Gesetz, betreffend die Entschädigung der deutschen Rhederei

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Titel: Gesetz, betreffend die Entschädigung der deutschen Rhederei.
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Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1871, Nr. 27, Seite 249 - 252
Fassung vom: 14. Juni 1871
Ursprungsfassung:
Bekanntmachung: 23.Juni 1871
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[249]

(Nr. 661.) Gesetz, betreffend die Entschädigung der Deutschen Rhederei. Vom 14. Juni 1871.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.

verordnen im Namen des Deutschen Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrathes und des Reichstages, was folgt:

Artikel I.

Den Deutschen Eigenthümern und Deutschen Besatzungen der von Frankreich genommenen Schiffe, beziehungsweise Ladungen, wird aus den bereitesten Mitteln der von Frankreich zu zahlenden Kriegsentschädigung nach folgenden Grundsätzen Entschädigung gewährt.

§. 1.

Den Rhedern und den Ladungs-Eigenthümern der von Frankreich nicht zurückgegebenen Schiffe und Ladungen wird der Werth derselben vergütet. Haben zurückgegebene Schiffe und Ladungen während der Dauer der Wegnahme eine Werthsverminderung erlitten, so erhalten die Eigenthümer für diese Werthsverminderung Ersatz.

§. 2.

Bei der Ermittelung des Werthes ist zum Grunde zu legen:
a) für Schiffe derjenige Werth, welchen sie zur Zeit der Aufbringung gehabt haben. Die Schätzung des Schiffswerthes erfolgt – vorbehaltlich des Rechts des Schiffseigenthümers zum Nachweise eines höheren Werthes – nach der anliegenden Taxskala;
b) bei Ladungen der Werth, welchen dieselben mit Zurechnung der dafür bezahlten Seeversicherungsprämie am Einschiffungsorte zur Zeit des Abgangs des Schiffes gehabt haben.

§. 3.

Den Rhedern, Ladungs-Eigenthümern und Schiffsbesatzungen werden die nachstehend bezeichneten Ausgaben und Verluste, soweit dieselben durch die Aufbringung der Schiffe oder die Wegnahme der Ladungen erweislich erwachsen sind, ersetzt:
Hafengelder, Gerichts- und Notariatskosten, sowie ähnliche baare Auslagen, Verlust an Schiffsproviant, Aufwendungen für den Unterhalt oder die Heimsendung der Schiffe, Ladungen und Besatzungen, die für die Versicherung der Schiffe gegen Seegefahr erweislich bezahlten, auf die Dauer der Wegnahme fallenden Prämien, die verdiente Distanzfracht der nicht mit Ladung zurückgegebenen Schiffe, die Heuer der Besatzungen für die Zeit ihrer Gefangenhaltung und die Verluste an der Habe derselben. Der Werth dieser Habe wird hierbei
a) für einen Schiffsführer auf vierhundert Thaler,
b) für einen Steuermann auf zweihundert Thaler, [250]
c) für einen Untersteuermann, Bootsmann, Zimmermann oder anderen Seemann gleichen Ranges auf Einhundert und funfzig Thaler,
d) für jeden sonstigen Schiffsmann auf Einhundert Thaler
angenommen.

§. 4.

Die nach Maßgabe dieses Gesetzes zu leistende Entschädigung für Schiff, Fracht oder Ladung tritt für die Schiffsgläubiger an Stelle desjenigen, zu dessen Ersatz sie bestimmt ist.

§. 5.

Für Verluste, welche durch Versicherung gegen Kriegsgefahr gedeckt sind, wird, außer dem Ersatz der gezahlten Versicherungsprämie, Entschädigung nicht gewährt.

Artikel II.

Aus der im Artikel I. erwähnten Kriegsentschädigung wird ferner den Rhedern derjenigen Deutschen Kauffahrteischiffe, welche durch feindliche Bedrohung in außerdeutschen Häfen zurückgehalten oder zum Einlaufen in solche Häfen genöthigt worden sind, für die Dauer ihres gezwungenen Aufenthalts Ersatz der ihnen erwachsenen baaren Auslagen für Heuer (ausschließlich Kaplaken) geleistet und außerdem Entschädigung für den Unterhalt der Besatzung nach den von der Liquidationskommission (Art. III.) festzustellenden Grundsätzen gewährt.

Artikel III.

Ueber die nach Maßgabe der vorstehenden Bestimmungen zu gewährende Entschädigung wird für jeden einzelnen Fall durch eine aus sechs Mitgliedern und vier Stellvertretern bestehende Liquidationskommission endgültig entschieden. Die Kommission wird vom Bundesrathe ernannt. Sie wählt ihren Vorsitzenden und einen Stellvertreter desselben aus der Zahl ihrer Mitglieder. Ihre Beschlüsse werden nach Stimmenmehrheit gefasst; bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. Die Kommissionsmitglieder stimmen lediglich nach ihrer eigenen freien Ueberzeugung. Zur Beschlussfähigkeit der Kommission ist die Anwesenheit von mindestens drei Mitgliedern, einschließlich des Vorsitzenden oder seines Stellvertreters, erforderlich. Im Uebrigen regelt die Kommission ihre Geschäftsordnung selbstständig. Die Kommission hat das Recht, die Behörden selbstständig zu requiriren, Zeugen eidlich zu vernehmen oder vernehmen zu lassen, eidesstattliche Versicherungen abzunehmen oder abnehmen zu lassen, auch den Liquidanten präklusivische Fristen für die Anmeldung und Begründung ihrer Forderungen zu bestimmen.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben Berlin, den 14. Juni 1871.
(L. S.)  Wilhelm.

  Fürst v. Bismarck.

[251]


Tax-Skala

für
von Holz gebaute Segelschiffe.

A. B. C. D. E. F. G.
Alter
des
 Schiffes. 
Standard-Werth für eisenfeste Holzschiffe erster Klasse, per Last von 4000 Pfund Preußisch;
Schiffe
Erster Zuschlag. Zweiter Zuschlag. Dritter Zuschlag. Erster Abschlag. Zweiter Abschlag.
bis einschließlich 250 Last. über 250 Last.
Neu oder
1 Jahr   alt

125 Rthlr.
Bei Schiffen von mehr als 250 Lasten werden die ersten 250 Lasten zum vollen Standard-Werthe, die Lasten über 250 hinaus zu einem um 10 Thaler pro Last geringeren Werthe berechnet. Für Schiffe mit Zink, Eisen oder anderer Masse beschlagen, 5 Prozent; ist der Beschlag über 3 Jahre alt, nur 2½ Prozent zum Standard-Werthe. Für kupfer- oder metallfeste Schiffe ohne Beschlag 10 Prozent zum Standard-Werthe. Für kupfer- oder metallfeste Schiffe mit Kupfer- oder Metallbeschlag 20 Prozent; ist der Beschlag über 2 Jahre alt, nur 17½ Prozent zum Standard-Werthe. Hat das Schiff bei Veritas L. („Longcours“), oder ist das beim Germanischen Lloyd klassifizirte Schiff auf der großen Fahrt begriffen oder dafür ausgerüstet, so sollen diese Zuschläge auf 25 Prozent resp. 22½ Prozent erhöht werden. Für Schiffe 2. Klasse 15 Prozent vom Standard-Werthe, nachdem, wo erforderlich, vorher die Zuschläge gemacht sind. Für Schiffe 3. Klasse oder gar nicht klassifizirte Schiffe 30 Prozent vom Standard-Werthe, nachdem, wo erforderlich, vorher die Zuschläge gemacht sind.
2 Jahre alt 120 Rthlr.
3 Jahre alt 115 Rthlr.
4 Jahre alt 110 Rthlr.
5 Jahre alt 105 Rthlr.
6 Jahre alt 102½ Rthlr.
7 Jahre alt 100 Rthlr.
8 Jahre alt 97½ Rthlr.
9 Jahre alt 95 Rthlr.
10 Jahre alt 92½ Rthlr.
11 Jahre alt 90 Rthlr.
12 Jahre alt 87½ Rthlr.
13 Jahre alt 85 Rthlr.
14 Jahre alt 84 Rthlr.
15 Jahre alt 83 Rthlr.
16 Jahre alt 82 Rthlr.
17 Jahre alt 81 Rthlr.
18 Jahre alt 80 Rthlr.
19 Jahre alt 79 Rthlr.
20 Jahre alt 78 Rthlr.
21 Jahre alt 77 Rthlr.
22 Jahre alt 76 Rthlr.
23 oder mehr Jahre alt 75 Rthlr.

[252]


Erläuterungen.

1) Da größere Schiffe sich im Lastenpreise billiger stellen als kleinere, so sollen bei denselben nur die ersten 250 Lasten zum Taxwerthe berechnet werden, während für die darüber hinausgehende Lastenzahl ein Abschlag von 10 Thalern pro Last eintritt. Beispielsweise ist ein 7 Jahre altes Schiff von 300 Lasten, wie folgt, zu taxiren:
250 Lasten à 100 Thaler = 25.000 Thaler,
50 " à 90 " = 4.500 "
zusammen 29.500 Thaler.
2) Bei Feststellung des Alters der Schiffe gelten dieselben bis Ablauf des Kalenderjahres, in welchem sie vom Stapel gelassen sind, für neu, und das erste Jahr ihres Alters endigt mit dem nächstfolgenden Kalenderjahre. Dagegen wird das Jahr der Fortnahme als verstrichen betrachtet und für voll gerechnet. Beispielsweise ist demnach ein Schiff, das im Juli 1868. vom Stapel lief und im August 1870. genommen wurde, 2 Jahre alt.
3) Als Norm für die Klasse gelten die Klassifikationen des „Veritas français“ und des „Germanischen Lloyd“; danach gehören zur
bei „Veritas“ bei „Germ. Lloyd“
1. Klasse 3/3 1. 1. ……………. A. I.
5/6 1. 1. ……………. A. II.
2. Klasse 5/6 2. 1. ……………. B.
3/4 2. 1. …………….
3. Klasse 2/3 3. 2. ……………. C. L.
1/2 3. 2. ……………. C. K.
doch sollen auch die entsprechenden Klassen beim „Englischen Lloyd“, dem „Registre maritime“, den Amerikanischen und anderen anerkannten Klassifikations-Gesellschaften von Gültigkeit sein.
4) Der Werth von Dampfschiffen und eisernen Segelschiffen ist durch eine Tax-Skala nicht festzustellen, sondern muß in jedem einzelnen Falle nachgewiesen werden.
5) Die Deutschen Meßbriefe sind für die Bestimmung der Größe des Schiffes maßgebend, alle abweichenden Vermessungen werden auf die jetzt übliche Last von 4000 Preußischen Pfunden reduzirt.