Gesetz, betreffend die Ausübung der militärischen Kontrole über die Personen des Beurlaubtenstandes
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(Nr. 1049.) Gesetz, betreffend die Ausübung der militärischen Kontrole über die Personen des Beurlaubtenstandes, die Uebungen derselben, sowie die gegen sie zulässigen Disziplinarstrafmittel. Vom 15. Februar 1875.
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.
verordnen im Namen des Deutschen Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstags, was folgt:
§. 1.
- Die Mannschaften der Landwehr können alljährlich einmal, die übrigen Personen des Beurlaubtenstandes zweimal zu Kontrolversammlungen zusammenberufen werden. Letztere sind mit Bezug auf Zeit und Ort so einzurichten, daß die betheiligten Mannschaften nicht länger als einen Tag, einschließlich des Hinweges zum Versammlungsorte und des Rückweges, ihren bürgerlichen Geschäften entzogen werden.
§. 2.
- Die zur Ausübung der militärischen Kontrole erforderlichen Meldungen sind von den Mannschaften des Beurlaubtenstandes mündlich oder schriftlich im Stationsorte der Landwehr-Kompagnie zu erstatten. Bedürfen schriftliche Meldungen weiterer Erläuterungen, so kann die persönliche Gestellung im Stationsorte gefordert werden.
- Dasselbe gilt für die Anbringung von Gesuchen und Beschwerden in militärischen Dienstangelegenheiten, sowie für Rechtfertigung wegen Versäumniß militärischer Pflichten. In diesen Fällen dürfen Mannschaften des Beurlaubtenstandes auch in das Stabsquartier des Landwehrbezirks-Kommandos beordert werden, wenn ihre persönliche Vernehmung daselbst erforderlich ist.
§. 3.
- Die Gestellung zu den Kontrolversammlungen und im Stationsorte der Landwehr-Kompagnie begründet keinen Anspruch auf Gebühren.
- Mannschaften, welche auf Grund des §. 2 in das Stabsquartier des Landwehrbezirks-Kommandos beordert werden, haben Anspruch auf die reglementarischen Gebühren, wenn das Stabsquartier nicht mit dem Stationsorte der Landwehr-Kompagnie zusammenfällt.
§. 4.
- Landwehr-Mannschaften, welche das 32. Lebensjahr überschritten haben, können zu den gesetzlichen Uebungen nur ausnahmsweise, auf Grund besonderer Kaiserlicher Verordnung einberufen werden. Diese Beschränkung findet jedoch keine Anwendung auf diejenigen, welche
- a) in Folge eigenen Verschuldens verspätet in den aktiven Dienst getreten sind,
- b) wegen Kontrolentziehung, oder in Folge einer erlittenen Freiheitsstrafe von mehr als sechswöchentlicher Dauer ‑ §. 18 des Militär-Strafgesetzbuchs ‑ nachdienen müssen, oder [66]
- c) auf ihren Antrag von der zuletzt vorhergegangenen Landwehr-Uebung befreit worden sind.
- Die Schifffahrt treibenden Mannschaften der Reserve des Heeres und der Landwehr sollen zu Uebungen im Sommer nicht eingezogen werden.
§. 5.
- Offizieren der Reserve, welche bei außergewöhnlicher Veranlassung (Mobilmachung u. s. w.) zum Dienst einberufen werden, ist dies als eine Uebung anzurechnen.
§. 6.
- Als Disziplinarstrafmittel dürfen gegen Personen des Beurlaubtenstandes, außerhalb der Zeit, während welcher sie zum aktiven Heere gehören, abgesehen von den nach §. 3 des Einführungsgesetzes zum Militär-Strafgesetzbuche vom 20. Juni 1872 zulässigen Arreststrafen, nur Geldstrafen bis zu sechszig Mark und Haft bis zu acht Tagen zur Anwendung gebracht werden.
§. 7.
- Die im Disziplinarwege über Personen des Beurlaubtenstandes verhängten Arreststrafen werden durch die Militärbehörde vollstreckt.
- Ist innerhalb drei Meilen vom Aufenthaltsorte des zu Bestrafenden ein Militär-Arrestlokal nicht vorhanden, so sind Arreststrafen von geringerer als achttägiger Dauer auf Requisition der Militärbehörde durch die Civilbehörde zu vollstrecken.
- Die Vollstreckung von Haft- und Geldstrafen erfolgt stets durch die Civilbehörde.
- Die Kosten werden aus Militärfonds erstattet.
§. 8.
- Die zur Ausführung dieses Gesetzes erforderlichen Bestimmungen erläßt der Kaiser.
§. 9.
- Gegenwärtiges Gesetz kommt in Bayern nach näherer Bestimmung des Bündnißvertrages vom 23. November 1870 (Bundes-Gesetzbl. 1871 S. 9) unter III. §. 5 zur Anwendung.
- Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.
- Gegeben Berlin, den 15. Februar 1875.