Geschichte des Illuminaten-Ordens/Weitere Verordnungen der Kurfürsten und Verfolgungen
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Giftrezepte der Illuminaten und ein berüchtigtes Protokoll → |
Nachdem die Namensliste der Illuminaten, wenn auch nur zum geringen Teil, durch Renner und Cossandey dem Kurfürsten übergeben worden war und derselbe ersehen hatte, dass diese die Namen höherer Beamte und Militärpersonen enthielt (es finden sich von letzteren noch folgende vor:
v. Meggenhofen, Auditeur, Baron v. Au, Hauptmann; Dabel, Hpt. zu Ingolstadt; Buckingham, Leutnant; v. Satzenhofer, Hpt.; Stiegrath, Lt.; Gutmann, Unterlt.; Ewald, Lt; G. v. Patze, Lt; [305] v. Plettrich, Lt.; Kaltner, Lt.; v. Geisitzheim, Hpt.; v. Türnitz, Major) wurde nachfolgender Erlass bekannt gegeben:
Unsern Gruss zuvor Wohlgeborene, liebe, getreue, demnach wir missfällig vernohmen, was gestalten sich auch unter unserm Militair Stand noch Viele befinden, welche der Illuminaten Bruderschaft, ungeachtet der dagegen ergangenen General Verordnung beygethan sind, so wird in gemessheit des hierunter emanirt höchsten Rescripts de dato 3. curr.
sämmtlichen Generalen Gouverneuren und Commandirten Regiments Officieren, sofort durch diese auch allen Officieren und sonstigen Personali, jedoch ohne Erweckung vielen Aufsehens, in möglicher Stille andurch bedeutet und weiteres deren untergeordneten bedeuten zu lassen hiermit gnädigst verordnet, dass bey Vermeidung unserer höchsten Ungnade, Kassation oder Strafe, sich nicht nur in Zukunft keiner mehr bey gedachter Secte associren, sondern auch: wenn schon engagieret ist, den Zusammenkünften derselben unter keinerley Vorwand beywohnen, vielweniger andere dahin anwerben unter falscher Vorspiegelung dahin zu engagieren suchen solle, worauf obgedachte Commandanten sowohl selbst, als durch vertraute Leuthe gegen billigen Recompens gute obacht zu halten und die Übertretter also gleich ad manus einzuberichten haben.
Wird aber die Versicherung beygefüget, dass alle jene Illuminaten, welche sich längst inner 6 Wochen entweder bey ihren Commandanten, oder Generale, oder bey unserm Kriegs-Referendar titl. Freyherrn von Belderbusch, angegeben, und durch schriftlichen Revers ermeldeten Secte gänzlich entsagen werden, ihren begangenen Fehltritt vergeben, hingegen die andern, welche den Termin, ohne sich anzugeben, verstreichen lassen, und nach der Hand erst kund und entdeckt werden, oder ohnehin schon sattsam bekannt wären, nur desto schärfer und unnachlässig gestraft werden.
Werden auch mehr berührte Kommandanten und Chefs gnädigst beordert, dass sie bey solch verbothenen Zusammenkünften [306] Betrettene, sowohl Militair als Civil Personen zwar allemal gleich anzuzeigen, indessen aber zu arretiren, und bis auf erfolgende unserer höchsten Entschliessung nicht zu entlassen haben. Solchen noch ist diess unser höchste circular Verordnung und Willens Meinung von euch sämmtlichen untergebenen Commandantschaften, dann Proviant- und Casernen-amts Individuen, sowohl denen gegenwärtigen als abwesenden, und zwar letztern schriftlich bekannt zu machen, um sich so nach zu achten zu wissen.
Sind euch anbey mit gnaden
München 11. Aug. 1785. | Ihro Kurfürstl. Durchlaucht zu Pfalz-Bayern Hofkriegsrath. |
Die Offiziere kamen diesem Befehle nach, keineswegs schützte dieser Gehorsam jedoch vor allerhand Verdächtigungen und merkwürdigem Strafverfahren.
Ein weiteres Beispiel willkürlichen Verfahrens ist z. B. das Schicksal des Auditor im Hegnenbergischen Regimentes Freiherrn v. Meggenhofen, der einestheils in seiner Apologie,[1] andernteils in einem Briefe, s. Z. im deutschen Zuschauer abgedruckt, sein Schicksal selbst erzählt. Es ist historisch bewiesen, dass im nachfolgenden Briefe keinerlei Unwahrheiten oder Übertreibungen enthalten sind, sondern sich tatsächlich alles so verhielt, wie es geschildert ist.
Gerichtet ist der Brief an Weishaupt, dem er die freundschaftlichsten Gefühle bewahrte, v. Meggenhofen hatte sich am 24. Aug. 1785 offen als früheres Ordensmitglied bekannt mit der Versicherung, dass er bereits nach der Generalverordnung der besagten Gesellschaft entsagt habe. Nach seinen Aussagen war er 1779 aufgenommen unter vollkommenen Erlass aller Gelderlagen, er hatte alle maurerischen Stufen erreicht, sowie den eigentlichen Illuminatengrad durch Weishaupt selbst. — — Lassen wir ihn jetzt sprechen:
Hier sizze ich in dieser einsamen Zelle, mein Teurer, wo Aberglauben und Fanatismus mich verbant haben, und mein erster Gedanke ist an Sie, und mein Wille, Ihnen mit der [307] ganzen wunderlichen Geschichte meiner Inquisizion bekant zu machen. Hätten Sie es je, mein Lehrer, vor einigen Jaren vermuten können, da wir uns, so unter uns, über die Fortschritte unseres Instituts, und über den Riesenschritt, den eben unser Vaterland in Aufklärung und Kultur machte, so inniglich erfreuten, hätten Sie es damals geglaubt, dass das einst der Lohn unserer Bemühungen sein würde, dass Sie mit Weib und Kindern im Auslande verbant, und ich in ein Kloster gesperrt würde, zur Strafe, dass wir unsere Landsleute aufklären und einen so nötigen Dam dem zu stark einreissenden Strome des geistlichen Despotismus sezzen wolten. — Doch eine schwache Regierung hatte das Uebel, das wir bekämpfen wolten, zu stark Wurzel fassen lassen, und wir unterlagen. O Freund! ich möchte wie Jeremias über das Verderben meines Vaterlandes klagen, und auf den Ruinen eines so schönen Werks bittre Zähren weinen. — Aber warum Ruinen? — Die Eiche steht noch fest eingewurzelt da. — Einige Aeste hat der Blitz des Fanatismus wol abgeschlagen, und sie verteilt — in anderen Gegenden seinen Willen angepflanzt, damit sie desto besser und ruhiger sprossen und zu Bäumen werden.
Doch nun zu meiner Geschichte — dessen Anfang sich schon vom vorigen Sept. datirt. Nachdem der K. Befel, vermög dessen alle Offiziers, die zu den Illuminaten gehörten, in Zeit von 6 Wochen sich erklären mussten, der Gesellschaft nicht mer anzuhängen, eingelauffen war, so bekame 3 Wochen nachher der Kommandant zu Burghausen einen speziellen Befel, mir eine Norme, nach welcher ich meinen Revers einzuleiten hätte, zu behändigen. Die Kommandantschaft erteilte mir 3tägigen Termin dazu. Die Norme enthielt 26 Punkte, die ich als Fragpunkte beantworten musste, war also ein wirkliches Verhör, an dessen Ende ein honetter Revers angehangen war. Ich sezte meine und meines Landesherrn Rechte und deren Gränzen in eine gehörige Wagschale und schwankte wirklich anfangs im Zweifel, ob ich wol diese Fragen beantworten solte und könte, fand aber endlich doch mer Gründe dafür als dagegen, besonders da ich aus Briefen des Paulus schliessen konnte, dass es bei diesem Falle sein Wil und Befel, den Revers binnen des gegebenen Termins auszustellen, gewesen wäre. Ich beantwortete also die Fragpunkte (so viel ich glaube) mit Freiheit und Wärme, und erklärte von dem O. ausgetreten zu sein. Ich war auf die Wirkung, die mein Revers machen würde, äusserst begierig, [308] auch schmeichelte ich mir, er würde eine neue Resoluzion veranlassen, wodurch ich neue Gelegenheit zu reden und zu handlen erlangen würde. Doch ich hörte und merkte weiter nichts, als dass der Kommandantschaft aufgetragen ward, ein wachsames Aug auf mich zu halten.
Mitlerweile ereignete sich der Fal, dass ich dem jungen Baron Leiden schrieb, worin ich ihm den rechtschaffenen und geschikten Kapfinger zur weitern Empfelung an seinen Schwiegervater, wegen der erledigten Verwaltersstelle zu Armenstorf, empfal. Nebenher gebrauchte ich in diesem Briefe folgende Ausdrükke: »Während Ihrer Abwesenheit (er war in die Schweiz gereist) haben sich Vorfälle und Auftritte ereignet, worüber Sie Sich wundern werden; herliche Geschichten, ich hätte sie nie vor möglich gehalten. Bei allem dem steht noch immer die Überzeugung in mir fest, dass alles, was geschieht, zum besten Zwek seie, und dass das Vergangene den bittern Verfolgern der Tugend und Aufklärung noch grosse Wehen bereite.«
Der Brief kam an dem Hochzeittage des Baron Leiden in Eblkofen (des Vicedoms Baron Daxbergs Schloss) unter Tischzeit an. Das Schicksal wolte, dass Baron Leiden unter Wegs krank wurde, und nicht am bestimmten Hochzeittage im Schlosse eintraf; der Brief wurde also Baron Daxberg übergeben. Diesem gefiel es, ihn zu öffnen, und an die Inquisitoren nach München zu schikken. Diese Schurkerei und Schlechtigkeit des Daxbergs verdient wirklich meine und aller Welt Verachtung und Mitleid. — Und dennoch dank ich ihm noch dafür und kan keinen Grol gegen ihn hegen — denn er hat mich durch diese Handlung in den Stand gesezt, meine Philosophie, die bis nun blos spekulativisch war, in Ausübung zu bringen. — Überhaupt, (weil es eben apropos ist, wil ich Ihnen, mein Freund! ein Geständnis machen) überhaupt, sage ich, befinde ich mich seit einiger Zeit in einem Zustande des Geistes, der sonderbar scheinen könnte. Mit dem innigsten Gefül für Gute und Schöne kan ich jeden unangenemen Vorfal, der mir in Weg kömt, mit grösster Gleichgültigkeit ertragen. Nichts kan mich mer ärgern — alles ist mir recht. Bin ich den diese glückliche Apathie der O. Lehre schuldig — — — — — ich glaube es.
Bald nach diesem Vorfalle mit dem Briefe an Leiden erhielt der Kommandant zu Burghausen den K. Befel, sich gleich nach Empfang derselben meines Quartiers und meiner Papierö mit möglichster Vorsicht zu bemeistern, welches auch geschah. [309] Acht Tage darauf bekam das Regiment die Weisung, dass ich einstweilen ab officio suspendirt und nach München zu dem Hrn. Geheimen Rat Hausler zitirt seie, um dort denen mir vorzulegenden Fragen Bescheid zu geben. Ich hielt eben Kriegsgericht, als man mir den erhaltenen Befel insgeheim eröffnete. — Wars Vorbereitung oder meine angewönte Gleichmütigkeit, diese Nachricht brachte mich gar nicht aus der Fassung und ich bin mit meiner damaligen Stimmung recht sehr zufrieden: ich machte diesen Befel gleich den Offiziers, die mit mir im Kriegsgerichte sassen, kund, und fuhr in meinen Proposizionen fort. — Das Schwerste stand mir noch bevor, nämlich meine Aeltern davon zu benachrichtigen. Nach geendigtem Kriegsgerichte ging ich zu ihnen, und eröfnete endlich nach vielen Wendungen und mit möglichster Schonung ihnen diese meine Suspension und Zitazion. — — O Freund: da hatte ich mer als jemals meine Philosophie nötig, um nicht aus der Fassung zu kommen! Werfen wir den Schleier über diese grausame Szene, sonst bricht mir mein Herz und ich werde zur Memme. — Von dort ritt ich auf die Parade. Wer von einer erhaltenen Ordre sich etwas zu sagen nicht getraute, war der Oberst Lieutenant (der Oberst war schon auf Urlaub). Ich sahe, dass ich die ersten Avancen machen müsste, und fragte ihn also nach einer Weile, ob er in Betref meiner keine Ordre erhalten hätte? — Froh (wenigstens so schien es mir) aus dieser Verlegenheit gezogen zu werden, bejahete er meine Frage, und behändigte mir die Ordre. Ich meldete mich also gleich meiner Abreise wegen, und nachdem ich bei den Korps Offiziers, welche mich liebten, mich beurlaubt hatte, ging ich zu Hause, nahm einen traurigen Abschied von meinen Aeltern, machte mich reisefertig, und auf den Weg hierher.
Den Tag nach meiner Ankunft meldete ich mich bei allen meinen Chefs, und dann bei Herrn Geheimrat Hausler, der mich um 10 Uhr zum Verhör bestelte. In 2 Tagen sass ich 15 Stunden im Verhör. Nie hab ich senlicher gewünscht, zeichnen zu können, als während demselben. An meinem Examinator hatte ich den leibhaftigen Doktor Stauzius vor mir; ein dikker, runder Kerl, von Kopf bis zu Füssen schwarz gekleidet, der in einem weiten Lehnstul sass; wenn ich manchmal zu lang diktirte, schlief mein Examinator darunter sanft ein. Der geschäftigste dabei war derjenige, der das Protokol fürte; ein naseweiser, schalkhafter Bube, der immer meinen Stauzius mit [310] einer schadenfrohen Mine, was er zu fragen habe, erinnerte. O mein Hogart Kodowiezki! wärst Du dabei gewesen! hier hätte dein meisterhafter Griffel noch einen Stoff mer gehabt, das Ridikül zu peitschen.
Anfangs legte man mir die mir abgenommenen Briefe meiner Freunde, einen nach dem anderen vor, und zog mich über jeden Ausdruk zur Verantwortung. Ich erklärte gleich anfangs, dass es mir sonderbar schiene, dass S. K. Durchl. Verantwortung über fremde Ausdrükke von mir fordern könten; da man aber noch immer auf meine Meinung drang, so erklärte ich die bedenklich geschienenen Stellen auf eine Art, der Warheit und meinen Korrespondenten unbeschadet gemäss. O despotisches Misstrauen! wie klein, lächerlich und grausam bist du nicht? in deinen schon verblendeten Augen sind die kleinsten, unbedeutendsten Ausdrükke der Freundschaft, und die freye Sprache eines vorwurfsfreien, gekränkten Herzens Verbrechen und Beleidigungen. Man sol keinen andern Laut von sich geben, als wozu du den Takt angiebst — Grausame Forderung der Übermacht! Hier folgen die so bedenklich geschienenen Stellen:
»Quoties voluminum congregare pullus et nocuit.«
»Ich gedenke mein Vaterland sobald als möglich zu verlassen. Es tödet seine Propheten. — Am Ende ahnde, hoffe ich, sind wir doch die gewinnende Partie, wenn wir nur Römer sind.«
»Ich habe meinen Revers bieder, frei, als ein schuldloser Mann eingerichtet; doch was wird das alles helfen? Es empört nur die Elenden. Das Salz des deutschen Zuschauers beist die Herren. — Frank, der sich an der Familie zu wezzen sucht, griesgramt über mich.«
»Bis den November kom ich gewiss zu Ihnen, machen Sie, dass ich wenigstens eine Nacht mit Ihnen schwäzzen kan. Ich habe so viel und wichtige Sachen mit Ihnen auszumachen. — Steigen ††† schreibt mir, dass der Bischof von Freisingen mit [311] seinen 4 Hauptwinden nach München sei, und man nicht wisse, was dort zusammengeblasen werde.«
Diese Stellen aus Briefen meiner Freunde machen mein erstes Verbrechen aus. Das 2te war einige Besuche des Drexels und Schelles, die sie mir zu verschiedenen Zeiten machten. Der Herr Examinator konte nicht fassen, wie zwei Menschen ein paar Stunden zusammen schwäzzen könten, ohne Illuminaten zu sein und sich über Staatsrevoluzionen insgeheim zu verschwören; deswegen fragte er auch ganz naiv, was zwischen uns geredet worden wäre? ich antwortete ihm, dass Freunde, die sich liebten, sich nicht genug sehen und nicht genug sprechen könten; dass, so viel ich mich sonst erinnerte, unsere Gespräche scientivischen Inhaltes gewesen, und wir uns auch ziemlich über die gegen uns herausgekommene Pasquil lustig gemacht hätten. Diese trokkenen Antworten gefielen meinem D. Stauzius gar nicht, der den Kopf darüber gewaltig schüttelte. Mein 3tes Verbrechen war, dass ich Drexels wegen, der mich in einem Schreiben fragte, ob es nicht möglich wäre, sich irgendwo im Salzburgischen bei einem Pfarrer 2 Monat lang aufzuhalten, mit Schelle korrespondiert, mich also des verbanten Drexsels wegen interessiert hätte? — Also, sagte ich, ist es in Ihren Augen ein Verbrechen, sich seiner Freunde anzunehmen? Meinem ärgsten Feinde, wenn er in der Not mich um etwas bäte, wolte ich es ihm nicht abschlagen, um destomer würde ich immer mit Rat und Tat denen, die ich liebe, beistehen. — Dies lehrt mich Natur und Pflicht. Und sonst hat es ja der Kurfürst selbst gewolt, dass Drexel zu einem Pfarrer gehe. O Freund, hier könte sich mein ganzes Blut empören, dass eine Regierung mich zu einem undankbaren, gefühllosen Schurken machen möchte.
Doch weiter mit den lächerlichen Verbrechen, die man mir andichtete. Das 4te bestund darin, dass man noch 2 Reden und ein Protokol von 1783 bei mir gefunden hätte, da ich doch, vermöge meines eingegebenen Reverses alle Ordenspapiere hätte einsenden sollen. Zur Antwort zeigte ich ihnen ein Couvert, das unter den mir abgenommenen Papieren auch da lag, worin geschrieben stund, dass ich diese Papiere 3 Wochen später als die Zeit, wo ich diesen Revers ausstellte, überkomen, da mir nämlich Kapfinger solche, als noch vorgefundene Papiere zugeschikt hätte. Umsonst, sezte ich hinzu, können Sie aus diesen O. Papieren urteilen, ob unsere Lehre gefärlich, und wir diese Verfolgungen [312] verdienten; sie soften sie nur mit Bedacht genau durchlesen, dann urteilen, wenn sie es könten und wolten.
Dann schämte sich mein Examinator nicht, mir die Frage zu stelen, warum ich alle Briefe meiner Freunde, worin von O. Sachen die Rede wäre, nicht eingesendet hätte? — weil, sagte ich ihm mit einem Blikke, der meine ganze Verachtung beweisen musste, weil S. K. Durchl. unmöglich fordern können, dass ich an meinen Freunden zum Verräter, und gegen alle Pflichten der Ehre und Rechtschaffenheit handlen solte.
Endlich zu allerlezt kam das grosse Corpus Delicti zum Vorschein, und mein Examinator diktierte die schon oben angeführte Stelle meines Briefes an Leiden, und fragte mich, ob ich diese Stelle geschrieben hätte. Nun wusste ich, woran ich seie, denn bis diesen Augenblik war ich immer der Meinung, mein mit Freiheit und Wärme ausgestellter Revers hätte meine Zitation und das Verhör veranlasst. Ich antwortete, ich hätte nicht allein die Stelle sondern auch den ganzen Brief geschrieben und wäre eben auch nicht sehr verlegen darüber. In dem wahren innigen Bewusstsein, dass der Zwek der Illuminatengeselschaft gut, notwendig, auf die Wahrheits-Bedürfnisse der Menschen und des Zeitalters gerichtet seien, dass sie ihre Mitglieder nur zur Tugend und wahren, notwendigen Aufklärung aufmuntere, hätte ich natürlich geschlossen, dass das Resultat der vom Landesherrn beorderten Untersuchung mit derselben Beendigung zeigen werde, dass die den Illuminaten angedichteten Verbrechen von boshaften dabei interessirten Menschen erdichtet, die eben dadurch dem Landesherrn den grössten Nachteil für seinen Ruhm im Auslande zugezogen, und sobald die Sache genauer zu untersuchen sich die Mühe geben wollte, diese Verläumder und böse Ratgeber gewiss mit Verachtung ansehen, und als solche behandlen werde. Dass ich ausserdem noch diesen Verläumdern und Anschwärzern Gewissensbisse zutraue, und dass der innere Ruf ihres Gewissens uns noch gewiss einmal an ihnen rächen werde. Dies alles hätte mich also leicht veranlassen können, zu sagen, dass das Vergangene noch einst den Feinden der Tugend und Wahrheit noch Wehen bereite.
Während ich dies alles dictirte, geriet mein Examinator in Hizze, und sagte: dies alles, was ich ihm da erzählt hätte, schlüge in Majestätsverbrechen ein, indessen gieng es ihm garnichts an, indem er keine Judikatur hätte. —
[313] Die nächste Frage war: die Vorfälle, über welche sich Baron Leiden hätte verwundern sollen, wären alle auf höchsten Befel geschehen — ich hätte also diese Vorkerungen kritisirt? — Ich antwortete, dass dies mir nie in den Sinn gekommen wäre, wol hätte sich aber Baron Leiden und ich über die erfolgten Auftritte verwundern könen, da sie neu und wirklich unerwartet gewesen wären.
Nun kam eine verfängliche Frage: ob der Landesherr schuldig seie, eine sich eigenmächtig aufgeworfene Geselschaft, wenn sie auch den besten Zwek hätte, zu dulden? — Ich antwortete: der Landesherr könne alles, was ihm nur gefällig wäre; indessen hofte ich, dass man mir nie beweisen würde, dieses Recht je bestritten zu haben.
Dies ist die Hauptsache meines langen Verhörs. Im ganzen bin ich mir, was mein Betragen betrift, bewusst, dass ich meine Rolle ehrlich gespielt habe. Ich weiss wol, dass ich auf die mir vorgelegte Fragen oft richtiger und freier hätte antworten können, teils fanden sich aber bei der ruhigsten Fassung doch nicht gleich die richtigst und vollständigsten Ideen ein, die sich erst nachher in meiner Sele vermerten, teils hielte mich der Gedanke auch öfters zurük, dass ich durch einen höhern Grad von Wärme und Freiheit andern rechtschaffenen Freunden hätte schaden können; dies alles mit der Maxime vereinbart, dass der Weise nicht sagen müsse, was er besser verschweigen könte, legten mir den Finger auf den Mund, und gaben meiner Sprache eine gelindere klügere Modulation. Endlich hab ich mir ein Ideal eines Untertans gebildet, welcher in seinem Unschuld und Vorwurfs freien Gewissen gehüllt, ohne zu kriechen, und auch ohne den schuldigen Respekt gegen seine, wenn auch ungerechte, Richter, zu verlezzen, sich vor solchen ruhig und sich immer gleich rechtfertigt. Diesem Ideale habe ich zu folgen gesucht, und werde es noch, bis meine Untertansrolle ausgespielt sein wird, von welchem Zeitpunkte ich nachher reden werde.
Acht Tage nach meinem letzten Verhör wurde ich ins Kriegsratskollegium citirt; ich erschien und erwartete nichts weniger, als Kassation, welche auch ganz gewiss erfolgt wäre, hätten sich einige vom Adel in der Stadt über meinen Prozess zu ärgern, nicht angefangen. Hausler las mir meinen Sentenz vor, welcher so lautet:
[314]
- »Die vorgefundene Briefschaften und Papiere hätten entdeckt, dass ich der Illum. Sekte durch meinen Revers nur in blosen Worten nicht aber im Werk entsagt hätte, vielmehr durch geheimen Briefwechsel, unter dem Vorwand, dass dadurch Tugend und Aufklärung erzielt würden, die Illumination fortzusezzen gesucht. Um nun mich naseweisen Philosophen und Illuminaten von einer so verfürerischen Sekte, von der man weder an mir, noch an meinen Mitbrüdern die vorgespiegelte Verbesserung der Sitten und Aufklärung des Verstandes wahrneme, auf den rechten Weg der Tugend und Aufklärung zu bringen, solte ich auf unbastimte Zeit in das hiesige Franziskanerkloster überbracht, um dort in der kristkatolischen Sitten- & Glaubenslehre unterrichtet zu werden.«
Ich versezte nur, dass ich die Gesezze der Subordination wüsste; sonst nichts, und gieng ganz gelassen und ruhig mit dem Plazhauptmann, dem ich meinen Degen behändigte, in den Arrest.
Der P. Guardian empfieng mich ganz höflich und wiese mir eine Zelle an. Das erste, was sich darin meinen Augen darbot, war des P. Merz und Schönbergs Schriften, die seitwärts in einem Bücherschranke lagen. Sie sollen meine Lektüre ausmachen: dies war wirklich erkünstelte Bestrafung meiner Richter. Bald darauf kam der P. Lektor, dann der Provinzial und wolten mir Trost einsprechen. — Ich versezzte, dass sie in Bälde sehen würden, dass ich keines bedürfe, indem es mir ser wohl zu Mute wäre. Der P. Lektor versicherte mich des anderen Tages, dass er gewiss an keinen Religionsunterricht dächte, und dass mir ihre ganze Bibliothek offen stünde. Bald darauf wurde ich mit diesen Mönchen vertraulicher, und sie bezeugten mir die grösste Achtung.
Sonst bin ich ruhig und froh, und warum solte ich es nicht sein? hier sind ja auch Geschöpfe — Menschen, mit denen ich simpatisiren kan; man versezze mich, wohin man wil, in der Sandwüste Libiens, oder im kalten Siberien, und ich wil Narung für meine Gefühle finden: und sonst, wenn man den Mönch von den Schlakken und Dunst, womit Erziehungsvorurteil und sein Stand ihn umnebelt, reinigen kan, so findet man auch unter der Kutte gefühlvolle, und, was mir zwekmäsiger ist — leidende Herzen.
[315] Ich sehe mich wie einen Missionär an, den der O. irgendwo in unwirtbare, barbarische Länder versezt hat — ich predige nun den Mönchen unsere Lehre. Meine Lebensart (denn ich esse weiter nichts, als eine Eierspeise zu Mittag und früh und abends trinke ich kalte Milch) meine Ruhe und Heiterkeit, alles, was ich sage und tue, ist den guten Patern neu und paradox; sie fangen schon an, in der Stadt die Illuminaten zu verteidigen, und wenn es noch lange so währt, so bin ich im Stande, Ihnen das ganze Kloster zuzuführen.
So steht es bisher. Izt, was ich zu tun willens bin. Ich denke den Zeitpunkt abzuwarten, bis es meinen Richtern gefalle, mir meine Freiheit wieder zu schenken, dann will ich, wie es die Militärordnung mit sich bringt, dem Regiment eine Schrift einreichen, worin ich sagen werde, dass ich überzeugt wäre, mich durchgehends als einen folgsamen Untertanen bewiesen zu haben, dass nun meine Rolle ausgespielt wäre, und dass ich um die Erlaubniss bäte, zu quittiren: welches ich ihnen, der Sache und mir schuldig bin. Ich erwarte sehnlichst ihre Antwort über das Ganze, und ob Sie mit mir und meiner gehabten Auffürung zufrieden sind, auch ob, wenn ich das Kloster verlasse, irgendwo in der Ferne nebst einem Zimmer, täglich eine Milch- und Eierspeise umsonst bekommen könte, denn ich kan kein Handwerk und habe auch kein Geld. Leben Sie wol, und halten Sie mich noch immer wert, mich Ihren Schüler zu nennen.
Meggenhofen führte nach seiner Entlassung aus dem Kloster seinen Entschluss aus. Er erbat und erhielt seinen Abschied. Leider endete das Leben des noch jungen Mannes am 26. Oktober 1790 tragisch. Bei einer Überfahrt an einer reissenden Stelle des Inn schlug das Boot um und Meggenhofen ertrank; sein Leichnam wurde nicht sogleich gefunden. Ein würdiger Vertreter des Pfaffentums behauptete infolgedessen, dass der junge Mann als ehemaliger Illuminat gleich mit Seele und Leib zur Hölle gefahren sei. Das Auffinden der Leiche am 10. Januar 1791 machte dieser menschenfreundlichen, priesterlichen Aussage jedoch ein Ende.
Durch den bereits geschilderten Tod des Priesters Lanz, der in der Broschüre »Volksaufklärung« (s. S. 3 die Fussnote) nicht ohne Absicht ausdrücklich als Protestant bezeichnet [316] wird, trotzdem er Katholik war, war es möglich, die bei ihm gefundene Namensliste nun mit der von Cossandey und Renner angefertigten zu vergleichen. Es ging aus derselben hervor, dass die Illuminaten noch existierten und es erfolgte ein drittes Verbot, dem dann später das bereits bei Besprechung des Falles Bassus bekannt gegebene, in späteren Jahren möglichst totgeschwiegene Todesverbot, als viertes folgte. Dieses dritte Verbot lautet:
Man weiss höchster Orten ganz gewiss und verlässig, dass die Freimaurer und Illuminaten ihr schädliches Handwerk durch Zusammenkünfte, Collecten und Anwerbungen neuer Mitglieder gegen wiederholt landesherrliches Verbot noch immer forttreiben und sogar in den Justiz und anderen Collegien, wo solche am wenigsten Eingang finden sollten, sich soweit verbreiten, dass sie in einigen derselben schon die Oberhand und Mehrheit der Stimmen erreicht haben.[2]
[317] Gleichwie aber S. K. D. auf ihrer hierin ergangenen General-Verordnung ganz unbeweglich bestehen, sofort solche nirgend mit grösserer Genauigkeit als bei ihren Collegien und Gesetzbewahrern gehorsamst befolgt wissen wollen, so ergehet auch hiermit der weitere, ernsthafteste Befehl, dass sich
- 1. Alle und jede dieser Sect noch anhangende Vorstände und Mitglieder der Collegien längst in 8 Tagen von Zeit der in plena Sessione beschehenen Publikation schriftlich, und zwar die Vorstände unmittelbar bei der höchsten Stelle, die andere Mitglieder aber entweder ebenfalls alldort oder bei ihrem Vorstand sich angeben und manifestieren sollen, mit der Erklärung, dass sie von dieser Sect gänzlich abstehen, sohin weder ihre Winkel-Conventicula mehr besuchen noch andere dazu verleiten und anwerben oder dahin contribuiren, viel weniger sich bei auswärtigen Logen engagieren wollen und werden.
- Wer sich nun
- 2. von den noch existierenden Freimaurern und Illuminaten dem Kurfürstl. Befehl in allem gehorsamst submittieren, sofort die anverlangte Manifestation und Erklärung inner dem gesetzten peremptorischen Termin abgeben und seinen begangenen Fehltritt bereuen wird, dem wird man solchen auch vergeben und die verdiente Strafe nachlassen.
- Jene hingegen, welche
- 3. das General-Mandat weiter übertreten, keine vollständige Parition leisten oder obigen Termin ohne verstandene Manifestation und Erklärung verstreichen lassen und erst nach der Hand entdeckt würden, sollen nicht nur ipso facto cassiert sein, sondern auch mit ergiebiger Geld- oder anderer empfindlicher Strafe belegt, die Denuncianten aber recompensiert und geheim gehalten werden.
Mit dem letzten Hinweis hatte die Regierung den kläglichsten Weg wiederum betreten, der nur möglich ist, und sie hat ihn auch weiterhin bei weiteren Verordnungen nicht verlassen, nämlich einem gehässigen Denunziantentum alle Tore zu öffnen. In ausgiebigster Weise ist davon Gebrauch gemacht worden.
Im Auslande riefen diese Verordnungen natürlich Aufsehen [318] und Entrüstung, aber auch Spott hervor. Ein Beispiel dieser Wirkung ist in einem Briefe des bekannten Geologen und Mineralogen Ignaz v. Born in Wien bewahrt worden, der in demselben seiner satyrischen Ader Belderbusch gegenüber herzhaft freien Lauf lässt. Dieser Brief, seinerzeit im Deutschen Zuschauer veröffentlicht, verdient hier wieder bekannt gegeben zu werden.
Derselbe lautet:
Sobald durch die im Namen Ihres gnädigsten Kurfürsten ausgefertigte Verordnung kund gemacht worden, dass jeder mann, der zu einem Kurfl. Kollegio in Bayern gehört, sich manifestiren solle, ob er Freimaurer sei, oder nicht; erklärte ich dem Präsidenten der Kurfl. Akademie der Wissenschaften zu München, dass ich Freymaurer sei, und bat ihn, meinen Namen aus dem Verzeichnis der Mitglieder der Akademie, in die ich vor 8 oder 9 Jahren aufgenommen wurde, öffentlich ausstreichen zu lassen, um mich dadurch aller Jurisdiction zu entziehen, die man sich etwa in Baiern über mich als Akademiker und Freimaurer erlauben dürfte.
Eure Hw. Namen ist mir aus den Baierischen Verordnungen gegen die Freimaurer, und aus den Winkopischen Schriften, die in unserem helldenkenden Oesterreich jeder lesen darf, ohne als ein Statsverbrecher angesehen zu werden, bekannt geworden, und ich weiss nun auch, dass Euer Hochwl. in dem löblichen Freimaurerinquisitionsgerichte zu München den Vorsiz haben. Ich glaube also meinen Zwek nicht zu verfelen, wenn ich mich gerade an Sie mit der Bitte wende, der Kurfürstl. Akademie zu befelen, dass sie meinem Ansuchen, so bald möglich, wilfare.
Euer Hochw. haben aus einem rühmlichen Eifer für das Heil und die Ehre ihres Vaterlandes Mittel und Wege gefunden, merere der vernünftigsten und aufgeklärtesten Männer von München und von Baiern zu entfernen, und andere um Amt und Pfründe zu bringen! Wie könten Sie wol Anstand nemen, dem Namen eines unbekannten Fremden eben diesen Liebesdienst zu erweisen? besonders, da ich Ihnen offenherzig gestehe, dass ich es nicht bereue Freimaurer zu sein. Zu diesem [319] Ihre und des Hochw. P. Franks Ohren vermutlich höchst beleidigenden Bekenntnisse sezze ich mit der mir eigenen Freimütigkeit noch hinzu: dass ich Zaupsers Gedichte über die Inquisizion für eins der schönsten Produkte des Baierischen Verstandes ansehe, dass ich alle Kezzergerichte für unmenschliche Kanibalengericht halte, dass ich Bayles Dikzionär fleissig gelesen habe, und selbst besizze, dass ich Zabuesniks kristliches oder kristlich sein sollendes Buch für ein höchst albernes Geschmiere ansehe, dass ich alle gute Bücher lese, dass ich ein erklärter Feind unwissender Mönche seie, sie als die Pest des menschlichen Verstandes ansehe, denen man nie Ausschliessungsweise die Erziehung der Jugend anvertrauen solte, dass ich Jesuitismus und Fanatismus für gleichbedeutende Wörter mit Schalkheit und Unwissenheit, Aberglauben und Dummheit gelten lasse; kurz, dass meine Denkart jener, die man in Baiern haben sol, gerade entgegengesezt sei.
Euer Hochw. werden aus allem diesen schliesen können, was für einen wichtigen Dienst Sie ihrem Vaterlande und mir leisten, wenn Sie mich von aller Verbindung mit Baiern durch die Befriedigung meines Wunsches, und die Erfüllung meines Gesuches losreisen. In welchem Falle ich mir von Ihrer Wilfärigkeit baldige Nachricht, allenfals auch nur durch Ihren würdigen Sekretair Hr. Dummhof (Plenissimo titulo) erbitte.
Solte aber dieses, mein wiederholtes Gesuch unbeantwortet bleiben, so werde ich gewiss Wege finden, mich unmittelbar an S. K. Gnaden wenden zu können, von dessen Gnade und Gerechtigkeit ich mir sichere Gewährung meiner Bitte versehen darf.
Ich bin mit aller der Hochachtung, die Ihrem Amte gebührt,
Wien, den 9. Xber 1785. |
Born. |
Als Gegenstück zu diesem Briefe geben wir einen ebenfalls in derselben Zeitschrift bewahrten Brief eines Erzpfaffen bekannt, aus dem die ganze niedrige Gesinnungsart mancher damaligen Pfaffen spricht.
Ob derartiges wohl auch heute noch möglich ist? — Man geniesse ohne jeden weiteren Kommentar das nachfolgende Geschreibsel:
[320]Die mit der Aufklärung zu Wien in beständigem Kampf liegende und unter dem Joch der Vernunft fast erliegende Kirch Gottes, und das, obschon kleine, Häuflein der ächten katholischen Gläubigen freute sich mit mir wegen des weisen und erleuchteten Ausspruchs Eurer Exzellenz, und des seiner Andacht wegen von jeher hochgelobten Bayerischen Hofkriegsraths, über den naseweisen Philosophen Meggenhofen, der von Rechtswegen zur Abbüssung seines Frevels und zur Erspiegelung aller Bayern in ein Mönchskloster verurtheilt worden ist, weil er sich nicht schämte, die heidnischen Bücher eines Cicero Salustius und Livius öffentlich in seiner Bibliothek aufzustellen, und, was noch ärger ist, sogar zu lesen. Rechte so, Euer Exzellenz! Compello eos intrare! Hinein in das Franziskanerkloster mit diesen naseweisen Philosophen, die nicht glauben wollen, was P. Frank, P. Merz und meine Wenigkeit lehren; und wenn etwa zu der Bekehrung dieses Philosophen die Argumente der hochgelehrten P. P. Franciscanorum nicht zureichen, so nehmen sie die Ruthe, mit der einst ein Engel einem lateinischen Kirchenvater den H—t—n durchgerbte, zur Hilfe, und lassen sie ihm auf jeden Hieb ein paar mal ins Ohr rufen: Ciceronianus es non Christianus!
Da mir als einem geistlichen Hirten an dem Seelenheil dieses verirrten Schäfleins nicht weniger als Hochderoselben gelegen seyn muss, so nehme ich mir die Freyheit, Euer Exzellenz hier zugleich ein Exemplar meines katholischen Unterrichts in aller Demuth zu übersenden, der, ohne Ruhm zu melden, denen berühmten Zabuesnikischen Werken an die Seite gesetzt werden kann, und vielleicht die Bekehrung dieses bestias damnati Freygeistes nicht wenig befördern dürfte! wirkt es, und bringt es die gewünschten Früchte hervor, so offerire ich einige tausend Exemplare für die Bayerische, unter Hochdero allein seeligmachendem Kommando stehende Armee. Diese geistliche Lecktüre wird gewiss eine bessere Wirkung hervorbringen, als der heidnische Polybius, der den Offizieren der K. K. Armee vor einigen Jahren gratis ausgetheilet worden; denn es stehet geschrieben: [321] et portae inferi non praevalebunt adversus eam; wenn also der leidige Satanas so einer Armee nicht mal was anhaben kann, wie sollte es dann der weltliche Arm?
In hoc Signo vinces — Sollte aber auch aus besonderer göttlicher Zulassung; ungeachtet meines katholischen Unterrichts, die Armee in diesem zeitlichen Leben unterliegen müssen, so ist sie wenigstens für das bessere Leben mit dem undurchdringlichen Schilde des Glaubens gepanzert; und was ist wohl ein zeitlicher Sieg gegen den ewigen?
Im Vertrauen gesagt, Euer Exzellenz! wir ächte Katholiken müssen zusammenhalten. Meinen katholischen Unterricht will in dem halbketzerischen Wien kein Mensch kaufen; die Druckkosten liegen mir schwer auf dem Herzen; ein Befehl von Euer Exzellenz an Ihre Armee, die nach der Anzahl der Generale und Offiziere wenigstens aus 100000 Mann bestehen muss, hilft mir von meinem ganzen Verlage, wenn nur bey jeder Compagnie ein Exemplar — das ich für einen Batzen liefere — abgenommen wird. P. Frank wird sein Placet zu diesem Befehl gewiss geben, wenn ihm Euer Exzellenz nur im vorbeygehn merken lassen, dass ich von den P. P. Jesuiten auch in ihre Geheimnisse ein geweihet worden sey, und etwas von der gewissen Schatulle, die er aufbewahret, wisse. Sapienti sat.
Für die Frau Kreitmaier, der ich meinen Handkuss abzulegen bitte, und für noch eine Dame, die Euer Exzellenz auch kennen, wird ein sauber gebundenes Exemplar, und extra noch ein Pötscher Bildel, das für Hieb und Stich bewahret, für Euer Exzellenz nachfolgen.
Bitte Euer Exzellenz wollens mir nicht ungnädig auslegen. Ich habe eine wahre Herzensfreude mit einem so andächtigen Generalen in Bekanntschaft zu kommen, der würdig wäre, einst Gross Inquisitor in Madrid oder Lissabon zu werden.
Ich empfehle mich in des Herrn Generalen Gebeth, und bin mit wahrer christlicher Demuth
Wien den 10ten October 1785. |
Euer Exzellenz in Christo ergebener P. Fast. Chormeister zu St. Stephan. |
Das dritte Verbot[3] kann als ein Vorläufer der direkten, d. h. persönlichen Verfolgung des Kurfürsten angesehen werden. [322] Bald nach diesem wurden die ersten Opfer bekannt, die auf Befehl Carl Theodors in aussergerichtliche Verhöre verwickelt wurden und trotzdem der Bestrafung entgegengingen.
Der Stadtoberrichter Fischer zu Ingolstadt wurde zuerst seines Amtes entsetzt und mit seiner Familie einfach dem Elende preisgegeben. Als sein Kollege, der Stadtrat von Dilling, einigen Bekannten gegenüber sein Mitleid darüber äusserte, wurden dessen Worte sofort dem Kurfürsten hinterbracht, und er beorderte den Stadtmagistrat von Delling, diesen ohnehin sehr renommierten Freigeist und Illuminaten, zur Verantwortung zu ziehen. Als Hauptverbrechen gibt der Befehl (den der preussische Gesandte v. Schwarzenau sogar abschriftlich dem König von Preussen als ein Beweis der Nichtigkeit solchen Verfahrens einsandte) an, dass verschiedene Winkoppische Druckschriften bei ihm eingelaufen und aus seiner Hand in andere Hände gegangen wären.
Im Verhör sagte von Delling aus, er habe nur gesagt, dass es ihm unbegreiflich sei, dass ein ihm zwei Jahre lang bekannter Mann, dessen Charakter ihm sehr schätzbar geworden, nunmehr Verbrechen habe begehen können, die den Kurfürsten veranlassen, ihn mit Weib und Kind unerwartet und schnell brotlos zu machen, dass die Ursachen zurzeit noch dem Publikum unbekannt sein müssten. Bezüglich der Drucksachen gesteht er, den Winkoppischen Deutschen Zuschauer[4] gekauft und gelesen zu haben, es sei ihm nicht eine Verordnung bekannt, die die Beschaffung und Lesung dieses Journals verbiete, noch weniger könne man aus dem Besitz desselben schliessen, er billige alles, was die Schrift enthält, er werde es ferner aber weder kommen lassen, noch lesen.
Am 24. August 1785 kam von Serenissimi das Urteil über von Delling. Dasselbe ist ein bleibendes Zeugnis der Despotie jener Zeit und lautete auf: — scharfen Verweis, dreitägigen engen Arrest, Kassation unter Bedrohung einer noch weit empfindlicheren Strafe, wenn er sich weiter mit respektwidrigen Reden oder mit Beischaffung, Bewahr oder Verbreitung verbotener Schriften betreten lassen würde. Wegen des auf sich geladenen Verdachtes sind von Zeit zu Zeit unversehene Visitationen vorzunehmen. — —
[323] Wahrscheinlich infolge Versuche einiger Freunde, die Kassation aufzuheben, wurde vom Kurfürsten am 17. September jede Behelligung mit Vorstellung oder Fürbitte verbeten.
Nach dieser Probe willkürlichsten Verfahrens kann das Weitere nun nicht mehr verwundern.
Die Grafen Savioli und Constanzo wurden ab officio im August suspensiert und in Verhöre verwickelt; letzterer auch über den Zweck seiner Berliner Reise vernommen; beide dann unter Belassung einer Pension von 800 und 400 Gulden nach Italien ausgewiesen. Der junge Hofrat Graf Montgelas mit Ordensnamen Musäus, der denunziert worden war, das Illuminatensiegel aufzubewahren, wurde aufgefordert, dasselbe abzuliefern.
Es war behauptet worden, dass dieses Siegel ein Schiff mit der Sonne darstelle und die Aufschrift: Tempestatibus obstat trage. Montgelas schrieb am 20. September dem Kurfürsten, dass ihm ein solches Siegel gänzlich unbekannt sei, die Behauptung, dass ein solches in seinen Händen, wäre ein verleumderisches Vergehen, und er bitte, gegen seinen Kläger den Rechtsweg eröffnen zu dürfen.
Montgelas hatte nicht gelogen, wenn er sagte, solches Siegel sei ihm unbekannt, denn dasselbe zeigt zwar die Sonne, die jedoch ein blühendes Kornfeld bescheint, vor demselben stand unter einem Baum ein angebundenes Pferd, das diese Saat betrachtet, aber nicht zu ihr gelangen kann. Eine Inschrift hat das Siegel nicht. Das Pferd soll das Volk bedeuten, resp. die gefesselte Kraft und Sehnsucht nach Freiheit. Dieses Siegel war nach Bekanntgabe des Verbotes verschwunden, ist jedoch gerettet worden und nunmehr im Ordensarchiv zu Dresden. – Montgelas behielt seine amtliche Stellung zwar trotz aller Verdächtigungen, wurde jedoch wenig befördert und suchte sich deswegen zu verbessern. Er wurde laut Drekret vom 29. April 1787 am Zweibrückischen Hof durch Carl II., Pfalzgrafen bei Rhein angestellt und ist dann später berufen gewesen, Bayern nach dem Tode des Kurfürsten, unter dessen Nachfolger, als erster Minister zu regieren und den Grund zu dessen jetziger Stellung im Deutschen Reiche zu legen.
Der Kurfürst Carl Theodor hatte vergebens sich der Anstellung bei dem von ihm gefürchteten Hofe widersetzt, er wollte den Illuminaten nicht als Berater seines Nachfolgers wissen, immerhin ist es aber dieser Einfluss gewesen, dass Montgelas in seinem Treueide nachfolgenden Passus beschwören musste:
[324] — — — (ihr werdet) eure mit denen Illuminaten gehabte Verbindung gänzlich verlassen, zu derselben Erhaltung oder Beförderung das geringste nicht beitragen, auch Euch alles dahin einschlägigen Umgangs und Briefwechsels enthalten und überhaupt Euch so betragen, wie es einem treuen Diener eignet und gebührt. — — — —
Weitere Entlassungen aus ihrem Amte betraf die Schulräte Fronhofer, Bucher, Socher, dann den Viceschulinspektor Augustin Sedlmair. Verschiedene Geistliche wurden auf ihre Pfarren verwiesen und durften sie nicht verlassen. In Ingolstadt wurden der Repetitor Duschel und der Bibliothekar Drexl in strenge Untersuchung gezogen, die Professoren Krenner und Semer als Illuminaten erkannt und offiziell verwarnt, wofern sie sich nicht [325] bessern, drohe ihnen das Schicksal Weishaupts. Mehrere Studierende wurden relegiert.
Glaubt man nun, die Universität Ingolstadt sei ein besonderer Hort des Ordens gewesen, so ist solche Annahme irrig, denn ausser den Genannten ist das Register der wirklichen Illuminaten erschöpft, wenn noch der Repetitor Hübner, der Aktuar Bauer und von Studierenden Baron Bartels, Frauenberg, Danzer genannt werden. Einige Studenten, deren Namen unbekannt geblieben, sind vielleicht noch hinzuzuzählen. — Es ist aus dieser kleinen Anzahl zu erkennen, dass die Anwesenheit der Illuminaten die Universität keineswegs entarten konnte, wie der Papst meinte; wie aber soll man den nach der Verfolgung des Ordens entstandenen Zustand der Universität nennen, den Prantl in seiner bereits oft angezogenen Geschichte der Universität auf Seite 638 mit folgenden Worten schildert? »— aber anderseits liegt ein zweiter mittelbarer Berührungspunkt in der Strömung, welche seitens der Regierung bei Aufhebung des Ordens und Verfolgung der Mitglieder desselben eintrat, denn von da an waren die finsteren Mächte überhaupt entfesselt und jeder bessere Universitäts-Lehrer schwebte in der Gefahr, auf die niedrigste Denunciation hin als Illuminat schwere Leiden erdulden zu müssen.« — —
- ↑ Meine Geschichte und Apologie, ein Beitrag zur Illuminatengeschichte 1786.
- ↑ Dieser beliebte und später nachgeschwatzte Vorwurf wird völlig entkräftet durch eine Namensaufstellung der in Frage kommenden Beamten durch Graf Constanzo. Original aus dem Zwackhschen Nachlass im Besitz des Autors.
Verzeichnuss.
In der Obern Landes Regierung unter 15 Rathen ein einziger, Graf Seinsheim, Vicepräsident.
In dem Revisions Gericht unter 13 drey: von Werner; von Berger; Graf Lodron jun.
Im Hofrath unter 38 neun: Bar. Montjellaz; Bar. Erdt; Br. Gumpenberg; v. Peltenkofer; v. Kestler; Graf Savioli; v. Zwackh; Grf. v. Seefeld jun.: v. Eckartshausen.
In der Hofkammer unter 54 drey: Graf Constanzo; v. Zwackh; v. Massenhauser jun.
Im geistlichen Rath unter 13 zwey: v. Haesselein, Vicepräsident; v. Peltenkofer.
Im Comerzien Collegio unter 9 drey: Graf Savioli; v. Zwackh: v. Troponegro.
Bey der Regierung Landshut unter 22 Keiner.
Bey der Regierung Straubing unter 21 zwey: von Jung; von Rieth.
Bey der Regierung Burghausen unter 23 einer: Freiherr v. Armensperg jun.
Bey der Regierung Amberg unter 30 vier: Grf. Hollenstein, Statthalter; Frh. v. Löwenthal; Grf. Hollenstein jun.; v. Grafenstein.
- ↑ Original im Preuss. Staatsarchiv in Berlin.
- ↑ Dass dieses Blatt, aus dem wir die vorhergegangenen Briefe entnahmen, dem Kurfürsten wegen seiner offenen Rede besonders verhasst war, ist begreiflich.
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