenen Kasse, und durch sein Beyspiel, durch glänzende Beförderungen und noch glänzendere Versprechungen reitzte er die Vermögenden, auf eigene Kosten Truppen anzuwerben. Wer mit eigenem Geld ein Corps aufstellte, war Commandeur desselben. Bey Anstellung der Offiziere machte die Religion keinen Unterschied; mehr als der Glaube galten Reichthum, Tapferkeit und Erfahrung. Durch diese gleichförmige Gerechtigkeit gegen die verschiedenen Religionsverwandten, und mehr noch durch die Erklärung, daß die gegenwärtige Rüstung mit der Religion nichts zu schaffen habe, wurde der protestantische Unterthan beruhigt, und zu gleicher Theilnahme an den öffentlichen Lasten bewogen. Zugleich versäumte der Herzog nicht, wegen Mannschaft und Geld in eignem Namen mit auswärtigen Staaten zu unterhandeln. Den Herzog von Lothringen gewann er, zum zweytenmal für den Kaiser zu ziehen; Pohlen mußte ihm Kosaken, Italien Kriegsbedürfnisse liefern. Noch ehe der dritte Monat verstrichen war, belief sich die Armee, welche in Mähren versammelt wurde, auf nicht weniger als vierzig tausend Köpfe, größtentheils aus dem Ueberrest Böhmens, aus Mähren, Schlesien und den Deutschen Provinzen des Hauses Oesterreich gezogen. Was jedem unausführbar geschienen, hatte Wallenstein, zum Erstaunen von ganz Europa, in dem kürzesten Zeitraume vollendet. So viele Tausende, als man vor ihm nicht Hunderte gehofft hatte zusammen zu bringen, hatte die Zauberkraft seines Namens, seines Goldes und seines Genies unter die Waffen gerufen. Mit allen Erfordernissen bis zum Ueberfluß ausgerüstet, von kriegsverständigen Offizieren befehligt, von einem siegversprechenden Enthusiasmus entflammt, erwartete diese neugeschaffne Armee nur den Wink ihres Anführers, um sich durch Thaten der Kühnheit seiner würdig zu zeigen.

[302] Sein Versprechen hatte der Herzog erfüllt, und die Armee stand fertig im Felde; jetzt trat er zurück, und überließ dem Kaiser, ihr einen Führer zu geben. Aber es würde eben so leicht gewesen seyn, noch eine zweyte Armee, wie diese war, zu errichten, als einen andern Chef außer Wallenstein für sie aufzufinden. Dieses vielversprechende Heer, die letzte Hoffnung des Kaisers, war nichts als ein Blendwerk, sobald der Zauber sich löste, der es ins Daseyn rief; durch Wallenstein ward es, ohne ihn schwand es, wie eine magische Schöpfung, in sein voriges Nichts dahin. Die Offiziere waren ihm entweder als seine Schuldner verpflichtet, oder als seine Gläubiger aufs engste an sein Interesse, an die Fortdauer seiner Macht geknüpft; die Regimenter hatte er seinen Verwandten, seinen Geschöpfen, seinen Günstlingen untergeben. Er und kein anderer war der Mann, den Truppen die ausschweifenden Versprechungen zu halten, wodurch er sie in seinen Dienst gelockt hatte. Sein gegebenes Wort war die einzige Sicherheit für die kühnen Erwartungen aller; blindes Vertrauen auf seine Allgewalt das einzige Band, das die verschiednen Antriebe ihres Eifers in einem lebendigen Gemeingeist zusammen hielt. Geschehen war es um das Glück jedes Einzelnen, sobald derjenige zurücktrat, der sich für die Erfüllung desselben verbürgte.

So wenig es dem Herzog mit seiner Weigerung Ernst war, so glücklich bediente er sich dieses Schreckmittels, dem Kaiser die Genehmigung seiner übertriebnen Bedingungen abzuängstigen. Die Fortschritte des Feindes machten die Gefahr mit jedem Tage dringender, und die Hülfe war so nahe; von einem Einzigen hieng es ab, der allgemeinen Noth ein geschwindes Ende zu machen. Zum dritten und letztenmal erhielt also der Fürst von Eggenberg Befehl, seinen Freund, welch hartes Opfer es auch kosten möchte, zu Uebernehmung des Kommando zu bewegen.

[303] Zu Znaim in Mähren fand er ihn, von den Truppen, nach deren Besitz er den Kaiser lüstern machte, prahlerisch umgeben. Wie einen Flehenden empfing der stolze Unterthan den Abgesandten seines Gebieters. „Nimmermehr,“ gab er zur Antwort, „könne er einer Wiederherstellung trauen, die er einzig nur der Extremität nicht der Gerechtigkeit des Kaisers verdanke. Jetzt zwar suche man ihn auf, da die Noth aufs höchste gestiegen und von seinem Arme allein noch Rettung zu hoffen sey; aber der geleistete Dienst werde seinen Urheber bald in Vergessenheit bringen, und die vorige Sicherheit den vorigen Undank zurückführen. Sein ganzer Ruhm stehe auf dem Spiele, wenn er die von ihm geschöpften Erwartungen täusche; sein Glück und seine Ruhe, wenn es ihm gelänge, sie zu befriedigen. Bald würde der alte Neid gegen ihn aufwachen, und der abhängige Monarch kein Bedenken tragen, einen entbehrlichen Diener zum zweytenmale der Konvenienz aufzuopfern. Besser für ihn, er verlasse gleich jetzt und aus freyer Wahl einen Posten, von welchem früher oder später die Kabalen seiner Gegner ihn doch herabstürzen würden. Sicherheit und Zufriedenheit erwarte er nur im Schooße des Privatlebens, und bloß um den Kaiser zu verbinden, habe er sich auf eine Zeit lang, ungern genug, seiner glücklichen Stille entzogen.“

Des langen Gaukelspiels müde, nahm der Minister jetzt einen ernsthaftern Ton an, und bedrohte den Halsstarrigen mit dem ganzen Zorne des Monarchen, wenn er auf seiner Widersetzung beharren würde. „Tief genug,“ erklärte er, „habe sich die Majestät des Kaisers erniedrigt, und, anstatt durch ihre Herablassung seine Großmuth zu rühren, nur seinen Stolz gekitzelt, nur seinen Starrsinn vermehrt. Sollte sie dieses große Opfer vergeblich gebracht haben, so stehe er nicht dafür, daß sich der Flehende nicht in den Herrn verwandle, und [304] der Monarch seine beleidigte Würde nicht an dem rebellischen Unterthan räche. Wie sehr auch Ferdinand gefehlt haben möge, so könne der Kaiser Unterwürfigkeit fodern; irren könne der Mensch, aber der Herrscher nie seinen Fehltritt bekennen. Habe der Herzog von Friedland durch ein unverdientes Urtheil gelitten, so gebe es einen Ersatz für jeden Verlust, und Wunden, die sie selbst geschlagen, könne die Majestät wieder heilen. Fordre er Sicherheit für seine Person und seine Würden, so werde die Billigkeit des Kaisers ihm keine gerechte Foderung verweigern. Die verachtete Majestät allein lasse sich durch keine Büßung versöhnen, und der Ungehorsam gegen ihre Befehle vernichte auch das glänzendste Verdienst. Der Kaiser bedürfe seiner Dienste, und als Kaiser fodre er sie. Welchen Preis er auch darauf setzen möge, der Kaiser werde ihn eingehn. Aber Gehorsam verlange er, oder das Gewicht seines Zorns werde den widerspenstigen Diener zermalmen.“

Wallenstein, dessen weitläuftige Besitzungen, in die Oesterreichische Monarchie eingeschlossen, der Gewalt des Kaisers jeden Augenblick bloß gestellt waren, fühlte lebhaft, daß diese Drohung nicht eitel sey; aber nicht Furcht war es, was seine verstellte Hartnäckigkeit endlich besiegte. Gerade dieser gebieterische Ton verrieth ihm nur zu deutlich die Schwäche und Verzweiflung, woraus er stammte, und die Willfährigkeit des Kaisers, jede seiner Foderungen zu genehmigen, überzeugte ihn, daß er am Ziel seiner Wünsche sey. Jetzt also gab er sich der Beredsamkeit Eggenbergs überwunden, und verließ ihn, um seine Foderungen aufzusetzen.

Nicht ohne Bangigkeit sah der Minister einer Schrift entgegen, worin der stolzeste der Diener dem stolzesten der Fürsten Gesetze zu geben sich erdreistete. Aber wie klein auch das Vertrauen war, das er in die Bescheidenheit seines Freundes setzte, so überstieg doch der ausschweifende Inhalt dieser [305] Schrift bey weitem seine bängsten Erwartungen. Eine unumschränkte Oberherrschaft verlangte Wallenstein über alle Deutsche Armeen des Oesterreichischen und Spanischen Hauses, und unbegrenzte Vollmacht, zu strafen und zu belohnen. Weder dem König von Ungarn noch dem Kaiser selbst solle es vergönnt seyn, bey der Armee zu erscheinen, noch weniger, eine Handlung der Autorität darin auszuüben. Keine Stelle soll der Kaiser bey der Armee zu vergeben, keine Belohnung zu verleihen haben, kein Gnadenbrief desselben ohne Wallensteins Bestätigung gültig seyn. Ueber alles, was im Reiche konfisziret und erobert werde, soll der Herzog von Friedland allein, mit Ausschließung aller kaiserlichen und Reichsgerichte zu verfügen haben. Zu seiner ordentlichen Belohnung müsse ihm ein kaiserliches Erbland, und noch ein anderes der im Reiche eroberten Länder zum außerordentlichen Geschenk überlassen werden. Jede Oesterreichische Provinz solle ihm, sobald er derselben bedürfen würde, zur Zuflucht geöffnet seyn. Außerdem verlangte er die Versicherung des Herzogthums Mecklenburg bey einem künftigen Frieden, und eine förmliche frühzeitige Aufkündigung, wenn man für nöthig finden sollte, ihn zum zweytenmal des Generalats zu entsetzen.

Umsonst bestürmte ihn der Minister, diese Foderungen zu mäßigen, durch welche der Kaiser aller seiner Souverainitätsrechte über die Truppen beraubt und zu einer Kreatur seines Feldherrn erniedrigt würde. Zu sehr hatte man ihm die Unentbehrlichkeit seiner Dienste verrathen, um jetzt noch des Preises Meister zu seyn, womit sie erkauft werden sollten. Wenn der Zwang der Umstände den Kaiser nöthigte, diese Foderungen einzugehen, so war es nicht bloßer Antrieb der Rachsucht und des Stolzes, der den Herzog veranlaßte, sie zu machen. Der Plan zur künftigen Empörung war entworfen, und dabey konnte keiner der Vortheile [306] gemißt werden, deren sich Wallenstein in seinem Vergleich mit dem Hofe zu bemächtigen suchte. Dieser Plan erfoderte, daß dem Kaiser alle Autorität in Deutschland entrissen, und seinem General in die Hände gespielt würde; dieß war erreicht, sobald Ferdinand jene Bedingungen unterzeichnete. Der Gebrauch, den Wallenstein von seiner Armee zu machen gesonnen war – von dem Zwecke freylich unendlich verschieden, zu welchem sie ihm untergeben ward – erlaubte keine getheilte Gewalt, und noch weit weniger eine höhere Autorität bey dem Heere, als die seinige war. Um der alleinige Herr ihres Willens zu seyn, mußte er den Truppen als der alleinige Herr ihres Schicksals erscheinen; um seinem Oberhaupte unvermerkt sich selbst unterzuschieben, und auf seine eigne Person die Souverainitätsrechte überzutragen, die ihm von der höchsten Gewalt nur geliehen waren, mußte er die Letztere sorgfältig aus den Augen der Truppen entfernen. Daher seine hartnäckige Weigerung, keinen Prinzen des Hauses Oesterreich bey dem Heere zu dulden. Die Freyheit, über alle im Reich eingezogne und eroberte Güter nach Gutdünken zu verfügen, reichte ihm furchtbare Mittel dar, sich Anhänger und dienstbare Werkzeuge zu erkaufen, und mehr, als je ein Kaiser in Friedenszeiten sich herausnahm, den Diktator in Deutschland zu spielen. Durch das Recht, sich der Oesterreichischen Länder im Nothfall zu einem Zufluchtsorte zu bedienen, erhielt er freye Gewalt, den Kaiser in seinem eigenen Reich und durch seine eigene Armee so gut als gefangen zu halten, das Mark dieser Länder auszusaugen, und die Oesterreichische Macht in ihren Grundfesten zu unterwühlen. Wie das Loos nun auch fallen mochte, so hatte er durch die Bedingungen, die er von dem Kaiser erpreßte, gleich gut für seinen Vortheil gesorgt. Zeigten sich die Vorfälle seinen verwegnen Entwürfen günstig, so machte ihm dieser Vertrag mit dem Kaiser ihre Ausführung leichter; widerriethen die Zeitläufte die [307] Vollstreckung derselben, so hatte dieser nehmliche Vertrag ihn aufs glänzendste entschädigt. Aber wie konnte er einen Vertrag für gültig halten, der seinem Oberherrn abgetrotzt und auf ein Verbrechen gegründet war? Wie konnte er hoffen, den Kaiser durch eine Vorschrift zu binden, welche denjenigen, der so vermessen war sie zu geben, zum Tode verdammte? Doch dieser todeswürdige Verbrecher war jetzt der unentbehrlichste Mann in der Monarchie, und Ferdinand, im Verstellen geübt, bewilligte ihm alles, was er verlangte.

Endlich also hatte die kaiserliche Kriegsmacht ein Oberhaupt, das diesen Namen verdiente. Alle andere Gewalt in der Armee, selbst des Kaisers, hörte in demselben Augenblick auf, da Wallenstein den Kommandostab in die Hand nahm, und ungültig war alles, was von ihm nicht ausfloß. Von den Ufern der Donau bis an die Weser und den Oderstrom empfand man den belebenden Aufgang des neuen Gestirns. Ein neuer Geist fängt an die Soldaten des Kaisers zu beseelen, eine neue Epoche des Krieges beginnt. Frische Hoffnungen schöpfen die Papisten, und die protestantische Welt blickt mit Unruhe dem veränderten Laufe der Dinge entgegen.

Je größer der Preis war, um den man den neuen Feldherrn hatte erkaufen müssen, zu so größern Erwartungen glaubte man sich am Hofe des Kaisers berechtigt; aber der Herzog übereilte sich nicht, diese Erwartungen in Erfüllung zu bringen. In der Nähe von Böhmen mit einem furchtbaren Heere, durfte er sich nur zeigen, um die geschwächte Macht der Sachsen zu überwältigen, und mit der Wiedereroberung dieses Königreichs seine Laufbahn glänzend zu eröffnen. Aber zufrieden, durch nichts entscheidende Kroatengefechte den Feind zu beunruhigen, ließ er ihm den besten Theil dieses Reichs zum Raube, und ging mit abgemessenem stillem Schritt seinem selbstischen Ziel entgegen. Nicht die Sachsen zu bezwingen – sich mit ihnen zu vereinigen, war sein Plan. Einzig mit diesem wichtigen [308] Werke beschäftigt, ließ er vor der Hand seine Waffen ruhn, um desto sichrer auf dem Wege der Unterhandlung zu siegen. Nichts ließ er unversucht, den Churfürsten von der Schwedischen Allianz loszureißen, und Ferdinand selbst, noch immer zum Frieden mit diesem Prinzen geneigt, billigte dieß Verfahren. Aber die große Verbindlichkeit, die man den Schweden schuldig war, lebte noch in zu frischem Andenken bey den Sachsen, um eine so schändliche Untreue zu erlauben; und hätte man sich auch wirklich dazu versucht gefühlt, so ließ der zweydeutige Charakter Wallensteins, und der schlimme Ruf der Oesterreichischen Politik zu der Aufrichtigkeit seiner Versprechungen kein Vertrauen fassen. Zu sehr als betrügerischer Staatsmann bekannt, fand er in dem einzigen Falle keinen Glauben, wo er es wahrscheinlich redlich meinte; und noch erlaubten ihm die Zeitumstände nicht, die Aufrichtigkeit seiner Gesinnung durch Aufdeckung seiner wahren Beweggründe außer Zweifel zu setzen. Ungern also entschloß er sich, durch die Gewalt der Waffen zu erzwingen, was auf dem Wege der Unterhandlung mißlungen war. Schnell zog er seine Truppen zusammen, und stand vor Prag, ehe die Sachsen diese Hauptstadt entsetzen konnten. Nach einer kurzen Gegenwehr der Belagerten, öffnete die Verrätherey der Kapuziner einem von seinen Regimentern den Eingang, und die ins Schloß geflüchtete Besatzung streckte unter schimpflichen Bedingungen das Gewehr. Meister von der Hauptstadt, versprach er seinen Unterhandlungen am Sächsischen Hofe einen günstigern Eingang, versäumte aber dabey nicht, zu eben der Zeit, als er sie bey dem General von Arnheim erneuerte, den Nachdruck derselben durch einen entscheidenden Streich zu verstärken. Er ließ in aller Eile die engen Pässe zwischen Außig und Pirna besetzen, um der Sächsischen Armee den Rückzug in ihr Land abzuschneiden; aber Arnheims Geschwindigkeit entriß sie noch glücklich der Gefahr. Nach dem Abzuge dieses Generals ergaben sich die letzten Zufluchtsörter der Sachsen, Eger und Leutmeritz, an den Sieger, und [309] schneller als es verloren gegangen war, war das Königreich wieder seinem rechtmäßigen Herrn unterworfen.

Weniger mit dem Vortheile seines Herrn, als mit Ausführung seiner eignen Entwürfe beschäftigt, gedachte jetzt Wallenstein den Krieg nach Sachsen zu spielen, um den Churfürsten durch Verheerung seines Landes zu einem Privatvergleich mit dem Kaiser, oder vielmehr mit dem Herzog von Friedland zu nöthigen. Aber wie wenig er auch sonst gewohnt war, seinen Willen dem Zwang der Umstände zu unterwerfen, so begriff er doch jetzt die Nothwendigkeit, seinen Lieblingsentwurf einem dringendern Geschäfte nachzusetzen. Während daß er die Sachsen aus Böhmen schlug, hatte Gustav Adolph die bisher erzählten Siege am Rhein und an der Donau erfochten, und durch Franken und Schwaben den Krieg schon an Bayerns Grenzen gewälzt. Am Lechstrom geschlagen, und durch den Tod des Grafen Tilly seiner besten Stütze beraubt, lag Maximilian dem Kaiser dringend an, ihm den Herzog von Friedland aufs schleunigste von Böhmen aus zu Hülfe zu schicken, und durch Bayerns Vertheidigung von Oesterreich selbst die Gefahr zu entfernen. Er wandte sich mit dieser Bitte an Wallenstein selbst, und foderte ihn aufs angelegentlichste auf, ihm, bis er selbst mit der Hauptarmee nachkäme, einstweilen nur einige Regimenter zum Beystand zu senden. Ferdinand unterstützte mit seinem ganzen Ansehen diese Bitte, und ein Eilbote nach dem andern ging an Wallenstein ab, ihn zum Marsch nach der Donau zu vermögen.

Aber jetzt ergab es sich, wie viel der Kaiser von seiner Autorität aufgeopfert hatte, da er die Gewalt über seine Truppen und die Macht zu befehlen aus seinen Händen gab. Gleichgültig gegen Maximilians Bitten, taub gegen die wiederholten Befehle des Kaisers, blieb Wallenstein müßig in Böhmen stehen, und überließ den Churfürsten seinem Schicksale. Das Andenken der schlimmen Dienste, welche ihm Maximilian ehedem auf dem Regenspurger Reichstage bey dem Kaiser geleistet, hatte sich tief in das unversöhnliche [310] Gemüth des Herzogs geprägt, und die neuerlichen Bemühungen des Churfürsten, seine Wiedereinsetzung zu verhindern, waren ihm kein Geheimniß geblieben. Jetzt war der Augenblick da, diese Kränkung zu rächen, und schwer empfand es der Churfürst, daß er den Rachgierigsten der Menschen sich zum Feinde gemacht hatte. Böhmen, erklärte dieser, dürfe nicht unvertheidigt bleiben, und Oesterreich könne nicht besser geschützt werden, als wenn sich die Schwedische Armee vor den Bayrischen Festungen schwächte. So züchtigte er durch den Arm der Schweden seinen Feind, und während daß ein Platz nach dem andern in ihre Hände fiel, ließ er den Churfürsten zu Regensburg vergebens nach seiner Ankunft schmachten. Nicht eher, als bis die völlige Unterwerfung Böhmens ihm keine Entschuldigungsgründe mehr übrig ließ, und die Eroberungen Gustav Adolphs in Bayern Oesterreich selbst mit naher Gefahr bedrohten, gab er den Bestürmungen des Churfürsten und des Kaisers nach, und entschloß sich zu der lange gewünschten Vereinigung mit dem Erstern, welche, nach der allgemeinen Erwartung der Katholischen, das Schicksal des ganzen Feldzugs entscheiden sollte.

Gustav Adolph selbst, zu schwach an Truppen, um es auch nur mit der Wallensteinischen Armee allein aufzunehmen, fürchtete die Vereinigung zweyer so mächtigen Heere, und mit Recht erstaunt man, daß er nicht mehr Thätigkeit bewiesen hat, sie zu hindern. Zu sehr, scheint es, rechnete er auf den Haß, der beyde Anführer unter sich entzweyte, und keine Verbindung ihrer Waffen zu einem gemeinschaftlichen Zwecke hoffen ließ; und es war zu spät, diesen Fehler zu verbessern, als der Erfolg seine Muthmaßung widerlegte. Zwar eilte er auf die erste sichre Nachricht, die er von ihren Absichten erhielt, nach der Oberpfalz, um dem Churfürsten den Weg zu versperren; aber schon war ihm dieser zuvorgekommen, und die Vereinigung bey Eger geschehen.

Diesen Grenzort hatte Wallenstein zum Schauplatz des Triumphes bestimmt, den er im Begriff [311] war über seinen stolzen Gegner zu feiern. Nicht zufrieden, ihn, einem Flehenden gleich, zu seinen Füßen zu sehen, legte er ihm noch das harte Gesetz auf, seine Länder hülflos hinter sich zu lassen, aus weiter Entfernung seinen Beschützer einzuholen, und durch diese weite Entgegenkunft ein erniedrigendes Geständniß seiner Noth und Bedürftigkeit abzulegen. Auch dieser Demüthigung unterwarf sich der stolze Fürst mit Gelassenheit. Einen harten Kampf hatte es ihm gekostet, demjenigen seine Rettung zu verdanken, der, wenn es nach seinem Wunsche ging, nimmermehr diese Macht haben sollte; aber, Einmal entschlossen, war er auch Mann genug, jede Kränkung zu ertragen, die von seinem Entschluß unzertrennlich war, und Herr genug seiner selbst, um kleinere Leiden zu verachten, wenn es darauf ankam, einen großen Zweck zu verfolgen.

Aber so viel es schon gekostet hatte, diese Vereinigung nur möglich zu machen, so schwer ward es, sich über die Bedingungen zu vergleichen, unter welchen sie Statt finden und Bestand haben sollte. Einem Einzigen mußte die vereinigte Macht zu Gebote stehen, wenn der Zweck der Vereinigung erreicht werden sollte, und auf beyden Seiten war gleich wenig Neigung da, sich der höhern Autorität des andern zu unterwerfen. Wenn sich Maximilian auf seine Churfürstenwürde, auf den Glanz seines Geschlechts, auf sein Ansehen im Reiche stützte, so gründete Wallenstein nicht geringere Ansprüche auf seinen Kriegsruhm und auf die uneingeschränkte Macht, welche der Kaiser ihm übergeben hatte. So sehr es den Fürstenstolz des Erstern empörte, unter den Befehlen eines kaiserlichen Bedienten zu stehen, so sehr fand sich der Hochmuth des Herzogs durch den Gedanken geschmeichelt, einem so gebieterischen Geiste Gesetze vorzuschreiben. Es kam darüber zu einem hartnäckigen Streite, der sich aber durch eine wechselseitige Uebereinkunft zu Wallensteins Vortheil endigte. Diesem wurde das Oberkommando über beyde Armeen, besonders am Tage einer Schlacht, ohne Einschränkung [312] zugestanden, und dem Churfürsten alle Gewalt abgesprochen, die Schlachtordnung oder auch nur die Marschroute der Armee abzuändern. Nichts behielt er sich vor, als das Recht der Strafen und Belohnungen über seine eignen Soldaten, und den freyen Gebrauch derselben, sobald sie nicht mit den kaiserlichen Truppen vereinigt agirten.

Nach diesen Vorbereitungen wagte man es endlich, einander unter die Augen zu treten, doch nicht eher, als bis eine gänzliche Vergessenheit alles Vergangenen zugesagt, und die äußern Formalitäten des Versöhnungsakts aufs genauste berichtigt waren. Der Verabredung gemäß umarmten sich beyde Prinzen im Angesicht ihrer Truppen, und gaben einander gegenseitige Versicherungen der Freundschaft, indeß die Herzen von Haß überflossen. Maximilian zwar, in der Verstellungskunst ausgelernt, besaß Herrschaft genug über sich selbst, um seine wahren Gefühle auch nicht durch einen einzigen Zug zu verrathen; aber in Wallensteins Augen funkelte eine hämische Siegesfreude, und der Zwang, der in allen seinen Bewegungen sichtbar war, entdeckte die Macht des Affekts, der sein stolzes Herz übermeisterte.

Die vereinigten kaiserlich-bayrischen Truppen machten nun eine Armee von beynahe sechzigtausend, größtentheils bewährten Soldaten aus, vor welcher der Schwedische Monarch es nicht wagen durfte, sich im Felde zu zeigen. Eilfertig nahm er also, nachdem der Versuch ihre Vereinigung zu hindern mißlungen war, seinen Rückzug nach Franken, und erwartete nunmehr eine entscheidende Bewegung des Feindes, um seine Entschließung zu fassen. Die Stellung der vereinigten Armee zwischen der Sächsischen und Bayrischen Grenze ließ es eine Zeit lang noch ungewiß, ob sie den Schauplatz des Kriegs nach dem erstem der beyden Länder verpflanzen, oder suchen würde, die Schweden von der Donau zurück zu treiben und Bayern in Freyheit zu setzen. Sachsen hatte Arnheim von Truppen entblößt, um in Schlesien Eroberungen zu machen; nicht ohne die geheime Absicht, wie ihm von [313] vielen Schuld gegeben wird, dem Herzog von Friedland den Eintritt in das Churfürstenthum zu erleichtern, und dem unentschlossenen Geiste Johann Georgs einen dringendern Sporn zum Vergleich mit dem Kaiser zu geben. Gustav Adolph selbst, in der gewissen Erwartung, daß die Absichten Wallensteins gegen Sachsen gerichtet seyen, schickte eilig, um seinen Bundsgenossen nicht hülflos zu lassen, eine ansehnliche Verstärkung dahin, fest entschlossen, sobald die Umstände es erlaubten, mit seiner ganzen Macht nachzufolgen. Aber bald entdeckten ihm die Bewegungen der Friedländischen Armee, daß sie gegen ihn selbst im Anzug begriffen sey, und der Marsch des Herzogs durch die Oberpfalz setzte dieß außer Zweifel. Jetzt galt es, auf seine eigne Sicherheit zu denken, weniger um die Oberherrschaft als um seine Existenz in Deutschland zu fechten, und von der Fruchtbarkeit seines Genies Mittel zur Rettung zu entlehnen. Die Annäherung des Feindes überraschte ihn, ehe er Zeit gehabt hatte, seine durch ganz Deutschland zerstreuten Truppen an sich zu ziehen, und die alliirten Fürsten zum Beystand herbey zu rufen. An Mannschaft viel zu schwach, um den anrückenden Feind damit aufhalten zu können, hatte er keine andere Wahl, als sich entweder in Nürnberg zu werfen, und Gefahr zu laufen, von der Wallensteinischen Macht in dieser Stadt eingeschlossen und durch Hunger besiegt zu werden – oder diese Stadt aufzuopfern, und unter den Kanonen von Donauwerth eine Verstärkung an Truppen zu erwarten. Gleichgültig gegen alle Beschwerden und Gefahren, wo die Menschlichkeit sprach und die Ehre gebot, erwählte er ohne Bedenken das erste, fest entschlossen, lieber sich selbst mit seiner ganzen Armee unter den Trümmern Nürnbergs zu begraben, als auf den Untergang dieser bundsverwandten Stadt seine Rettung zu gründen.

Sogleich ward Anstalt gemacht, die Stadt mit allen Vorstädten in eine Verschanzung einzuschließen, und innerhalb derselben ein vestes Lager aufzuschlagen. Viele tausend Hände setzten sich alsbald zu [314] diesem weitläuftigen Werk in Bewegung, und alle Einwohner Nürnbergs beseelte ein heroischer Eifer, für die gemeine Sache Blut, Leben und Eigenthum zu wagen. Ein acht Fuß tiefer und zwölf Fuß breiter Graben umschloß die ganze Verschanzung; die Linien wurden durch Redouten und Bastionen, die Eingänge durch halbe Monde beschützt. Die Pegnitz, welche Nürnberg durchschneidet, theilte das ganze Lager in zwey Hauptzirkel ab, die durch viele Brücken zusammenhiengen. Gegen dreyhundert Stücke spielten von den Wällen der Stadt und von den Schanzen des Lagers. Das Landvolk aus den benachbarten Dörfern und die Bürger von Nürnberg legten mit den Schwedischen Soldaten gemeinschaftlich Hand an, daß schon am siebenten Tage die Armee das Lager beziehen konnte, und am vierzehnten die ganze ungeheure Arbeit vollendet war.

Indem dieß außerhalb der Mauern vorging, war der Magistrat der Stadt Nürnberg beschäftigt, die Magazine zu füllen, und sich mit allen Kriegs- und Mundbedürfnissen für eine langwierige Belagerung zu versehen. Dabey unterließ er nicht, für die Gesundheit der Einwohner, die der Zusammenfluß so vieler Menschen leicht in Gefahr setzen konnte, durch strenge Reinlichkeitsanstalten Sorge zu tragen. Den König auf den Nothfall unterstützen zu können, wurde aus den Bürgern der Stadt die junge Mannschaft ausgehoben und in den Waffen geübt, die schon vorhandene Stadtmiliz beträchtlich verstärkt, und ein neues Regiment von vier und zwanzig Namen nach den Buchstaben des alten Alphabets ausgerüstet. Gustav selbst hatte unterdessen seine Bundsgenossen, den Herzog Wilhelm von Weimar und den Landgrafen von Hessenkassel, zum Beystand aufgeboten, und seine Generale am Rheinstrom, in Thüringen und Niedersachsen beordert, sich schleunig in Marsch zu setzen, und mit ihren Truppen bey Nürnberg zu ihm zu stoßen. Seine Armee, welche innerhalb der Linien dieser Reichsstadt gelagert stand, betrug nicht viel über [315] sechzehntausend Mann, also nicht einmal den dritten Theil des feindlichen Heers.

Dieses war unterdessen in langsamen Zuge bis gegen Neumark herangerückt, wo der Herzog von Friedland eine allgemeine Musterung anstellte. Vom Anblick dieser furchtbaren Macht hingerissen, konnte er sich einer jugendlichen Prahlerey nicht enthalten. „Binnen vier Tagen soll sich ausweisen,“ rief er, „wer von uns beyden, der König von Schweden, oder ich, Herr der Welt seyn wird.“ Dennoch that er, seiner großen Ueberlegenheit ungeachtet, nichts, diese stolze Versicherung wahr zu machen, und vernachlässigte sogar die Gelegenheit, seinen Feind auf das Haupt zu schlagen, als dieser verwegen genug war, sich außerhalb seiner Linien ihm entgegen zu stellen. „Schlachten hat man genug geliefert,“ antwortete er denen, welche ihn zum Angriff ermunterten. „Es ist Zeit, einmal einer andern Methode zu folgen.“ Hier schon entdeckte sich, wie viel mehr bey einem Feldherrn gewonnen worden, dessen schon gegründeter Ruhm der gewagten Unternehmungen nicht benöthigt war, wodurch andre eilen müssen, sich einen Namen zu machen. Ueberzeugt, daß der verzweifelte Muth des Feindes den Sieg auf das theuerste verkaufen, eine Niederlage aber, in diesen Gegenden erlitten, die Angelegenheiten des Kaisers unwiederbringlich zu Grunde richten würde, begnügte er sich damit, die kriegerische Hitze seines Gegners durch eine langwierige Belagerung zu verzehren, und, indem er demselben alle Gelegenheit abschnitt, sich dem Ungestüm seines Muths zu überlassen, ihm gerade denjenigen Vortheil zu rauben, wodurch er bisher so unüberwindlich gewesen war. Ohne also das geringste zu unternehmen, bezog er jenseits der Regnitz, Nürnberg gegenüber, ein stark befestigtes Lager, und entzog durch diese wohlgewählte Stellung der Stadt sowohl, als dem Lager, jede Zufuhr aus Franken, Schwaben und Thüringen. So hielt er den König zugleich mit der Stadt belagert, und schmeichelte sich, den Muth seines Gegners, den er nicht lüstern [316] war in offener Schlacht zu erproben, durch Hunger und Seuchen langsam, aber desto sicherer zu ermüden.

Aber zu wenig mit den Hülfsquellen und Kräften seines Gegners bekannt, hatte er nicht genugsam dafür gesorgt, sich selbst vor dem Schicksale zu bewahren, das er jenem bereitete. Aus dem ganzen benachbarten Gebiet hatte sich das Landvolk mit seinen Vorräthen weggeflüchtet, und um den wenigen Ueberrest mußten sich die Friedländischen Fouragirer mit den Schwedischen schlagen. Der König schonte die Magazine der Stadt, so lange noch Möglichkeit da war, sich aus der Nachbarschaft mit Proviant zu versehen, und diese wechselseitigen Streifereyen unterhielten einen immerwährenden Krieg zwischen den Kroaten und dem Schwedischen Volke, davon die ganze umliegende Landschaft die traurigsten Spuren zeigte. Mit dem Schwert in der Hand mußte man sich die Bedürfnisse des Lebens erkämpfen, und ohne zahlreiches Gefolge durften sich die Parteyen nicht mehr aufs Fouragiren wagen. Dem König zwar öffnete, sobald der Mangel sich einstellte, die Stadt Nürnberg ihre Vorrathshäuser, aber Wallenstein mußte seine Truppen aus weiter Ferne versorgen. Ein großer, in Bayern aufgekaufter Transport war an ihn auf dem Wege, und tausend Mann wurden abgeschickt, ihn sicher ins Lager zu geleiten. Gustav Adolph, davon benachrichtigt, sandte sogleich ein Kavallerieregiment aus, sich dieser Lieferung zu bemächtigen, und die Dunkelheit der Nacht begünstigte die Unternehmung. Der ganze Transport fiel mit der Stadt, worin er hielt, in der Schweden Hände, die kaiserliche Bedeckung wurde niedergehauen, gegen zwölfhundert Stück Vieh hinweggetrieben, und tausend mit Brod bepackte Wagen, die nicht gut fortgebracht werden konnten, in Brand gesteckt. Sieben Regimenter, welche der Herzog von Friedland gegen Altdorf vorrücken ließ, dem sehnlich erwarteten Transport zur Bedeckung zu dienen, wurden von dem Könige, der ein gleiches gethan hatte, den Rückzug der Seinigen zu decken, nach einem hartnäckigen Gefechte [317] aus einander gesprengt, und mit Hinterlassung von vierhundert Todten in das kaiserliche Lager zurückgetrieben. So viele Widerwärtigkeiten und eine so wenig erwartete Standhaftigkeit des Königs ließen den Herzog von Friedland bereuen, daß er die Gelegenheit zu einem Treffen ungenützt hatte vorbeystreichen lassen. Jetzt machte die Festigkeit des Schwedischen Lagers jeden Angriff unmöglich, und Nürnbergs bewaffnete Jugend diente dem Monarchen zu einer fruchtbaren Kriegerschule, woraus er jeden Verlust an Mannschaft auf das schnellste ersetzen konnte. Der Mangel an Lebensmitteln, der sich im kaiserlichen Lager nicht weniger als im Schwedischen einstellte, machte es zum mindesten sehr ungewiß, welcher von beyden Theilen den andern zuerst zum Aufbruche zwingen würde.

Funfzehn Tage schon hatten beyde Armeen, durch gleich unersteigliche Verschanzungen gedeckt, einander im Gesichte gestanden, ohne etwas mehr als leichte Streifereyen und unbedeutende Scharmützel zu wagen. Auf beyden Seiten hatten ansteckende Krankheiten, natürliche Folgen der schlechten Nahrungsmittel und der eng zusammengepreßten Volksmenge, mehr als das Schwert des Feindes, die Mannschaft vermindert, und mit jedem Tage stieg diese Noth. Endlich erschien der längst erwartete Succurs im Schwedischen Lager, und die beträchtliche Machtverstärkung des Königs erlaubte ihm jetzt, seinem natürlichen Muth zu gehorchen, und die Fessel zu zerbrechen, die ihn bisher gebunden hielt.

Seiner Aufforderung gemäß, hatte Herzog Wilhelm von Weimar aus den Besatzungen in Niedersachsen und Thüringen in aller Eilfertigkeit ein Corps aufgerichtet, welches bey Schweinfurt in Franken vier Sächsische Regimenter, und bald darauf bey Kitzingen die Truppen vom Rheinstrom an sich zog, die Landgraf Wilhelm von Hessenkassel und der Pfalzgraf von Birkenfeld dem König zu Hülfe schickten. Der Reichskanzler Oxenstierna übernahm es, diese [318] vereinigte Armee an den Ort ihrer Bestimmung zu führen. Nachdem er sich zu Windsheim noch mit dem Herzog Bernhard von Weimar und dem Schwedischen General Banner vereinigt hatte, rückte er in beschleunigten Märschen bis Pruk und Eltersdorf, wo er die Regnitz passirte, und glücklich in das Schwedische Lager kam. Dieser Succurs zählte beynahe funfzigtausend Mann, und führte sechzig Stücke Geschütz und viertausend Bagagewagen bey sich. So sah sich denn Gustav Adolph an der Spitze von beynahe siebenzigtausend Streitern, ohne noch die Miliz der Stadt Nürnberg zu rechnen, welche im Nothfalle dreyßigtausend rüstige Bürger ins Feld stellen konnte. Eine furchtbare Macht, die einer andern nicht minder furchtbaren gegenüber stand! Der ganze Krieg schien jetzt zusammengepreßt in eine einzige Schlacht, um hier endlich seine letzte Entscheidung zu erhalten. Angstvoll blickte das getheilte Europa auf diesen Kampfplatz hin, wo sich die Kraft beyder streitenden Mächte, wie in ihrem Brennpunkt, fürchterlich sammelte.

Aber hatte man schon vor der Ankunft des Succurses mit Brodmangel kämpfen müssen, so wuchs dieses Uebel nunmehr in beyden Lägern (denn auch Wallenstein hatte neue Verstärkungen aus Bayern an sich gezogen) zu einem schrecklichen Grade an. Außer den hundert und zwanzig tausend Kriegern, die einander bewaffnet gegenüber standen, außer einer Menge von mehr als funzigtausend Pferden in beyden Armeen, außer den Bewohnern Nürnbergs, welche das Schwedische Heer an Anzahl weit übertrafen, zählte man allein in dem Wallensteinischen Lager funfzehntausend Weiber und eben so viel Fuhrleute und Knechte, nicht viel weniger in dem Schwedischen. Die Gewohnheit jener Zeiten erlaubte dem Soldaten, seine Familie mit in das Feld zu führen. Bey den Kaiserlichen schloß sich eine unzählige Menge gutwilliger Frauenspersonen an den Heereszug an, und die strenge Wachsamkeit über die Sitten im Schwedischen [319] Lager, welche keine Ausschweifung duldete, beförderte eben darum die rechtmäßigen Ehen. Für die junge Generation, welche dieß Lager zum Vaterland hatte, waren ordentliche Feldschulen errichtet, und eine treffliche Zucht von Kriegern daraus gezogen, daß die Armeen bey einem langwierigen Kriege sich durch sich selbst rekrutiren konnten. Kein Wunder, wenn diese wandelnden Nationen jeden Landstrich aushungerten, auf dem sie verweilten, und die Bedürfnisse des Lebens durch diesen entbehrlichen Troß unverhältnißmäßig im Preise gesteigert wurden. Alle Mühlen um Nürnberg reichten nicht zu, das Korn zu mahlen, das jeder Tag verschlang, und funfzigtausend Pfund Brod, welche die Stadt täglich ins Lager lieferte, reitzten den Hunger bloß, ohne ihn zu befriedigen. Die wirklich bewundernswerthe Sorgfalt des Nürnberger Magistrats konnte nicht verhindern, daß nicht ein großer Theil der Pferde aus Mangel an Fütterung umfiel, und die zunehmende Wuth der Seuchen mit jedem Tage über hundert Menschen ins Grab streckte.

Dieser Noth ein Ende zu machen, verließ endlich Gustav Adolph, voll Zuversicht auf seine überlegene Macht, am fünf und funfzigsten Tage seine Linien, zeigte sich in voller Bataille dem Feind, und ließ von drey Batterien, welche am Ufer der Rednitz errichtet waren, das Friedländische Lager beschießen. Aber unbeweglich stand der Herzog in seinen Verschanzungen, und begnügte sich, diese Ausforderung durch das Feuer der Musketen und Kanonen von ferne zu beantworten. Den König durch Unthätigkeit aufzureiben, und durch die Macht des Hungers seine Beharrlichkeit zu besiegen, war sein überlegter Entschluß, und keine Vorstellung Maximilians, keine Ungeduld der Armee, kein Spott des Feindes, konnte diesen Vorsatz erschüttern. In seiner Hoffnung getäuscht, und von der wachsenden Noth gedrungen, wagte sich Gustav Adolph nun an das Unmögliche, und der Entschluß wurde gefaßt, das durch Natur und Kunst gleich unbezwingliche Lager zu stürmen.

[320] Nachdem er das seinige dem Schutz der Nürnbergischen Miliz übergeben, rückte er am Bartholomäustage, dem acht und funfzigsten, seitdem die Armee ihre Verschanzungen bezogen, in voller Schlachtordnung heraus, und passirte die Rednitz bey Fürt, wo er die feindlichen Vorposten mit leichter Mühe zum Weichen brachte. Auf den steilen Anhöhen zwischen der Biber und Rednitz, die Alte Feste und Altenberg genannt, stand die Hauptmacht des Feindes, und das Lager selbst, von diesen Hügeln beherrscht, breitete sich unabsehbar durch das Gefilde. Die ganze Stärke des Geschützes war auf diesen Hügeln versammelt. Tiefe Gräben umschlossen unersteigliche Schanzen, dichte Verhacke und stachelige Pallisaden verrammelten die Zugänge zu dem steil anlaufenden Berge, von dessen Gipfel Wallenstein, ruhig und sicher wie ein Gott, durch schwarze Rauchwolken seine Blitze versendete. Hinter den Brustwehren lauerte der Musketen tückisches Feuer, und ein gewisser Tod blickte aus hundert offnen Kanonenschlünden dem verwegenen Stürmer entgegen. Auf diesen gefahrvollen Posten richtete Gustav Adolph den Angriff, und fünfhundert Musketiere, durch weniges Fußvolk unterstützt, (mehrere zugleich konnten auf dem engen Terrain nicht zum Fechten kommen) hatten den unbeneideten Vorzug, sich zuerst in den offenen Rachen des Todes zu werfen. Wüthend war der Andrang, der Widerstand fürchterlich; der ganzen Wuth des feindlichen Geschützes ohne Brustwehr dahin gegeben, grimmig durch den Anblick des unvermeidlichen Todes, laufen diese entschlossenen Krieger gegen den Hügel Sturm, der sich in Einem Moment in den flammenden Hekla verwandelt, und einen eisernen Hagel donnernd auf sie herunter speyt. Zugleich dringt die schwere Kavallerie in die Lücken ein, welche die feindliche Ballen in die gedrängte Schlachtordnung reißen, die festgeschlossenen Glieder trennen sich, und die standhafte Heldenschaar, von der gedoppelten Macht und der Menschen bezwungen, wendet sich nach hundert zurückgelaßnen [321] Todten zur Flucht. Deutsche waren es, denen Gustavs Parteylichkeit die tödtliche Ehre des ersten Angriffs bestimmte; über ihren Rückzug ergrimmt, führte er jetzt seine Finnländer zum Sturm, durch ihren nordischen Muth die Deutsche Feigheit zu beschämen. Auch seine Finnländer, durch einen ähnlichen Feuerregen empfangen, weichen der überlegenen Macht, und ein frisches Regiment tritt an ihre Stelle, mit gleich schlechtem Erfolg den Angriff zu erneuern. Dieses wird von einem vierten und fünften und sechsten abgelöst, daß während des zehenstündigen Gefechtes alle Regimenter zum Angriff kommen, und alle blutend und zerrissen von dem Kampfplatz zurückkehren. Tausend verstümmelte Körper bedecken das Feld, und unbesiegt setzt Gustav den Angriff fort, und unerschütterlich behauptet Wallenstein seine Feste.

Indessen hat sich zwischen der kaiserlichen Reiterey und dem linken Flügel der Schweden, der in einem Busch an der Rednitz postirt war, ein heftiger Kampf entzündet, wo mit abwechselndem Glück der Feind bald Besiegter bald Sieger bleibt, und auf beyden Seiten gleich viel Blut fließt, gleich tapfre Thaten geschehen. Dem Herzog von Friedland und dem Prinzen Bernhard von Weimar werden die Pferde unter dem Leibe erschossen; dem König selbst reißt eine Stückkugel die Sohle von dem Stiefel. Mit ununterbrochener Wuth erneuern sich Angriff und Widerstand, bis endlich die eintretende Nacht das Schlachtfeld verfinstert, und die erbitterten Kämpfer zur Ruhe winkt. Jetzt aber sind die Schweden schon zu weit vorgedrungen, um den Rückzug ohne Gefahr unternehmen zu können. Indem der König einen Offizier zu entdecken sucht, den Regimentern durch ihn den Befehl zum Rückzug zu übersenden, stellt sich ihm der Oberste Hebron, ein tapfrer Schottländer, dar, den bloß sein natürlicher Muth aus dem Lager getrieben hatte, die Gefahr dieses Tages zu theilen. Ueber den König erzürnt, der ihm unlängst bey einer gefahrvollen Action einen jüngern Obersten vorgezogen, [322] hatte er das rasche Gelübde gethan, seinen Degen nie wieder für den König zu ziehen. An ihn wendet sich jetzt Gustav Adolph, und, seinen Heldenmuth lobend, ersucht er ihn, die Regimenter zum Rückzug zu kommandiren. „Sire,“ erwiedert der tapfre Soldat, „das ist der einzige Dienst, den ich Eurer Majestät nicht verweigern kann, denn es ist etwas dabey zu wagen;“ und sogleich sprengt er davon, den erhaltenen Auftrag ins Werk zu richten. Zwar hatte sich Herzog Bernhard von Weimar in der Hitze des Gefechts einer Anhöhe über der alten Feste bemächtigt, von wo aus man den Berg und das ganze Lager bestreichen konnte. Aber ein heftiger Platzregen, der in derselben Nacht einfiel, machte den Abhang so schlüpfrig, daß es unmöglich war, die Kanonen hinaufzubringen, und so mußte man von freyen Stücken diesen mit Strömen Bluts errungenen Posten verloren geben. Mißtrauisch gegen das Glück, das ihn an diesem entscheidenden Tage verlassen hatte, getraute der König sich nicht, mit erschöpften Truppen am folgenden Tage den Sturm fortzusetzen, und zum erstenmal überwunden, weil er nicht Ueberwinder war, führt er seine Truppen über die Rednitz zurück. Zweytausend Todte, die er auf dem Wahlplatz zurückließ, bezeugten seinen Verlust, und unüberwunden stand der Herzog von Friedland in seinen Linien.

Noch ganze vierzehn Tage nach dieser Action blieben die Armeen einander gegenüber gelagert, jede in der Erwartung, die andre zuerst zum Aufbruch zu nöthigen. Je mehr mit jedem Tage der kleine Vorrath an Lebensmitteln schmolz, desto schrecklicher wuchsen die Drangsale des Hungers, desto mehr verwilderte der Soldat, und das Landvolk umher ward das Opfer seiner thierischen Raubsucht. Die steigende Noth löste alle Bande der Zucht und der Ordnung im Schwedischen Lager auf, und besonders zeichneten sich die Deutschen Regimenter durch die Gewaltthätigkeiten aus, die sie gegen [323] Freund und Feind ohne Unterschied verübten. Die schwache Hand eines Einzigen vermochte einer Gesetzlosigkeit nicht zu steuern, die durch das Stillschweigen der untern Befehlshaber eine scheinbare Billigung, und oft durch ihr eigenes verderbliches Beyspiel Ermunterung erhielt. Tief schmerzte den Monarchen dieser schimpfliche Verfall der Kriegszucht, in die er bis jetzt einen so gegründeten Stolz gesetzt hatte, und der Nachdruck, womit er den Deutschen Offizieren ihre Nachlässigkeit verweist, bezeugt die Heftigkeit seiner Empfindungen. „Ihr Deutschen,“ rief er aus, „ihr, ihr selbst seyd es, die ihr euer eigenes Vaterland bestehlt, und gegen eure eigenen Glaubensgenossen wüthet. Gott sey mein Zeuge, ich verabscheue euch, ich habe einen Ekel an euch, und das Herz gällt mir im Leibe, wenn ich euch anschaue. Ihr übertrettet meine Verordnungen, ihr seyd Ursache, daß die Welt mich verflucht, daß mich die Thränen der schuldlosen Armuth verfolgen, daß ich öffentlich hören muß: Der König, unser Freund, thut uns mehr Uebels an, als unsre grimmigsten Feinde. Euretwegen habe ich meine Krone ihres Schatzes entblößt, und über vierzig Tonnen Goldes aufgewendet; von eurem Deutschen Reich aber nicht erhalten, wovon ich mich schlecht bekleiden könnte. Euch gab ich alles, was Gott mir zutheilte, und, hättet ihr meine Gesetze geachtet, alles, was er mir künftig noch geben mag, würde ich mit Freuden unter euch ausgetheilt haben. Eure schlechte Mannszucht überzeugt mich, daß ihrs böse meint, wie sehr ich auch Ursache haben mag, eure Tapferkeit zu loben.“

Nürnberg hatte sich über Vermögen angestrengt, die ungeheure Menschenmenge, welche in seinem Gebiete zusammengepreßt war, eilf Wochen lang zu ernähren; endlich aber versiegten die Mittel, und der König, als der zahlreichere Theil, mußte sich eben darum zuerst zum Abzug entschließen. Mehr als zehntausend seiner Einwohner hatte Nürnberg [324] begraben, und Gustav Adolph gegen zwanzigtausend seiner Soldaten durch Krieg und Seuchen eingebüßt. Zertreten lagen alle umliegenden Felder, die Dörfer in Asche, das beraubte Landvolk verschmachtete auf den Straßen, Modergerüche verpesteten die Luft, verheerende Seuchen, durch die kümmerliche Nahrung, durch den Qualm eines so bevölkerten Lagers und so vieler verwesenden Leichname, durch die Glut der Hundstage ausgebrütet, wütheten unter Menschen und Thieren, und noch lange nach dem Abzug der Armeen drückten Mangel und Elend das Land. Gerührt von dem allgemeinen Jammer, und ohne Hoffnung, die Beharrlichkeit des Herzogs von Friedland zu besiegen, hob der König am achten September sein Lager auf, und verließ Nürnberg, nachdem er es zur Fürsorge mit einer hinlänglichen Besatzung versehen hatte. In völliger Schlachtordnung zog er an dem Feinde vorüber, der unbeweglich blieb, und nicht das geringste unternahm, seinen Abzug zu stören. Er richtete seinen Marsch nach Neustadt an der Aisch und Windsheim, wo er fünf Tage stehen blieb, um seine Truppen zu erquicken, und Nürnberg nahe zu seyn, wenn der Feind etwas gegen diese Stadt unternehmen sollte. Aber Wallenstein, der Erholung nicht weniger bedürftig, hatte auf den Abzug der Schweden nur gewartet, um den seinigen antreten zu können. Fünf Tage später verließ auch er sein Lager bey Zirndorf, und übergab es den Flammen. Hundert Rauchsäulen, die aus den eingeäscherten Dörfern in der ganzen Runde zum Himmel stiegen, verkündigten seinen Abschied, und zeigten der getrösteten Stadt, welchem Schicksale sie selbst entgangen war. Seinen Marsch, der gegen Forchheim gerichtet war, bezeichnete die schreckliche Verheerung; doch war er schon zu weit vorgerückt, um von dem König noch eingeholt zu werden. Dieser trennte nun seine Armee, die das erschöpfte Land nicht ernähren konnte, um mit einem Theile derselben [325] Franken zu behaupten, und mit dem andern seine Eroberungen in Bayern in eigner Person fortzusetzen.

Unterdessen war die kaiserlich-bayrische Armee in das Bisthum Bamberg gerückt, wo der Herzog von Friedland eine zweyte Musterung darüber anstellte. Er fand diese sechzigtausend Mann starke Macht durch Desertion, Krieg und Seuchen bis auf vier und zwanzig tausend Mann vermindert, von denen der vierte Theil aus Bayrischen Truppen bestand. Und so hatte das Lager von Nürnberg beyde Theile mehr als zwey verlorene große Schlachten entkräftet, ohne den Krieg seinem Ende auch nur um etwas genähert, oder die gespannten Erwartungen der Europäischen Welt durch einen einzigen entscheidenden Vorfall befriedigt zu haben. Den Eroberungen des Königs in Bayern wurde zwar auf eine Zeit lang durch die Diversion bey Nürnberg ein Ziel gesteckt, und Oesterreich selbst vor einem feindlichen Einfall gesichert; aber durch den Abzug von dieser Stadt gab man ihm auch die völlige Freyheit zurück, Bayern aufs neue zum Schauplatz des Kriegs zu machen. Unbekümmert um das Schicksal dieses Landes, und des Zwanges müde, den ihm die Verbindung mit dem Churfürsten auferlegte, ergriff der Herzog von Friedland begierig die Gelegenheit, sich von diesem lästigen Gefährten zu trennen und seine Lieblingsentwürfe mit erneuertem Ernst zu verfolgen. Noch immer seiner ersten Maxime getreu, Sachsen von Schweden zu trennen, bestimmte er dieses Land zum Winteraufenthalt seiner Truppen, und hoffte, durch seine verderbliche Gegenwart den Churfürsten um so eher zu einem besondern Frieden zu zwingen.

Kein Zeitpunkt konnte diesem Unternehmen günstiger seyn. Die Sachsen waren in Schlesien eingefallen, wo sie, in Vereinigung mit Brandenburgischen und Schwedischen Hülfsvölkern, einen Vortheil nach dem andern über die Truppen des Kaisers erfochten. Durch eine Diversion, welche man dem Churfürsten in seinen eigenen Staaten machte, rettete man Schlesien; und das Unternehmen war desto [326] leichter, da Sachsen durch den Schlesischen Krieg von Vertheidigern entblößt, und dem Feinde von allen Seiten geöffnet war. Die Nothwendigkeit ein Oesterreichisches Erbland zu retten, schlug alle Einwendungen des Churfürsten von Bayern darnieder, und unter der Maske eines patriotischen Eifers für das Beste des Kaisers konnte man ihn mit um so weniger Bedenklichkeit aufopfern. Indem man dem König von Schweden das reiche Bayern zum Raube ließ, hoffte man in der Unternehmung auf Sachsen von ihm nicht gestört zu werden, und die zunehmende Kaltsinnigkeit zwischen diesem Monarchen und dem Sächsischen Hofe ließ ohnehin von seiner Seite wenig Eifer zu Befreyung Johann Georgs befürchten. Aufs neue also von seinem arglistigen Beschützer im Stich gelassen, trennte sich der Churfürst zu Bamberg von Wallenstein, um mit dem kleinen Ueberrest seiner Truppen sein hülfloses Land zu vertheidigen, und die kaiserliche Armee richtete unter Friedlands Anführung ihren Marsch durch Baireuth und Koburg nach dem Thüringer Walde.

Ein kaiserlicher General von Holk war bereits mit sechstausend Mann in das Vogtland voraus geschickt worden, diese wehrlose Provinz mit Feuer und Schwert zu verheeren. Ihm wurde bald darauf Gallas nachgeschickt, ein zweyter Feldherr des Herzogs und ein gleich treues Werkzeug seiner unmenschlichen Befehle. Endlich wurde auch noch Graf Pappenheim aus Niedersachsen herbey gerufen, die geschwächte Armee des Herzogs zu verstärken, und das Elend Sachsens vollkommen zu machen. Zerstörte Kirchen, eingeäscherte Dörfer, verwüstete Aernten, beraubte Familien, ermordete Unterthanen bezeichneten den Marsch dieser Barbarenheere, das ganze Thüringen, Vogtland und Meißen erlagen unter dieser dreyfachen Geißel. Aber sie waren nur die Vorläufer eines größern Elends, mit welchem der Herzog selbst, an der Spitze der Hauptarmee, das unglückliche Sachsen bedrohte. Nachdem dieser auf [327] seinem Zuge durch Franken und Thüringen die schauderhaftesten Denkmäler seiner Wuth hinterlassen, erschien er mit seiner ganzen Macht in dem Leipziger Kreise, und zwang nach einer kurzen Belagerung die Stadt Leipzig zur Uebergabe. Seine Absicht war, bis nach Dresden vorzudringen, und durch Unterwerfung des ganzen Landes dem Churfürsten Gesetze vorzuschreiben. Schon näherte er sich der Mulda, um die Sächsische Armee, die bis Torgau ihm entgegen gerückt war, mit seiner überlegenen Macht aus dem Felde zu schlagen, als die Ankunft des Königs von Schweden zu Erfurt seinen Eroberungsplanen eine unerwartete Grenze setzte. Im Gedränge zwischen der Sächsischen und Schwedischen Macht, welche Herzog Georg von Lüneburg von Niedersachsen aus noch zu verstärken drohte, wich er eilfertig gegen Merseburg zurück, um sich dort mit dem Grafen von Pappenheim zu vereinigen, und die eindringenden Schweden mit Nachdruck zurück zu treiben.

Nicht ohne große Unruhe hatte Gustav Adolph den Kunstgriffen zugesehen, welche Spanien und Oesterreich verschwendeten, um seinen Alliirten von ihm abtrünnig zu machen. So wichtig ihm das Bündniß mit Sachsen war, so viel mehr Ursache hatte er, vor dem unbeständigen Gemüthe Johann Georgs zu zittern. Nie hatte zwischen ihm und dem Churfürsten ein aufrichtiges freundschaftliches Verhältniß Statt gefunden. Einem Prinzen, der auf seine politische Wichtigkeit stolz, und gewohnt war, sich als das Haupt seiner Partey zu betrachten, mußte die Einmischung einer fremden Macht in die Reichsangelegenheiten bedenklich und drückend seyn, und den Widerwillen, womit er die Fortschritte dieses unwillkommnen Fremdlings betrachtete, hatte nur die äußerste Noth seiner Staaten auf eine Zeit lang besiegen können. Das wachsende Ansehen des Königs in Deutschland, sein überwiegender Einfluß auf die protestantischen Stände, die nicht sehr [328] zweydeutigen Beweise seiner ehrgeitzigen Absichten, bedenklich genug, die ganze Wachsamkeit der Reichsstände aufzufodern, machten bey dem Churfürsten tausend Besorgnisse rege, welche die kaiserlichen Unterhändler geschickt zu nähren und zu vergrößern wußten. Jeder eigenmächtige Schritt des Königs, jede auch noch so billige Foderung, die er an die Reichsfürsten machte, gaben dem Churfürsten Anlaß zu bittern Beschwerden, die einen nahen Bruch zu verkündigen schienen. Selbst unter den Generalen beyder Theile zeigten sich, so oft sie vereinigt agiren sollten, vielfache Spuren der Eifersucht, welche ihre Beherrscher entzweyten. Johann Georgs natürliche Abneigung vor dem Krieg, und seine noch immer nicht unterdrückte Ergebenheit gegen Oesterreich, begünstigte Arnheims Bemühungen, der, in beständigem Einverständnisse mit Wallenstein, unermüdet daran arbeitete, seinen Herrn zu einem Privatvergleich mit dem Kaiser zu vermögen; und fanden seine Vorstellungen auch lange Zeit keinen Eingang, so lehrte doch zuletzt der Erfolg, daß sie nicht ganz ohne Wirkung geblieben waren.

Gustav Adolph, mit Recht vor den Folgen bange, die der Abfall eines so wichtigen Bundsgenossen von seiner Partey für seine ganze künftige Existenz in Deutschland haben mußte, ließ kein Mittel unversucht, diesen bedenklichen Schritt zu verhindern, und bis jetzt hatten seine Vorstellungen ihren Eindruck auf den Churfürsten nicht ganz verfehlt. Aber die fürchterliche Macht, womit der Kaiser seine verführerischen Vorschläge unterstützte, und die Drangsale, die er bey längerer Weigerung über Sachsen zu häufen drohte, konnten endlich doch, wenn man ihn seinen Feinden hülflos dahingab, die Standhaftigkeit des Churfürsten überwinden, und diese Gleichgültigkeit gegen einen so wichtigen Bundsgenossen das Vertrauen aller übrigen Alliirten Schwedens zu ihrem Beschützer auf immer darnieder schlagen. Diese Betrachtung bewog den König, den [329] dringenden Einladungen, welche der hart bedrohte Churfürst an ihn ergehen ließ, zum zweytenmale nachzugeben, und der Rettung dieses Bundsgenossen alle seine glänzenden Hoffnungen aufzuopfern. Schon hatte er einen zweyten Angriff auf Ingolstadt beschlossen, und die Schwäche des Churfürsten von Bayern rechtfertigte seine Hoffnung, diesem erschöpften Feinde doch endlich noch die Neutralität aufzudringen. Der Aufstand des Landvolks in Oberösterreich öffnete ihm dann den Weg in dieses Land, und der Sitz des Kaiserthrons konnte in seinen Händen seyn, ehe Wallenstein Zeit hatte, mit Hülfe herbey zu eilen. Alle diese schimmernden Hoffnungen setzte er dem Wohl eines Alliirten nach, den weder Verdienste noch guter Wille dieses Opfers werth machten; der, bey den dringendsten Aufforderungen des Gemeingeistes, nur seinem eigenen Vortheil mit kleinlicher Selbstsucht diente; der nicht durch die Dienste, die man sich von ihm versprach, nur durch den Schaden, den man von ihm besorgte, bedeutend war. Und wer erwehrt sich nun des Unwillens, wenn er hört, daß auf dem Wege, den Gustav Adolph jetzt zur Befreyung dieses Fürsten antritt, der große König das Ziel seiner Thaten findet?

Schnell zog er seine Truppen im Fränkischen Kreise zusammen, und folgte dem Wallensteinischen Heere durch Thüringen nach. Herzog Bernhard von Weimar, der gegen Pappenheim war voraus geschickt worden, stieß bey Arnstadt zu dem Könige, der sich jetzt an der Spitze von zwanzigtausend Mann geübter Truppen erblickte. Zu Erfurt trennte er sich von seiner Gemahlin, die ihn nicht eher als zu Weißenfels – im Sarge wieder sehen sollte; der bange gepreßte Abschied deutete auf eine ewige Trennung. Er erreichte Naumburg am ersten November des Jahrs 1632, ehe die dahin detaschirten Corps des Herzogs von Friedland sich dieses Platzes bemächtigen konnten. Schaarenweise strömte alles Volk aus der umliegenden Gegend herbey, den [330] Helden, den Rächer, den großen König anzustaunen, der ein Jahr vorher auf eben diesem Boden als ein rettender Engel erschienen war. Stimmen der Freude umtönten ihn, wo er sich sehen ließ; anbetend stürzte sich alles vor ihm auf die Kniee; man stritt sich um die Gunst, die Scheide seines Schwerts, den Saum seines Kleides zu berühren. Den bescheidenen Helden empörte dieser unschuldige Tribut, den ihm die aufrichtigste Dankbarkeit und Bewunderung zollte. „Ist es nicht, als ob dieses Volk mich zum Gott mache?“ sagte er zu seinen Begleitern. „Unsre Sachen stehen gut; aber ich fürchte, die Rache des Himmels wird mich für dieses verwegene Gaukelspiel strafen, und diesem thörichten Haufen meine schwache sterbliche Menschheit früh genug offenbaren.“ Wie liebenswürdig zeigt sich uns Gustav, eh er auf ewig von uns Abschied nimmt! So weigert sich der Agamemnon des Griechischen Trauerspiels, auf den Purpur zu treten, den die Ehrfurcht zu seinen Füßen ausbreitet. Auch in der Fülle seines Glücks die richtende Nemesis ehrend, verschmäht er eine Huldigung, die nur den Unsterblichen gebührt, und sein Recht auf unsre Thränen verdoppelt sich, eben da er dem Augenblick nahe ist, sie zu erregen.

Unterdessen war der Herzog von Friedland dem anrückenden König bis Weißenfels entgegen gezogen, entschlossen, die Winterquartiere in Sachsen, auch wenn es eine Schlacht kosten sollte, zu behaupten. Seine Unthätigkeit vor Nürnberg, hatte ihn dem Verdacht ausgesetzt, als ob er sich mit dem Nordischen Helden nicht zu messen wagte, und sein ganzer Ruhm war in Gefahr, wenn er die Gelegenheit zu schlagen zum zweytenmal entwischen ließ. Seine Ueberlegenheit an Truppen, wiewohl weit geringer, als sie in der ersten Zeit des Nürnbergischen Lagers gewesen, machte ihm die wahrscheinlichste Hoffnung zum Sieg, wenn er den König, vor der Vereinigung desselben mit den Sachsen, in ein Treffen verwickeln konnte. Aber seine jetzige Zuversicht war nicht [331] sowohl auf seine größere Truppenzahl, als auf die Versicherungen seines Astrologen Seni gegründet, welcher in den Sternen gelesen hatte, daß das Glück des Schwedischen Monarchen im November untergehen würde. Ueberdieß waren zwischen Kamburg und Weißenfels enge Pässe, von einer fortlaufenden Bergkette und der nahe strömenden Saale gebildet, welche es der Schwedischen Armee äußerst schwer machten, vorzudringen, und mit Hülfe weniger Truppen gänzlich geschlossen werden konnten. Dem König blieb dann keine andere Wahl, als sich mit größter Gefahr durch diese Defileen zu winden, oder einen beschwerlichen Rückzug durch Thüringen zu nehmen, und in einem verwüsteten Lande, wo es an jeder Nothdurft gebrach, den größten Theil seiner Truppen einzubüßen. Die Geschwindigkeit, mit der Gustav Adolph von Naumburg Besitz nahm, vernichtete diesen Plan, und jetzt war es Wallenstein selbst, der den Angriff erwartete.

Aber in dieser Erwartung sah er sich getäuscht, als der König, anstatt ihm bis Weißenfels entgegen zu rücken, alle Anstalten traf, sich bey Naumburg zu verschanzen, und hier die Verstärkungen zu erwarten, welche der Herzog von Lüneburg im Begriff war ihm zuzuführen. Unschlüssig, ob er dem König durch die engen Pässe zwischen Weißenfels und Naumburg entgegen gehen, oder in seinem Lager unthätig stehen bleiben sollte, versammelte er seinen Kriegsrath, um die Meinung seiner erfahrensten Generale zu vernehmen. Keiner von allen fand es rathsam, den König in seiner vortheilhaften Stellung anzugreifen, und die Vorkehrungen, welche dieser zu Befestigung seines Lagers traf, schienen deutlich anzuzeigen, daß er gar nicht Willens sey, es so bald zu verlassen. Aber eben so wenig erlaubte der eintretende Winter, den Feldzug zu verlängern, und eine der Ruhe so sehr bedürftige Armee durch fortgesetzte Kampirung zu ermüden. Alle Stimmen erklärten sich für die Endigung des Feldzugs, [332] um so mehr, da die wichtige Stadt Kölln am Rhein von Holländischen Truppen gefährlich bedroht war, und die Fortschritte des Feindes in Westphalen und am Unterrhein die nachdrücklichste Hülfe in diesen Gegenden erheischten. Der Herzog von Friedland erkannte das Gewicht dieser Gründe, und beynahe überzeugt, daß von dem König für diese Jahrszeit kein Angriff mehr zu befürchten sey, bewilligte er seinen Truppen die Winterquartiere, doch so, daß sie aufs schnellste versammelt waren, wenn etwa der Feind gegen alle Erwartung noch einen Angriff wagte. Graf Pappenheim wurde mit einem großen Theile des Heers entlassen, um der Stadt Kölln zu Hülfe zu eilen, und auf dem Wege dahin die Hallische Festung Moritzburg in Besitz zu nehmen. Einzelne Corps bezogen in den schicklichsten Städten umher ihre Winterquartiere, um die Bewegungen des Feindes von allen Seiten beobachten zu können. Graf Kolloredo bewachte das Schloß zu Weißenfels, und Wallenstein selbst blieb mit dem Ueberrest unweit Merseburg zwischen dem Floßgraben und der Saale stehen, von wo er gesonnen war, seinen Marsch über Leipzig zu nehmen, und die Sachsen von dem Schwedischen Heer abzuschneiden.

Kaum aber hatte Gustav Adolph Pappenheims Abzug vernommen, so verließ er plötzlich sein Lager bey Naumburg, und eilte, den um die Hälfte geschwächten Feind mit seiner ganzen Macht anzufallen. In beschleunigtem Marsche rückte er gegen Weißenfels vor, von wo aus sich das Gerücht von seiner Ankunft schnell bis zum Feinde verbreitete, und den Herzog von Friedland in die höchste Verwunderung setzte. Aber es galt jetzt einen schnellen Entschluß, und der Herzog hatte seine Maaßregeln bald genommen. Obgleich man dem zwanzigtausend Mann starken Feinde nicht viel über zwölftausend entgegen zu setzen hatte, so konnte man doch hoffen, sich bis zu Pappenheims Rückkehr zu behaupten, der sich höchstens fünf Meilen weit, bis [333] Halle, entfernt haben konnte. Schnell flogen Eilboten ab, ihn zurück zu rufen, und zugleich zog sich Wallenstein in die weite Ebene zwischen dem Floßgraben und Lützen, wo er in völliger Schlachtordnung den König erwartete, und ihn durch diese Stellung von Leipzig und den Sächsischen Völkern trennte.

Drey Kanonenschüsse, welche Graf Kolloredo von dem Schlosse zu Weißenfels abbrannte, verkündigten den Marsch des Königs, und auf dieses verabredete Signal zogen sich die Friedländischen Vortruppen unter dem Kommando des Kroatengenerals Isolani zusammen, die an der Rippach gelegenen Dörfer zu besetzen. Ihr schwacher Widerstand hielt den anrückenden Feind nicht auf, der bey dem Dorfe Rippach über das Wasser dieses Namens setzte, und sich unterhalb Lützen der kaiserlichen Schlachtordnung gegenüber stellte. Die Landstraße, welche von Weißenfels nach Leipzig führt, wird zwischen Lützen und Markranstädt von dem Floßgraben durchschnitten, der sich von Zeitz nach Merseburg erstreckt und die Elster mit der Saale verbindet. An diesen Kanal lehnte sich der linke Flügel der Kaiserlichen und der rechte des Königs von Schweden, doch so, daß sich die Reiterey beyder Theile noch jenseits desselben verbreitete. Nordwärts hinter Lützen hatte sich Wallensteins rechter Flügel, und südwärts von diesem Städtchen der linke Flügel des Schwedischen Heers gelagert. Beyde Armeen kehrten der Landstraße ihre Fronte zu, welche mitten durch sie hingieng, und eine Schlachtordnung von der andern absonderte. Aber eben dieser Landstraße hatte sich Wallenstein am Abend vor der Schlacht zum großen Nachtheil seines Gegners bemächtigt, die zu beyden Seiten derselben fortlaufenden Gräben vertiefen und durch Musketiere besetzen lassen, daß der Uebergang ohne Beschwerlichkeit und Gefahr nicht zu wagen war. Hinter denselben ragte eine Batterie von sieben großen Kanonen hervor, das [334] Musketenfeuer aus den Gräben zu unterstützen, und an den Windmühlen, nahe hinter Lützen, waren vierzehn kleinere Feldstücke auf einer Anhöhe aufgepflanzt, von der man einen großen Theil der Ebne bestreichen konnte. Die Infanterie, in nicht mehr als fünf große und unbehülfliche Brigaden vertheilt, stand in einer Entfernung von dreyhundert Schritten hinter der Landstraße in Schlachtordnung, und die Reiterey bedeckte die Flanken. Alles Gepäcke ward nach Leipzig geschickt, um die Bewegungen des Heers nicht zu hindern, und bloß die Munitionswagen hielten hinter dem Treffen. Um die Schwäche der Armee zu verbergen, mußten alle Troßjungen und Knechte zu Pferde sitzen, und sich an den linken Flügel anschließen; doch nur so lange, bis die Pappenheimischen Völker anlangten. Diese ganze Anordnung geschah in der Finsterniß der Nacht, und ehe der Tag graute, war alles zum Empfang des Feindes bereitet.

Noch an eben diesem Abend erschien Gustav Adolph auf der gegenüber liegenden Ebene, und stellte seine Völker zum Treffen. Die Schlachtordnung war dieselbe, wodurch er das Jahr vorher bey Leipzig gesiegt hatte. Durch das Fußvolk wurden kleine Schwadronen verbreitet, unter die Reiterey hin und wieder eine Anzahl Musketiere vertheilt. Die ganze Armee stand in zwey Linien, den Floßgraben zur Rechten und hinter sich, vor sich die Landstraße, und die Stadt Lützen zur Linken. In der Mitte hielt das Fußvolk unter des Grafen von Brahe Befehlen, die Reiterey auf den Flügeln, und vor der Fronte das Geschütz. Einem Deutschen Helden, dem Herzog Bernhard von Weimar, ward die Deutsche Reiterey des linken Flügels untergeben, und auf dem rechten führte der König selbst seine Schweden an, die Eifersucht beyder Völker zu einem edeln Wettkampfe zu erhitzen. Auf ähnliche Art war das zweyte Treffen geordnet, und hinter demselben hielt [335] ein Reservecorps unter Hendersons, eines Schottländers, Kommando.

Also gerüstet erwartete man die blutige Morgenröthe, um einen Kampf zu beginnen, den mehr der lange Aufschub als die Wichtigkeit der möglichen Folgen, mehr die Auswahl als die Anzahl der Truppen furchtbar und merkwürdig machten. Die gespannten Erwartungen Europens, die man im Lager vor Nürnberg hinterging, sollten nun in den Ebenen Lützens befriedigt werden. Zwey solche Feldherrn, so gleich an Ansehen, an Ruhm und an Fähigkeit, hatten im ganzen Laufe dieses Kriegs noch in keiner offenbaren Schlacht ihre Kräfte gemessen, eine so hohe Wette noch nie die Kühnheit geschreckt, ein so wichtiger Preis noch nie die Hoffnung begeistert. Der morgende Tag sollte Europa seinen ersten Kriegsfürsten kennen lehren, und einen Ueberwinder dem nie überwundenen geben. Ob am Lechstrom und bey Leipzig Gustav Adolphs Genie, oder nur die Ungeschicklichkeit seines Gegners den Ausschlag bestimmte, mußte der morgende Tag außer Zweifel setzen. Morgen mußte Friedlands Verdienst die Wahl des Kaisers rechtfertigen, und die Größe des Mannes die Größe des Preises aufwägen, um den er erkauft worden war. Eifersüchtig theilte jeder einzelne Mann im Heer seines Führers Ruhm, und unter jedem Harnische wechselten die Gefühle, die den Busen der Generale durchflammten. Zweifelhaft war der Sieg, gewiß die Arbeit und das Blut, das er dem Ueberwinder wie dem Ueberwundenen kosten mußte. Man kannte den Feind vollkommen, dem man jetzt gegenüber stand, und die Bangigkeit, die man vergeblich bekämpfte, zeugte glorreich für seine Stärke.

Finsterniß bedeckt noch die schweigende Ebene, und der zögernde Morgen gibt der Furcht eine grauenvolle Frist, alle Schrecken des vor ihr ausgebreiteten Grabes zu zergliedern und den vollen Kelch des Entsetzens auszuleeren. Schwer liegt über [336] beyden Schlachtordnungen der Himmel, schwerer die Erwartung auf jeder einzelnen Brust. Endlich erscheint der gefürchtete Morgen; aber ein undurchdringlicher Nebel, der über das ganze Schlachtfeld verbreitet liegt, verzögert den Angriff noch bis zur Mittagsstunde. Vor der Fronte knieend hält der König seine Andacht; die ganze Armee, auf die Kniee hingestürzt, stimmt zu gleicher Zeit ein rührendes Lied an, und die Feldmusik begleitet den Gesang. Dann steigt der König zu Pferde, und bloß mit einem ledernen Goller und einem Tuchrock bekleidet (eine vormals empfangene Wunde erlaubte ihm nicht mehr, den Harnisch zu tragen) durchreitet er die Glieder, den Muth der Truppen zu einer frohen Zuversicht zu entflammen, die sein eigner ahndungsvoller Busen verläugnet. Gott mit uns, war das Wort der Schweden; das der Kaiserlichen: Jesus Maria. Gegen eilf Uhr fängt der Nebel an sich zu zertheilen, und der Feind wird sichtbar. Zugleich sieht man Lützen in Flammen stehen, auf Befehl des Herzogs in Brand gesteckt, damit er von dieser Seite nicht überflügelt würde. Jetzt tönt die Losung, die Reiterey sprengt gegen den Feind und das Fußvolk ist im Anmarsch gegen die Gräben.

Von einem fürchterlichen Feuer der Musketen und des dahinter gepflanzten groben Geschützes empfangen, setzen diese tapfern Bataillons mit unerschrocknem Muth ihren Angriff fort, die feindlichen Musketiere verlassen ihren Posten, die Gräben sind übersprungen, die Batterie selbst wird erobert, und sogleich gegen den Feind gerichtet. Sie dringen weiter mit unaufhaltsamer Gewalt, die erste der fünf Friedländischen Brigaden wird niedergeworfen, gleich darauf die zweyte, und schon wendet sich die dritte zur Flucht; aber hier stellt sich der schnell gegenwärtige Geist des Herzogs ihrem Andrang entgegen. Mit Blitzesschnelligkeit ist er da, der Unordnung seines Fußvolks zu steuern, und seinem Machtwort gelingts, die Fliehenden zum Stehen [337] zu bewegen. Von drey Kavallerieregimentern unterstützt, machen die schon geschlagenen Brigaden aufs neue Fronte gegen den Feind, und dringen mit Macht in seine zerrissenen Glieder. Ein mörderischer Kampf erhebt sich, der nahe Feind giebt dem Schießgewehr keinen Raum, die Wuth des Angriffs keine Frist mehr zur Ladung, Mann ficht gegen Mann, das unnütze Feuerrohr macht dem Schwert und der Pike Platz, und die Kunst der Erbitterung. Ueberwältigt von der Menge weichen endlich die ermatteten Schweden über die Gräben zurück, und die schon eroberte Batterie geht bey diesem Rückzug verloren. Schon bedecken tausend verstümmelte Leichen das Land, und noch ist kein Fuß breit Erde gewonnen.

Indessen hat der rechte Flügel des Königs, von ihm selbst angeführt, den linken des Feindes angefallen. Schon der erste machtvolle Andrang der schweren Finnländischen Kürassiere zerstreute die leicht berittnen Pohlen und Kroaten, die sich an diesen Flügel anschlossen, und ihre unordentliche Flucht theilte auch der übrigen Reiterey Furcht und Verwirrung mit. In diesem Augenblick hinterbringt man dem König, daß seine Infanterie über die Gräben zurückweiche, und auch sein linker Flügel durch das feindliche Geschütz von den Windmühlen aus furchtbar geängstigt und schon zum Weichen gebracht werde. Mit schneller Besonnenheit überträgt er dem General von Horn, den schon geschlagenen linken Flügel des Feindes zu verfolgen, und er selbst eilt an der Spitze des Steinbockischen Regiments davon, der Unordnung seines eigenen linken Flügels abzuhelfen. Sein edles Roß trägt ihn pfeilschnell über die Gräben; aber schwerer wird den nachfolgenden Schwadronen der Uebergang, und nur wenige Reiter, unter denen Franz Albert Herzog von Sachsen-Lauenburg genannt wird, waren schnell genug, ihm zur Seite zu bleiben. Er sprengte geraden Wegs demjenigen Orte zu, wo sein [338] Fußvolk am gefährlichsten bedrängt war, und indem er seine Blicke umher sendet, irgend eine Blöße des feindlichen Heers auszuspähen, auf die er den Angriff richten könnte, führt ihn sein kurzes Gesicht zu nah an dasselbe. Ein kaiserlicher Gefreyter bemerkt, daß dem Vorübersprengenden alles ehrfurchtsvoll Platz macht, und schnell befiehlt er einem Musketier, auf ihn anzuschlagen. „Auf den dort schieße,“ ruft er, „das muß ein vornehmer Mann seyn.“ Der Soldat drückt ab, und dem König wird der linke Arm zerschmettert. In diesem Augenblick kommen seine Schwadronen dahergesprengt, und ein verwirrtes Geschrey: Der König blutet – Der König ist erschossen! breitet unter den Ankommenden Schrecken und Entsetzen aus. „Es ist nichts – folgt mir“ ruft der König, seine ganze Stärke zusammenraffend; aber überwältigt von Schmerz und der Ohnmacht nahe, bittet er in Französischer Sprache den Herzog von Lauenburg, ihn ohne Aufsehen aus dem Gedränge zu schaffen. Indem der Letztere auf einem weiten Umweg, um der muthlosen Infanterie diesen niederschlagenden Anblick zu entziehen, nach dem rechten Flügel mit dem Könige umwendet, erhält dieser einen zweyten Schuß durch den Rücken, der ihm den letzten Rest seiner Kräfte raubt. „Ich habe genug, Bruder,“ ruft er mit sterbender Stimme. „Suche du nur dein Leben zu retten.“ Zugleich sank er vom Pferd, und von noch mehrern Schüssen durchbohrt, von allen seinen Begleitern verlassen, verhauchte er unter den räuberischen Händen der Kroaten sein Leben. Bald entdeckte sein ledig fliehendes, in Blute gebadetes Roß der Schwedischen Reiterey ihres Königs Fall, und wüthend dringt sie herbey, dem gierigen Feind diese heilige Beute zu entreißen. Um seinen Leichnam entbrennt ein mördrisches Gefecht, und der entstellte Körper wird unter einem Hügel von Todten begraben.

Die Schreckenspost durcheilt in kurzer Zeit das ganze Schwedische Heer; aber anstatt den Muth [339] dieser tapfern Schaaren zu ertödten, entzündet sie ihn vielmehr zu einem neuen, wilden, verzehrenden Feuer. Das Leben fällt in seinem Preise, da das heiligste aller Leben dahin ist, und der Tod hat für den Niedrigen keine Schrecken mehr, seitdem er das gekrönte Haupt nicht verschonte. Mit Löwengrimm werfen sich die Upländischen, Smaländischen, Finnischen, Ost- und Westgothischen Regimenter zum zweytenmal auf den linken Flügel des Feindes, der dem General von Horn nur noch schwachen Widerstand leistet, und jetzt völlig aus dem Felde geschlagen wird. Zugleich giebt Herzog Bernhard von Weimar dem verwaisten Heere der Schweden in seiner Person ein fähiges Oberhaupt, und der Geist Gustav Adolphs führt von neuem seine siegreichen Schaaren. Schnell ist der linke Flügel wieder geordnet, und mit Macht dringt er auf den rechten der Kaiserlichen ein. Das Geschütz an den Windmühlen, das ein so mörderisches Feuer auf die Schweden geschleudert hatte, fällt in seine Hand, und auf die Feinde selbst werden jetzt diese Donner gerichtet. Auch der Mittelpunkt des Schwedischen Fußvolks setzt unter Bernhards und Kniephausens Anführung aufs neue gegen die Gräben an, über die er sich glücklich hinwegschwingt, und zum zweytenmal die Batterie der sieben Kanonen erobert. Auf die schweren Bataillons des feindlichen Mittelpunkts wird jetzt mit gedoppelter Wuth der Angriff erneuert, immer schwächer und schwächer widerstehen sie, und der Zufall selbst verschwört sich mit der Schwedischen Tapferkeit, ihre Niederlage zu vollenden. Feuer ergreift die kaiserlichen Pulverwagen, und unter schrecklichem Donnerknalle sieht man die aufgehäuften Granaten und Bomben in die Lüfte fliegen. Der in Bestürzung gesetzte Feind wähnt sich von hinten angefallen, indem die Schwedischen Brigaden von vorn ihm entgegen stürmen. Der Muth entfällt ihm. Er sieht seinen linken Flügel geschlagen, seinen rechten im Begriff zu erliegen, sein Geschütz in des Feindes Hand. Es neigt sich die Schlacht zu ihrer Entscheidung, das [340] Schicksal des Tages hängt nur noch an einem einzigen Augenblick – da erscheint Pappenheim auf dem Schlachtfelde mit Kürassieren und Dragonern; alle erhaltenen Vortheile sind verloren, und eine ganz neue Schlacht fängt an.

Der Befehl, welcher diesen General nach Lützen zurückrief, hatte ihn zu Halle erreicht, eben da seine Völker mit Plünderung dieser Stadt noch beschäftigt waren. Unmöglich wars, das zerstreute Fußvolk mit der Schnelligkeit zu sammeln, als die dringende Ordre und die Ungeduld dieses Kriegers verlangten. Ohne es zu erwarten, ließ er acht Regimenter Kavallerie aufsitzen, und eilte an der Spitze derselben spornstreichs auf Lützen zu, an dem Feste der Schlacht Theil zu nehmen. Er kam noch eben recht, um die Flucht des kaiserlichen linken Flügels, den Gustav Horn aus dem Felde schlug, zu bezeugen, und sich anfänglich selbst darein verwikkelt zu sehen. Aber mit schneller Gegenwart des Geistes sammelt er diese flüchtigen Völker wieder, und führt sie aufs neue gegen den Feind. Fortgerissen von seinem wilden Muth, und voll Ungeduld, dem König selbst, den er an der Spitze dieses Flügels vermuthet, gegenüber zu fechten, bricht er fürchterlich in die Schwedischen Scharen, die, ermattet vom Sieg und an Anzahl zu schwach, dieser Fluth von Feinden nach dem männlichsten Widerstand unterliegen. Auch den erlöschenden Muth des kaiserlichen Fußvolks ermuntert Pappenheims nicht mehr gehoffte Erscheinung, und schnell benutzt der Herzog von Friedland den günstigen Augenblick, das Treffen aufs neue zu formiren. Die dicht geschlossenen Schwedischen Bataillons werden unter einem mörderischen Gefechte über die Gräben zurückgetrieben, und die zweymal verlornen Kanonen zum zweytenmal ihren Händen entrissen. Das ganze gelbe Regiment, als das trefflichste von allen, die an diesem blutigen Tage Beweise ihres Heldenmuths gaben, lag todt dahingestreckt, und bedeckte noch in derselben schönen Ordnung den Wahlplatz, den es lebend mit so [341] standhaftem Muthe behauptet hatte. Ein ähnliches Loos traf ein andres blaues Regiment, welches Graf Piccolomini mit der kaiserlichen Reiterey nach dem wüthendsten Kampfe zu Boden warf. Zu sieben verschiedenen Mahlen wiederholte dieser treffliche General den Angriff; sieben Pferde wurden unter ihm erschossen, und sechs Musketenkugeln durchbohrten ihn. Dennoch verließ er das Schlachtfeld nicht eher, als bis ihn der Rückzug des ganzen Heeres mit fortriß. Den Herzog selbst sah man mitten unter dem feindlichen Kugelregen, mit kühler Seele seine Truppen durchreiten, dem Nothleidenden nahe mit Hülfe, dem Tapfern mit Beyfall, dem Verzagten mit seinem strafenden Blick. Um und neben ihm stürzen seine Völker entseelt dahin, und sein Mantel wird von vielen Kugeln durchlöchert. Aber die Rachegötter beschützen heute seine Brust, für die schon ein anderes Eisen geschliffen ist; auf dem Bette, wo Gustav erblaßte, sollte Wallenstein den schuldbefleckten Geist nicht verhauchen.

Nicht so glücklich war Pappenheim, der Telamonier des Heers, der furchtbarste Soldat des Hauses Oesterreich und der Kirche. Glühende Begier, dem König selbst im Kampfe zu begegnen, riß den Wüthenden mitten in das blutigste Schlachtgewühl, wo er seinen edeln Feind am wenigsten zu verfehlen hoffte. Auch Gustav hatte den feurigen Wunsch gehegt, diesen geachteten Gegner von Angesicht zu sehen; aber die feindselige Sehnsucht blieb ungestillt, und erst der Tod führte die versöhnten Helden zusammen. Zwey Musketenkugeln durchbohrten Pappenheims narbenvolle Brust, und gewaltsam mußten ihn die Seinen aus dem Mordgewühl tragen. Indem man beschäftigt war, ihn hinter das Treffen zu bringen, drang ein Gemurmel zu seinen Ohren, daß der, den er suchte, entseelt auf dem Wahlplatz liege. Als man ihm die Wahrheit dieses Gerüchtes bekräftigte, erheiterte sich sein Gesicht, und das letzte Feuer blitzte in seinen Augen. „So hinterbringe man denn dem Herzog [342] von Friedland,“ rief er aus, „daß ich ohne Hoffnung zum Leben darnieder liege, aber fröhlich dahin scheide, da ich weiß, daß dieser unversöhnliche Feind meines Glaubens an Einem Tage mit mir gefallen ist.“

Mit Pappenheim verschwand das Glück der Kaiserlichen von dem Schlachtfelde. Nicht sobald vermißte die schon einmal geschlagene und durch ihn allein wieder hergestellte Reiterey des linken Flügels ihren sieghaften Führer, als sie alles verloren gab, und mit schimpflicher Verzweiflung das Weite suchte. Gleiche Bestürzung ergriff auch den rechten Flügel, wenige Regimenter ausgenommen, welche die Tapferkeit ihrer Obersten, Götz, Terzky, Kolloredo und Piccolomini, nöthigte Stand zu halten. Die Schwedische Infanterie benutzt mit schneller Entschlossenheit die Bestürzung des Feindes. Um die Lücken zu ergänzen, welche der Tod in ihr Vordertreffen gerissen, ziehen sich beyde Linien in Eine zusammen, die den letzten entscheidenden Angriff wagt. Zum drittenmal setzt sie über die Gräben und zum drittenmal werden die dahinter gepflanzten Stücke erobert. Die Sonne neigt sich eben zum Untergang, indem beyde Schlachtordnungen auf einander treffen. Heftiger erhitzt sich der Streit an seinem Ende, die letzte Kraft ringt mit der letzten Kraft, Geschicklichkeit und Wuth thun ihr äußerstes, in den letzten theuren Minuten den ganzen verlorenen Tag nachzuholen. Umsonst, die Verzweiflung erhebt jede über sich selbst, keine versteht zu siegen, keine zu weichen, und die Taktik erschöpft hier ihre Wunder nur, um dort neue, nie gelernte, nie in Uebung gebrachte Meisterstücke der Kunst zu entwickeln. Endlich setzen Nebel und Nacht dem Gefecht eine Grenze, dem die Wuth keine setzen will, und der Angriff hört auf, weil man seinen Feind nicht mehr findet. Beyde Kriegsheere scheiden mit stillschweigender Uebereinkunft aus einander, die erfreuenden Trompeten ertönen, und jedes, für unbesiegt sich erklärend, verschwindet aus dem Gefilde.

[343] Die Artillerie beyder Theile blieb, weil die Rosse sich verlaufen, die Nacht über auf dem Wahlplatze verlassen stehen – zugleich der Preis und die Urkunde des Sieges für den, der die Wahlstatt eroberte. Aber über der Eilfertigkeit, mit der er von Leipzig und Sachsen Abschied nahm, vergaß der Herzog von Friedland, seinen Antheil daran von dem Schlachtfelde abzuholen. Nicht lange nach geendigtem Treffen erschien das Pappenheimische Fußvolk, das seinem voraus eilenden General nicht schnell genug hatte folgen können, sechs Regimenter stark, auf dem Wahlplatz; aber die Arbeit war gethan. Wenige Stunden früher würde diese beträchtliche Verstärkung die Schlacht wahrscheinlich zum Vortheil des Kaisers entschieden, und selbst noch jetzt durch Eroberung des Schlachtfelds die Artillerie des Herzogs gerettet und die Schwedische erbeutet haben. Aber keine Ordre war da, ihr Verhalten zu bestimmen, und zu ungewiß über den Ausgang der Schlacht, nahm sie ihren Weg nach Leipzig, wo sie das Hauptheer zu finden hoffte.

Dahin hatte der Herzog von Friedland seinen Rückzug genommen, und ohne Geschütz, ohne Fahnen, und beynahe ohne alle Waffen, folgte ihm am andern Morgen der zerstreute Ueberrest seines Heers. Zwischen Lützen und Weißenfels, scheint es, ließ Herzog Bernhard die Schwedische Armee von den Anstrengungen dieses blutigen Tages sich erholen, nahe genug an dem Schlachtfeld, um jeden Versuch des Feindes zu Eroberung desselben sogleich vereiteln zu können. Von beyden Armeen lagen über neuntausend Mann todt auf dem Wahlplatze; noch weit größer war die Zahl der Verwundeten, und unter den Kaiserlichen besonders fand sich kaum Einer, der unverletzt aus dem Treffen zurückgekehrt wäre. Die ganze Ebene von Lützen bis an den Floßgraben war mit Verwundeten, mit Sterbenden, mit Todten bedeckt. Viele von dem vornehmsten Adel waren auf beyden Seiten gefallen; auch der Abt von Fulda, der sich als [344] Zuschauer in die Schlacht gemischt hatte, büßte seine Neugier und seinen unzeitigen Glaubenseifer mit dem Tode. Von Gefangenen schweigt die Geschichte; ein Beweis mehr für die Wuth der Armeen, die keinen Pardon gab oder keinen verlangte.

Pappenheim starb gleich am folgenden Tage zu Leipzig an seinen Wunden; ein unersetzlicher Verlust für das kaiserliche Heer, das dieser treffliche Krieger so oft zum Sieg geführt hatte. Die Prager Schlacht, der er zugleich mit Wallenstein als Oberster beywohnte, öffnete seine Heldenbahn. Gefährlich verwundet warf er durch das Ungestüm seines Muths mit wenigen Truppen ein feindliches Regiment darnieder, und lag viele Stunden lang, mit andern Todten verwechselt, unter der Last seines Pferdes auf der Wahlstatt, bis ihn die Seinigen bey Plünderung des Schlachtfelds entdeckten. Mit wenigem Volk überwand er die Rebellen in Oberösterreich, vierzigtausend an der Zahl, in drey verschiedenen Schlachten, hielt in dem Treffen bey Leipzig die Niederlage des Tilly lange Zeit durch seine Tapferkeit auf, und machte die Waffen des Kaisers an der Elbe und an dem Weserstrom siegen. Das wilde stürmische Feuer seines Muths, den auch die entschiedenste Gefahr nicht schreckte, und kaum das Unmögliche bezwang, machte ihn zum furchtbarsten Arm des Feldherrn, aber untüchtig zum Oberhaupt des Heers; das Treffen bey Leipzig gieng, wenn man dem Ausspruch Tillys glauben darf, durch seine ungestüme Hitze verloren. Auch Er tauchte bey Magdeburgs Zerstörung seine Hand in Blut; sein Geist, durch frühen jugendlichen Fleiß und vielfältige Reisen zur schönsten Blüthe entfaltet, verwilderte unter den Waffen. Auf seiner Stirne erblickte man zwey rothe Striemen, Schwertern ähnlich, womit die Natur schon bey der Geburt ihn gezeichnet hatte. Auch noch in spätern Jahren erschienen diese Flecken, so oft eine Leidenschaft sein Blut in Bewegung brachte, und der Aberglaube überredete [345] sich leicht, daß der künftige Beruf des Mannes schon auf der Stirne des Kindes angedeutet worden sey. Ein solcher Diener hatte auf die Dankbarkeit beyder Oesterreichischen Linien den gegründetsten Anspruch; aber den glänzendsten Beweis derselben erlebte er nicht mehr. Schon war der Eilbote auf dem Wege, der ihm das goldne Vließ von Madrid überbringen sollte, als der Tod ihn zu Leipzig dahinraffte.

Ob man gleich in allen Oesterreichischen und Spanischen Landen über den erfochtenen Sieg das Te Deum anstimmte, so gestand doch Wallenstein selbst durch die Eilfertigkeit, mit der er Leipzig und bald darauf ganz Sachsen verließ, und auf die Winterquartiere in diesem Lande Verzicht that, öffentlich und laut seine Niederlage. Zwar that er noch einen schwachen Versuch, die Ehre des Siegs gleichsam im Flug wegzuhaschen, und schickte am andern Morgen seine Kroaten aus, das Schlachtgefild zu umschwärmen; aber der Anblick des Schwedischen Heers, das in Schlachtordnung dastand, verscheuchte im Augenblick diese flüchtigen Schaaren, und Herzog Bernhard nahm durch Eroberung der Wahlstatt, auf welche bald nachher die Einnahme Leipzigs folgte, unbestrittenen Besitz von allen Rechten des Siegers.

Aber ein theurer Sieg, ein trauriger Triumph! Jetzt erst, nachdem die Wuth des Kampfes erkaltet ist, empfindet man die ganze Größe des erlittenen Verlustes, und das Jubelgeschrey der Ueberwinder erstirbt in einer stummen, finstern Verzweiflung. Er, der sie in den Streit herausgeführt hatte, ist nicht mit zurückgekehrt. Draußen liegt er in seiner gewonnenen Schlacht, mit dem gemeinen Haufen niedriger Todten verwechselt. Nach langem vergeblichen Suchen entdeckt man endlich den königlichen Leichnam, unfern dem großen Steine, der schon hundert Jahre vorher zwischen dem Floßgraben und Lützen gesehen worden, aber von dem merkwürdigen Unglücksfalle dieses Tages den Namen des Schwedensteines führt. Von Blut und Wunden bis zum Unkenntlichen entstellt, von den [346] Hufen der Pferde zertreten, und durch räuberische Hände seines Schmucks, seiner Kleider beraubt, wird er unter einem Hügel von Todten hervorgezogen, nach Weißenfels gebracht, und dort dem Wehklagen seiner Truppen, den letzten Umarmungen seiner Königin überliefert. Den ersten Tribut hatte die Rache geheischt, und Blut mußte dem Monarchen zum Sühnopfer strömen; jetzt tritt die Liebe in ihre Rechte ein, und milde Thränen fließen – um den Menschen. Der allgemeine Schmerz verschlingt jedes einzelne Leiden. Von dem betäubenden Schlag noch besinnungslos, stehen die Anführer in dumpfer Erstarrung um seine Bahre, und keiner getraut sich noch die Größe der Verwüstung zu untersuchen, die der fliegende Blitz auf seinem Wege verbreitete.

Der Kaiser, erzählt uns Khevenhiller, zeigte beym Anblick des blutigen Gollers, den man dem Könige in der Schlacht abgenommen, und nach Wien geschickt hatte, eine anständige Rührung, die ihm wahrscheinlich auch von Herzen gieng. „Gern,“ rief er aus, „hätte ich dem Unglücklichen ein längeres Leben und eine fröhliche Rückkehr in sein Königreich gegönnt, wenn nur in Deutschland Friede worden wäre!“ Aber wenn ein neuerer katholischer Schriftsteller von anerkanntem Verdienst diesen Beweis eines nicht ganz unterdrückten Menschengefühls, den selbst schon der äußere Anstand fodert, den auch die bloße Selbstliebe dem fühllosesten Herzen abnöthigt, und dessen Gegentheil nur in der rohesten Seele möglich werden kann, der höchsten Lobpreisung würdig findet, und gar dem Edelmuth Alexanders gegen das Andenken des Darius an die Seite setzt, so erweckt er uns ein schlechtes Vertrauen zu dem übrigen Werth seines Helden, oder, was noch schlimmer wäre, zu seinem eigenen Ideale von sittlicher Würde. Aber auch ein solches Lob ist bey demjenigen schon viel, den man von dem Verdacht eines Königsmordes zu reinigen sich genöthigt findet!

[347] Es war wohl kaum zu erwarten, daß der mächtige Hang der Menschen zum Außerordentlichen dem gewöhnlichen Laufe der Natur den Ruhm lassen würde, das wichtige Leben eines Gustav Adolphs geendigt zu haben. Der Tod dieses furchtbaren Gegners war für den Kaiser eine zu wichtige Begebenheit, um nicht bey einer feindseligen Partey den so leicht sich darbietenden Gedanken zu erregen, daß das, was ihm nützte, von ihm veranlaßt worden sey. Aber der Kaiser bedurfte zu Ausführung dieser schwarzen That eines fremden Armes, und auch diesen glaubte man in der Person Franz Alberts Herzogs von Sachsen-Lauenburg gefunden zu haben. Diesem erlaubte sein Rang einen freyen unverdächtigen Zutritt zu dem Monarchen, und eben diese ehrenvolle Würde diente dazu, ihn über den Verdacht einer schändlichen Handlung hinweg zu setzen. Es braucht also bloß gezeigt zu werden, daß dieser Prinz einer solchen Abscheulichkeit fähig, und daß er hinlänglich dazu aufgefodert war, sie wirklich zu verüben.

Franz Albert, der jüngste von vier Söhnen Franz des Zweyten, Herzogs von Lauenburg, und durch seine Mutter verwandt mit dem Wasaischen Fürstengeschlechte, hatte in jüngern Jahren am Schwedischen Hofe eine freundschaftliche Aufnahme gefunden. Eine Unanständigkeit, die er sich im Zimmer der Königin Mutter gegen Gustav Adolph erlaubte, wurde, wie man sagt, von diesem feurigen Jüngling mit einer Ohrfeige geahndet, die, obgleich im Augenblick bereut und durch die vollständigste Genugthuung gebüßt, in dem rachgierigen Gemüth des Herzogs den Grund zu einer unversöhnlichen Feindschaft legte. Franz Albert trat in der Folge in kaiserliche Dienste, wo er ein Regiment anzuführen bekam, mit dem Herzog von Friedland in die engste Verbindung trat, und sich zu einer heimlichen Unterhandlung am Sächsischen Hofe gebrauchen ließ, die seinem Rang wenig Ehre machte. Ohne eine erhebliche Ursache davon angeben zu können, [348] verläßt er unvermuthet die Oesterreichischen Fahnen, und erscheint zu Nürnberg im Lager des Königs, ihm seine Dienste als Volontair anzubieten. Durch seinen Eifer für die protestantische Sache und ein zuvorkommendes einschmeichelndes Betragen gewinnt er des Königs Herz, der, von Oxenstierna vergeblich gewarnt, seine Gunst und Freundschaft an den verdächtigen Ankömmling verschwendet. Bald darauf kommt es bey Lützen zur Schlacht, in welcher Franz Albert dem Monarchen wie ein böser Dämon beständig zur Seite bleibt, und erst nachdem der König schon gefallen ist, von ihm scheidet. Mitten unter den Kugeln der Feinde bleibt er unverletzt, weil er eine grüne Binde, die Farbe der Kaiserlichen, um den Leib trägt. Er ist der erste, der dem Herzog von Friedland, seinem Freunde, den Fall des Königs hinterbringt. Er vertauscht gleich nach dieser Schlacht die Schwedischen Dienste mit den Sächsischen, und bey der Ermordung Wallensteins, als ein Mitschuldiger dieses Generals eingezogen, entgeht er nur durch Abschwörung seines Glaubens dem Schwerte des Nachrichters. Endlich erscheint er aufs neue als Befehlshaber einer kaiserlichen Armee in Schlesien, und stirbt vor Schweidnitz an empfangenen Wunden. Es erfodert wirklich einige Selbstüberwindung, sich der Unschuld eines Menschen anzunehmen, der einen Lebenslauf, wie diesen, gelebt hat; aber wenn die moralische und physische Möglichkeit einer so verabscheuungswerthen That auch noch so sehr aus den angeführten Gründen erhellte, so zeigt schon der erste Blick, daß sie auf die wirkliche Begehung derselben keinen rechtmäßigen Schluß erlauben. Es ist bekannt, daß Gustav Adolph wie der gemeinste Soldat in seinem Heer sich der Gefahr bloß stellte, und wo Tausende fielen, konnte auch er seinen Untergang finden. Wie er ihn fand, bleibt in undurchdringliches Dunkel verhüllt; aber mehr als irgend wo gilt hier die Maxime, da wo der natürliche Lauf der Dinge zu einem vollkommenen Erklärungsgrund hinreicht, die Würde der [349] menschlichen Natur durch keine moralische Beschuldigung zu entehren.

Aber durch welche Hand er auch mag gefallen seyn, so muß uns dieses außerordentliche Schicksal als eine That der großen Natur erscheinen. Die Geschichte, so oft nur auf das freudenlose Geschäft eingeschränkt, das einförmige Spiel der menschlichen Leidenschaft aus einander zu legen, sieht sich zuweilen durch Erscheinungen belohnt, die gleich einem kühnen Griff aus den Wolken in das berechnete Uhrwerk der menschlichen Unternehmungen fallen, und den nachdenkenden Geist auf eine höhere Ordnung der Dinge verweisen. Ungern zwar sieht sich der Mensch in seinem beschränkten Maschinengang durch die ungestüme Dazwischenkunft dieser Macht unterbrochen, die ohne Einstimmigkeit mit ihm, ohne Schonung für seine dürftige Schöpfung, ihre eignen Zwecke mit kühner Freyheit verfolgt, und oft mit Einem gigantischen Schritt die mühsame Pflanzung eines Menschenalters unerbittlich verwüstet. Aber indem seine überraschten Sinne unter der Macht eines so unerwarteten Zufalls erliegen, schwingt sich die Vernunft, ihre Würde fühlend, zu den übersinnlichen Quellen desselben auf, und ein anderes System von Gesetzen, worin sich die kleinliche Schätzung der Dinge verliert, erscheint vor ihrem erweiterten Blicke. So ergreift uns Gustav Adolphs schnelle Verschwindung vom Schauplatz, die das ganze Spiel des politischen Uhrwerks mit Einemmal hemmt, und alle Berechnungen der menschlichen Klugheit vereitelt. Gestern noch der belebende Geist, der große und einzige Beweger seiner Schöpfung – heute in seinem Adlerfluge unerbittlich dahingestürzt, herausgerissen aus einer Welt von Entwürfen, von der reifenden Saat seiner Hoffnungen ungestüm abgerufen, läßt er seine verwaiste Partey trostlos hinter sich, und in Trümmern fällt der stolze Bau seiner vergänglichen Größe. Schwer entwöhnt sich die protestantische Welt von den [350] Hoffnungen, die sie auf diesen unüberwindlichen Anführer setzte, und mit ihm fürchtet sie ihr ganzes voriges Glück zu begraben. Aber es war nicht mehr der Wohlthäter Deutschlands, der bey Lützen sank. Die wohlthätige Hälfte seiner Laufbahn hatte Gustav Adolph geendigt, und der größte Dienst, den er der Freyheit des Deutschen Reichs noch erzeigen kann, ist – zu sterben. Die alles verschlingende Macht des Einzigen zerfällt, und Viele versuchen ihre Kräfte; der zweydeutige Beystand eines übermächtigen Beschützers macht der rühmlichern Selbsthülfe der Stände Platz, und vorher nur die Werkzeuge zu seiner Vergrößerung, fangen sie erst jetzt an, für sich selbst zu arbeiten. In ihrem eigenen Muthe suchen sie nunmehr die Rettungsmittel auf, die von der Hand des Mächtigen ohne Gefahr nicht empfangen werden, und die Schwedische Macht, außer Stand gesetzt, in eine Unterdrückerin auszuarten, tritt in die bescheidenen Grenzen einer Alliirten zurück.

Unverkennbar strebte der Ehrgeitz des Schwedischen Monarchen nach einer Gewalt in Deutschland, die mit der Freyheit der Stände unvereinbar war, und nach einer bleibenden Besitzung im Mittelpunkte dieses Reiches. Sein Ziel war der Kaiserthron; und diese Würde, durch seine Macht unterstützt und geltend gemacht durch seine Thätigkeit, war in seiner Hand einem weit größern Mißbrauch ausgesetzt, als man von dem Oesterreichischen Geschlechte zu befürchten hatte. Geboren im Ausland, in den Maximen der Alleinherrschaft auferzogen, und aus frommer Schwärmerey ein abgesagter Feind der Papisten, war er nicht wohl geschickt, das Heiligthum Deutscher Verfassung zu bewahren, und vor der Freyheit der Stände Achtung zu tragen. Die anstößige Huldigung, welche, außer mehrern andern Städten, die Reichsstadt Augsburg der Schwedischen Krone zu leisten vermocht wurde, zeigte weniger den Beschützer des Reichs als den [351] Eroberer; und diese Stadt, stolzer auf den Titel einer Königsstadt, als auf den rühmlichern Vorzug der Reichsfreyheit, schmeichelte sich schon im voraus, der Sitz seines neuen Reichs zu werden. Seine nicht genug verhehlten Absichten auf das Erzstift Mainz, welches er anfangs dem Churprinzen von Brandenburg, als Mitgift seiner Tochter Christina, und nachher seinem Kanzler und Freund Oxenstierna bestimmte, legte deutlich an den Tag, wie viel er sich gegen die Verfassung des Reichs zu erlauben fähig war. Die mit ihm verbundenen protestantischen Fürsten machten Ansprüche an seine Dankbarkeit, die nicht anders, als auf Unkosten ihrer Mitstände, und besonders der unmittelbaren Stifter, zu befriedigen waren; und vielleicht war der Entwurf schon gemacht, die eroberten Provinzen, nach Art jener alten barbarischen Horden, die das alte Römerreich überschwemmten, unter seine Deutschen und Schwedischen Kriegsgenossen, wie einen gemeinschaftlichen Raub zu vertheilen. In seinem Betragen gegen den Pfalzgrafen Friedrich verläugnete er ganz die Großmuth des Helden, und den heiligen Charakter eines Beschützers. Die Pfalz war in seinen Händen, und die Pflichten sowohl der Gerechtigkeit als der Ehre foderten ihn auf, diese den Spaniern entrissene Provinz ihrem rechtmäßigen Eigenthümer in vollkommenem Stande zurück zu geben. Aber durch eine Spitzfindigkeit, die eines großen Mannes nicht würdig ist, und den ehrwürdigen Namen eines Vertheidigers der Unterdrückten schändet, wußte er dieser Verbindlichkeit zu entschlüpfen. Er betrachtete die Pfalz als eine Eroberung, die aus Feindeshänden an ihn gekommen sey, und glaubte daraus ein Recht abzuleiten, nach Willkühr darüber zu verfügen. Aus Gnade also, und nicht aus Pflichtgefühl, trat er sie dem Pfalzgrafen ab, und zwar als ein Lehen der Schwedischen Krone, unter Bedingungen, die den Werth derselben um die Hälfte verringerten, und diesen Fürsten zu [352] einem verächtlichen Vasallen Schwedens herabsetzten. Eine dieser Bedingungen, welche dem Pfalzgrafen vorschreibt: „nach geendigtem Kriege einen Theil der Schwedischen Kriegsmacht, dem Beyspiel der übrigen Fürsten gemäß, unterhalten zu helfen,“ läßt uns einen ziemlich hellen Blick in das Schicksal thun, welches Deutschland bey fortdauerndem Glück des Königs erwartete. Sein schneller Abschied von der Welt sicherte dem Deutschen Reiche die Freyheit, und ihm selbst seinen schönsten Ruhm, wenn er ihm nicht gar die Kränkung ersparte, seine eigenen Bundsgenossen gegen ihn gewaffnet zu sehen, und alle Früchte seiner Siege in einem nachtheiligen Frieden zu verlieren. Schon neigte sich Sachsen zum Abfall von seiner Partey; Dänemark betrachtete seine Größe mit Unruh und Neide; und selbst Frankreich, sein wichtigster Alliirter, aufgeschreckt durch das furchtbare Wachsthum seiner Macht und durch den stolzeren Ton, den er führte, sah sich schon damals, als er den Lechstrom passirte, nach fremden Bündnissen um, den sieghaften Lauf des Gothen zu hemmen, und das Gleichgewicht der Macht in Europa wieder herzustellen.



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