Gesetz, betreffend die Uebernahme der Verwaltung der Wilhelm-Luxemburg-Eisenbahnen

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Titel: Gesetz, betreffend die Uebernahme der Verwaltung der Wilhelm-Luxemburg-Eisenbahnen.
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Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1872, Nr. 26, Seite 329 - 338
Fassung vom: 15. Juli 1872
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Bekanntmachung: 3. August 1872
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[329]

(Nr. 869.) Gesetz, betreffend die Uebernahme der Verwaltung der Wilhelm-Luxemburg-Eisenbahnen. Vom 15. Juli 1872.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.

verordnen im Namen des Deutschen Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrathes und des Reichstages, was folgt:

Der Reichskanzler wird ermächtigt, sobald die beigefügte, am 11. Juni 1872 vereinbarte Uebereinkunft wegen Uebernahme der Verwaltung der der Wilhelm-Luxemburg-Gesellschaft im Gebiete des Großherzogthums Luxemburg konzessionirten Eisenbahnen durch die Kaiserlich deutsche Eisenbahnverwaltung ratifizirt sein wird, die zur Ausführung der Uebereinkunft erforderlichen Geldmittel, soweit dieselben nicht durch die Einnahmen aus dem Betriebe der Bahnen Deckung finden, bis zur demnächstigen Regelung durch den Reichshaushalts-Etat vorschußweise zu verausgaben. Bis zu demselben Zeitpunkte darf die Anstellung von Beamten, sofern dieselben nicht auf Grund der Uebereinkunft aus der bisherigen Verwaltung übernommen werden müssen, nur vorläufig geschehen.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben Bad Ems, den 15. Juli 1872.
(L. S.)  Wilhelm.

  Fürst v. Bismarck.


__________________


[330]

U e b e r e i n k u n f t
wegen
Uebernahme der Verwaltung der Wilhelm - Luxemburg - Eisenbahnen durch die Kaiserlich deutsche Eisenbahnverwaltung.
Vom 11. Juni 1872.


__________________


Nachdem auf Grund des §. 6 des Zusatz-Artikels I. zum Friedensvertrage zwischen dem Deutschen Reiche und der Französischen Republik dd. Frankfurt den 10. Mai 1871 die Gesellschaft der französischen Ostbahn die ihr zustehenden Rechte auf den Betrieb des Eisenbahnnetzes der Gesellschaft Wilhelm-Luxemburg auf die französische Regierung übertragen und die französische Regierung ihrerseits diese Rechte der Kaiserlich deutschen Regierung abgetreten hat, haben Seine Majestät der Deutsche Kaiser und Seine Majestät der König der Niederlande, Großherzog von Luxemburg, beschlossen, eine Vereinbarung über den Betrieb dieser Bahnen herbeizuführen, und zu diesem Zwecke zu Bevollmächtigten ernannt:

Seine Majestät der Deutsche Kaiser:
Allerhöchstihren Staatsminister und Präsidenten des Reichskanzler-Amts Martin Friedrich Rudolph Delbrück,
Allerhöchstihren Wirklichen Geheimen Ober-Regierungsrath und Direktor im Reichskanzler-Amte Karl Joseph Benjamin Herzog;
Seine Majestät der König der Niederlande, Großherzog von Luxemburg:
Allerhöchstihren Geschäftsträger Jean Pierre Godefroi Föhr,
Doktor der Rechte,

welche, nachdem die beiderseitigen Vollmachten in guter und gehöriger Form befunden worden, folgende Uebereinkunft geschlossen haben:

§. 1.

Die Königlich Großherzogliche Regierung willigt darin, daß die der Königlich Großherzoglich Wilhelm-Luxemburgischen Eisenbahngesellschaft im Gebiete des Großherzogthums Luxemburg konzessionirten Bahnstrecken bis zum 31. Dezember 1912 durch die mit der Verwaltung der Eisenbahnen in Elsaß-Lothringen betraute Kaiserliche Generaldirektion in Straßburg verwaltet und betrieben werden. Die deutsche Regierung behält sich vor, an die Stelle dieser Generaldirektion eine andere Reichsbehörde treten zu lassen. [331]
Die Generaldirektion tritt von dem Tage der Betriebsübernahme ab in alle Rechte und Pflichten, welche sich für die Gesellschaft der französischen Ostbahn aus den Konzessionsurkunden, den Konzessionsbedingungen (cahier des charges), den abgeschlossenen Verträgen und Vereinbarungen, wie solche sich in dem zu dieser Uebereinkunft paraphirten „Recueil des lois, arrêtés, conventions et autres actes relatifs aux chemins de fer Guillaume-Luxembourg et Prince Henri dans le Grand-Duché de Luxembourg (1850 - 71) par P. Ruppert, sous-archiviste du Gouverment“ abgedruckt vorfinden, sowie aus den am 10. Mai 1871 in Geltung gewesenen, durch das „Memorial“ publizirten Gesetzen und Verordnungen ergeben, insofern und insoweit ein, als nicht durch die gegenwärtige Uebereinkunft eine Abänderung oder Ergänzung jener Festsetzungen vereinbart ist.

§. 2.

Die deutsche Regierung verpflichtet sich, die Wilhelm-Luxemburg-Bahnen zu keiner Zeit zum Transporte von Truppen, Waffen, Kriegsmaterial und Munition zu benutzen und während eines Krieges, an welchem Deutschland betheiligt sein sollte, sich derselben für die Proviantirung der Truppen auf keine die Neutralität des Großherzogthums verletzende Weise zu bedienen, sowie überhaupt im Betriebe dieser Bahnen Handlungen, welche den dem Großherzogthum als neutralem Staate obliegenden Verpflichtungen nicht vollkommen entsprechen, weder vorzunehmen, noch zuzulassen.

§. 3.

Die Generaldirektion der Eisenbahnen in Elsaß-Lothringen nimmt bezüglich der Verwaltung der Wilhelm-Luxemburg-Bahnen Domizil in Luxemburg. Wegen aller Ansprüche, welche gegen die Generaldirektion aus Anlaß des Betriebes der im Großherzogthum belegenen Bahnstrecken geltend gemacht werden, ist sie bei den luxemburgischen Gerichten Recht zu nehmen verbunden, und sollen rechtskräftige gerichtliche Entscheidungen gegen das zur Vertretung der Generaldirektion bestellte Organ verbindlich und vollstreckbar sein.

§. 4.

Der Betrieb der Wilhelm-Luxemburg-Bahnen wird einer speziellen Verwaltung nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen übertragen:
Die Generaldirektion der Eisenbahnen bestellt in Luxemburg für die spezielle Leitung des Betriebes einen Beamten, welcher sie zugleich der Königlich Großherzoglichen Regierung und dem Publikum gegenüber in allen den Betrieb der Bahnen betreffenden Angelegenheiten zu vertreten befugt und verpflichtet ist.
Der Königlich Großherzoglichen Regierung wird von der Person dieses Beamten vor der Ernennung desselben Mittheilung gemacht.
Die Königlich Großherzogliche Regierung wird den Verkehr zwischen ihr und der betriebsleitenden Verwaltung, sowie die ihr zustehenden Hoheits- und Aufsichtsrechte durch einen Kommissar wahrnehmen lassen, welcher die Beziehungen zu seiner Regierung in allen Fällen zu vermitteln hat, die nicht zum direkten Einschreiten der nach den Landesgesetzen kompetenten Polizei- oder Gerichtsbehörden geeignet find.
Er wird seine Wahrnehmungen über etwaige Mängel in der Handhabung des Betriebes zur Kenntniß der Generaldirektion bringen. [332]
Die Königlich Großherzoglich luxemburgische Regierung wird ein aus vier Mitgliedern bestehendes Comité bestellen und der deutschen Regierung bezeichnen, welches auf Einladung der Königlich Großherzoglichen Regierung oder der Kaiserlichen Generaldirektion der Eisenbahnen je nach Bedürfniß, jedoch mindestens vierteljährlich einmal in Luxemburg mit Vertretern der deutschen Eisenbahnverwaltung und dem Staatskommissar zusammentritt, um seine Ansichten bezüglich der Bedürfnisse des Verkehrs und des Betriebes kundzugeben.

§. 5.

Die Generaldirektion der Eisenbahnen wird bei dem Betriebe der Bahnen im Großherzogthum Großherzoglich luxemburgische Angehörige, sofern sie den Anforderungen entsprechen, vorzugsweise beschäftigen und anstellen, die luxemburgischen Unterthanen, welche sie bei der Betriebsübernahme als Beamte der französischen Ostbahn vorfindet, in ihren bisherigen Stellen und ihrem bisherigen Diensteinkommen belassen, denselben auch die unter der früheren Verwaltung etwa erworbenen Ansprüche auf Pension gewähren. Derartige Pensionszahlungen erfolgen aus Betriebsfonds zu Lasten der Wilhelm-Luxemburg-Bahnen und zählen daher zu den Kosten der Bahnverwaltung (§. 11).
Deutsche, welche bei der Verwaltung der Eisenbahnen in Luxemburg angestellt oder beschäftigt werden, verlieren dadurch nicht ihre Reichs- bezw. Staatsangehörigkeit; ebensowenig gehen luxemburgische Staatsangehörige, welche beim Betriebe der deutschen Reichseisenbahnen angestellt oder beschäftigt werden, ihrer Staatsangehörigkeit verlustig.
Die sämmtlichen Beamten der unter Leitung der Generaldirektion stehenden Eisenbahnen sind ohne Unterschied des Orts ihrer Anstellung rücksichtlich der Disziplin ausschließlich den vorgesetzten Eisenbahn-Disziplinarbehörden und den betreffenden Disziplinarvorschriften, im Uebrigen aber den Gesetzen und Behörden des Landes unterworfen, in welchem sie ihren Wohnsitz haben resp. Handlungen vornehmen.
Wird die Verhaftung eines bei den zur Verwaltung übernommenen Eisenbahnen im Großherzoglichen Gebiet angestellten Bediensteten wegen Verbrechen, Vergehen oder Uebertretungen von Großherzoglichen Behörden verfügt, so werden die letzteren auf die Erfordernisse des Eisenbahndienstes Rücksicht nehmen und, soweit es nach den Umständen irgend thunlich ist, die nächstvorgesetzte Eisenbahnbehörde so zeitig von der beabsichtigten Verhaftung in Kenntniß setzen, daß der etwa nöthige Stellvertreter noch rechtzeitig in den Dienst eingewiesen werden kann.

§. 6.

Die Dienstkleidung der im Großherzoglichen Gebiet stationirten Beamten wird mit Ausnahme der Vorstöße (passe-poils), sowie mit Ausnahme der Nationalkokarde, die der Beamten der Generaldirektion der Eisenbahnen in Elsaß-Lothringen sein. [333]

§. 7.

Die Betriebs-Reglements und Tarife für den Personen-, Gepäck-, Güter- und Viehverkehr auf den Bahnen im Großherzogthum werden fortdauernd in Uebereinstimmung gehalten mit den jeweilig auf den Eisenbahnen in Elsaß-Lothringen in Geltung stehenden Betriebs-Reglements und Tarifen.
Sofern für die Beförderung von Steinkohlen, Erzen, Kalksteinen, Roheisen, Bausteinen, Gyps, Holz, Getreide und Kartoffeln zwischen je zwei Stationen des zur Verwaltung übernommenen Bahnnetzes zur Zeit niedrigere Frachtsätze, als sich aus den Tarifen für die Eisenbahnen in Elsaß-Lothringen ergeben, bestehen, werden dieselben auch ferner zur Erhebung kommen. Diese Vergünstigung findet jedoch nur auf volle Wagenladungen bei Aufgabe von mindestens 10.000 Kilogramm auf einen Frachtbrief und an einen Empfänger und auf Entfernungen bis zu 50 Kilometer Anwendung.
Die Generaldirektion wird die für den durchgehenden Verkehr und zur Herstellung in einander greifender Fahrpläne nöthigen Personenzüge mit entsprechender Fahrgeschwindigkeit, sowie die zur Bewältigung des Güterverkehrs nöthigen Güterzüge einführen, auch direkte Expeditionen im Personen- und Güterverkehr unter Gestattung des Uebergangs der Transportmittel von einer Bahn auf die andere gegen die übliche Vergütung einrichten und es unausgesetzt ihre Sorge sein lassen, den Verkehr auf den Bahnen im Großherzogthum zu heben und zu beleben. Sie wird insbesondere die Hand dazu bieten, Einrichtungen zu vereinbaren, welche die Einführung eines internationalen Tarifs für die zwischen dem Großherzogthum Luxemburg und dem Königreich der Niederlande sich bewegenden Transporte bezwecken.
Den in der Nähe der Bahn belegenen industriellen Etablissements werden wegen Gestellung von Wagen, Be- und Entladung derselben, sowie wegen des Betriebes auf den Anschlußgeleisen und der Anlage neuer Anschlußgeleise etc. keine ungünstigeren Bedingungen gestellt werden, als derartigen Etablissements in der Nähe der Bahnen in Elsaß-Lothringen.

§. 8.

Die von deutschen Behörden geprüften Betriebsmittel werden ohne weitere Revision auch auf Großherzoglich luxemburgischem Gebiete zugelassen.

§. 9.

Die Großherzoglich luxemburgische Regierung wird Vorsorge treffen, resp. ihre Vermittelung dafür eintreten lassen, daß entweder kurz vor oder unmittelbar nach der Uebernahme des Betriebes durch die deutsche Eisenbahnverwaltung zu einer Uebernahme der Geleise nebst Zubehör, sowie zur Aufnahme des Inventariums über das stehende Material und Mobiliar der Bahnhöfe, Stationen, Depots etc. geschritten, und daß der deutschen Verwaltung die Pläne der Bahnanlagen, ein Parzellen-Verzeichniß von den zur Bahn gehörigen Grundstücken nach Maßgabe der Vereinbarungen im Artikel 5 des Vertrages vom 21. Januar 1868, sowie ferner die auf den Erwerb der Bahnanlagen, Grundstücke etc., und endlich die auf die Anstellung der luxemburgischen Unterthanen als Beamte der Ostbahn-Gesellschaft Bezug habenden Dokumente übergeben werden. [334]

§. 10.

Die Verwaltung der von der Generaldirektion der Eisenbahnen in Elsaß-Lothringen betriebenen Bahnstrecken erfolgt nach den für die Eisenbahnen in Elsaß-Lothringen eingeführten Normen auf Grundlage der alljährlich aufgestellten Etats. Eine Rechnungslegung findet bezüglich derselben nicht statt. Gleichwohl wird die das erpachtete Bahnnetz betreffende Einnahme und Ausgabe getrennt ermittelt und der Königlich Großherzoglichen Regierung alljährlich im Monat März eine summarische Uebersicht der Einnahmen und Ausgaben resp. der Ergebnisse des Betriebes im Vorjahre zugestellt werden, sowie es der letzteren auch gestattet sein soll, zum Zwecke der Prüfung dieser Uebersichten innerhalb zweier Monate nach der Zustellung durch den Staatskommissar (§. 4) von den Detailrechnungen und den Kassenbüchern, Registern etc., der Generaldirektion, soweit sie sich auf die Wilhelm-Luxemburg-Bahnen beziehen, Einsicht zu nehmen.

§. 11.

Um die Aufstellung der getrennten Betriebsrechnung zu erleichtern beziehungsweise auf feste Grundsätze zurückzuführen, wird vereinbart:
A. Einnahmen.
1. In Bezug auf die Brutto-Einnahmen aus dem Personen-, Gepäck-, Vieh-, Eil- und Frachtgutverkehr werden die beiden unter einer Verwaltung vereinigten Bahnnetze als getrennte Unternehmungen angesehen. Jedem Netze fällt daher der wirklich aufgekommene Bruttoertrag aus seinem Lokalverlehr, d. h. aus dem Verkehr zwischen seinen eigenen Stationen, zu. Die Erträge aus dem direkten Verkehr zwischen den Stationen beider Bahnnetze, resp. mit den Stationen fremder Bahnen werden bei gleichen Transport-Einheitssätzen nach Ausscheidung der für Empfang- und Versandt-Stationen bestimmten und diesen verbleibenden Expeditionsgebühren, nach Verhältniß der in jedem Bahnnetz durchfahrenen Streckenlänge, resp. nach den für den direkten Verkehr mit fremden Bahnen durch besondere Vereinbarungen für jede Bahnabtheilung festgesetzten Antheilsätzen repartirt.
2. Die Einnahmen an Pächten von Restaurationen, Dienstwohnungen, Dienstlokalen der Post- und Telegraphenverwaltung, Grundstücken, Lagerplätzen, Böschungen und Anpflanzungen, für Mitbenutzung der Bahnhöfe durch andere Bahnverwaltungen, sowie an Gebühren für die Beförderung von Privatdepeschen und aus anderen extraordinairen Quellen werden jeder Abtheilung, in deren Bereich sie aufkommen, zugeführt.
3. Die Erträge aus abgängigen Betriebsmaterialien werden, nach Verhältniß der in jeder Bahnabtheilung durchlaufenen Achsmeilen, Lokomotiv- und Wagen-Achsmeilen zusammengerechnet, repartirt,
4. Die Entschädigung für Benutzung des Betriebsmaterials durch andere Bahnverwaltungen wird nach dem unter B. II. a. festgestellten Verhältniß repartirt, wobei die von der Wilhelm-Luxemburg-Bahn zu tragende, ebendaselbst erläuterte Verzinsung den Eisenbahnen in Elsaß-Lothringen ungeschmälert zufließt. [335]
B. Betriebsausgaben.
I. Die Wilhelm-Luxemburg-Bahn nimmt an allen Betriebsausgaben der der Generaldirektion der Eisenbahnen in Elsaß-Lothringen unterstellten Bahnen Theil, und zwar:
1) an den Kosten für die allgemeine Verwaltung nach Verhältniß der Bahnlänge;
2) an den Kosten für die Bahnverwaltung, sowie an den Steuern, Kommunalabgaben und öffentlichen Lasten nach Maßgabe der wirklichen Ausgaben innerhalb ihres Bereichs;
3) an den Kosten der Transportverwaltung, und zwar:
a) an den Kosten für Unterhaltung, Ergänzung und durch den Verschleiß bedingte Erneuerung der Lokomotiven
nach Verhältniß der von den Lokomotiven auf jeder Strecke zurückgelegten Lokomotiv-Achsmeilen,
b) an den Kosten für Unterhaltung, Ergänzung und durch den Verschleiß bedingte Erneuerung der Wagen
nach Verhältniß der von den Wagen auf jeder Strecke zurückgelegten Wagen-Achsmeilen,
c) an den übrigen Transportverwaltungs-Kosten, exkl. der Kosten für Benutzung fremden Transportmaterials,
nach Verhältniß der zusammen zu rechnenden, auf jeder Bahnstrecke durchlaufenen Lokomotiv-Achsmeilen und Wagen-Achsmeilen.
Als vereinbart gilt, daß in jedem Betriebsjahre
auf je 60.000 Lokomotiv-Meilen
die Beschaffung einer Lokomotive,
auf je 80.000 Personenwagen-Meilen
die Beschaffung eines Personenwagens,
auf je 40.000 Gepäck- und Güterwagen-Meilen
die Beschaffung eines Gepäck- resp. Güterwagens
als durch den Verschleiß bedingte Erneuerung (3 a. und b.) zu erfolgen hat.
II. Da die Wilhelm-Luxemburg-Bahnen eigenes Betriebsmaterial nicht besitzen, von der deutschen Eisenbahnverwaltung mit einem solchen vielmehr auszurüsten sind, so ist die Generaldirektion der Eisenbahnen berechtigt, für die Benutzung ihres Betriebsmaterials alljährlich eine Entschädigungssumme unter die Betriebsausgaben für die Wilhelm-Luxemburg-Bahnen nach folgenden Grundsätzen aufzunehmen:
a) Von dem gesammten Geldbetrage, welcher für die Beschaffung (nicht auch Erneuerung oder Ergänzung, deren Kosten ohnehin zu den laufenden Betriebsausgaben zählen) der Betriebsmittel für die ihr unterstellten Bahnen wirklich verausgabt worden ist, werden, und zwar von den bei dem Beginn der Betriebsverwaltung vorhandenen, von diesem Tage ab, von den später beschafften von dem Tage der Inbetriebnahme derselben ab, resp. von den überjährigen am Schlusse des Jahres vorhanden gewesenen für das ganze betreffende Betriebsjahr, 5 Prozent Zinsen berechnet und deren Summe
bei den Lokomotiven nebst Tendern
nach Verhältniß der Lokomotiv-Achsmeilen,
bei den Personen-, Gepäck, und Güterwagen
nach Verhältniß der Wagen-Achsmeilen, [336]
auf die einzelnen Theile des Unternehmens resp. auf die Bahnstrecken in Elsaß-Lothringen und auf die im Großherzogthum Luxemburg repartirt.
b) Die Anschaffungskosten der im Laufe des Jahres gänzlich unbrauchbar gewordenen oder veräußerten Betriebsmittel kommen von dem Gesammtbetrage des aufgewendeten Kapitals in Abgang und werden die Zinsen davon nur bis zum Tage der Zurückstellung der betreffenden Betriebsmittel berechnet.
c) Was für die Benutzung fremden Betriebsmaterials gezahlt wird, wird gleichfalls für jedes Betriebsjahr auf die beiden Abtheilungen des Bahnnetzes nach Verhältniß der Lotomotiv- resp. der Wagen-Achsmeilen repartirt.
III. Die deutsche Eisenbahnverwaltung ist ferner berechtigt, für die von ihr geleisteten außerordentlichen Aufwendungen zur betriebssicheren Herstellung der Bahn, zur Erweiterung der Bahnanlagen, Legung eines zweiten Geleises etc. von dem wirklich verausgabten Kapital, und zwar vom Tage der Verausgabung ab, 5 Prozent Zinsen den Betriebsausgaben hinzuzurechnen.
Diese Zinsen vermindern sich mit der fortschreitenden im §. 12 sub b. vorgesehenen Amortisation des Kapitals, indem die amortisirten Theile des Kapitals nur bis zum Schlusse desjenigen Betriebsjahres verzinst werden, aus dessen Reinertrag die Rückerstattung erfolgt ist.

§. 12.

Der von der Brutto-Einnahme nach Deckung der in Gemäßheit des §.11 berechneten Ausgaben verbleibende Ertrag bildet die Netto-Einnahme des Bahnnetzes.
Aus derselben werden entnommen:
a) die der Wilhelm-Luxemburg-Gesellschaft für den im Großherzogthum belegenen, zur Verwaltung übernommenen Theil ihres Bahnnetzes zu zahlende Jahrespacht;
d) ein Betrag zum Zwecke der Amortisirung des von der deutschen Eisenbahnverwaltung für die Verbesserung der Bahn, Erweiterung und Vervollständigung der Bahnanlagen, Legung des zweiten Geleises etc. innerhalb des abgelaufenen Betriebsjahres aufgewendeten Kapitals (§. 11 B.III.).
Ein gleicher Betrag wird auch in jedem der folgenden Jahre der noch verbleibenden Pachtzeit zur Tilgung jenes Kapitals verwandt. Die Höhe desselben ist also derart zu bemessen, daß die völlige Tilgung bis zum Schlusse der Pachtzeit ermöglicht wird.
Der alsdann noch verbleibende Rest wird zum vollen Betrage behufs allmäliger Erstattung der von der Königlich Großherzoglichen Regierung der Wilhelm-Luxemburg-Gesellschaft gewährten Staatssubvention von 8 Millionen Franks an die Großherzoglich luxemburgische Regierung gezahlt. [337]
So lange die Subvention nicht völlig erstattet ist, verzichtet die deutsche Regierung auf jede Theilnahme an dem aus dem Unternehmen sich ergebenden Reingewinn.
Man ist jedoch dahin übereingekommen, daß, wenn in irgend einem Betriebsjahre die Einnahmen zur Deckung der Ausgaben, einschließlich der in diesem Paragraphen sub a. und b. bezeichneten Posten, nicht hinreichen, seitens der deutschen Eisenbahnverwaltung vielmehr Zuschüsse haben geleistet werden müssen, diese sich auf das nächste Jahr resp. die nächsten Jahre übertragen und Zahlungen auf die Subventionssumme an die Großherzoglich luxemburgische Regierung überhaupt erst zu erfolgen haben beziehungsweise wieder aufzunehmen sind, wenn die deutsche Regierung wegen der früheren Ausfälle resp. Zuschüsse vollständig gedeckt ist.
Sobald die durch die Königlich Großherzoglich luxemburgische Regierung dem Unternehmen gewährte Subvention von 8 Millionen Franks derselben vollständig zurückgewährt ist, wird der nach der Zahlung der Pacht an die Wilhelm-Luxemburg-Gesellschaft (sub a.) und des Amortisationsbetrages (sub b.) verbleibende Rest des Nettoertrages zur Hälfte an Luxemburg überwiesen, während die andere Hälfte der deutschen Verwaltung verbleibt.

§. 13.

Die Königlich Großherzoglich luxemburgische Regierung übernimmt durch den gegenwärtigen Vertrag keinerlei Garantie gegenüber der Wilhelm-Luxemburg-Gesellschaft, dem belgischen Staate oder der belgischen Groß-Luxemburg-Gesellschaft, resp. den beiden abgeschlossenen Traktionsverträgen betheiligten Parteien.
Die Kaiserlich deutsche Regierung wird die Königlich Großherzoglich luxemburgische Regierung gegen Ansprüche vertreten, welche von der Wilhelm-Luxemburg-Gesellschaft in Folge des vorliegenden Vertrages auf Grund des Cahier des charges vom 9. November 1855 gegen die Königlich Großherzoglich luxemburgische Regierung etwa erhoben werden möchten.
Die letztere wird von der Erhebung solcher Ansprüche der Kaiserlich deutschen Regierung unverzüglich Mittheilung machen.

§. 14.

Beide vertragschließende Regierungen werden von dem ihnen zustehenden Rechte zur Kündigung des Vertrages vom 20./25. Oktober 1865, betreffend die Fortdauer des Anschlusses des Großherzogthums Luxemburg an das Zollsystem Preußens und der übrigen Staaten des Zollvereins, keinen Gebrauch machen, so lange die im §. 1 bezeichneten Bahnstrecken von der Kaiserlichen Generaldirektion der Eisenbahnen in Straßburg oder von einer anderen, an deren Stelle getretenen Reichsbehörde verwaltet und betrieben werden.

§. 15.

Die vertragenden Theile werden sich über eine Erneuerung der von der deutschen Regierung zum 1. Juli 1872 gekündigten und mit diesem Tage außer Kraft tretenden Post- und Telegraphenverträge, unter Berücksichtigung der bestehenden Verhältnisse und der in Deutschland eingetretenen Veränderungen verständigen. [338]

§. 16.

Die zur Ausführung des gegenwärtigen Vertrages in Bezug auf den Betrieb der Eisenbahnen sich etwa als nothwendig ergebenden speziellen Bestimmungen werden von Kommissarien vereinbart, welche von den beiderseitigen Regierungen ernannt und in Luxemburg zusammentreten werden.

§. 17.

Der gegenwärtige Vertrag wird ratifizirt durch Se. Majestät den Deutschen Kaiser einerseits und durch Se. Majestät den König der Niederlande, Großherzog von Luxemburg andererseits, und werden die Ratifikations-Urkunden am 12. Juli 1872, wenn nicht früher, in Berlin ausgetauscht werden.
Die Uebernahme des Betriebes auf den in §. 1 bezeichneten Eisenbahnen durch die Kaiserliche Eisenbahndirektion in Straßburg erfolgt thunlichst bald nach Austausch der Ratifikations-Urkunden.
Zu Urkund dessen haben die beiderseitigen Bevollmächtigten gegenwärtige Uebereinkunft vollzogen und mit ihrem Siegel versehen.
Geschehen Berlin, den 11. Juni 1872.
Delbrück.                Herzog.                 J. P. Foehr.


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Die vorstehende Uebereinkunft ist ratifizirt worden und die Auswechselung der Ratifikations-Urkunden hat stattgefunden.