Geschichte des Illuminaten-Ordens/Das Ende des Ordens
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In welcher Weise der Kurfürst immer mehr und mehr umgarnt worden ist, haben die bisher dargestellten Ereignisse erwiesen, es ist daher nur natürlich, nachdem sogar Todesstrafe als Schreckmittel aufgestellt worden war, dass seine Illuminatenfurcht stets schlimmere und ungerechtere Urteile hervorrufen musste. Der Fall Pechmann leitete demzufolge eine ganze Anzahl von Willkürakten ein, die schliesslich durch ein Inquisitionsregiment gekrönt wurden.
Joseph Freiherr von Pechmann war der Schwager Weishaupts, stand jedoch dem Orden gänzlich fern. Der auf seinem Fideicommisgute Brunn sesshafte Baron erfreute sich eines liebenswürdigen Vaters, der dem Sohne das Leben möglichst schwer machte durch Gelderpressungen allerhand Art. Um seinem Sohne eins auszuwischen, denunzierte er ihn als Illuminat. Infolgedessen fand sich eine der beliebten »unversehenen Visitationen« unter Aufgebot militärischer Gewalt am 10. Jan. 1788 ein, die denn auch als Resultat eine Abschrift des Briefes von Herzog Ernst an Weishaupt (s. Seite 212) ergab, und eine Danksagung für die Überlassung gedruckter Illuminatenschriften. Trotzdem nun bereits der Commissar Gruber die bei der Visitation bewiesene Bereitwilligkeit des Barons, sein Betragen und seine Geduld rühmend hervorhebt, die unterm 1. Februar tagende Kommission feststellte, dass keine Spur daraufführe, der Beschuldigte sei Illuminat gewesen, wurde durch Rescript vom 15. März einfach erklärt, »der Denunziat sei nicht ganz rein und unschuldig befunden worden, sondern habe sich straffällig gemacht.«
Baron Pechmann erhielt einen scharfen Verweis und musste die Visitationskosten bezahlen.
Ganz besonders unangenehm war dem Kurfürsten die [370] Sympathie des Zweibrückener Hofes für die verfolgten Illuminaten. Die Anstellung des Grafen Montgelas daselbst erregte den Zorn des Kurfürsten und verursachte vergebliche Versuche, ihn zu verdächtigen. Wiederholt wurde Freiherr von Vieregg nach Zweibrücken beordert, um den Herzog von den Schändlichkeiten der Illuminaten zu unterrichten. Das famose Protokoll über die Aussagen des Baron Mändl wurde durch ihn überreicht, namentlich deswegen, weil in diesem Montgelas stark verdächtigt wird, jedoch ohne Erfolg, die Stellung des Grafen blieb unerschüttert. Auch der Fürstbischof von Regensburg übersandte seine Verordnungen dem Herzog, erzielte jedoch nur eine recht schale, anscheinend höfliche Antwort, die in Anbetracht des Umstandes, dass gerade der Zweibrückener Hof seine Hand schirmend über die Verfolgten hielt, nur als bittere und beissende Ironie heute ausgelegt werden kann.
Die kurze Antwort lautet:
Wir sind Euer Liebden für die gefällige Mittheilung der durch dero geistlichen Rath am 31ten Mai letzthin getroffenen Verfügung danknehmigst verbunden. Euer Liebden weise Vorsorge zur Erhaltung und Aufnahme der geistigen Disziplin gereicht demselben zum besonderen Ruhm und Vermehrt in Uns die Gesinnungen der Hochachtungsvollen Ergebenheit, womit Wir
- Carlsberg, d. 25ten Aug. 1787.
Die Bemühungen des Kurfürsten, andere regierende Fürsten in seine Fussstapfen treten zu lassen und gleiche Verfolgungen der Illuminaten in ihren Ländern zu veranlassen, scheiterte an dem gesunden Sinne der Souveräne. Vergeblich versandte er an alle Höfe Exemplare der auf seinen Befehl gedruckten Originalschriften, vergeblich wurden Verdächtigungen und Warnungen ausgestreut. Die Gesandten aller Höfe registrierten wohl in ihren Berichten, die sich in jedem Staatsarchiv vorfinden, die Verfolgungssucht des Kurfürsten, jedoch gelang es nicht nur einen Weltfürsten zu veranlassen, gleiche Massregeln zu ergreifen. Die Verfolgung blieb auf Bayern lokalisiert, nahm jedoch einen immer gehässigeren Charakter an, namentlich seitdem ein geheimes Inquisitions-Kabinett, bestehend aus Pater Frank, den Räten Lippert und Schneider, nunmehr ernannt wurde und ihre unheimliche Tätigkeit entfaltete.
Vor allen Dingen galt es ausfindig zu machen, wer etwa noch als Illuminat verdächtig sei. Der Spionage und Angeberei [371] war durch die verschiedenen Dekrete jeder Vorschub geleistet worden und ihre Leistungen finden wir denn auch in einer Liste aus dem Jahre 1791, die die Namen der noch verdächtigen Münchener Einwohner enthält. Benannt ist dieselbe wie folgt:
»Katalog der in München wirklich noch arbeitenden Illuminaten ihrer Protectoren und auch derjenigen, welche des Illuminatismus höchst verdächtig sind. Justificiret nach dem letzten gnädigsten Edickte von ihren eigenen Mitgliedern wie sie es vor Gott und ihrem Regenten verantworten können.«
Das Edikt, worauf hier verwiesen ist, lautet vom 15. Nov. 1790. Dasselbe beruft sich auf die früheren Verordnungen, auch auf die Todesstrafe und beklagt vor allen Dingen das Fortbestehen der Zusammenkünfte. Es wird mit schwerster Strafe wieder gedroht, wiederum zu Anzeigen aufgefordert, selbst wenn er Mitschuldiger sein sollte und versichert, dass solche Treue und Gehorsam mit einer angemessenen Geldportion oder aber nach Beschaffenheit der Umstände mit einer anständigen Versorgung mildest belohnt wird, der Mitschuldige folglich mit gar keiner Strafe belegt, sein Name auf Verlangen geheim gelassen wird. Zur amtlichen Verpflichtung oder Pflichtserinnerung soll niemand mehr zugelassen werden, wenn er nicht zuvor eidlich beteuert, dass er weder jemals ein Mitglied der Illuminaten oder einer andern dergleichen, wie immer genannten Sekt gewesen, noch zur Zeit sei, auch in Zukunft zu keiner treten werde. Dieser Amtseid wurde auf alle Ämter übertragen und von allen Beamten gefordert. —
Die Liste enthält nun 91 Namen der hervorragendsten Männer in München. Jedem Namen ist eine erklärende Notiz beigefügt. Einige der Namen wollen wir hier anführen nebst den beigefügten Notizen.
Baader, Professor und Leib-Medicus der Durchlaucht, Churfürstin Wittwe, Illuminat, ein unkluger, rauher, stolzer Mann, welcher besonders, wenn er betrunken ist, das nicht selten vorkommt, in den Schenken öffentlich den Materialismus predigt.
Berger, Revisionsrath, Illuminat, einer der thätigsten Glieder.
Beermiller, ehemaliger Pfarrer, Illuminat. Verlor wegen schlechter Aufführung die Pfarrey, dann Schulinspect. zu Amberg, verführte die Jugend und wurde kassirt, jetzt [372] beständig in München, seines Ordens Hauptmann und Espion.
Bettenkofer, Hof und geistlicher Rath, Illuminat, schwacher Kopf, aber getreu seinem Orden.
Duschel, ehemaliger Repetitor in Ingolstadt, jetzt beständig hier. Illuminat, hält sich ziemlich ruhig.
Dufresne, von, Abbée, Illuminat.
Dürrheim, Graf von, Oberforstmeister, Illuminat.
Eckartshausen, Hofrath und Archivarius, einer der thätigsten Arbeiter, Illuminat.[1]
Frauenberg, Baron von, Hofrath, Illuminat.
Frohnhofer, ehemaliger Schulrath dann nach Burghausen wegen dem Illuminatismus als Secretair bestimmt, ging nicht hinunter, weil er dem Orden hier wichtigere Dinste zu leisten hatte. Lebt jetzt in München sehr glaublich von seinen Ordensbrüdern unterhalten. Besonders thätig und Enthusiast für den Orden.
Halm, ein angeblicher Kunsthändler in München. Einer der bedenklichsten Illuminaten, der in Ordensgeschäften immer hin und herreist.
Hart, Priester, in der churfürstl. Bibliothek. Illuminat. Einer der wichtigsten Männer des Ordens.
Härtl, Kanonikus bei U. l. Frau. Illuminat. In beständiger Arbeit für den Orden.
Härlin, Bischof. Haupt Protector laut Briefes von Priester Beermiller und andern sichern Anzeichen.
Hepp, Hauptmann bei Prinz Max.
Heppenstein, Hofrath, Illuminat.
Käser, Legationssekretär in Regensburg, meistens hier in Ordensgeschäften.
Kreitmayer, Baron von, ehemaliger Hofrath, jetzt Revisionsrath, glaublich Illuminat.
Krenner, Hofkammerfiscalats Rath, jetzt Eisenreich in Landschaftsgeschäften beygeordnet. Einer der thätigsten Glieder. Illuminat.
Lerchenfeld, Graf von, Illuminat.
Lerchenfeld, Graf von, junior.
Leyden, Baron von, Illuminat.
[373] Lipowsky, geistlicher Raths Kanzelist, Illuminat, ein liederlicher Mensch.
Lodron, Graf von, Revisionsrath, Illuminat.
Mayerhofen, Hof- und geistlicher Rath, Illuminat.
Nagorola, Graf von, Oberst, Illuminat.
Odermath, ehemaliger Jesuitenbruder, Bibliothekdiener und nun der Hauptmann für den Orden. Illuminat.
Oepfner, ehemaliger Hof und geistl. Rath, dann Stadtoberrichter. Illuminat.
Preising, Max, Graf von, Hofraths Vicepräsident, wenigstens ein Hauptprotector des Ordens.
Schiesel, Hofpfistermeister zu München, bei welchem noch beständige Zusammenkünfte gehalten werden, da sind die Hauptzusammenkünfte des Ordens.
Schweiger, Laterneninspector und Hofkammerrath, Hauptilluminat.
Seeau, Graf von, Illuminat.
Seefeld, Graf von, der Ältere, Churfürstl. Geheimer Rath, ehemals Kammerpräsident.
Spaner, Graf von, Trabanten Hauptmann, Illuminat.
Stubenrauch, Vicedirector bey der Hofkammer. Man behauptet er sey Illuminat.
Sutner, Stadtrath in München. Illuminat.
Thompson, General, Freymaurer mit dem schottischen Grade, glaublich Illuminat.
Vachiery, Hofrathskanzler und Schulkurator. Illuminat.
Werner, Revisionsrath, Illuminat, einer der thätigsten Glieder.
Werz, Apotheker in der Rosengasse.
Wodizka, Hofmusikus, Illuminat.
Zetwitz, Stadtcommandant, ehemals Illuminat und noch höchst verdächtig.
Wie weit diese Liste nun Glaubwürdigkeit beanspruchen kann, ist heute nicht mehr festzustellen: es steigen beim Lesen der Notizen und beim Vergleichen der Stände und Berufsarten denn doch recht viele Bedenken auf, bezüglich der Richtigkeit dieser Angaben. Diese Bedenken werden vermehrt, wenn man die nach Paris gewanderten Berichte des französischen Gesandten studiert, der namentlich den Pater Frank für die Verfolgungen verantwortlich macht. Er schreibt z. B. in einem
[374] Bericht vom 27. April 1789 unter anderem folgendes, das in der Übersetzung wiedergegeben lautet:
Er fasste seinen Herrn, welchen er von seiner schwachen Seite kannte, bei seiner Vorliebe für kleinliche Rachen an. Die Illuminaten sind dem Fürsten verabscheuungswert, weil man ihn überredet hat, dass sie sich über ihn lustig machten, weiterhin, weil er sie verfolgt hat. Der Exjesuit hat sie auf die Szene zurückgeführt und hat kalkuliert, dass, indem er sich des Widerwillens des Souveräns bedient, er seinen schwachen Kredit wieder erhält; sein Plan ist sehr einfach gewesen.
Weiterhin schreibt Montezan ironisch:
Durch nachfolgende Mitteilung nach Paris wird die erwähnte Liste ebenfalls beleuchtet.
Eckartshausen war schon lange nicht mehr Ordensangehöriger, man hatte ihn still gehen lassen als zu furchtsam,
[375] wenn er trotzdem noch nach Jahren als Illuminat bezeichnet wurde, so gibt das eben Anhalt für die nicht volle Zuverlässigkeit der Liste. — Dem Kurfürsten war es jedoch genügend, wenn nur eine Bezichtigung, dem Orden anzugehören, vorlag. In dem Fall Eckartshausen schützten diesen vielleicht die Gründe der pikanten Enthüllungen Chalgrins. In einem andern Falle, dem des Grafen Pappenheim, zeigt sich das unbegrenzte Misstrauen des Kurfürsten.
Graf Pappenheim, Statthalter zu Ingolstadt, gehörte dem Orden an, leugnete jedoch später seine Zugehörigkeit ab. — Wie nun sich so vieles auf Erden rächt, traf ihn auch für diese Verleugnung die Vergeltung. Chalgrin teilt unter dem dem 24. April 1792 nach Paris mit, dass Graf Pappenheim gegen den Kriegsminister Belderbusch intrigierte, um sein Amt zu erhalten. »Letzterer vereinigte sich mit Pater Frank und Pappenheim wurde Sr. Hoheit als Mitglied und selbst als Protector der Illuminatensecte denunziert. Diese Denunziation hatte volle Wirkung. v. Pappenheim wurde verbannt und alle Anstrengungen, ich würde selbst sagen Niedrigkeiten (Cassesses), welche er machte, um sich wieder in das Vertrauen des Kurfürsten zu setzen, waren verlorene für ihn, blieben ohne Erfolg.« —
Eine ganze Reihe von Denunziationen erfolgte in jener Zeit. Niemand war sicher, von irgend einem Feind als Illuminat bezichtet zu werden und war er dem Inquisitor-Trifolium nicht genehm, so wurde ihm sicher der Prozess gemacht. Was nun über das Treiben desselben bekannt geworden ist, klingt so unglaublich und schlägt dem heutigen Gerechtigkeitsgefühl derartig ins Gesicht, dass wir vorziehen, diese Dinge auszugsweise der Arbeit Professor Kluckhohns zu entnehmen, um nicht etwa dem Verdachte ausgesetzt zu sein, dass diese hier interessiert einseitig und allzu schwarz geschildert werden. Der schon anfangs dieses Werkes genannte und zitierte Professor Kluckhohn schreibt in seinem Artikel »Die Illuminaten und die Aufklärung in Bayern« nachstehendes:
Am übelsten erging es denen, welche infolge freimütiger, wenn auch unschuldiger Reden, zu Gottesspöttern oder gar Gotteslästerern gestempelt werden konnten, sowie namentlich seit Ausbruch der französischen Revolution, für die man ja auch die Illuminaten hat verantwortlich machen wollen, allen jenen, welche sich verbotener Freiheitsäusserungen schuldig
[376] machten. Um als Religionsspötter qualifiziert und bestraft zu werden, genügte es, an einem Fasttage Fleisch zu essen, und über Wallfahrten oder ähnliche Dinge unvorsichtig sich zu äussern. Politisch verdächtig aber war schon jeder, welcher von der französischen Revolution ohne Wegwerfung sprach. Neben jahrelanger Gefangenschaft oder Landesverweisung konnten Männer niederen Standes — denn in allen Kreisen suchte und fand die Inquisition ihre Opfer — auch zu Peitschenhieben verurteilt werden. So widerfuhr es einem Bauern aus der Umgegend von Dachau, welcher von dem Pfarrer gotteslästerlicher Reden angeklagt und ausserdem beschuldigt wurde, den Landrichter, freilich ein Verwandter Lipperts, beleidigt zu haben. Wegen des letzteren Vergehens ward er zu kniefälliger Abbitte und wegen des Hauptverbrechens zu 25 leibesconstitutionsmässigen Karbatschstreichen, andern zum warnenden Beispiel, verurteilt, worauf er noch auf eigene Kosten ein Jahr ins Arbeitshaus gesteckt wurde. Als die Gattin wiederholt um Erlassung der Gefängnisstrafe bat, ward ihr unter anderm erwidert: Da der Verurteilte sein eigenes Hauswesen wegen öfterer Abwesenheit doch ganz vernachlässigt habe, sei seine Gegenwart wohl entbehrlich. Es war derselbe Gerechtigkeitssinn, welcher Jünglinge, die es mit dem Pfarrer oder auch nur mit dem Messner verdorben hatten und einem so würdigen Gehülfen Lipperts, wie z. B. den in der Nähe von Oetting und Borghausen tätigen Spezialkommissär von Mussinau war, in die Hände fielen, zur Busse und Besserung für 6 Jahre zum Soldatendienst verurteilte.
Noch ärgeres mag geschehen sein. So behauptet Zschokke, der über Karl Theodors Regierung aus mündlichen und schriftlichen Berichten von Zeitgenossen gut[2] unterrichtet war: dass ein am Hofe zur Verfolgung geistlicher und bürgerlicher Freigeisterei bestehender Ausschuss auch Todesurteile gefällt und ohne Geräusch vollzogen habe.[3]
Da es jedoch hier an aktenmässigen Beweisen fehlt, so wage ich die Behauptung mir nicht anzueignen. Freilich bedrohte eine kurfürstliche Verordnung jeden, der einen andern für den verpönten Illuminatenorden anwarb, mit dem Tode [377] und die Strafe des Todes traf nach Kreitmayers Kriminalkodex auch den Gotteslästerer. Aber in den mir bekannten Fällen, wo auf Grund einer, wenn auch noch so parteiischen Untersuchung davon allenfalls hätte Gebrauch gemacht werden können, wurde auf eine geringere Strafe erkannt.
Gleich den heimlichen Illuminaten- und Freimaurer-Versammlungen waren Lesevereine, Freundschaftskränzchen, enge geschlossene Kaffee- und Bier-Gesellschaften der Gegenstand der Spionage und Verfolgung. Als ein niederbayrischer Leseverein, dem nichts übles vorzuwerfen war, geschlossen wurde, verwies man die geistlichen Mitglieder auf das Brevier und die Seelsorge, die weltlichen Beamten aber auf das Studium der Akten, woran sie sich genügen lassen möchten. —
Lief nun eine Denunziation im fürstlichen Kabinett ein — und wie hätte es, da man die Niederträchtigkeit belohnte, an Denunzianten fehlen können — so ward ein taugliches Werkzeug als Spezialkommissär an Ort und Stelle gesandt, der Beschuldigte in der Regel nächtlicherweile gefänglich eingezogen, wurden Briefe und Bücher konfisziert, taugliche Zeugen aufgetrieben und dann die Akten nebst Vorschlag einer geeigneten Strafe ad intimum eingesandt, worauf im Namen Serenissimi das Urteil gefällt wurde. In den selteneren Fällen wurde die Untersuchung den ordentlichen Gerichten überlassen, und es ist auch geschehen, dass ein von dem Militärgericht gefällter Spruch von dem Kurfürsten d. h. von seinem Kabinett, noch verschärft wurde.
Der geheime Rat Lippert führte regelmässig die Korrespondenz mit den von ihm instruierten Spezialkommissären. — In einzelnen Fällen traten mündliche Befehle an Stelle der schriftlichen. Ja es konnte geschehen, dass Lippert, wenn es einen guten Fang galt, sich selbst eine Vollmacht ausstellte, um den Verdächtigen desto sicherer zu erwischen. So geschah es in einem Fall, wo es sich um einen jungen Geistlichen in der Nähe Münchens handelte, welcher nicht allein durch freimütige Äusserungen über kirchliches Unwesen, sondern mehr noch durch den Eifer sich verdächtig gemacht hatte, den er als Lokalschulinspektor für die Volksschule an den Tag legte.
Der Fall, dass lebhaft betätigtes Interesse für die Schule als ein Anzeichen verdächtiger Gesinnung galt, steht nicht vereinzelt da.
[378] Auch der Kanzler der Landshuter Regierung, Pössl, ein mustergültiger Vertreter des jesuistischen Beamtentums, machte einmal die Teilnahme, welche eines der Opfer seines Hasses für den Volksunterricht an den Tag legte, als einen Beweis für dessen Freimaurer- und Illuminaten-Gesinnung geltend, wie denn auch eine Reihe der besten Männer nach Ausbruch der Verfolgung des Ordens von der Schulaufsicht entfernt wurde.
Wenn solche Gesinnungen an entscheidender Stelle herrschten, was liess sich da von Pfarrern, Mönchen und mönchisch gesinnten Beamten auf dem Land und in kleinen Städten erwarten? Endlose Anfeindungen und Verfolgungen waren das Los derer, die noch den Mut und die Aufopferung besassen, für eine verlorene Sache zu kämpfen. — —
Kluckhohn hat Berichte von Schulinspektoren jener Zeit aufgefunden, aus denen hervorgeht, dass die Pfarrer jener Zeit vielfach über Verfall der Religion schrieen, über Freigeisterei und Illuminatismus, und die Schulen für diese Dinge verantwortlich machten. Religion hiess jedoch bei diesen Leuten, wie in einem solchen Berichte steht, Bruderschaften, Ablässe, Kreuzgänge, Wetterläuten, die als entbehrlich abgeschafft oder modifiziert wurden. Die Schulinspektoren wurden unglaublich beschimpft, sogar tätlich angegriffen und keiner hatte mehr Neigung zu diesem Amte. — Soweit war das Pfaffenregiment gediehen unter der Regierung eines Fürsten, der allen Intriguen des Obskurantismus geneigtest sein Ohr und seine Macht lieh.
Am 16. Februar 1799 starb der Kurfürst Karl Theodor an einem Schlagfluss, der ihn beim Schachspiel traf. Die Regierung ging auf die von ihm so missliebig angesehene Zweibrückener Linie über und am 20. Februar 1799 traf der neue Herrscher Kurfürst Maximilian Joseph in der Hauptstadt ein. Eine neue Zeit sollte nun erblühen.
Graf Montgelas, der frühere Illuminat, wurde am 21. Februar zum Leiter der auswärtigen Angelegenheiten des pfalzbayerischen Kurfürstentums ernannt. Lippert wurde sofort aller Stellen enthoben, das Obskurantentum erzitterte, es sah das Ende seiner Macht herangekommen und fürchtete von dem jetzt so mächtigen Illuminaten Montgelas alles. — Ihm zur Seite stand der vielgeschmähte und verleumdete v. Zwackh, der bereits in zweibrückischen Diensten stand und 1795 am 11. April, beim Regierungsantritt Maximilian Josephs als Herzog, von letzterem als [379] Herzogl. Bevollmächtigter am Kaiserl. und Reichs-Kammergericht bestätigt worden war. Der neue Kurfürst betraute auch Zwackh mit Ämtern im bayrischen Staatsdienst, sodass er schliesslich bis zum Regierungspräsidenten der Pfalz emporstieg.
Montgelas sowohl als Zwackh waren jedoch keineswegs Fürsprecher für den Bestand des Ordens, sie hatten die begangenen Fehler recht wohl erkannt und sahen sich imstande, auch ohne die Ordensorganisation die erstrebten Ziele zu erreichen. Sie wussten auch, dass in der geheimen Gesellschaft (im Gegensatz zu der geschlossenen von heute) stets Gefahren schlummern können und infolgedessen wurde am 4. Nov. 1799 eine Verordnung erlassen, in der jede geheime Gesellschaft, die sich zu irgend einem politischen, religiösen oder angeblich wissenschaftlichen Zweck verbindet und solchen Zweck dem Staate verhehlt oder einen andern angibt, als sie wirklich bezielt, ihre Mitglieder mögen sich versammeln oder nur durch geheime Korrespondenz oder Zeichen zusammenhängen, verboten wurde.
Diese Verordnung wurde durch spätere Verordnung vom 5. März 1804 erneuert und nochmals eingeschärft, wir werden in einem späteren Kapitel den Grund erkennen.
Das Verdienst, welches Montgelas sich um Bayern erworben, ist bekannt, er ist der Gründer des neuen Bayern, er errang dem Kurfürsten die Königskrone. Unter seinem Ministerium konnte er viele brauchbare Männer, die s. Zt. dem Orden angehörten, zu fruchtbarer Arbeit heranziehen, eine Tatsache, die noch heute von gewisser Seite ihm zum schweren Vorwurf gemacht wird, während von anderer aufgeklärterer Seite nachgewiesen ist, dass er keineswegs wahllos die Illuminaten heranzog, sondern nur aus der Reihe früherer Illuminaten, die ihm ja alle bekannt waren, die fähigsten und brauchbarsten Köpfe. —
Wir schliessen dieses Kapitel mit den Worten Kluckhohns, der die neu anbrechende Zeit unter Kurfürst Maximilian Joseph mit nachstehenden Worten einleitet:
Jetzt wer es vor allem Montgelas, dem eigentlichen Schöpfer des modernen Bayerns, vergönnt, die Ideen der Aufklärung, womit er einst als Jünger des Geheimbundes sich genährt, gereiften Geistes, an der Spitze des Staates, getragen von dem Vertrauen seines Fürsten, nicht auf Schleichwegen, sondern im
[380] offenen und tapferen Streit wider Aberglauben und Geistesträgheit, Mönchssinn und Priesterdünkel, praktisch zur Durchführung zu bringen. Es ward Licht in Bayern! —-
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